Große Unruhe im Matheunterricht

  • Liebe Community,

    ich bin gerade echt am Verzweifeln und würde mich sehr über euer Schwarmwissen freuen.

    Ich habe in den Sommerferien eine Stelle an einer Waldorfschule angenommen und arbeite dort als Mathelehrerin für die Klassen 9-13. Die oberen Klassen (11-13) stellen für mich kein Problem dar. Aber die Klassen 9 und 10 sind eine echte Herausforderung. Sie sind super laut, hören oft nicht zu, laufen immer wieder durch die Klasse und widersetzen sich meinen Anweisungen. Das betrifft natürlich nicht alle Kinder, aber trotzdem genug um das Arbeiten stark (für mich und die anderen Kinder) zu erschweren. Meines Wissens nach gibt es von Schulseite keinerlei Konsequenzen für Fehlverhalten im Unterricht. Auch durch Noten lässt sich wenig regulieren, da es hier in Klasse 9 und 10 keine Noten geben soll.

    Ich habe auch schon die Schülis selbst gefragt, was ihnen helfen würde oder was sie sich wünschen würden. Abgesehen von "weniger induktiv" kam da leider nichts brauchbares (eher sowas wie einfach kein Matheunterricht, lieber Freistunde machen, spazieren/Eis essen gehen, ...).


    Habt ihr vielleicht Ideen, was ich im Unterricht besser machen kann, um eine zum Lernen geeignete Arbeitsatmosphäre zu schaffen und die Kinder besser abholen zu können?


    Ich sollte vielleicht dazu erwähnen, dass ich mein 2. Staatsexamen an einem Gymnasium gemacht habe und Klassen mit teilweise mehr als 15 NTAs und einer Spannweite von Förderschwerpunkt Lernen bis Hochbegabung im Bereich Mathe schon eine Herausforderung für mich sind.

    Würde mich wirklich freuen, wenn da jemand ein paar Ideen mit mir teilen würde :)
    Vielen Dank schonmal!

  • Das Kernproblem ist, dass die Schüler (m/w/d) den Sinn des Unterrichts nicht verstehen. Du könntest dir jetzt die Mühe machen und zu jedem Unterrichtsthema ein super motivierendes Beispiel aus dem Alltag, idealerweise mit Bezug zur Lebensrealität der Schüler (m/w/d), heraussuchen. Das ändert aber nichts daran, dass die Jugendlichen lernen müssen, dass sie sich auch mit Dingen auseinandersetzen müssen, die jetzt nicht immer extrem viel Spaß machen - weil das zum Leben einfach dazugehört.

    Du schreibst, es gibt in Klasse 9 und 10 keine Noten. Gibt es wenigstens ein pass-or-fail-System oder rücken die Schüler (m/w/d) automatisch auf, selbst wenn sie die vorgesehenen Kompetenzen gar nicht erworben haben?

    Wenn nicht, sieht es sehr schlecht aus mit einer Handhabe deinerseits.

    In Klasse 9 und 10 kannst du störende Schüler (m/w/d) unbetreut noch nicht aus dem Unterricht schmeißen (vgl. Sek II).

    Was mir noch einfällt: Vielleicht kann der Hausmeister etwas Hilfe gebrauchen?

    Dauerstörer könnten damit beauftragt werden, dem Hausmeister zu helfen - solange bis ihnen der Mathematikunterricht als das geringere Übel erscheint.

    Ansonsten: Es macht keinen Sinn, dich als teuere Ressource zu nutzen, um Schüler (m/w/d) zu bespaßen, die offensichtlich keine Lust haben, unterrichtet zu werden. Ich würde mich im Kollegium umhören, ob die Arbeitsmotivation in anderen Fächern ähnlich aussieht, und wenn ja, die betroffenen Eltern zusammentrommeln und mal anklingen lassen, da es ja um Klasse 9/10 geht, ob es nicht sinnvoller wäre, über eine Ausbildung bzw. den Übertritt in die Berufswelt nachzudenken.

  • Lehrer an einer Waldorfschule sein ist ein Hobby und kein Beruf. Für die Schüler ist es nicht viel anders, diese Schulen sind ein Schonraum für Kinder aus "besonderen" Elternhäusern insbesondere Leistungsdruck ist dort nicht erwünscht. Pass dich den Bedingungen an oder - das würde ich empfehlen - such dir einen richtigen Job, da kriegst du auch ein Gehalt und nicht nur ein Taschengeld als Aufwandsentschädigung.

  • Was mir noch einfällt: Vielleicht kann der Hausmeister etwas Hilfe gebrauchen?

    Dauerstörer könnten damit beauftragt werden, dem Hausmeister zu helfen - solange bis ihnen der Mathematikunterricht als das geringere Übel erscheint

    Ja, das lässt die Elternschaft einer Waldorfschule sicherlich genau so mit sich machen.

  • Ja, das lässt die Elternschaft einer Waldorfschule sicherlich genau so mit sich machen.

    Würde ich gar nicht so pauschal anzweifeln, handwerkliche Tätigkeiten stehen in dem Konzept durchaus höher im Kurs, bei denjenigen, die immer noch im Steiner-Kontext arbeiten geht das teilweise schon stark in Richtung einer Verklärung von "Abhärtung durch Arbeit in der Natur". Waldorfpädagogik ist heute immer noch oft in einem esoterisch-völkischen Weltbild verhaftet.

  • Lehrer an einer Waldorfschule sein ist ein Hobby und kein Beruf. Für die Schüler ist es nicht viel anders, diese Schulen sind ein Schonraum für Kinder aus "besonderen" Elternhäusern insbesondere Leistungsdruck ist dort nicht erwünscht.

    Sorry, aber das ist Humbug. Kritik an an Waldorfschulen in allen Ehren aber gegen Unfug wehre ich mich.

  • ... und Klassen mit teilweise mehr als 15 NTAs und einer Spannweite von Förderschwerpunkt Lernen bis Hochbegabung im Bereich Mathe schon eine Herausforderung für mich sind...

    Das wäre für jeden eine Herausforderung, bis nahezu nicht machbar.

    Die Frage ist, was will dein Arbeitgeber? Was sollst du leisten? Nach welchem Lehrplan arbeitest du?

    Kannst du sie zunächst mal an Stationen arbeiten lassen? Dann könntest du erst mal auch simplere, stupide Sachen hinlegen, damit alle beschäftigt sind und du Zeit hast, dich um Sonderfälle zu kümmern.

    Wenn es keine Sanktionen für Regelverstöße geben darf, wäre ich allerdings raus.

    Die SuS zu fragen, auf was sie Lust haben, muss auf alle Fälle schiefgehen, sie müssen ja kommen, echte Wahl also nicht gegeben. Allenfalls gibt es Wahl- und Pflichtaufgaben, mehr verkraften sie an der Stelle nicht...

  • Sorry, aber das ist Humbug. Kritik an an Waldorfschulen in allen Ehren aber gegen Unfug wehre ich mich.

    Das mag in der Übertreibung Humbug sein, dennoch muss ganz klar darauf hingewiesen werden, dass eine Gymnasiallehrkraft mit Mathematik sicher auch im staatlichen System gut unterkäme und dabei spürbar mehr verdienen würde. Und dass Waldorfschulen ein eher spezielles Klientel bedienen, ist auch kein Geheimnis. Den Begriff des Schonraums finde ich hier sogar noch recht wertneutral.

  • Was mir noch einfällt: Vielleicht kann der Hausmeister etwas Hilfe gebrauchen?

    Dauerstörer könnten damit beauftragt werden, dem Hausmeister zu helfen - solange bis ihnen der Mathematikunterricht als das geringere Übel erscheint.

    Dazu, weil schon Andere darauf eingegangen sind, aber mit anderem Blickwinkel.

    1. Hausmeistertätigkeiten sind KEINE Strafe.
    Unterstützung des Hausmeisters ist eine sinnvolle "Strafe", wenn SuS etwas zerstören, dessen Arbeit nicht respektieren und Mehraufwand für ihn produziert haben, respektlos gewesen sind...

    2. So ein klassistisches Verhalten geht gar nicht, was meinst du mit "der kleinere Übel"?

    Ach, ich kann nichts Weiteres schreiben, ich würde mich nur 10 mal verärgert wiederholen.

    ...
    107. Ich hoffe sehr, dass es auch SuS gibt, die lieber an der frischen Luft Schulgeräte reparieren, den Rasen mähen oder etwas neu anstreichen, als Mathematik zu lernen, dessen Sinn sie erstmal nicht sehen.

  • Das mag in der Übertreibung Humbug sein, dennoch muss ganz klar darauf hingewiesen werden, dass eine Gymnasiallehrkraft mit Mathematik sicher auch im staatlichen System gut unterkäme und dabei spürbar mehr verdienen würde. Und dass Waldorfschulen ein eher spezielles Klientel bedienen, ist auch kein Geheimnis. Den Begriff des Schonraums finde ich hier sogar noch recht wertneutral.

    Unabhängig davon, dass eine Gymnasial-Lehrkraft (wie du schreibst) im staatlichen System sicherlich unterkäme und mehr verdienen würde.

    Die Aussage "Lehrer an einer Waldorfschule sein ist ein Hobby und kein Beruf. " ist aber dennoch Humbug, da hat Quittengelee schon recht. Ziemlich arroganter Humbug sogar.

  • Unabhängig davon, dass eine Gymnasial-Lehrkraft (wie du schreibst) im staatlichen System sicherlich unterkäme und mehr verdienen würde.

    Die Aussage "Lehrer an einer Waldorfschule sein ist ein Hobby und kein Beruf. " ist aber dennoch Humbug, da hat Quittengelee schon recht. Ziemlich arroganter Humbug sogar.

    ... ist eher Berufung als Beruf, würde es vielleicht besser treffen. Ohne besondere Begeisterung für das Konzept, ist das eher schwierig. Sonst könnte das spezielle Konzept und die schlechtere Bezahlung zu größerem Frust führen.

    Tim Finnegan liv’d in Walkin Street
    A gentle Irishman mighty odd.

  • Des stimmt. man muss da sicherlich anders hinter stehen als wenn man auf einem Gymnasium ist. Aber es ist definitiv ein Beruf, man bekommt Geld (wenn auch weniger). Kein Hobby.


  • 2. So ein klassistisches Verhalten geht gar nicht, was meinst du mit "der kleinere Übel"?

    Der Gedanke geht in Richtung von dem, was Maylin85 mal in Bezug auf chronische Unterrichtsstörer in einem anderen Strang schrieb, nämlich dass diese, wenn sie schon keine Lust auf Unterricht haben, zur Abwechslung in einem Betrieb körperlich anspruchsvolle Arbeit verrichten sollen, um für sich herauszufinden, ob ihnen das vielleicht eher liegt statt der (aktiven) Teilnahme am klassischen Unterricht. Der "Betrieb" wäre in diesem Fall nicht ein separater Betrieb, sondern die Unterstützung des Schulhausmeisters, und der Einsatz auf ein paar Nachmittage begrenzt.

  • Das mag in der Übertreibung Humbug sein, dennoch muss ganz klar darauf hingewiesen werden, dass eine Gymnasiallehrkraft mit Mathematik sicher auch im staatlichen System gut unterkäme und dabei spürbar mehr verdienen würde. Und dass Waldorfschulen ein eher spezielles Klientel bedienen, ist auch kein Geheimnis. Den Begriff des Schonraums finde ich hier sogar noch recht wertneutral.

    Dass man an der staatlichen Schule mehr verdient ist klar, aber darum ging es mir nicht.

    An Waldorfschulen geht es grundsätzlich nicht darum, ein Schonraum ohne Leistung zu sein, es gibt halt ein zugrundeliegendes Konzept, das man mittragen sollte, um dort zufrieden zu sein.

    Ganz grundsätzlich werden jedoch Themen epochal behandelt und möglichst fächerübergreifend und praxisnah, etwa Bruchrechnen in Klasse 4, Prozentrechnung in Klasse 6, Analytische Geometrie in 10. Dazu gibt es noch Feldmesspraktikum, Schmieden, Fachwerkbau, Stricken, sticken, Schreinern, Theater und weiß der Geier was, da passiert nicht nix.

    Ein Problem ist sicher, dass der Lehrplan eher ein Rahmenplan ist und viel durch Erzählen vermittelt wird, wenn's aufs Abitur zugeht, müssen erst mal alle lernen, wie man strukturiert lernt.

    Was für Lehrkräfte auf alle Fälle zutrifft, ist, dass sie sehr viel arbeiten. In manchen Fächern für Klasse 1-12 zuständig sind, die Klassen oft groß und sehr heterogen etc.

    Es darf bitte gerne an Rudolf Steiner, seiner kruden Privatphilosophie oder eigenen schlechten Erfahrungen rumkritisiert werden, aber die Schulen sind definitiv alles andere als ein großer Spielplatz.

  • Ja, das stimmt natürlich. Und es ist mit Sicherheit nicht so, dass an den Waldorfschulen nicht sinnvoll gelernt werden kann. Wir hatten inzwischen einige Kids, die spätestens zum Übergang in die Sek II ins staatliche System zu uns wechselten und durchaus brauchbare Grundkenntnisse mitbrachten.

  • Es gibt vor allem sehr verschiedene Waldorfschulen. Wer eine kennt, kann nichts über andere aussagen (und deshalb gibt es so oft Streit und Missverständnisse).

    Meine Beiträge werden auf einer winzigen Tastatur eines Tablets mit Autokorrektur geschrieben. Bitte entschuldigt Tippfehler. :mad:

  • Der Gedanke geht in Richtung von dem, was Maylin85 mal in Bezug auf chronische Unterrichtsstörer in einem anderen Strang schrieb, nämlich dass diese, wenn sie schon keine Lust auf Unterricht haben, zur Abwechslung in einem Betrieb körperlich anspruchsvolle Arbeit verrichten sollen, um für sich herauszufinden, ob ihnen das vielleicht eher liegt statt der (aktiven) Teilnahme am klassischen Unterricht. Der "Betrieb" wäre in diesem Fall nicht ein separater Betrieb, sondern die Unterstützung des Schulhausmeisters, und der Einsatz auf ein paar Nachmittage begrenzt.

    Ich erinnere mich nicht, dass ich das geschrieben habe. Ich meinte eher generell Job statt Schule, meinetwegen auch als Geschichtenvorleser im Seniorenheim 😊

  • Es gibt gute und durchdachte Konzepte für Unterrichtsstörungen (ich sollte eher schreiben: bei), da brauchen wir jetzt hier keine erfinden. Ein guter Lehrer sammelt im Laufe seines Lehrerlebens einige für sich und seine Schüler passende zusammen.

    Ansonsten empfehle ich immer wieder gerne das Buch:

    https://www.fachportal-paedagogik.de/literatur/voll…tml?FId=3209709

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