Wie fokussiere ich Aufmerksamkeit?

  • Hallo,


    ich habe im Februar mein Referendariat an einer Förderschule begonnen und habe festgestellt, dass es mir sehr schwer fällt, die Aufmerksamkeit vieler Schüler zu fokussieren, sie zur Ruhe zu bringen und zu „disziplinieren“. Vielleicht könnt Ihr mir ja mal ein paar Tipps dazu geben...
    Ich schildere erst mal die Situation genauer, um sie deutlicher zu machen:
    Viele meiner Schüler hören einfach nicht zu. Bevor ich etwas sagen kann, dauert es Ewigkeiten, bis alle leise sind. Wenn es dann endlich ruhig sind, dauert es keine 2 Minuten, bis die Unruhe wieder da ist. Ich brauche nur einen Satz zu sagen und das Rumgeschreie, Gequatsche und gegenseitige Ärgern/Beleidigen ist wieder voll im Gange... Es herrscht also praktisch permanent Unruhe.
    Auch wenn ich nur eine knappe Arbeitsanweisung geben will, hören viele Schüler nicht bis ich zum Ende zu, sondern stürzen direkt los und fangen an, irgendetwas zu machen, von dem sie annehmen, dass sie es machen sollen.
    Ich weiß nicht, ob mein Unterricht zu theorielastig ist oder es an den Schülern liegt. Viele der Schüler können sich länger konzentrieren, wenn sie selber etwas „tun“ können. Eigentlich versuche ich aber schon, den Unterricht möglichst handlungsorientiert zu gestalten, aber ein bisschen Theorie muss man doch vermitteln und es ist doch auch wichtig, dass die Schüler mal lernen, zuzuhören, oder sehe ich das falsch?
    Theoretische Inhalte durch Lesen oder Vorlesen lassen zu vermitteln ist auch nicht drin, da viele meiner Schüler eher schlechte Leser sind und einige nicht sinnentnehmend lesen können. Was also tun???
    Vielleicht liegt die Unruhe aber auch z. T. daran, dass es mir häufig schwerfällt, kindgemäße Formulierungen zu wählen. Kann mir vielleicht jemand einen Tipp geben, wie man trainieren kann, seine Sprache zu vereinfachen und auf den Punkt zu bringen?
    Ein weiterer Grund, warum es für mich zumindest in einer der beiden Klassen, so schwierig sein könnte, die Schüler zur Ruhe zu bringen (und zur Mitarbeit zu motivieren), könnte der sein, dass mein Mentor in dieser Klasse so gut wie keinen Unterricht macht. Die Schüler dürfen sich jeden Morgen überlegen, was sie machen (wollen) und beschäftigen sich dann quasi selbst... Ist natürlich nicht gerade die beste Voraussetzung für mich, selber strukturierten Unterricht zu machen, aber ändern kann ich es ja auch nicht, kann ja meinem Mentor schlecht vorschreiben, wie er seinen Unterricht zu gestalten hat.
    In der anderen Klasse ist das aber nicht so. Meine Mentorin hat die Klasse im Griff, ohne viel rummeckern zu müssen und mir ist einfach nicht klar, wie sie das schafft. Man muss aber dazu sagen, dass die meisten Schüler sie nicht mögen. Das möchte ich natürlich auch nicht erreichen – Ruhe um jeden Preis...
    Ich kriege die Kinder jedenfalls nur kurzzeitig ruhig, wenn ich rumschreie und mit ihnen schimpfe, was ich aber nur selten und zudem sehr ungern mache. Vielleicht bin ich ja auch einfach zu „lieb“ und nachsichtig und sie tanzen mir deshalb so auf der Nase herum. Aber ich habe Angst davor, durch zu viel Gemeckere die Beziehung zu den Kindern aufs Spiel zu setzen, denn auch wenn ich oft super-genervt von ihnen bin, mag ich sie gerne und möchte nicht, dass sie mich total ätzend finden.
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  • Förderschule bedeutet Sonderschule, oder? Lernhilfe?


    Ich fürchte, dann wirst du dich noch länger mit diesem Problem rumschlagen müssen. Zumindest hier in den städtischen Lernhilfeschulen sind Verhaltensauffälligkeiten und damit verbundene Aufmerksamkeitsdefizite das Hauptproblem.
    Zunächst einmal: Sei nicht frustriert, weil es bei dir nicht so läuft wie bei deinen Mentoren. Das ist absolut normal und bleibt bei vielen Referendaren bis zum Schluss so. Die Schüler merken ja, dass jemand noch unerfahren ist und sie kriegen vor allem recht schnell raus, dass du nicht die gleiche Machtposition innehast wie ihr jeweiliger Klassenlehrer.


    Trotzdem musst du natürlich nicht verzweifeln und es gibt Möglichkeiten, seinen Stand in der Klasse zu festigen und damit auch die Unaufmerksamkeit der Schüler zu verringern.
    Für konkrete Tipps wäre es aber hilfreich zu wissen, in welcher Klassenstufe du nun bist und evtl. auch das Alter der Schüler. An Lernhilfeschulen verschiebt sich das ja meistens und entspricht nicht der wirklichen Klassenstufe.
    Wieviele Stunden unterrichtest du denn in der jeweiligen Klasse? Bist du allein in der Klasse oder sind deine Mentoren anwesend? Greifen sie in deinen Unterricht ein?


    Gruß,
    Mia<br>

    Man soll denken lehren, nicht Gedachtes.
    (Cornelius Gustav Gurlitt)

  • Förderschule ist eine Schule für Kinder mit Sprachbehinderungen, für Lern- und Erziehungshilfe, also sozusagen 3 Fachrichtungen in einem. Ich habe 2 jahrgangsübergreifende Lerngruppen, weil unsere Schule so klein ist. In der einen Lerngruppe sind Kinder aus der fünften bis achten Klasse (die sind so zwischen 12 und 14 oder 15), in der anderen Kinder aus der achten bis zehnten Klasse (die sind zwischen 15 und 17). Ich habe in der einen Lerngruppe 14, in der anderen 15 Schüler. Keiner meiner Schüler hat eine Sprachbehinderung.
    In den kompletten Lerngruppen bin ich leider nur recht selten, für den Hauswirtschaftunterricht arbeite ich nämlich nur mit 2 Teilgruppen.
    Meine Mentorin mischt sich leider m. E. nach ziemlich in meinen Unterricht ein, kritisiert mich auch vor den Schülern, wenn ich Fehler mache. Ich bin zwar bereit, auch vor den Schülern zu meinen Fehlern zu stehen, sonst wäre ich ja auch nicht authentisch - schließlich ist keiner perfekt, aber sie macht es auf eine total unsachliche Art und Weise, fragt mich z. B. vor den Schülern in einem total entgeisterten Tonfall: "Das verstehe ich aber nicht. Wie haben Sie sich das denn vorgestellt?"
    Naja, ich hör mal besser auf, hier herumzujammern, aber Du hast ja gesehen, was ich schon über meine Mentoren geschrieben habe - bin echt genervt von denen.
    Über Tipps zur Aufmerksamkeitsfokussierung würde ich mich total freuen. Schließlich will ich an mir arbeiten und nicht alle Schuld an dem ganzen Chaos auf Schüler und Mentoren schieben.


    Gruß,
    Käse<br>

  • Liebe(r) Käse!
    Ich bin zwar an der GS, aber mir geht es im Moment ähnlich wie dir. Ich bin abgeordnet an eine Schule und gehe dort nur 5 Stunden hin. Natürlich bin ich den anderen Kollegen schnuppe, es ist so, als ob ich nicht da wäre, aber, sie achten ziemlich genau darauf, dass es immer sehr, sehr ruhig abgeht. Das setzt mich wieder unter Druck und als Fachlehrer, der nur 1 Stunde in der jeweiligen Klasse ist, ist es schwer, Ruhe in die Klasse zu bekommen (zumal ich natürlich die Namen noch nicht kenne und keiner bereit ist, Fotos zusammenzustellen zum Lernen). Das schreibe ich, um die etwas zu trösten, ich bin seit 8 Jahren fest an einer Schule.


    Ich fürchte, oft geht es nur durch unterschwelligen Druck und zuvor erzeugte Angst, die latent vorhanden ist - ich spüre es in der neuen Schule. Da habe ich lieber eine etwas lautere Klasse, aber keine solche Beklemmung - vielleicht projeziere ich aber auch meine eigenen Gefühle, wer weiß.


    In Klassen, in denen es bislang sehr ruhig war, waren sehr strenge Lehrer, die entweder schon eine solche Aura hatten oder sich durch Punktelisten und negative Konsequenzen (bei drei Strichen, schreiben) Achtung verschafften.
    Sonst kenne ich es umgekehrt, positives Verhalten verstärken, dann Belohnung, wenn es schneller geht.


    Ein Schulpsychologe riet mal, Murmeln in der Tasche zu haben und immer bei einer Störung eine Murmel vom vollen in ein leeres Galas zu geben...
    flip<br>

  • Ich habe gerade noch vergessen zu schreiben, ich bekomme mehr Aufmerksamkeit und Ruhe mit größerem Zeitaufwand hin, d.h. ich brauche die Kinder länger, als Klassenlehrer geht es viel, viel besser. Also gräme dich nicht, viel läuft über die persönliche Beziehungsebene und die braucht Zeit.


    Wenn du das Gefühl hast, über die Köpfe der Kinder hinwegzureden, vielleicht hilft es, Rollenspiele mit den Kindern zu machen. In der GS setze ich eine Handpuppe ein - ist bei älteren nicht so angebracht. Ansonsten hilft viel persönlicher Kontakt, dann findest du dich in die Sprache und Denkweise schon ein. Lass dich nicht unterkriegen, oft ist der Druck der Mentoren eigene Unsicherheit!
    flip<br>

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