stelle an realschule

  • als sekII/I-lehrerin stelle an einer realschule annehmen? pro & contra?


    hat das hier vielleicht jemand gemacht und kann von seinen erfahrungen berichten?

  • Ich persönlich kann ja nur von Sek I/II KollegInnen berichten, die an meiner Ausbildungsschule tätig sind. Also niemand trauert wirklich darum, nicht am Gymnasium zu sein, wenn man als auf SChülerschaft und die gesamte innere STruktur schaut. Der einzige Kanckpunkt ist wohl die GEhaltsstufe.


    Liebe Grüße,


    sunshie14

    • Offizieller Beitrag

    Hi Juliet,


    schau mal hier


    http://www.lehrerforen.de/oldforum.php?topic=100779435779



    bzw. gib mal in die Suche die Begriffe "Realschule" und "Oberstufe" ein. Dann findest du mehrere ältere Threads zu dem Thema.


    Ich bin zwar keine SekII-Lehrerin, aber an meiner jetzigen Schule und an der Schule, an der ich Ref gemacht habe, arbeiten viele SekII-Lehrer.


    Einer der wichtigsten Unterschiede ist vermutlich der, dass du an der RS keine Oberstufe unterrichtest. Es gibt Kollegen, die bewusst nach dem Ref an eine Realschule wollten, weil sie nicht so gerne Oberstufe unterrichten oder weil sie lieber mit jüngeren Schülern arbeiten. Soweit sie berichten, fühlen sie sich bei uns sehr wohl. Ich habe es in einem der älteren Threads schon mal geschrieben: Du musst dir überlegen, ob dir die Arbeit in der Oberstufe sehr wichtig ist.


    Da ich in meinem Umfeld Lehrer habe, die am Gymnasium unterrichten, sehe ich den Unterschied in der Alltagsarbeit deutlich. Bei den Gymnasiallehrern besteht ein wesentlich größerer Teil der Arbeit in der Unterrichtsvorbereitung und darin, sich auch noch mal in Themengebiete einzuarbeiten. Das ist bei mir und meinen Kollegen anders: Die Unterrichtsvorbereitung nimmt bei mir einen nicht ganz so großen Teil der Zeit ein (die Korrekturen leider um so mehr :( , aber das ist ja fächer- und nicht schulformabhängig), dafür verbringe ich viel Zeit damit, den Unterrichtsstoff so zu gestalten, dass meine Schüler ihn verstehen und üben. Ich habe z.B. in Englisch viel Freiarbeitsmaterial hergestellt, bin ständig auf der Suche nach Zusatzübungen, Spielen und anderen Formen der Übung.


    Was mir noch stärker auffällt, ist der sehr hohe Anteil der pädagogischen Arbeit: Ich verbringe damit sehr viel Zeit und es ist keine Ausnahme, in einer Woche 4 Elterngespräche zu führen. In den Realschulen, die ich näher kenne (das ist aber nicht überall so), haben die Schüler eine deutliche stärkere Bindung zu ihrem Klassenlehrer, der seine beiden Unterrichtsfächer (und eventuell noch andere Fächer fachfremd) über die komplette Realschulzeit in dieser Klasse unterrichtet. Man tritt bei uns als Klassenlehrer sehr stark in Erscheinung und dies ist auch sehr arbeitsintensiv, wobei es auch sehr viel Spaß macht.


    Tendentiell sind die Disziplinprobleme wesentlich höher, wobei dies natürlich stark vom Einzugsgebiet der Schule und der jeweiligen Klasse abhängt. Ich habe mehrere Lehrer erlebt, die vom Gymnasium kamen und bei uns in einigen Klassen erst einmal sehr erschreckt waren, da sie mit den Schülern nicht fertig wurden und erzählten, in der alten Schule hätten sie sich nur räuspern müssen, dann wären die Schüler ruhig gewesen. Solche Vorzeigeklassen sind mir an meinen Schulen noch nicht begegnet, aber es ist auch nicht so, dass die Schülerim Alltagsunterricht über Tische und Bänke gehen, wenn man als Lehrer konsequent ist. Man muss halt nur sehr präsent sein und wesentlich mehr Energie in solche Sachen stecken.


    Es wird bei uns weniger abstrakt und eher anschaulich unterrichtet, auch die Übungphasen sind meist länger. Das brauchen die Schüler auch. Man braucht also schon ein bisschen Geduld.


    Wir haben auch eine andere Elternschaft als die Gymnasien. Akademikereltern sind bei uns eher selten vertreten. Das hat Vor- und Nachteile: Ich habe es bisher noch nie erlebt, dass Eltern mir in meinen konkreten Unterricht reinreden wollten oder sich über Noten beklagt haben.
    Unsere Schüler (das kann aber auch an der Gegend legen), sind ein bisschen tougher, aber auch sehr direkt - mit allen Vor- und Nachteilen. Wir haben eher weniger Schüler, die schleimen, den Lehrer fachlich austesten wollen oder ihre Mitschüler gezielt und "hintenrum" fertig machen - Konflikte zeigen sich eher direkt - was ebenfalls Vor- und Nachteile hat.


    Die Leistung steht nicht so sehr im Vordergrund wie am Gymnasium (ich war als Schülerin am Gymnasium und sehe einen deutlichen Unterschied). Wir arbeiten wesentlich weniger fachlich, dafür läuft bei uns aber auch sehr viel in Sachen Berufsvorbereitung, Konfliktlösung und und und. Besonders als Klassenlehrer ist man oft eher Sozialarbeiter als Wissensvermittler, da man in Eltern- und Schülergesprächen mit Problemen in Kontakt kommt, für die man so gar nicht ausgebildet wurde und die man wahrscheinlich auch vorher nicht erahnt hat (das kann theoretisch von Scheidungsproblemen, über notorisches Schulschwänzen bis zum vernachlässigten Kind reichen oder auch noch weit darüber hinaus - je nach Einzugsgebiet). Das gibt es vermutlich am Gymnasium auch in Einzelfällen, aber an den Realschulen wahrscheinlich deutlich häufiger.


    Du musst dir also überlegen: Ist dein Schwerpunkt das fachliche Unterrichten auf hohem Niveau oder eher die pädagogische Arbeit?


    Ich unterrichte sehr gerne an der Realschule, weil ich auch gerne pädagogisch arbeite und es wahnsinnig spannend finde, was meine Klasse im Laufe der Zeit für eine fachliche und menschliche Entwicklung durchmacht und weil ich sehr viele Erfolgserlebnisse habe. Es ist beispielsweise eine schöne Herausforderung, Kindern, die zuhause kaum Bücher haben, Bücher näher zu bringen und zu sehen, wie diese Kinder regelmäßig Bücher aus der Klassenbücherei lesen oder Kindern, die zuhause Konflikte nur laut lösen können (nein, wir haben nicht nur solche Kinder) zu vermitteln, dass man Konflikte eben auch anders lösen kann. Allerdings fürchte ich, dass jemand, der gerne wissenschaftlich arbeitet und Probleme auf hohem Niveau behandeln möchte, sich an der Realschule nicht wohlfühlen könnte.


    Welche Fächer unterrichtest du denn? Vieles hängt ja auch stark vom Fach ab.


    Last but not least: Du verdienst an der Realschule weniger (A12 statt A13).


    Ich wünsche dir viel Glück für deine Entscheidung,


    Referendarin

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    julietx schrieb am 15.12.2006 18:02:
    als sekII/I-lehrerin stelle an einer realschule annehmen? pro & contra?


    hat das hier vielleicht jemand gemacht und kann von seinen erfahrungen berichten?


    Also ich stand letztes Jahr vor der Entscheidung, als ich ein Angebot einer Realschule auf dem Tisch hatte.
    Ich habe abgelehnt - nicht weil ich zuwenig verdient hätte oder ich die Realschule als "minderwertig" abgetan hätte.
    Nein, ich wollte deswegen nicht an die Realschule, weil ich nicht umsonst so lange studiert habe und mein Sek II Examen gemacht habe, um dann auf die Oberstufe - den aus meiner Sicht "interessanteren" Teil der Schule zu verzichten.


    Heute fühle ich mich darin bestätigt, wenn ich sehe, was die Oberstufler leisten KÖNNEN oder KÖNNTEN (wenn sie wollten...).


    Gruß
    Bolzbold

  • @ referendarin


    hervorragende beschreibung. trifft es voll!

    Suum cuique!


    Um Vorwürfen vorzubeugen,
    gilt bei allen meinen Beiträgen mitzudenken:
    BSE:
    (BETROFFENHEIT SORGE ERSCHÜTTERUNG)

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Nein, ich wollte deswegen nicht an die Realschule, weil ich nicht umsonst so lange studiert habe und mein Sek II Examen gemacht habe, um dann auf die Oberstufe - den aus meiner Sicht "interessanteren" Teil der Schule zu verzichten.


    Naja, das Realschullehramt ist - zumindest in Rheinland-Pfalz - nicht wesentlich kürzer oder weniger arbeitsintensiv. Es sind nur wenige Scheine, die wir weniger machen mussten. Sowohl das Latinum als auch Mittelhochdeutsch und die meisten anderen Scheine brauchten wir Realschullehrer auch.


    Die pägagogische Prüfung war bei uns sogar länger als bei den Gymnasialleuten und wir mussten in Englisch die Examensklausur auf Englisch schreiben, während die Gymnasialleute sie auf Deutsch schrieben - warum auch immer.


    In Rheinland-Pfalz konnte man zu meiner Zeit auch kein Doppelexamen für die SekI und SekII machen - bei uns saß sogar damals eine fertige Gymnasiallehrerin an der Uni, die Scheine nachmachen musste, weil sie noch das Examen für die Realschule machen wollte - auch wenn das ein bisschen aberwitzig ist.

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