Beiträge von Antimon

    Du hast gefragt, was man denn in Deutschland mit 3er Abi studieren kann

    Ja, guck noch mal nach, auf welchen Beitrag ich da reagiert habe. Deine pseudo-naive Frage, was die Note mit der Berufswahl zu tun hätte. Die finde ich auch morgen noch arrogant.

    Doch. Das Abitur bescheinigt die Allgemeine Hochschulreife. Es bescheinigt eben nicht den Anspruch, jedes beliebige Studium sofort beginnen zu können.

    So selbstverständlich, wie du das behauptest, ist das nicht. Unseren Maturanden gewährt das Zeugnis den zulassungsfreien Zugang zu allen schweizerischen Hochschulen. Das deutsche Abitur wird problemlos anerkannt. Was übrigens doppelt absurd ist weil ein 4er Abi auf die schweizer Notenskala umgerechnet ungenügend ist.

    Edit: Gerade rausgefunden, es braucht seit einiger Zeit immerhin eine 2.5 im Abschnitt um an der Uni Basel studieren zu können. Was immer noch eine gute Note schlechter ist als man in Deutschland für Psychologie haben muss.

    Es ist eher ein bisschen arrogant, nur Medizin, Pharmazie und Psychologie als erstrebenswerte Studiengänge zu definieren

    Falls du mir das unterstellen willst erinnere ich dich dran, dass ich Chemie studiert habe. Der Rest deines Beitrages unterstreicht die Arroganz in deinen Worten. Wer unbedingt will, kann ja diesen und jenen Umweg gehen. Schreibt derjenige, der ohne Probleme den direkten Weg gehen konnte. Ob's dir passt oder nicht, sehr viele Jugendliche interessieren sich für Medizin und Psychologie. Ärzte und Psychologen werden auch mehr gebraucht als aktuell ausgebildet werden. Englischlehrer sind meines Wissens keine Mangelware.

    Versuche dann mal einem Jugendlichen mitzuteilen, warum er sich dann überhaupt noch 12-13 Jahre in der Schule anzustrengen braucht, wenn es am Ende nur ums Bestehen geht und ein einziger Test wiederum entscheidet, ob man Arzt werden darf oder nicht!

    Häh? Genauso funktioniert es hier. Es geht nur ums Bestehen der Matura und des Medizinertests. Dass du offensichtlich daran zweifelst, dass das funktionieren könnte, sagt mehr über dich als übers System aus. Noch mal: Es gibt zu wenig Medizinstudenten, nicht zu viele. Der Staat stellt die nötigen Studienplätze nicht zur Verfügung weil sie zu teuer sind. Das ist der einzige Grund für den Noten-NC.

    Klar, hätte man sich halt nur angestrengt, selber schuld

    Also ich habe schon ne Ahnung, welche meiner ehemaligen Schüler*innen den Medizinertest bestehen. Es sind eher nicht die mit der 4er Matura und ja, es scheitert dann am Arschbacken klemmen. Insofern trifft es "selber schuld" absolut. Resilienz ist eine ausgesprochen wichtige Eigenschaft für einen angehenden Medizinstudenten.

    Ich kenne Bildungsbiografien, die sich von der Sonderschule bis zum Master hochgearbeitet haben. Da fragt man sich schon, welche Experten da beratend tätig waren...

    Und woher weisst du, dass der festgestellte Förderbedarf nicht nötig war? Eine Arbeitskollegin ist in der Kleinklasse eingeschult worden und hat den Master an der ETH gemacht. Die findet da nichts Schlimmes dran. Im Gegenteil geht der Trend bei uns ganz klar wieder dahin, das bereits reduzierte Förderangebot in Form von Kleinklassen wieder zu erweitern. Es ist eben egal, wie man mal anfängt, wenn die Durchlässigkeit gewährleistet ist.

    Mittlerweile kann man selbst ohne Abitur Medizin studieren

    Den 2., 3., x.ten Bildungsweg gibt es immer schon, nicht erst "mittlerweile". Das ist nicht der Punkt. Per Definition bescheinigt das Abitur die allgemeine Hochschulreife. Wenn ich aber mit einem 3er Abi nicht Medizin studieren kann, ist das offensichtlich eben doch nicht der Fall.

    Das Beispiel Medizin zeigt übrigens genau folgendes: "Alle machen Abitur" hat mit "gerecht" nicht viel zu tun. Früher oder später wird immer sortiert. Ehrlicher ist es aber für mein Empfinden einfach gar nicht erst zu suggerieren, jeder könnte alles. So ist es nicht. Wir haben immer Schüler*innen an der FMS, zumeist Migrantenkinder, deren Eltern mit unserem Schulsystem nicht vertraut sind, die meinen, sie studieren mit der Fachmatura dann Medizin. Nein, tut ihr erst mal nicht. Ihr könnt dann noch die Passerelle versuchen, viel Glück dabei.

    Eigentlich ist es in Deutschland auch so.

    Eigentlich? Studienplätze für Medizin sind teuer, der Staat stellt sie nicht in ausreichender Anzahl zur Verfügung. Nicht "eigentlich" sondern genau so ist es. Der Zugang zum Medizinstudium ist sogar in der Schweiz reguliert. Allerdings nicht über einen Noten-NC sondern über den berühmt-berüchtigten "Medizinertest". Das ist ein reiner Resilienztest, der mit den Noten überhaupt nichts zu tun hat und bei dem der Daddy bei der Novartis auch nicht mehr helfen kann. Anmelden darfs ich da jeder mal, der die Matura bestanden hat. Und völlig uneigentlich bräuchten wir auch mehr Studienplätze für Medizin aber solange es genügend deutsche Ärzte gibt, für deren Ausbildung wir nichts bezahlt haben, ist alles feinifein.

    Die Frage war, was die Abinote mit der Berufswahl zu tun habe. Ein Noten-NC wäre für die Mehrheit der Jugendlichen an meiner Schule eine massive Einschränkung bei der Wahl des Studienfachs. Die Mehrheit studiert am Ende sowas wie Medizin, Psychologie oder Pharmazie. In Deutschland ist Medizin über einen Noten-NC reguliert. Natürlich studieren nur so viele, wie der Staat Plätze zur Verfügung stellt. Natürlich würden viel mehr wollen, wenn es die Plätze gäbe. Was hat der Abischnitt mit der Berufswahl zu tun? Ist ne rhetorische Frage, oder? Die kann man natürlich stellen, wenn man selber Informatik oder Chemie studiert hat. Dann kommt die Frage aber schon ein bisschen arrogant rüber.

    Edit: Mein Satz oben war falsch formuliert. Es müsste heissen "beliebteste Studienfächer". Psychologie und Medizin stehen hüben wie drüben unter den Top 5 bei den Studienanfängern.

    Es wird wohl darauf hinauslaufen. Von einem Schuljahr zum nächsten erklären... Ätsch, wir halbieren jetzt die Quote!... wird vermutlich nicht funktionieren. Zu retten wäre das vermutlich nur noch, indem man das Gymnasium in Deutschland als eigenständige Schulform komplett abschafft und durch ein vernünftig differenzierendes Gesamtschulsystem ersetzt.

    im Endeffekt hat es letztes Jahr (irgendwie, knapp) Abitur gemacht

    Ja... Aber effektiv studiert ja dann die Hälfte eurer Abiturienten offenbar gar nicht. Insgesamt scheint mir das schon auch ein ziemlich fragwürdiges System geworden zu sein. Uns ist es als Schule letztes Jahr seit Anbeginn der Zeit zum ersten Mal passiert, dass jemand die Matura auch nach Repetition des 4. Jahres final nicht bestanden hat. Schulabschluss hat die formal nun gar keinen. Nach 14 Jahren Schule (wenn nicht Schlimmeres, kann gut sein, dass es da noch einen Stufenwechsel in der Sek I gab) macht die Person jetzt eine Berufslehre. Immerhin hat sie eine Lehrstelle aber das ist natürlich der Super-GAU. Die Konsequenz lautet für uns ganz klar: Wir waren zu nett, das darf nie wieder passieren. Lieber früh absägen als sowas zu verantworten.

    In Deutschland hält man die Erhöhung der Abiturientenquote für den wichtigsten Faktor in Sachen Bildungsgerechtigkeit und dafür ist eben in vielen Gegenden das Niveau im freien Fall

    Diesbezüglich sind wir uns ja einig. Ein funktionierendes Gesamtschulsystem diefferenziert eben sehr wohl nach Leistung. Alle ans Gymnasium und alle in die gleichen Klassen ist genau das Gegenteil davon. Wir haben zwar kein integriertes System aber eben meistens zwei Niveaus im gleichen Schulhaus. Als Lehrperson Sek II bin ich fachdidaktisch auch für beides ausgebildet. In der Sek I wechseln jetzt immer mehr Kantone auf ein integriert-differenziertes System. Das macht die Durchlässigkeit vor allem organisatorisch einfacher.

    Nur eine Zwischenfrage am Rande. Sind bei euch die weiblichen Schüler*innen im Abschlussjahrgang jünger als die männlichen? 🤔

    Ich verstehe die Frage nicht. Nee, die sind gleich alt, wir haben für die Männer einfach noch den verpflichtenden Wehrdienst. Die Einschreibefrist beginnt irgendwann im März, dann melden die Mädchen sich provisorisch an. Das Zeugnis reichen sie dann nach.

    Am Ende schaffen viele ihr Abi, was einen aber nicht zum Studieren zwingt

    Es zwingt doch hier keiner wen zu irgendwas. Ich finde es bemerkenswert, dass das einfach so selbstverständlich passiert. Das Gymnasium bereitet auf ein Studium vor, daran besteht gar kein Zweifel. Ist in den Köpfen von Jugendlichen und Lehrpersonen quasi stiller Konsens. Die Mädchen aus meinem diesjährigen Abschlusskurs sind zum grössten Teil schon eingeschrieben, die Männer müssen ja zum Militär. Die werden aber auch alle studieren.

    Ja, das ist es hier schon lange. Studium an der Fachhochschule. Genau wie Physio, Pflege, etc Im Grunde sind alle Gesundheitsberufe mindestens halbakademisch, daher auch die eklatant bessere Bezahlung. Vom Niveau her ist FMS aber ein deutlicher Unterschied zum Gym, ich unterrichte ja beides.

    in D braucht man jetzt aber (wie in etlichen anderen Ländern auch) Abitur um Hebamme zu werden

    Ist das aber nicht nur deshalb so, weil die angehende Hebamme schon 18 sein muss? In Deutschland endet die Realschule ja nach dem 10. Schuljahr, die Fachmittelschule schliesst hingegen erst nach 13 Schuljahren mit der Fachmatura ab. Ist übrigens genau der Grund, warum diese Schulform überhaupt entstanden ist, das allerdings schon vor recht langer Zeit.

    Dass in Deutschland faktisch für alles mögliche ein Abitur verlangt wird, spricht ja nun gerade nicht für diesen Abschluss.

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