Was passiert bei einem Kind, wenn es Retalin nimmt?

  • Nachdem man es immer wieder hört und in meiner Deutschklasse auch ein Junge sitzt, der wohl eine kleine Dosis am Tag auch bekommt, will ich doch mal nachfragen. Ich schreibe, dass er die Dosis wohl nimmt, weil ich es nur zufällig von der Erprobungsstufenleiterin erfahren habe und die Klassenlehrerin auch nicht mehr weiß. Was passiert mit diesen Kindern? Mir fällt auf, dass der Junge manchmal hellwach ist und messerscharf mitdenkt und dann auch wieder phasenweise nur vor sich hinbrütet und kaum zu etwas zu bewegen ist. Er vergisst auch viel. Er hat auch beim Lerntagebuch für meine Staatsarbeit häufig vergessen einzutragen bzw. sagt, dass er zu Hause nichts mehr wusste. Ich will ein paar Takte zu ihm auch in der Arbeit schreiben, weiß aber andererseits so wenig ... Könnt ihr mir mehr erzählen?

  • Was genau möchtest du wissen?
    Brauchst du Infos zu ADHS oder wirklich zu Ritalin bzw dem Wirkstoff?


    Ritalin ist ein Stimulanzium, d.h. es setzt Dopamin frei, erhöht die Aufmerksamkeit. 70% der Kinder mit ADHS reagieren positiv darauf.
    Ritalin hat eine kurze Halbwertzeit von 2 – 4 Stunden auf maximalen Niveau und ist daher gezielt dosierbar, folglich erreicht man oft auch mit einer kleinen Dosis etwas, z.B. dass sich das Kind in der Schule konzentrieren kann. Zuhause lässt die Wirkung dann aber nach, wenn keine 2. Dosis erfolgt.


    Das in aller Kürze - bei Bedarf gerne mehr :)


    LG von der Examensarbeitsleidensgenossin ;)

  • Das reicht vielleicht schon. Ich überlege einerseits immer wieder, was ich mit diesem Jungen "machen" kann, weil er so schwankt. Es gibt Tage, da ist er so unzugänglich, wenn ich ihn nach der Stunde anspreche, wippt er hin und her und wiederholt immer nur "ja, ja, ja, ja", er kommt mir vor wie Rainman. Lob kann er gar nicht gut hören.
    Andererseits frage ich mich, inwieweit ich es ihm "vorwerfen" kann, wenn er die HA vergisst o.ä., ich will ihn nicht unberechtigt schonen, aber auch nichts aus Unwissenheit falsch machen.
    Seine Einträge in das LTB sind jedenfalls interessant, ihm gefiel das Schreibgespräch, weil man dann 10 Minuten da sei, sonst sei man immer wieder sofort weg. ich habe nicht genau verstanden, was er sagen will, aber es klingt gut.

  • Hast du schon mal bei den Eltern nachgefragt? Wenn du mehr über einen Schüler wissen willst, einfach mal anrufen und nachhaken.


    Meistens freuen sich die Eltern über solche Anrufe, weil sie merken, dass sie es mit einer engagierten Lehrkraft zu tun haben und außerdem können sie oftmals sehr viel über ihr Kind berichten, was dir weiterhilft (Grund für die Ritalineinnahme, Verhalten mit und ohne Ritalin, allg. Verhalten, Lern- und Arbeitsverhalten, Konzentrationsvermögen, etc.). Gleichzeitig gibst du ihnen Rückmeldung über die Wirkung und den Erfolg (oder auch nicht) der Medikation.
    Gerade bei solchen Schülern ist eine enge Arbeit zwischen Schule und Elternhaus unglaublich wichtig, weil nunmal jeder nur die Hälfte von dem Kind mitkriegt.


    LG
    Mia

    Man soll denken lehren, nicht Gedachtes.
    (Cornelius Gustav Gurlitt)

    Einmal editiert, zuletzt von Mia ()

  • Zitat

    FrauBounty schrieb am 11.04.2005 23:49:
    FrauBounty schrieb am 11.04.2005 23:49:
    .,...
    Ritalin ist ein Stimulanzium, d.h. es setzt Dopamin frei, erhöht die Aufmerksamkeit. 70% der Kinder mit ADHS reagieren positiv darauf.
    Ritalin hat eine kurze Halbwertzeit von 2 – 4 Stunden auf maximalen Niveau und ist daher gezielt dosierbar, folglich erreicht man oft auch mit einer kleinen Dosis etwas, z.B. dass sich das Kind in der Schule konzentrieren kann. Zuhause lässt die Wirkung dann aber nach, wenn keine 2. Dosis erfolgt.
    .....


    Ritalin ist kein Stimulanzium, sondern ein Blocker.
    Klinische ADS-Kinder haben eine hirnorganische Störung, bei der an den Nervensynapsen ein Dopamin-Dauerfeuer für kontinuierliche Erregung der Synapse sorgt. Ritalin blockt dieses Dopamin,( ein Neurotransmitter am präsynaptischen Spalt) sodass die Kinder ruhiger und konzentrierter werden.


    Ritalin gehört zur Gruppe der Amphetamine (wie z.B. Speed und Ecstasy) und sollte schon allein deshalb nur mit fundierter ärztlicher Diagnose verabreicht werden.


    Weil die Wirkung nur ca. 2-7 Stunden (je nach Veranlagung) anhält, ist auch eine sehr genaue "Einstellung" des Patienten notwendig. Wird dies versäumt, fährt das Kind eine psychische "Achterbahn" zwischen Erregung und Dämpfung.


    Leider wird der Begriff ADS/H mittlerweile inflationär gebraucht und jedes "hippelige" Kind wird sofort mit dem Strempel ADS/H versehen - mit der Gefahr, die Lösung des Problems durch Ritalin medikamentös anzugehen. Wie eingangs beschrieben, haben jedoch nur wenige WIRKLICH dieses hirnorganische Krankheitsbild, bei dem Ritalin als Medikament zur Behandlung angezeigt ist. Für die anderen ist es schlicht eine Droge - wobei ein Beruhigungsmittel wohl ähnliche Effekte brächte.


    An die wirklichen Ursachen wird bei vielen Kindern leider nicht herangegangen: Zerüttete Familie, Gewalt in der Familie, Wohlstandsverwahrlosung....


    Es ist auch einfacher, zu sagen: "Das Kind ist krank im Kopf" als: "Irgendwas läuft in unserer Beziehung falsch..."
    X(

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    Einmal editiert, zuletzt von alias ()

  • Zitat

    Ritalin ist kein Stimulanzium, sondern ein Blocker.
    Klinische ADS-Kinder haben eine hirnorganische Störung, bei der an den Nervensynapsen ein Dopamin-Dauerfeuer für kontinuierliche Erregung der Synapse sorgt. Ritalin blockt dieses Dopamin,( ein Neurotransmitter am präsynaptischen Spalt) sodass die Kinder ruhiger und konzentrierter werden.


    Ich möchte mitnichten Korinthen kacken - auch weil's nicht unbedingt zum Topic beiträgt, aber das stimmt so nicht. Ritalin blockiert das "Dopamin-Rücktransport-System" und sorgt so dafür, dass genügend Dopamin zur Verfügung steht. Also entspricht es doch eher einem Stimulanz.


    Gruß,
    Holger

  • Alias, da bist du falsch informiert. Ritalin bzw Methylphenidat ist ein Stimulans - wohl aber, wie du sagst, aus der Gruppe der Amphetamine.
    Auch ist AD(H)S keine Folge von Wohlstandverwahrlosung oder familiärer Gewalt, sondern der Interaktion biologischer und psychosozialer Einflussfaktren, wobei letztere neueren Erkenntnissen zufolge nicht so einen hohen Einfluss haben wie biologische Faktoren.
    Dass ADS zu einer 'Modediagnose' gworden ist, mag ich gar nicht bestreiten, doch kann man damit das Thema nicht einfach als 'Erziehungsfehler' abtun...

  • hodihu

    Zitat

    Ritalin blockiert das "Dopamin-Rücktransport-System" .... Also entspricht es doch eher einem Stimulanz.


    Dann war wohl die Frau Dr. Psychiater, die unsere Vorlesung gehalten hat, falsch informiert ... aber widersprichst du dir nicht selbst?


    @Frau Bounty


    Ich behaupte nicht, dass ADS/H eine Folge von Wohlstandsverwahrlosung ist, sondern dass heutuzutage gerne ALLES in diese praktische Modekiste geworfen wird - und man damit den Kindern schadet! Ritalin ist jedenfalls NUR zur Therapie dieses hirnorganischen Defekts wirklich angezeigt - bei anderen "ADS/H-Ausprägungen zeigt es zwar Wirkung, therapiert aber nicht.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    Einmal editiert, zuletzt von alias ()

  • OK, so kommen wir auf einen Nenner ;)
    Ritalin darf mE auch nicht als alleinige Therapie angewendet werden, aber es macht Therapie bzw Förderung oft erst möglich...
    Mit der Modekiste hast du recht - auch damit, dass die Kinder die Ledtragenden sind...
    aber ein Stimulans ist es dennoch :D

  • Hallo,


    auch wenn Ritalin die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit verbessert, ist es noch lange kein Wundermittel, das alle Probleme wegzaubert. Es gibt auch Erkenntnisse, die langfristig eher das Gegenteil vermuten lassen.


    Zum Glück gibt es auch kritische Meinungen zur Diagnose ADS und Behandlung mit Ritalin.


    hier der Link, der sicher den meisten hier bekannt ist und zum Halse heraushängt , trotzdem immer wieder, weil das Thema soooo wichtig ist:


    www.manmed.de/seiten/themen/manual/kinder/ads/ads_de.html


    Es gibt viele Ärzte, die von ADS überzeugt sind und Ritalin verschreiben und es gibt andere, die bei gleichen Symptomen von Entwicklungsstörungen sprechen und andere Behandlungen empfehlen.


    Hier http://www.let4kids.de/probleme/index.htm


    werden die Auffälligkeiten ganz gut beschrieben (aber nicht umfassend) - nicht nur unter dem Begriff ADS, denn viele Kinder sind zwar auffällig, aber nicht so auffällig, dass sie den Stempel ADS erhalten. Jedes Kind ist individuell verschieden, zeigt unterschiedliche Auffälligkeiten.


    Wer keine oder kaum Kenntnisse über kindliche Entwicklung, Entwicklungsstörungen und Sammelbegriff ADS hat, sollte sich m.E. davor hüten, von Wohlstandsverwahrlosung usw. zu sprechen.


    Vielen Kindern geht es schlecht, weil sie nicht verstanden werden, und nur wenige Lehrer wissen, wie mit diesen Kindern umgegangen werden müsste.


    Ich weiß, dass hier viele sich nicht darauf herablassen, mit mir auf "Blödi-Gredi-Niveau" - wie sie es genannt haben - zu diskutieren, mich für anmaßend und unverschämt halten usw.


    Auf diese Diskussionen kann ich auch gut verzichten.


    Wegen der enormen Wichtigkeit dieser Thematik nehme ich immer wieder gern diese Angriffe in Kauf in der Hoffnung, dass doch der eine oder andere meine Informationen nicht als unqualifiziert abtut.


    In jeder Klasse gibt es inzwischen auffällige Kinder und sie werden immer mehr. Wir müssen wir alle mit diesen Menschen zusammenleben, die teilweise gewalttätig und/oder psychisch krank werden, wenn wir ihnen nicht helfen. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, und wir alle sollten uns dafür einsetzen, dass diese Möglichkeiten endlich gesehen und wahrgenommen werden.


    Für weitere Auskünfte stehe ich gern zur Verfügung.


    Viele Grüße
    Erika

    "Die Lehrer bezeichnen Lesen, Schreiben und Rechnen als Grundlagenfächer. In Wirklichkeit handelt es sich aber bei diesen Lehrstoffen bereits um sehr komplexe Prozesse, die sich nur bei einer einwandfreien geistigen Verarbeitung der durch die Sinnesorgane aufgenommenen Wahrnehmung erlernen lassen." A. Jean Ayres

  • Es ist ein Stimulanz, wirkt aber bei den Kindern, die es "brauchen", beruhigend. Es ermöglicht dem Kind, die Reize zu spüren, die es sich ohne Ritalingabe durch Unruhe, Bewegung usw. selbst zu beschaffen sucht.


    Unter Ritalin können manche Kinder erstmals auf Strukturen reagieren, deren Fehlen zuvor ihre Verhaltensproblematik vrstärkt hatte. Ritalin kann aber nicht solche Strukturen ersetzen.


    Ich habe selbst auch ADS (ohne Ritalin zu nehmen) und gehöre zu den Menschen, bei denen das Stimulanzium Kaffee als Schlafmittel wirkt - wie ich mal hörte, ein Indiz, dass auch Ritalin bei mir beruhigend wirken könnte - ich habe allerdings keine Neigung, es auszuprobieren.


    Bablin

    Wer hohe Türme bauen will,
    muss lange beim Fundament verweilen.
    Anton Bruckner

  • alias


    Zitat

    Dann war wohl die Frau Dr. Psychiater, die unsere Vorlesung gehalten hat, falsch informiert ... aber widersprichst du dir nicht selbst?


    Nein. Denn wie Bablin so schön ausführt:


    Zitat

    Es ist ein Stimulanz, wirkt aber bei den Kindern, die es "brauchen", beruhigend. Es ermöglicht dem Kind, die Reize zu spüren, die es sich ohne Ritalingabe durch Unruhe, Bewegung usw. selbst zu beschaffen sucht.


    Ansonsten können wir uns natürlich hier weiter drüber streiten, oder wir schauen mal in der Wikipedia nach, der ich jetzt einfach mal vertraue
    http://de.wikipedia.org/wiki/Methylphenidat


    Gruß,
    Holger

  • Danke für die Vorlage. Wenn wir uns auf Wikipedia einigen gilt wohl folgender Satz:

    Zitat

    Ritalin (Methylphenidat) blockiert dieses Rücktransport-System vorübergehend, das heißt in aller Regel 3-5 Stunden. Dadurch wird ein Zustand erzielt, der annähernd dem Funktionszustand von Menschen ohne ADHS entspricht, das heißt die Verfügbarkeit des Dopamins verbessert wird. Methylphenidat ist also ein Dopamin-Wiederaufnahmehemmer.


    Wir können uns natürlich auch auf den dort angegebenen Link zum Arzneimittelkompendium der Schweiz einigen, in dem es heisst:



    Zitat

    Sein Wirkungsmechanismus im Menschen ist noch nicht vollständig geklärt, es wird jedoch angenommen, dass die stimulierenden Effekte auf eine kortikale Stimulation und möglicherweise auf eine Stimulation des retikulären Aktivierungssystems zurückzuführen sind. Der Mechanismus, durch welchen Methylphenidat seine mentalen und verhaltensmässigen Wirkungen bei Kindern ausübt, ist weder genau ergründet noch liegen schlüssige Beweise vor, welche aufzeigen, wie diese Effekte mit dem Zustand des Zentralnervensystems zusammenhängen


    Wobei mir diese Aussage sehr zu denken gibt...... zumal Ritalin nach über 60 Jahren Marktpräsenz zu den "besterforschtesten" :rolleyes: Substanzen zählen soll.....


    [rechthabereiende] ;)

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    Einmal editiert, zuletzt von alias ()

  • Falls dich noch mehr Meinungen interessieren:


    Das Thema Ritalin haben wir schon mehrfach diskutiert z.B. hier:
    http://www.lehrerforen.de/oldforum.php?topic=102079972077


    Dort habe ich am Ende noch weitere Threads verlinkt.


    Gute Linksammlung zu ADS/Hypies:
    http://www.autenrieths.de/links/linksju.htm#ADS

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Gibt es eigentlich einen Zusammenhang zwischen Retalinvergabe und städischem oder ländlichem Wohnbereich?

    Die Wälder wären sehr still, wenn nur die begabtesten Vögel sängen - HEnRy vAn dyKe

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