Wie bestrafen?

  • Hallo,


    was würdet ihr da unternehmen?


    Im Schullandheim hat einer meiner Schüler (kommt aus der Förderschule für Erziehungshilfe) einen anderen - im übrigen hyperaktiv - auf den Boden gerungen, so dass dieser mit dem Hinterkopf hart aufschlug und ins Krankenhaus musste. Begründung: Angeblich hatte ihn der andere "behindert" genannt.


    Verweis ist klar, aber ja mehr eine Formsache und für den Schüler von geringer Bedeutung. Im Schullandheim selber habe ich ihn nicht heimgeschickt, da ich den armen Vater nicht durch Nacht und Nebel jagen wollte. Dort habe ich ihn von der Freizeit ausgeschlossen und bei Aktivitäten musste er unter Aufsicht bleiben.


    In der Schule wollte ich ihn bis zum Ende des Schuljahres von der gemeinsamen Pause ausschließen, er müsste dann alleine unter Aufsicht im Haus bleiben. Die Fahrtkosten, die mir durch die Heimfahrt entstanden sind, möchte ich von seinem Taschengeld zurückhaben - ist mit dem Vater schon vereinbart.


    Meint ihr, das reicht? Einerseits möchte ich nicht, dass es so aussieht, als dürfte man ungestraft Mitschüler ins Krankenhaus prügeln - andererseits zähle ich das Kind eigentlich unter die Kategorie "...denn sie wissen nicht, was sie tun".


    LG
    Tina

    Ein Hund denkt: "Sie kümmern sich um mich, sie versorgen mich, sie müssen Götter sein!" Eine Katze denkt: "Sie kümmern sich um mich, sie versorgen mich, ich muss ein Gott sein!"

  • Hallo,


    nur 10 Euro - innerhalb der nächsten drei Jahre, die ich ihn wohl noch habe. :D Das sollte machbar sein.
    Ich wurde in mir fremder Gegend in Dunkelheit mit dem Notarzt in ein mir fremdes Krankenhaus transportiert und bin von dort in finsterer Nacht mit Bus, Zug und einem mir völlig fremdem Mann, den ich in meiner Verzweiflung angesprochen habe nach Hause gekommen.
    Für die 38 km wär mit dem Taxi weit mehr zusammengekommen. Ich denke, das kann ich erwarten, oder?
    LG
    Tina

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  • Hallo Tina,


    ich finde das ok. Es geht nicht nur darum, ob ihn das selber zum Nachdenken bringt, sondern auch um die anderen.


    Mein Sohn kam mal mit Schädelbasisbruch ins Krankenhaus. Das war in der Projektwoche der 4. Klasse. Sie waren über den asphaltierten Schulhof gegangen. Ein anderer Schüler hatte ihm von hinten die Beine wegetreten und ihn gleichzeitig umgerissen, so dass er ungebremst mit dem Hinterkopf aufschlug. Den Rest der Projektwoche verbrachte er im Krankenhaus. Der Lehrer bezeichnete das als übliches Gerangel unter Jungen. Der habe das bestimmt nicht mit Absicht gemacht und die Folgen nicht abschätzen können. Er durfte also weiter an dem Filmprojekt teilnehmen, auf das sich mein Sohn so gefreut hatte. Es gab auch sonst keinerlei Folgen für ihn.


    Sprachlos machte mich kurz darauf die Information, dass der gleiche Schüler am Vortag dieselbe Aktion an einem Mädchen versucht hatte, die nun einen gebrochenen Arm hatte.


    Das ganze ist inzwischen 8 Jahre her. Meinem Sohn aber noch genau im Gedächtnis. Es war für ihn ein Zeichen. "Man darf mich umhauen und verletzen. Es interessiert keinen."


    Grüße Enja

  • Ich hatte kürzlich in meiner Förderschulklasse (LE; 4. Schuljahr) einen vergleichbaren Pausenvorfall.


    Ich habe den Vorfall schriftlich festgehalten und eine Erziehungs- und Ordnungskonferenz einberufen, d. h. eine Konferenz, zu der Eltern und Kind auch eingeladen wurden.


    Dort haben wir das Verhalten des Kindes nochmal geschildert, Kind und Eltern um eine Stellungnahme gebeten und das Verhalten gewertet. D. h. wir haben gesagt, dass dies bei einem älteren Kind als gefährliche Körperverletzung gewertet würde.


    Wir haben ferner angekündigt, dass wir beim nächsten Vorfall den mit der Schule zusammen arbeitenden Polizisten zu einem Gespräch hinzuziehen würden. In diesem Fall würde das Verhalten aktenkundig und der Junge gälte später, wenn er strafmündig sein wird, nicht mehr als unbeschriebenes Blatt.


    Vor allem das im letzten Absatz Beschriebene ließ Eltern und Kind zusammenzucken und zeigte ihnen den Ernst der Lage.


    Bablin

    Wer hohe Türme bauen will,
    muss lange beim Fundament verweilen.
    Anton Bruckner

  • Hallo,


    eben, es geht auch um die anderen und um zu zeigen, dass nicht einfach Kinder folgenlos geschlagen werden dürfen. Einige meiner Mädels äußerten auch, sie hätten jetzt Angst, da er ja innerhalb von Sekunden ohne Vorwarnung hingelangt hat. Als "normal" möchte ich das nicht abtun, es ist nicht normal und mitnichten mein Alltag.
    Ich überlege auch, mich nach "oben" zu wenden. Mir wird ein erziehungsschwieriger Schüler mit entsprechender Vorgeschichte mit einer Stunde mobiler Dienst als "Hilfe", im Grunde also lächerlich, in eine große Klasse gesetzt und das soll dann einfach so laufen. Dieser Schüler macht mir bis jetzt mehr Mühe als zehn "normale" zusammen - wobei ich noch zusätzlich das Gefühl habe, ihm nicht gerecht zu werden. Außerdem ist diese Zeit dann für die anderen Kinder verloren.
    Ehrlich gesagt bin ich über die Situation leicht angesäuert. X( Ob sich die Verantwortlichen über die realen Folgen dieser Sparmaßnahmen eigentlich im Klaren sind?


    LG
    Tina

    Ein Hund denkt: "Sie kümmern sich um mich, sie versorgen mich, sie müssen Götter sein!" Eine Katze denkt: "Sie kümmern sich um mich, sie versorgen mich, ich muss ein Gott sein!"

    Einmal editiert, zuletzt von Tina34 ()

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Tina34,


    10 Euro sind ja wenig! Ich dachte jetzt, es wäre mehr gewesen. (Mein Bruder musste mal mit einem Mitschülerzusammen von einem Lehrer heimgefahren werden, da haben meine Eltern weitaus mehr berappt.)
    Sind die Maßnahmen, die du da planst denn geeignet, um den Schüler zu beeindrucken? Wenn ihm die Beschränkung in den Pausen egal ist, dann macht das wenig Sinn.


    Ich fürchte, die "oben" wird es überhaupt nicht interessieren, welche Folgen ihre Sparmaßnahmen haben. X(


    Grüße,
    Conni

  • Hallo,


    ich habe aus Tinas Beiträgen nicht ersehen können, in wiefern das Versetzen in die Hauptschule (Regelschule) "nur" ein Sparmaßnahme war. Kannst Du das erläutern?


    Nach Deinen Schilderungen ist der Junge sehr schwierig und es ist insofern fraglich, dass er aus der Förderschle "entlassen" wurde.


    Aber ich gebe auch ein paar andere Gedanken zu bedenken:


    Eine seelische Verletzung kann genau so weh tun wie eine körperliche - manchmal noch mehr.
    Wenn der andere Junge ihn "behindert" beschimpft und beleidigt hat, kann es ihn sehr getroffen haben - gerade einen Hyperaktiven, bei denen Überreaktionen bekannt sind.
    Ob da "bestrafen" die richtigste und alleinige Lösung ist ?


    Habt Ihr auch die Beleidigung thematisiert ? Ist nötig.


    Unsere Gesellschaft ist allein auf körperliche Gewalt fixiert und leugnet oft Verletzungen der Seele und der Würde.


    Natürlich tragen "die oben" die Hauptverantwortung. Und ich würde mich mit pädagogischem Verständnis für diesen von seiner Bio-Chemie geplagten Jungen an "die da oben" schriftlich wenden.


    Andererseits braucht er vielleicht auch ein Medikament wie Ritalin. Ich bin da nicht dogmatisch festgelegt.


    Wer sich Blut zur Untersuchung und Diagnose abzapfen lässt, erkennt doch in diesem Fall auch an, dass wir stark biochemisch reguliert werden.


    Erst ans Helfen denken - dann (auch gleichzeitig?) ans Strafen.


    Viele Grüße, Georg Mohr

    Glückliche Kinderaugen machen glücklich !
    "Lehren" = beim Lernen unterstützen + "Erziehen" ist noch wichtiger als "Stoff" vermitteln.

  • Hallo,


    nicht er ist hyperaktiv sondern der Junge, der auf den Kopf gefallen ist. Da dieser nicht in meiner Klasse ist, kann ich ihn leider auch überhaupt nicht einschätzen.


    Das Täterkind ist nicht hyperaktiv, aber auch nicht normal. Nur - da ich für solche Fälle leider nicht die passende Ausbildung habe, kann ich auch nur Symptome feststellen, keine Diagnose abgeben. ?(?(


    Natürlich traf die Beleidigung - und war auch unschön. Aber: Das Thema körperliches Angreifen anderer, vor allem schwächerer Kinder hatten wir nicht das erste Mal - einmal war sein Opfer z.B. ein danach hysterisch heulender Erstklässler, der ihn angeblich geärgert hatte - mir fehlt da auf Dauer leider das Verständnis.


    Wobei: Als ich mitten in der Nacht bei einem Wildfremden in unbekannter Gegend im Auto saß, war ich noch voller Rachegelüste. ;) Am nächsten Tag hatten wir dann ein relativ vernünftiges Gespräch, bzw. ich habe gesprochen und er zustimmende Laute von sich gegeben, denn das Kind ist kaum in der Lage, sich verbal auszudrücken. ?( Und somit für mich in der Regelklasse einfach fehl am Platz - der bräuchte eine ganz andere Zuwendung als 1/28 einer Klasse zu sein.


    Sparmaßnahme deshalb: Ich weiß aus zuverlässiger Quelle, dass die Überstellung in die Regelschule eine Maßnahme war, um Platz zu schaffen für andere Fälle. Schließlich war er jetzt schon Jahre in der Förderschule und gewissermaßen "austherapiert".
    Folge: Er strapaziert meine Zeit und Nerven ganz unvorstellbar, die man für die anderen Kinder bräuchte. Meine Klasse ist unglaublich verständnisvoll und entgegenkommend, ein besseres soziales Umfeld könnte ich mir im Grunde nicht vorstellen - trotzdem findet er nicht wirklich Kontakt und sucht in der Pause die Näher der Grundschüler, die er dann piesackt.
    Leistungsmäßig entspricht er in keinster Weise den Anforderungen, kann sich kaum konzentrieren, braucht andauernd Hilfestellung, geht in den Förderunterricht, ... und kommt dennoch auf keinen grünen Zweig, da sobald er keine unmittelbare Zuwendung bekommt, er in Apathie verfällt.


    Kleine Erfolge gibt es: Nach zähem Ringen werden nun endlich die Hausaufgaben gemacht - wahrscheinlich ein Riesenerfolg - aber es reicht halt dennoch nicht.


    Für mich ist das Kind ohne Plan und Sinn mehr oder weniger abgestellt - und keiner sagt mir, was ich eigentlich mit ihm machen soll. ?(?( Mein gewöhnliches Ziel ist, Schüler zu einem Abschluss zu führen. Die Möglichkeit sehe ich hier nicht - es müssten ganz andere Felder bearbeitet werden - ein bisschen Hobbypsychologie neben dem Unterricht??? Sehe ich micht nicht als geeignet.


    Nee, das nervt mich einfach alles an!!!


    LG
    Tina

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  • Ja Tina,


    des öfteren sind das real existierende Schulsystem und die Schulbürokratie schier zum Verzweifeln.


    Lies mal bei dem engagierten Reform-Lehrer robirobischon hier im Forum, wie man ihn regelrecht krank gemacht hat.


    Alles Gute, Georg Mohr

    Glückliche Kinderaugen machen glücklich !
    "Lehren" = beim Lernen unterstützen + "Erziehen" ist noch wichtiger als "Stoff" vermitteln.

  • Wie lange ist er denn schon in deiner Klasse? Die Rückschulung von einer SfE an eine Regelschule erfolgt ja normalerweise erstmal probehalber. Bei einer Rückschulung kann man sich ja nie scher sein, ob das Kind dem Druck Stand hält.


    So wie ich es hier kenne, hätten wir den Schüler nach so einem Vorfall, wie du ihn schilderst, ganz schnell wieder bei uns...
    Hast du die Möglichkeit, dich mit der mobilen Hilfe auszutauschen? Dir Tipps und Strategien zu holen?


    Wichtig für Kinder aus der SfE ist ja nicht nur das Spüren von Konsequenezn, sonderna uch das Erarbeiten von Handlungsalternativen. Er muss nicht nur wissen, was er nicht darf, sondern auch, was er darf. Und er muss letzters auch umsetzen können.


    Wie alt ist er eigentlich?


    LG

  • Hallo,


    er ist 13! Und es wurden ja sechs Jahre mit ihm gearbeitet - offensichtlich ja nicht mit durchschlagendem Erfolg. X(


    Ist nix mit probehalber - sein Platz ist schon besetzt. Der mobile Dienst kommt einmal die Woche - natürlich während dem Unterricht, da kann ich dann besprechen, während ich nebenbei Englisch gebe. X(
    Grundsätzlich sind das ja nette Gespräche - ich werde gelobt, meine Klasse auch ;) , ganz hilflos bin ich ja auch nicht, nur bringt mir das auch nichts, davon lernt der Schüler weder sprechen noch bleiben diese unvorhersehbaren Aggressionsattacken aus. Manchmal läuft es ja auch wochenlang "gut", aber mehr oder weniger bewahre ich den Schüler auf. Am wohlsten fühlt er sich wohl bei meiner sanftmütigen Förderlehrerin in der Kleingruppe, das bräuchte er halt ständig.
    Es ist ja auch entsetzlich für das Kind - der sitzt da stundenlang ohne dass wirklich etwas ankommt.


    Gut, ich kann jetzt nach den Ferien noch mal das Gespräch suchen - zum x-ten Male, er wird mir wieder zustimmen, beteuern dass es im Leid tut und bei dem nächsten Kleinen, von dem er sich geärgert fühlt, mangels sprachlicher Fähigkeiten wieder ausrasten. 8o Toll für die anderen Kinder - so als Versuchskaninchen. X(


    Dabei sind meine anderen Schüler derart sozial und gewaltfrei, dass es wirklich rührend ist - was wäre wohl in einer schwierigeren Klasse??? 8o Bessere Bedingungen kann ich mir in einer Regelklasse wirklich nicht vorstellen!!
    Selbst einige meiner "großen" Jungs haben mit ihm darüber gesprochen, dass man sich beherrschen muss - fand ich ganz süß - vielleicht zeigt das ja etwas Wirkung?


    LG
    Tina

    Ein Hund denkt: "Sie kümmern sich um mich, sie versorgen mich, sie müssen Götter sein!" Eine Katze denkt: "Sie kümmern sich um mich, sie versorgen mich, ich muss ein Gott sein!"

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