Ich habe eine dieser Spezialschulen in Berlin besucht und kann mich alphas Schilderung im Wesentlichen anschließen.
Die Auswahl erfolgte im Wesentlichen über den Test und vorherige Erfolge bei mathematisch-naturwissenschaftlichen Wettbewerben.
Mir haben die Ohren geschlackert, als beim ersten Fahnenappell des Schuljahres Schüler der 11. Klassen kritisch über das prämilitärische Camp, an dem sie teilnehmen mussten, berichteten. (Ich habe den Namen vergessen, falls er mir noch einfällt, ergänze ich ihn.)
Während der Ausschreitungen vor der Maueröffnung hat ein Schüler einen Augenzeugenbericht ans Schwarze Brett gehängt. Der hing dort so lange, dass ihn alle lesen konnten. Danach gab es von Seiten der Schulleitung die Forderung, dass der Schüler das widerrufen möge, tat er nicht. Es gab überaus kritische Diskussionen. Wir hatten Politiker da, mit denen wir über ein gutes Schulsystem diskutierten, Ideen entwickelten. Wir konnten in der 10. Klasse eine 3. Fremdsprache lernen, das wurde für uns organisiert.
Als wir in der 10. Klasse waren, bekamen wir das Westberliner Schulsystem "übergestülpt". "Wir machen jetzt einfach alles anders. Ihr geht jetzt einfach ein Jahr länger zur Schule, Russisch ist nicht mehr eure erste Fremdsprache, denn Russisch als erste Fremdsprache ist in West-Berlin nicht vorgesehen. Daher ist das jetzt eine zweite Fremdsprache. Englisch kann aber auch nicht erste sein, denn dafür habt ihr nicht genug Lernjahre, Englisch ist auch zweite Fremdsprache. Ihr dürft aber trotzdem euer Abi machen, auch wenn ihr keine erste Fremdsprache habt. Eure angefangene 3. Fremdsprache? Tja, nun, Pech gehabt, gibt es nicht mehr."
Sicherlich gab es politische und wirtschaftliche Gründe, diese Wiedervereinigung schnell zu gestalten. Die waren vielen aber nicht klar und sie wurden nicht klar kommuniziert.
Meine spätere Erfahrung im phasenweise arbeitenden und immer wieder neu zusammengesetzten Jugendorchester war: Diejenigen in meinem Alter waren die ersten, die dort ab 1991 mitspielen durften und das hat den Horizont total erweitert, es war eine tolle Gelegenheit. Die jüngeren, die später dazukamen, fragten oft als erste oder zweite Frage: "Ossi oder Wessi"? Warum? "Ich möchte wissen, ob wir gleich ticken." Und damit schließe ich mit einem Zitat von Quittengelee:
Die Erfahrungen und der Geschichtsunterricht und die Gesellschaft und die Erinnerungen waren über Jahrzehnte auf beiden Seiten fundamental unterschiedlich.
(Sucht mich bitte nicht in den Absolventenlisten der Berliner Spezialschule, ich habe nach der Wiedervereinigung die Schule gewechseltt.)