Beiträge von Monika

    Ich habe zufällig den Bericht powerflower, über den Abbruch ihres Referendariats gelesen. Auf Grund meiner Erfahrungen aus meiner 30jährigen Lehrertätigkeit, während der ich auch eine Reihe von Referendaren anleitete, und selbst als Junglehrerin angeleitet wurde, behaupte ich, powerflower hat etwas erlebt, was gleichsam wie ein Damoklesschwert über jedem angehenden Lehrer schwebt: Das Versagen.

    Wie und mit welchen Konsequenzen angehende Lehrer den Auswirkungen dieser Bedrohung ausgesetzt sein können, lässt sich am Beispiel powerflowers mit Gewinn für die eigene Lehrerlaufbahn aufzeigen.

    Deshalb setze ich hier – in Absprache mit powerflower – verschiedene Passagen der Statements noch einmal zusammenfassend ab und füge ihnen anschließend meinen Kommentar hinzu. Hervorhebungen sind von mir, weil diese Äußerungen in meinem Kommentar eine wichtige Rolle spielen.

    Zitat

    Ich habe das Referendariat nach einem Jahr abgebrochen, weil man mir dazu riet. ... Das alles zu erklären ist zu komplex, denn auch ich hatte Mitschuld an meinem Scheitern (aber nie und nimmer die alleinige Schuld, ihr tollen, ach so empathiefähigen und ach so kompetenten Obrigkeiten! ) Ich möchte es auch deshalb nicht ausbreiten, weil ich mir einen eventuellen Wiedereinstieg nicht verbauen möchte. Mein Abbruch liegt schon eine Weile her, eine sehr aufwühlende, schreckliche Zeit liegt hinter mir und ich erhole mich langsam. Konkret geht es darum, dass ich als behinderte Referendarin ebenfalls behinderte Problemschüler hatte und meine Vorgesetzten (wohlgemerkt, selbst Sonderpädagogen) meinen Behindertenstatus für Disziplinprobleme verantwortlich machten. ... Ich möchte aber nichts beschönigen, so unproblematisch war meine Behinderung nicht, ich hatte auch pädagogische Defizite und es gab Vorfälle, die nicht hätten sein dürfen. ... Letztendlich habe ich zu viel Angst vor negativen Konsequenzen, wenn ich wen einschalte. Ich glaube nicht, dass ich bei einem Wiedereinstieg nicht mit Vorurteilen zu kämpfen haben werde. Wenn ich wieder anfange, wird meine Akte garantiert wieder hervorgeholt ... Ich habe meinen Stempel so oder so schon weg, egal wann und wo ich anfange. ...

    Ich glaube, mein grösstes "Handicap" war, dass ich sehr selbstbewusst war, was meine Einstellung zum Zusammenhang zwischen Behinderung und Disziplinstörungen betraf. Es gibt nun mal Wahrnehmungen, die nur Menschen mit Behinderung haben, während nichtbehinderte Menschen diese Wahrnehmungen nicht haben. Somit habe ich das Fehlverhalten meiner ebenfalls behinderten Schüler oft anders als meine Kollegen und Vorgesetzten interpretiert.
    Ein anderes Beispiel, bei einem meiner UB platzte der Direktor in meinen Unterricht und sprach mit der Seminarleiterin, mich machte es nervös, weil ich das Gefühl hatte, dass es um eine Beschwerde über mich ging (es gab einige Tage zuvor einen Vorfall in meinem Unterricht), und die Schüler wurden unruhig durch dieses Gespräch. Ihr im Lauf der Stunde weniger diszipliniertes Verhalten wurde mir dann bei der Nachbesprechung auch angekreidet. Der Direktor ging mit der Seminarleiterin für einige Minuten raus (diese entschuldigte sich wenigstens) und dann kam die SL wieder rein, aber die Schüler waren weit weniger konzentriert, während sie in den UBs vorher hervorragend mitgearbeitet hatten. Äh, man könnte nun auch sagen, dass ich da Nervenstärke hätte bewiesen müssen, aber ich möchte andere Referendare in dieser Situation sehen...

    Soraya: Hast Du ihn diesbezüglich angesprochen und ihm geschildert, warum Du Dich in diesen Situationen schlecht gefühlt hast und welche Auswirkungen sein (Fehl-)verhalten auf Dich und die Lehrer-Schüler-Situation hat?

    Powerflower: nein, ich hatte das nicht gemacht, solche Kritik hätte er vielleicht in die falsche Kehle bekommen, und ich fürchtete negative Konsequenzen, nachdem ich wegen einer anderen Sache schon aufgemuckt hatte und daraufhin einen ordentlichen Rüffel bekam. Außerdem hatte ich die Dimension dieses Verhaltens zu diesem Zeitpunkt noch nicht richtig begriffen, war ja Neuland für mich.

    Natürlich verstärken Behinderungen das Risiko für Disziplinstörungen. Aber der viel wichtigere Faktor ist die Lehrerpersönlichkeit. Ich hatte einen Lehrer, der an der Krücke ging und körperlich sehr schwach war. Er konnte nur sitzend unterrichten und er saß sehr schief auf seinem Stuhl. Schreiben an der Tafel war für ihn eine Qual. Doch wenn er unterrichtete, aber hallo! Er war anerkannt bei allen Schülern und bei ihm war es mucksmäuschenstill.
    So eine Persönlichkeit war ich leider nicht. Ich wollte sie entwickeln, scheiterte aber an den Vorurteilen meiner Vorgesetzten und Kollegen und an den Vorgaben, die ich als Referendarin einzuhalten hatte.

    Dieses war der erste Teil, der zweite kommt mit Weil!

    Gruß monika :)

    Jeder Lehrerstudent steht spätestens im Referendariat vor der Frage, ob er für den Beruf „Lehrer“ geeignet ist.
    Ich habe mich als Studentin und als Lehrerin zeitlebens gefragt, gefragt, ob ich als Schullehrerin mit meinen pädagogischen Intentionen in öffentlichen Schulen nicht etwa fehl am Platze bin.
    Jede Schule fragt sich, ob der/die Neue ins Kollegium passt!
    Die Schüler fragen sich: Werden wir eine nette LehrerIn kriegen?
    Die Eltern fragen sich: Wird sie/er unsere Kinder zuverlässig unterrichten?
    Die Schulbehörde sagt: Ein Lehrer muss .... dies und das können ... so und so sein ....


    Und in diesem breiten Spektrum sollen Eignungstests Klarheit bringen? Da wird mit diversen unkalkulierbaren Variablen gearbeitet, die außerdem nicht nur von der Person des Lehrers abhängen. Unkalkulierbar ist bspw. die Belastbarkeit eines Lehrers. Schon ein kleiner Unfall kann hier vieles verändern. Und schließlich wird so getan, als könne der Lehrer bestimmen, welchen Belastungen er sich aussetze. Die Organisation Schule selbst mit ihren vielen Ungereimtheiten und Widersprüchen können die anfangs weit gespannten Flügel erlahmen lassen und eventuell gar brechen.

    Die Inaussichtstellung von Eignungstests – sofern sie die nützliche Aufgabe der eigenen Selbstbefragung überschreiten -, trägt in völlig unzutreffender Weise dazu bei, dass Lehrer öffentlich schon wieder als Urheber jedes bildungspolitischen Dilemmas angeprangert werden. Ich höre schon Kollegen/Eltern/Schüler/Schulräte/Schulleiter , die meinen Unterrichtsstil kritisieren sagen: „Sie sollen ja auch beim Eignungstest schlecht abgeschnitten haben!“

    Die Kultusminister wollen ausschließen: „Einschränkungen der Widerstandskraft, Defizite in sozialen und kommunikativen Kompetenzen und ein nur mäßig ausgeprägtes Selbstbewusstsein“. Offensichtlich Leute die dem Motto „Nur der Stärkste und Tüchtigste bringt uns voran!“ entsprechen. (Darwin lässt grüßen!]

    Lehrer sollen aber Menschen sein, die in der Lage sind alle zu fördern! Schon an dieser Stelle, wo mit zweierlei Maß gemessen wird, zeigt sich doch, welcher Nonsens hier wieder regiert! Statt umfassend und gründlich nachzudenken, haben sich die Macher „aktiv“ (Lobenswert: Die tun ja was!) ins Zeug gelegt und erklären allen, die es hören wollen: Wir haben das Rädchen entdeckt, an dem wir drehen müssen, damit sich alles zum Guten wendet!

    Völlig unreflektierte Wunschvorstellungen finden hier unbedacht Anwendung: Je effektiver die Lehrerpersönlichkeit den vorgegebenen Richtlinien und Bildungsplänen angepasst ist, desto besser die Schule.

    Wie wärs dann mit Computern statt Lehrern? Computer haben bei entsprechender Wartung eine verlässliche Widerstandskraft, haben keine sozialen und kommunikativen Defizite, weil sie immer das können, was man ihnen draufspielt, und ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein: Mein Computer hat mich noch nie mit irgendwelchen Selbstzweifeln behelligt!

    Dass Bildung im Rahmen einer lebendigen und nicht-berechenbaren Schüler-Lehrer-Beziehung stattfindet, der möglichst viel Freiraum, Kreativität und Eigenverantwortlichkeit zum Erlernen eines angemessenen Verhaltens im Umgang mit Lerngegenständen ermöglichen sollte – wird ausgeblendet!

    Monika

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