Offener Unterricht und Leistung

  • Offener Unterricht und Leistung


    Mein Unterricht ist relativ offen, d.h. die Kinder können oft selbst bestimmen, womit sie sich beschäftigen. Viele Kinder nutzen diese Lernzeit ausgiebig und mit viel Freude. Es gibt aber immer wieder Kinder, die ihr Potential nicht ausschöpfen, die sich mit wenig zufrieden geben, obwohl sie viel mehr leisten könnten. Wie geht ihr damit um?
    Heidi
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  • Kenne das Problem auch. Bei mir arbeiten die Kids z.B. in HuS gerade an einem Baden-Württemberg-Buch (Zusatz- und Pflichtaufgaben, jeder hat ein eigenes von mir zusammengestelltes Buch mit Aufgaben, Texten etc. und zusätzlich gibt´s noch Dominos, Puzzle etc. im Klassenzimmer). Tja, diese Bücher habe ich jetzt nach drei Stunden Arbeit mal mit nach Hause genommen, um ein bisschen zu schauen, was da so gemacht wurde. Klar haben wir im Unterricht schon darüber gesprochen (inhaltlich) und die Kids haben auch erzählt, was sie gemacht haben, wie es war etc. Aber dabei kommen ja nie alle zu Wort. Deshalb war es wieder mal erschreckend zu sehen wie unterschiedlich sowohl quantitativ als auch qualitativ in solchen Phasen von den Schü gearbeitet wird. Mir geht´ s da ähnlich wie dir: wie gehe ich mit Kids um, die weniger machen als sie können bzw. andere, die einfach faul sind. Ich versuche, bei diesen Kids am Ball zu bleiben und ihnen immer wieder konkrete Ziele vorzugeben (etwa: Heute machst du das und das). Ich weiß, dass ich dadurch deren Freiheit einschränke, aber ich habe das Gefühl, dass manche Kids diese leichte Führung doch brauchen. Ansonsten sollte man wohl immer wieder an den Sinn und Zweck von solchen Arbeitsphasen errinnern und hoffen, dass die Mehrzahl der Schü das auch versteht.<br>

  • Das Problem habe ich auch immer wieder. Im letzten Durchgang trat es so gehäuft auf, dass ich zuerst zu ziemlich frontalem Unterricht zurückkehrte. Zum einen brachen mindestens die Hälfte der Kinder aus, d.h. beim Aufstehen wurde einem ein Tritt mitgegeben, der Stuhl weggezogen, so dass permanent STreit entstand. Zum anderen war nach 1 Monat mein bis dahin eingesetztes Material unvollständig, verdreckt, u.ä. , zudem arbeitete die Hälfte der Kinder nicht.
    So musste ich meine Ideale runterschrauben und konnte erst Mitte der zwei wieder offener arbeiten.


    Wenn ich sonst Kinder habe, die mit der offenen Aufgabenstellung nicht klar kommen, dann gebe ich ihnen einen Tagesplan, auf dem steht, was sie zu leisten haben bis hin zur konkreten Vorgabe von Aufgaben nach und nach. Beim Lesen von Literatur über ADS habe ich einige Hinweise gefunden, dass es eben Kinder gibt, die mit der Flut an Reizen nicht klarkommen. Also reduziere ich die Reize, bis hin, dass die Kinder "abgeschottet" arbeiten - keinen Sitznachbarn. Dann haben sie aber später wieder Gelegenheit zu Ausgleich.
    flip
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  • ich hab probleme mit dem verlauf hier.
    aus offener arbeit brechen kinder nicht aus. wohin denn?
    streitigkeiten gibt es immer wieder. die kann man offen legen, lösungen anbieten, sich beschweren.
    wenn kinder nichts arbeiten, liegt es nach meinen beobachtungen daran, dass sie nicht können oder dass es ihnen einfach schlecht geht.
    xxxx sieht nicht gut, hat keinen bleistift, schreibt nur mühsam.
    YYY hat eine mutter, die monatelang im koma lag nach der geburt der jüngsten. es geht ihr schlecht.
    schule kann wie ein markt sein.
    sie sollte nicht wie ein krankenhaus (für dumme), ein theater (für kluge) oder wie strafvollzug sein,
    oder wie zirkus.
    ich denke, wenn kinder sich sträuben, haben sie wahrscheinlich recht.
    die verhaltensweisen von menschen haben sich in den letzten vierhunderttausend jahren so gut wie gar nicht geändert.
    sie verhalten sich wie menschen.
    etwas in sie hineinstopfen zu wollen ist wie der versuch zahnpasta in die tube zu drücken.
    menschen lernen unterschiedlich.<br>

  • Hallo, Heidi!
    Sind es immer dieselben Kinder, die "zu" leichte Aufgaben wählen? Wählen sie nie etwas, was sie herausfordert?


    Ich beobachte (in der Schule für Lernhilfe), dass Kinder immer wissen,was sie brauchen. Sie haben auch ein Recht auf Regression. Du könntest es ihnen vorsichtig ins Bewusstsein heben. "Ich sehe, dass du es dir heute mit leichten Aufgaben gemütlich machst. Das fühlt sich gut an, wenn man etwas so richtig gut kann."


    Bablin<br>

    Wer hohe Türme bauen will,
    muss lange beim Fundament verweilen.
    Anton Bruckner

  • @ robinschon.
    Ich kann deine Bemerkungen verstehen: klar, es kann nicht heißen, dass wir zu frontalem Unterricht und Druckmitteln zurück greifen, wenn die Kids nicht dankbar und hocherfreut an unseren Lerntheken, -zirkeln und in Werkstätten arbeiten. So habe ich das auch nicht gemeint und es ist auch wahrlich nicht mein Ziel. Ich habe nur erkannt, dass für manche Kids die Freiheit dieser Arbeitsformen eine Überforderung ist, weil sie diese aus anderen Unterrichtsstunden oder von zu Hause her nicht kennen und schon an das Trichter-Prinzip (oben rein, unten raus) gewöhnt sind. Deshalb ist die freie Arbeit für sie zunächst ungewohnt und mit Sicherheit auch sehr sehr anstrengend. Deshalb versuche ich durch Hilfestellungen und Vorgabe von kleinen Zielen ihnen beizustehen und Strukturen (die sie gewöhnt sind) zu geben, bis es ihnen nach und nach möglich wird, sich diese Strukturen selbst zu setzen. Meiner Erfahrung nach fällt es vielen Schü nämlich schwer, den Laufzettel (der ja eine äußere Struktur darstellt) richtig zu führen bzw. sich gegenüber ehrlich zu sein.<br>

  • so ist es wohl.
    kinder die gewohnt sind manipuliert zu werden, brauchen zeit bis sie mit ihrer freiheit umgehen können. wieviel zeit das ist muss ich ihnen selber überlassen.
    wenn kinder sich zu "leichte" arbeiten aussuchen, stört mich das nicht. auch nicht, wenn sie so eine arbeit hundertmal wiederholen.
    es kann sein, dass ich anfange aufzufordern, wenn ein kind überhaupt nichts tut. bis ich mich wieder an meine eigenen
    feststellungen dazu erinnere.
    ich wollte einen text zum übergang zu freiheit (aus einer sudbury-schule hier einsetzen, aber er ist zu lang.
    ich setz ihn dann gleich auf meiner website unten beim mai hin.
    hatte ich schon mitgeteilt, dass ich ständig kommentiere im schulzimmer, was ich tue und was ich bei kindern beobachte?<br>

    • Offizieller Beitrag

    Ich finde es nicht so unproblematisch, wenn Kinder im offenen Unterricht nichts tun oder sich immer nur Aufgaben wählen, die sie nicht herausfordern! Ich kenne das Problem quasi aus der Elternperspektive - meine Stieftochter geht auf eine Freie Schule und ich bin immer weniger zufrieden damit. Sie gehört zu den Kindern, die, wenn man sie nicht fordert eben nichts macht. Und das hat sie mittlerweile 5 Schuljahre durchgezogen. Wenn man mit den Lehrern spricht, ist das immer alles kein Problem und kommt schon noch. Leider geht die Schule nur 6 Jahre und dann muss sie auf eine normale Regelschule überwechseln - ich frage mich nur, was für eine das sein wird...Auffällig finde ich an der Schule auch, dass es überhaupt keine Legastheniker und Kinder die an Dyskalkulie leiden zu geben scheint; ja man ist in der Schule regelrecht beleidigt, wenn man so etwas vermutet. Es wird dort ein ebensolcher Absolutheitsanspruch vertreten, wie ich ihn hier zum Teil herauslese und ich meine, das ist niemals gut!
    Mein Sohn geht deshalb auf eine andere Schule, die ebenfalls einen offenen Unterricht als Grundkonzept vertritt, aber dabei wesentlich strukturierter vorgeht. Er freut sich sehr über seine Lernerfolge, z. B. dass er schon lesen kann und toll rechnen. Hätte man ihm aber gar nichts angeboten, weiß ich nicht, ob er dann nicht mittlerweile auch schon in der Null-Bock-Stimmung wäre. Ich finde es nicht richtig, Kinder immer vor Dingen zu bewahren, die im entferntesten nach Pflicht oder Anstrengung aussehen. Lesen und Schreiben lernen ist eben auch mit Üben verbunden und daher manchmal anstrengend, auch wenn es grundsätzlich Spaß macht.
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  • @Rolf
    Während ich den Text gelesen habe, fielen mir sofort Parallelen auf. Ein Kind z.B., dass nach dem ersten Schuljahr aus einer anderen Schule in meine Klasse wechselte, weil es durch den permanenten Leistungsdruck krank geworden war, machte genau diese Phasen durch. Anfangs war es einfach nur froh, dem ständigen Stress entronnen zu sein, und nahm alle Angebote freudig an. Nachdem es gemerkt hatte, dass von meiner Seite der Druck ausbleibt und auch keine Strafen bei vergessenen Hausaufgaben erfolgen, probierte es aus, was passieren würde, wenn es nichts macht. Im Augenblick forscht und liest es viel, schreibt aber in der Schule fast gar nicht.
    Ich habe auch das Gefühl, dass vorwiegend die Kinder sich in der Schule ausruhen, die von ihren Eltern sehr gefordert werden. Ich weiß nur nicht, wie ich diesen Kreis durchbrechen kann. Aber ich weiß ganz genau, dass gerade diese Eltern morgen bei der Abstimmung Zensuren fordern werden, weil sie denken, dass ihre Kinder dann fleißiger lernen.
    Heidi
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  • liebe melosine
    ich lege bei meiner arbeit mit den kindern (ich sage wirklich nicht "unterricht" dazu) besonders großen wert auf strukturierung, zeiteinteilung, das sehr breite angebot an lerngelegenheiten.
    und jetzt erlebe ich auch einen kleine jungen der fast nichts tut, fast nichts kann. iich drängle ihn nicht, beschwere mich bei ihm wenn er wieder keinen bleistift hat und freue mich mit ihm, wenn er feststellt, was er kann. er hat als letzter lesen gelernt, in der zweiten klasse im januar. er hat es also gelernt und er fragt mich ab und zu, ob das wirklich da steht.
    er braucht viel mehr zeit als andere und ist akzeptiert. es tut mir leid, dass andere mit seinem lernen und seiner persönlickeit anders umgehen werden als ich. damit muss ich leben und er auch. wenn deine stieftochter sechs jahre lang eine gute zeit hatte und danach unter druck gesetzt wird, ist das traurig und ärgerlich. geh doch jetzt schon auf die suche nach der nächsten lehrkraft. ich musste vor ein paar jahren so auf die suche gehen für ein kind mit stark autistischen zügen, das bei mir war und bei dem die anderen schulen abwinkten. (von den schulbehörden gabs überhaupt keine unterstützung, nur immer verhandlungen und am ende die neugierige anfrage nach einem bericht über meinen umgang mit diesem kind)<br>

  • robischon.:
    Wir hatten die Diskussion schon an anderer Stelle. Meiner Erfahrung nach gibt es durchaus die Möglichkeit, auch im offenen Unterricht auszubrechen. Es gab Kinder, die nicht ertragen konnten, wenn andere Kinder Spaß am Arbeiten hatten und sie dann immer massiver störten bis hin zum Stühleschmeißen. Die Eltern kamen auf mich zu, weil die Kinder massive Schulangst entwickelten.
    Ich denke, dass ich eingreifen muss, wenn Kinder den Grundsatz nicht einhalten: Meine Freiheit hört da auf, wo die eines anderen beginnt. Der vorübergehende Wechsel des Stils brachte Ruhe. Nach einer Phase des Herantastens an freiere Formen und zusätzlicher Betreuung der Ursachen, wurde es besser.
    Kinder kommen leider nicht unbeschrieben in die GS und wenn sie schon an andere Formen gewöhnt sind, ist es eben nicht so leicht. Wenn zu viele Kinder mit Problemen aufeinandertreffen, ist es dann nicht anders als geschildert zu händeln.
    flip<br>

    • Offizieller Beitrag

    Die Schule, auf die mein Sohn geht, hat mich wirklich überzeugt. Hier lernen die Kinder motiviert in einer offenen ber gleichzeitig strukturierten Form. Und außerdem entfällt der Schulwechsel zunächst, da sie bis zur 10. Klasse geht - wen es interessiert: www.reformschule.de
    Ich bin nach wie vor der Meinung, dass man freies Lernen (oder wie man es immer nennen möchte), nicht mit laissez-faire verwechseln darf, wie ich das an der Schule meiner Stieftochter erlebt habe.
    LG<br>

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