Die Thema mit dem Unterton "früher war alles besser" häufen sich scheinbar im Moment.
Das nehme ich auch wahr. Das Forum hier wird ein Zeugnis über die Anpassungsschwierigkeiten des Systems Schule an den Wandel der Gesellschaft sein.
Literatur ist ja kein Selbstzweck, sondern Kultur, ebenso wie TikTok und Videospiele Kultur sind. Die Wertung, die ich hier dazu oft lese, ist lediglich eine Meinung mit der ich nicht mitgehen kann. Das Leitmedium ist nicht mehr das Buch oder die Zeitung, anscheinend nicht einmal der Computer, sondern zunehmend die KI. Die Schule ist selbst in Sachen Computer noch nicht am Zahn der Zeit angekommen und die Entwicklung setzt sich mit der KI rapide fort. Hoffähig in der Gesellschaft ist dann oft das Verbot der neuen Technik, so auch jetzt wieder mit Handy- und KI-Verboten. Darüber wurde ja auch schon durchaus sehr differenziert geschrieben - Einbindung der KI in neue Lern- und Prüfungsformate im anderen Thread -, was ich aber vermisse, ist der Blick aus Sicht der Lernenden, der bis jetzt oft nur ein (defizitorientierter) Blick auf die Lernenden ist.
Drehte man die Sichtweise mal um, wird sich die jüngere Generation mit der gleichen Sicht auf uns vielleicht denken, dass wir ganz schöne Defizite bei der Partizipation an aktuellen Entwicklungen in der Gesellschaft haben. In einer Gesellschaft wohlgemerkt, in der 'wir' vermutlich nicht einmal die Mehrheitsgesellschaft darstellen. Das betrifft meiner Wahrnehmung nach nämlich auch die Superdiversität in der Gesellschaft, die sich in den Kollegien noch kaum widerspiegelt. Ich nehme das selbst wahr, wie groß die Unterschiede in der Lebenswelt zwischen meinen Schüler*innen im Brennpunkt und mir als privilegierter Mensch in der Eigentumswohnung und entsprechenden Bubble im gutbetuchten Teil Kölns ist. Und wenn man diese Lebenswelten wahr nimmt und ernst nimmt, erkennt man vielleicht auch, dass es ein fundamentaler Attributionsfehler ist, dass so viele Kinder und Jugendliche faul seien oder fauler seien als früher. Dies ist vielleicht viel mehr den Bedingungen der Schüler*innen zuhause (sozioökonomischer Natur) und den Bedingungen in der Gesellschaft (Passung zwischen dem was Schule lehrt und dem was in der Gesellschaft Thema ist) geschuldet.
Das System Schule muss sich ändern. Wir haben einen Erziehungsauftrag und dazu gehört natürlich auch, dass man manche Sachen in manchen Situationen verbietet, ja. Wir haben auch einen Lehrauftrag, wir müssen also schauen, wie wir mit welchen Medien am besten Lernen. Wenn wir die Schüler*innen erreichen wollen, dürfen wir aber eben nicht zu weit weg von ihnen und ihrer Lebenswelt sein. Wir müssen die Entwicklungen und die Lebenswelten also natürlich auch in die Schule einbinden. Was wir lehren wird natürlich auch davon beeinflusst, was die Kinder und Jugendlichen brauchen, um an der Gesellschaft zu partizipieren.
Ich nehme es so wahr, dass es auch für mich persönlich sehr wertvoll ist, dass ich andere Lebenswelten kennenlerne und eigentlich gezwungen bin, am Zahn der Zeit dran zu bleiben. Und wie gesagt, kann ich mir vorstellen, dass 'wir' nicht mehr die Mehrheitsgesellschaft darstellen. Ich möchte persönlich nicht als jemand enden, der denkt, er wäre der Maßstab für die Gesellschaft, obwohl die Gesellschaft über ihn denkt, dass er ein von den meisten in der Gesellschaft und von den Entwicklungen abgehängter Mensch sei.
P.S.
Vielleicht muss man meinen Beitrag ausgliedern, er bezieht sich nicht allein auf diesen Thread.