Das Problem ist doch auch einfach, dass man als Lehrer mit seinem Abschluss auf dem Arbeitsmarkt fast nichts wert ist. Mal abgesehen von Naturwissenschaften, aber diese werden natürlich auch weniger auf Lehramt studiert, weil es in der Wirtschaft attraktivere Möglichkeiten gibt. Auch ist der Anteil eines Jahrgangs, der überhaupt die Fähigkeiten hat eine Naturwissenschaft (Bio vielleicht mal ausgenommen) zu studieren, verschwindend klein gegenüber den geisteswissenschaftlichen Fächern.
Aber selbst in technischen Berufsfeldern ist ein Lehrämtler mit entsprechenden Fächern (z.B. Chemie, Physik, Mathe) mit Sicherheit nicht die erste Wahl gegenüber anderen Bewerbern.
Ausserhalb des Lehrerberufs gibt es eben keinen echten (!) Bedarf an Germanisten, Philosophen, Historikern oder Leuten, die ein Hauptstudium in Latein abgeschlossen haben.
Die Problematik spitzt sich in diesen Fächern besonders zu, weil die Diskrepanz zwischen dem Wichtigkeitserleben in der Schule aus Schülersicht und der Wichtigkeit in der Arbeitswelt in diesen Fächern besonders extrem ist:
Als Schüler bekommt man z.B. eingetrichtert, dass Deutsch ein wichtiges Hauptfach ist, oder, dass Geschichte bedeutsam ist, weil es so viele Stunden über die ganze Schullaufbahn unterrichtet wird, Physik, Informatik und Chemie aber nur sehr wenige und eher eine Randerscheinung sind. Dieses Empfinden extrapolieren fast alle Schüler automatisch und werden dann von einer Realtität eingeholt, in der erstere Fächer auf dem Arbeitsmarkt fast wertlos sind, letztere durchaus sehr gute Berufsaussichten, eben zum Teil auch ausserhalb des Lehramts, geboten hätten.
Ich kann die Lehramtskandidaten da schon verstehen, das muss ich ganz ehrlich sagen. Ich selbst unterlag, trotz eines sehr guten Abiturs, häufigem Querdenken und einer starken Begabung für Mathematik, der Illusion, dass ein Mathestudium auf Diplom wohk kaum Aussicht auf Anstellung bringen würde, da mir schlicht überhaupt nicht klar war, in welchen Berufen man als diplomierter Mathematiker arbeiten könnte.
Das Schlimme zu meiner Schulzeit war auch, dass die Lehrer da auch schlicht nicht erkannt haben, dass Schüler Informationen darüber brauchen, welche Fächer nur in der Schule wichtig sind, und welche Fächer auch gute Berufschancen ergeben und gefragte Qualifikationen darstellen. So wurde eine Schülerin bei uns, die ebenfalls ein 1er Abiturdurchschnitt hatte, von einer Deutschlehrkraft sogar noch ermutigt ihrem Impuls Theaterwissenschaft zu studieren zu folgen. Und das, obwohl sie auch in Naturwissenschaften sehr gute Noten und Interesse hatte. Noch heute ärgert sie sich, dass sie nicht Pharmazie studiert hat, wie sie auch erwägte.
Ebenso ein Schüler mit Politikwissenschaft, der jetzt auch ziemlich in die Röhre guckt.
Wir als Lehrer haben also auch eine große Verantwortung, als MINT-Lehrer die Schüler zur Orientierung in diesen Fächerbereich zu ermutigen, und als Geisteswissenschaftlicher Lehrer Schüler vor ihrem Fächerbereich zu warnen und Alternativen aufzuzeigen. Auch so etwas kann Einfluss auf die Bewerberzahlen der verschiedenen Fachbereiche haben.