Beiträge von Antimon

    Diese SuS haben eigentlich nichts am Gymnasium verloren aber ich muss trotzdem einen pragmatischen Weg finden, mit ihnen um zu gehen.

    Ich verstehe deinen Pragmatismus an der Stelle und man will ja auch nicht der "Böse" sein. Die ehrliche Variante wäre aber, sie auflaufen zu lassen. Wer mit einfachen Gleichungssystemen nicht sicher umgehen kann, wird auch nicht studierfähig. Das Problem dabei ist eben, die Schlauen übernehmen die Dreiecke auch, weil sie faul sind. Auf Niveau Realschule (das sind unsere Fachmaturand*innen) verstehen eigentlich alle zumindest die Idee "Input/Output", können also die Steigung einer Geraden anhand eines Wertepaares ermitteln und die zugehörige Gleichung hinschreiben. Was ich auf dem Niveau nicht mehr schaffe, ist, allen verständlich zu machen, dass ein einzelnes Wertepaar in der Physik ja fehlerbehaftet ist und man die Steigung daher anhand einer Ausgleichsgeraden ermitteln müsste. Die lernen auch keine Differentialrechnung, da setzt es bei den allermeisten dann endgültig aus. Aber das ist in Ordnung, für diese SuS geht's auch nicht oder zumindest nicht auf direktem Weg an die Uni. Insgesamt sind damit knapp 50 % eines Jahrgangs (gymnasiale Maturität und Fachmaturität bei uns im Kanton) sehr wohl in der Lage, eine Gleichung nach einer Variablen aufzulösen und brauchen dafür keine Dreiecke. Ich gehe davon aus, dass das auch noch ein grösserer Teil der Berufslernenden problemlos kann. Es gäbe also eigentlich keinen Grund, die Dreiecke in der Mittelstufe den potentiellen Übertreter*innen in die allgemeinbildende Sek II überhaupt erst aufzutischen.

    es alle hier Anwesenden aber natürlich so vermitteln können, dass es die SuS wirklich und tiefgreifend verstehen

    Ich schrieb ungefähr das Gegenteil, dass ich nämlich absolut nicht glaube, dass dieser Käse immer nur von "denen da oben" kommt. Der Käse manifestiert sich, wenn ihn nur genügend Lehrpersonen weitergeben oder mindestens tolerieren.


    Nur wo haben diese Anwesenden ihre Didaktikkenntnisse dann her?

    Dass ich weiss, was die Aussage einer linearen Gleichung sein soll, hat mit Didaktik herzlich wenig zu tun. Ich vermittle es nach bestem Wissen und Gewissen und meinen eignen Mathekenntnissen entsprechend. Gelernt habe ich das - tataa - irgendwann mal als Schülerin am Gymnasium. Woher das nun meine Mathelehrerin wusste, sei dahingestellt. Mutmasslich hat man ihr das auch mal an der Schule beigebracht usw. usf. Dass ich weiss, dass man mit linearen Gleichungen bestimmte Arten der Bewegung in der Physik modellieren kann, kommt auch nicht aus der Didaktik sondern aus dem Fachstudium an der Uni. Die seltsamen Dreiecke haben wir aber tatsächlich in der Fachdidaktik thematisiert. Da ging es vor allem darum, wie man den Jugendlichen den Kram wieder austreibt. Woher er kommt - ehrlich, ich weiss es nicht.

    Interessant ist an der Stelle, dass ich mir ziemlich sicher bin, dass mir die Verknüpfung Mathe --> Naturwissenschaften selber erst im Fachstudium an der Uni klargeworden ist. Ich kann mich absolut nicht daran erinnern, dass mir in der Schule erklärt wurde, dass sich die Geschwindigkeit eines Körpers aus seiner zeitabhängigen Ortsfunktion ableiten lässt. Ich halte es aber durchaus für möglich, dass das mal jemand versucht hat und ich schlichtweg zu blöd dafür war. Als Lehrperson unterrichte ich es genau so und lege einigermassen Wert darauf, dass alle meine SuS, egal in welchem Leistungsniveau, die Zusammenhänge zumindest an einfachen Beispielen aufzeigen können und in der Regel klappt das nach einigen Bemühungen auch. Ich habe dieses Schuljahr einen Prüfungsvorbereitungskurs zur Fachmatura Pädagogik in Physik übernommen, die wussten das alle vorher schon. Es scheinen also auch andere Lehrpersonen bei uns an der Schule erfolgreich darin zu sein, das zu vermitteln. Fakt ist aber, die Übertreter*innen aus der Mittelstufe kommen alle wieder mit diesen komischen Dreiecken. Also werden sie dort offensichtlich zum Leben erweckt, die Dreiecke.

    Und warum machen es immer alle anderen Lehrkräfte falsch, die die SuS vorher unterrichtet haben?

    Auch das schrieb ich in dieser Pauschalität nicht. Ich habe in einer Klasse mal explizit danach gefragt, ob man ihnen in der Primar eigentlich das schriftliche Multiplizieren noch beigebracht hätte. Und siehe da, das sind Algorithmen, die die allermeisten tatsächlich auch beherrschen. Die Probleme beginnen offenbar erst danach.

    Osterhasen-Dreieck, Voodoo-Dreieck, Idioten-Dreieck ... 15jährige am Gymnasium sind nicht gerne "Osterhasen". Sie hören sehr schnell auf, Dreiecke zu malen, wenn man ihnen das 2 - 3 mal bei der Korrektur aufs Prüfungsblatt geschrieben hat. Und: Dreiecke zählen nicht als "Rechenweg", also gibt's dafür keine Punkte. :evil:

    Es ist doch klar, woher das kommt. Uuuh ... Mathe, das ist zu kompliziert. Formel umstellen, da müsste man ja erst mal verstanden haben, was eine Proportionalität überhaupt darstellt. Der Mathematiker würgt sich irgendeinen künstlichen Anwendungsbezug zusammen, der Physiker resigniert und macht sich erst gar nicht mehr die Mühe aufzuzeigen, welche Sachverhalte durch eine Geradengleichung modelliert werden. Dann lieber ein Dreieck malen und schon sind alle zufrieden.

    Aber herrlich, sich hier erst mal empören, Quittengelee , ne? Offensichtlich weisst du dann doch nicht so genau, was an seltsamen Spüri-Rezepten in der Mathe so alles in Umlauf ist.

    In der Tat sind die englischsprachigen Bücher im Bereich Naturwissenschaften sehr viel besser als die deutschen Schulbücher. Die Autoren schaffen es irgendwie, sich sinnvolle Kontextaufgaben auszudenken.

    Genau. Daher meine Frage, weil du auch eben geschrieben hattest, dass es keine einzelnen Chloridionen gibt, und bei der Gleichung jetzt doch bestätigst, dass es sie gibt. hmm... Ich lese das wohl einfach zu streng.

    Die Gleichung beschreibt einen Teilvorgang, das ist ein reiner Formalismus. Es gibt keine einsamen Chloridionen.

    Bezüglich der Begrifflichkeit... Wenn ich genau drüber nachdenke, es ist nicht so ganz eindeutig. Es gibt beim Chlor natürlich noch die Molekülionen mit gebundenem Sauerstoff. "Clorid" ist was anderes als "Chlorit". Allerdings meint man mit "Chloriden" eben auch die Verbindungen und dann auch solche, bei denen das Chlor kovalent gebunden ist. Wenn es um Ionen geht, finde ich aufgrund der Verwechslungsmöglichkeit "Chlorion" fast besser als "Chloridion" wobei letzteres mutmasslich der offiziell korrekte Begriff wäre.

    Chemie ist mit solchen Begriffen oftmals recht schlampig weil es halt doch recht lange ging, bis das alles systematisiert wurde. Und bis dahin haben sich alle möglichen Trivialnamen festgesetzt. Wie z. B. die bereits erwähnte Salzsäure, die fürs Verständnis dann auch noch echt ärgerlich ist.

    Ich kenne einige Schulbuchautoren, wurde selbst einmal gefragt. Es sind alles Kollegen. Es gibt schon einige Vorgaben (einer der Gründe, warum ich abgelehnt habe).

    Letztendlich muss der Verlag verkaufen, (in einigen Bundesländern zugelassen werden), ich selbst bin mit keinem Mathebuch glücklich.

    Ja, aber auch die Vorgaben kommen nicht von Politikern. Es gibt in allen Fachrichtungen einzelne Platzhirschen, deren Meinung über Jahre alles dominiert. Das ist aber bei weitem nicht immer die Mehrheitsmeinung. Ich erwähnte Günter Baars, das ist DER Chemie-Fachdidaker der Schweiz. Natürlich hat der enorm viel geleistet, sein Buch finde ich trotzdem scheisse. Ich habe den mehrfach auf Fortbildungen erlebt, ich finde es wirklich nicht besonders schlau, was er sich so ausgedacht hat. Schade, schreibt Hans-Ruedi Dütsch kein Buch. Ich bin mir fast sicher, mit dem könnte ich arbeiten.

    Also ja, künstlicher Anwendungsbezug ist albern, aber den erwartet die Mathedidaktik m.E. auch gar nicht, das sind eher die Schulbuchverlage

    :rofl:

    Die da oben, die Schulbuchverlage... Genau, es sind immer irgendwelche mysteriösen "anderen", die sich diesen Hasenpfurz ausdenken. "Der Verlag" erwartet überhaupt nichts. Für den arbeiten Autoren und Editoren, die eigentlich Ahnung von der Sache haben sollten. "Die da oben" werden durch Lehrpersonen repräsentiert, die "da oben" in diversen Gremien eben mitarbeiten. Es kam ganz sicher noch kein Politiker auf die Idee, den kleinen Hans irgendeinen Pflock zu 3/5 in die Wiese schlagen zu lassen. Die haben besseres zu tun als sich so einen Mist auszudenken.

    Ja, ich muss meinen Jugendlichen auch erklären, was "ranzig" sein soll. So wie ich halt auch jeden Fachbegriff erst mal erklären muss.

    Wenn alles "so einfach" ginge, bräuchte es für den Job keine Ausbildung. Aber die haben wir ja und wir werden bezahlt fürs Vorbereiten von Unterricht und komische Wörter erklären.

    Denn nein, man nimmt natürlich nicht einfach irgendeinen Text

    Ich nehme überhaupt keinen Text von irgendwo her, ich schreibe alles selbst. Wir haben in der Sek II gar keine Bücher, die auf den kantonalen Lehrplan passen würden. Gerade in Chemie geben die am Markt vorhandenen Bücher nicht mal vernünftige Aufgaben her. Für Physik gibt es zum Glück Leifi.

    Vielleicht ist es bei dir komplizierter als an der Grundschule

    Ist es nicht, nein. Ich kenne meinen Stundenplan fürs nächste Semester und ich weiss, dass ich neben dem Studium sehr viel zu unterrichten habe. Jetzt gerade habe ich Zeit zur Vorbereitung, ab Februar habe ich die nicht mehr. Das Fortgeschrittenenpraktikum meiner Drittklässler ist bereits jetzt bis zu den Frühjahrsferien vorbereitet. Sobald an der Uni die Klausuren durch sind, mache ich die zweite Hälfte bis Ende Semester fertig. Während des Semesters schmeisse ich nur noch die Unterlagen hin. Dann arbeiten die SuS, ich habe meinen Teil schon erledigt. Manche Leute sind einfach nur schlecht organisiert und/oder jammern gerne rum.

    Wahrscheinlich ist das eine gesunde Sichtweise auf die Dinge. Ich muss zugeben, ich hatte schon eine Art hämischer Freude daran, dass an der FHNW der Verantwortliche für die berufspraktischen Studien Sek II kürzlich ersetzt wurde. Unsere Studis dürfen mit den SuS jetzt wieder mehr üben und müssen weniger reflektieren und spüren. Es war das erste Mal, dass jemand von denen bei uns im Konvent (da durfte die neue Person das neue Konzept vorstellen) Applaus bekommen hat.

    Wer ist denn dieses mysteriöse "oben"? Am Ende vielleicht die hoch gelobten Mathe-Didaktiker*innen, die ja ach so viel Ahnung haben? Und wer macht denn die Prüfungsvorschläge fürs Abi z. B.? Nee, ich glaube nicht, dass das ausschliesslich die Schuld derer da "oben" ist. Ich weiss, woher unsere Lehrpläne für die Mittelstufe kommen. Natürlich sind daran Lehrpersonen beteiligt, die sich ein Denkmal setzen wollen.

    5./6. Klasse ist bei uns nota bene Primarschule und die Lehrpläne sind nicht die gleichen, wie bei euch. In der Oberstufe kommt z. B. auch Differentialrechnung deutlich später als in Deutschland.

    Es geht nicht um Grundschulmathematik, die ist überhaupt nicht das Problem. Meine Jugendlichen können in der Regel das, was sie in der Primar gelernt haben, sehr gut. Offensichtlich werden da Algorithmen noch eingeschliffen, danach dann fängt die Spürerei mit dem Eiffelturm an. Die Ts und Dreiecke, die sie malen (aka "Methode zum Dreisatzrechnen") kommen aus der Mittelstufe. PISA findet in der 9. Klasse statt, das ist sehr viel näher an meiner Baustelle als an deiner und ziemlich weit weg von der Primar.

    Das "Sonderbare" ist übrigens, dass du nur liest, was dir gerade in den Kram passt respektive alles andere ignorierst bzw schnell wieder vergisst. Es war explizit Schmidt , der vor nicht allzu langer Zeit fand, man müsse in der Mathe mehr "schätzen und ein Gefühl für Zahlen entwickeln". Und jetzt ist plötzlich offensichtlich, dass es nur darum geht, stumpfsinnig Zahlen aus einer Tabelle abzulesen? Wo bleibt denn da das "Gefühl"?!

    Du denkst, man muss den Kindern nur zeigen, wie etwas geht und sie müssen es nachahmen, egal ob sie es verstehen

    Das kannst du dir noch 100 x zusammen phantasieren, ich habe das noch nicht ein einziges Mal geschrieben. Die besagte PISA-Aufgabe ist übrigens das Gegenteil von "Verständnis fördern". Sie erwartet, dass ein offensichtlicher Fehler in der Aufgabenstellung stumpfsinnig ignoriert wird. Hast du den Fehler denn selber gesehen?

    Ja ... Aber genau das ist das zentrale Problem des Mathematikunterrichts der gesamten Mittelstufe. Ich bin keine Mathematikerin, was du schilderst ist schon gar nicht meine Denkweise. Wenn ich in der Chemie mal irgendwas "kompliziertes" rechne, dann sind es quadratische Gleichungen zum Stoffumsatz bei Gleichgewichtsreaktionen. Ich wähle die Zahlen *immer* so, dass sie auch realistisch sind, sonst können wir's gleich bleiben lassen. Wenn es nur um die quadratischen Gleichungen gehen soll, dann geht es um Mathe und dann ist es nicht mehr mein Problem. In der Chemie muss ich am Ende entscheiden, welche von zwei Lösungen, die eine quadratische Gleichung nun mal hat, chemisch überhaupt sinnvoll ist. Wenn ich diese Überlegung nicht mache, ist die Aufgabe für'n Arsch.

    Wenn ich möchte, dass zu Beginn eines neuen Themas geübt wird, mit Zahlen aus einem Tabellenwerk z. B. umzugehen, dann kommuniziere ich das auch exakt so. Dann machen wir 5 Aufgaben nach immer dem gleichen Schema mit dem einzigen Sinn und Zweck "finde die relevanten pKS-Werte in der Säure-Base-Reihe", z. B. Erst wenn wir das können, können wir auch eine komplexe Kontextaufgabe lösen und der Kontext ist dann auch real und nicht erfunden. Im Idealfall haben wir ganz zu Beginn des Themas exemplarisch eine der Zahlen aus irgendeinem Experiment geholt, dann hat sie gleich auch eine Bedeutung.

    Gerade in der Mathematik herrscht seit Jahren schon die Annahme, man müsse mit 13jährigen die Statik des Eiffel-Turms durchrechnen um sie für Mathe zu "begeistern". Daraus resultieren dann irgendwelche vollkommen surrealen Schätz- und Spür-Spielchen anstatt denen gottverdammt einfach "nur" das Bruchrechnen beizubringen. Und dann liest man hier von Leuten, die sonst selbst Team "Mathe muss man fühlen und spüren" sind, es sei ja wohl offensichtlich, dass die Aufgabe Bullshit ist und es ginge nur darum, Zahlen aus einer Tabelle abzulesen. Ja, genau dafür braucht man die Fühlerei und Spürerei in der Mathe eben gerade nicht.

    Oh, ich bin tatsächlich immer im Plusbereich. Aber mit > 10 Jahren Berufserfahrung bedeutet das eine ganze Menge Aufgaben neben der Unterrichtsvorbereitung. Aufgaben, die andere mit ähnlich oder mehr Berufserfahrung definitiv nicht übernehmen.

    Es gibt eine handvoll KuK bei uns an der Schule, die sich zurecht vor der neuen Schulleitung fürchten. Wie erwähnt, wir führen lohnrelevante Mitarbeitergespräche. Und ich bin mir sehr sicher, es wird da 1 - 2 Abmahnungen geben, die eigentlich längst überfällig sind.

    Ich empfehle einigen hier dringend mal aufzuschreiben, wie viel sie wirklich arbeiten. Und ich meine *arbeiten*, nicht das Lehrerforum volljammern. Ich mache das gerade, weil ich ja mein Pensum reduziert habe. Ich wundere mich nicht so sehr, wie viel ich selbst arbeite, sondern frage mich eher, womit andere eigentlich die gesetzlich vorgeschriebene (!) Arbeitszeit voll bekommen. Da müssen einige wirklich weit entfernt von 41.5 Stunden für 100 % Pensum sein.

    Ich habe keine "Tipps" gegeben. Und es ist wirklich nicht mein Problem, was andere Leute zu Hause in ihre Mikrowelle stellen. Sei's eine Flasche mit Benzin oder den Wellensittich. Soll ja alles schon vorgekommen sein, auch ohne dass zuvor im Lehrerforum irgendjemand drüber schrieb. Dass unsere beiden Schülerinnen da Bleistiftminen reingetan haben, hat ihnen von uns auch keiner "beigebracht".

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