Beiträge von Antimon

    Von einem Jungen habe ich noch nie gehört, er wolle Lehrer werden, in keiner Jahrgangsstufe

    Ich habe in meinen Maturklassen selbstverständlich Männer, die Lehrer werden wollen und auch Ehemalige, die Lehrer geworden sind. Meist Sek II, hin und wieder auch Sek I. An der FMS haben wir Pädagogik-Klassen, deren Abschluss explizit fürs Lehramtsstudium Primar qualifiziert. In diesen Klassen sitzen Männer. Es sind nicht viele, aber es werden tendenziell mehr.

    MrsPace Ihr seid in Freiburg, gell? Die Tagesbillets für Schulklassen kosten bei der SBB nur 15 CHF pro Nase und sind landesweit gültig. Ob das auch für Schulklassen aus dem Ausland gilt, müsstest du nachschauen. Wenn die Schweiz für euch in Frage käme: Ostschweiz, Region St. Gallen. Eine Kollegin hat dort ihr letztes Klassenlager gemacht, das darf nur 250 CHF für die ganze Woche kosten. Halt im Selbstversorgerhaus, weiss nicht, ob das für euch passen würde.

    Der Lehrplan tut es aber nicht, habe ich zitiert.

    Es gibt hierbei durchaus noch die Variante, explizites Fachwissen mit einzubeziehen, soweit komme ich in der Regel aber an der Maturabteilung nur im Schwerpunktfach und an der FSM im Berufsfeld Gesundheit/Naturwissenschaften. Die SuS lernen dann selbständig abzuschätzen, welche Arbeitsschutzmassnahmen überhaupt erforderlich sind. Per Default gilt einfach "alles und immer". SPF Chemie und BF GN steht bei der photometrischen Bestimmung eines Lebensmittelfarbstoffes in Gummibären hingegen auch schon mal in kurzen Hosen und ohne Schutzbrille im Labor, weil es gar nicht nötig ist. Von denen erwarte ich aber den Switch zu Synthese von Schiessbaumwolle und Umgang mit konzentrierter Nitriersäure. Der Unterschied zwischen Sozial- und Fachkompetenz ist hier sehr eindeutig.

    Allerdings haben sie sich dann gleich wieder in der Pause bei der Pausenaufsicht Ärger eingehandelt, weil sie es im Sommer auf dem Pausenhof ausprobiert haben.

    :lach:

    Sehr gut. Wir hatten mal zwei Frauen, die mit zwei Bleistiften eine Mikrowelle zum Brennen gebracht haben. Die Schulleitung war mässig amüsiert, wir Chemiker*innen hatten unsere liebe Note damit, das Experiment überhaupt erfolgreich nachzustellen.

    In all den Jahren als Lehrerin habe ich immer bewusst Jungsthemen eingebaut

    Was sind das denn für Themen? Uns wurde in der Fachdidaktik erzählt, man solle in den Naturwissenschaften "mädchengerecht" unterrichten, dann würde es schlussendlich alle mehr interessieren. In der Realität stimmt das für mich überhaupt nicht. Wenn ich in einer Klasse mal rumfrage, wen was interessiert, bekomme ich tatsächlich von den Frauen sehr viel "unreifere" Antworten als von den Männern. Die Frauen wollen in der Chemie irgendwas über Seife und Lebensmittel hören, sie sind interessiert an ihrer eigenen Schminke und ihrer eigenen Diät. Insbesondere die Crèmeli-Rührerei nervt mich persönlich grausam an. Ich mache es halt hin und wieder, weil es die Damen in der Regel gerne machen. Die Männer rühren dann mit und machen "Männerseife". Siiiie ... können wir die Seife auch schwarz färben? Ja, rühr Kohlepulver rein. Yippieh ... Eine Gruppe hatte mal zusätzlich noch Titanoxid reingerührt weil ihnen nicht klar war, dass das eigentlich ein Weisspigment ist. Sie hatten dann Altherrenseife. Grau.

    Die Männer interessieren sich in der Chemie ganz oft für Öko-Themen, sprich Wasserstoffmethanisierung, E-Fuels, Akkus, Kunststoffe und Recycling, etc. Das hat eigentlich überhaupt nichts egoistisches und es ist erheblich alltagsrelevanter als Handcrème. Aus dem gleichen Grund interessieren sich die Männer auch grundsätzlich mehr für Physik als die Frauen. Für die Frauen haben eine Graetz-Schaltung und ein Elektromotor viel zu wenig mit ihnen selbst zu tun, für die Männer ist das aaaah ... so wird aus dem Wechselstrom für meinen Handyakku Gleichstrom ... aaaah ... brumm. Wir sind zwei Frauen in der Physik, keine von uns hatte bis anhin auch nur im Ansatz jemals Probleme mit den Männern im Unterricht. Denen ist das sowas von wurscht, wer da vorne steht, Hauptsache es geht um brumm. Hingegen fallen mir durchaus ein paar Frauen ein, die mich im Praktikum schon halb in den Wahnsinn getrieben haben.

    Das sind meine anekdotischen Erfahrungen, aber jemand verwies hier auch schon auf relevante Literatur darüber, dass es für den Lernerfolg von Kindern und Jugendlichen wurscht ist, welches Geschlecht die unterrichtende Lehrperson hat. Inhaltlich geht es einfach nach der Logik des Fachs. Ich wähle meine Beispiele nicht nach dem Interesse von Männern oder Frauen aus, ich wähle nach Alltagsrelevanz und Anschaulichkeit aus. Ich messe im Praktikum keine Überspannung an Graphitelektroden, ich lasse Indigo und Paracetamol herstellen und Akkus bauen.

    Sicherheit am Arbeitsplatz ist dann trotzdem eine Kompetenz aus dem Curriculum, die bewertet wird. Ob die Person doofe Witze reißt und allen auf die Nerven geht, sollte aber nicht an der 1 kratzen.

    Der Lehrplan unterscheidet explizit zwischen Fach- und Sozialkompetenz. Wenn die Person mit ihrem Verhalten anderen Personen im Praktikum auf die Nerven geht, lenkt sie diese von der Arbeit ab und gefährdet die Sicherheit. Ergo kratzt das Sozialverhalten an dieser Stelle sehr wohl an der 6. Sport kommt mir da auch noch in den Sinn, das Fach ist bei uns an der FMS promotionsrelevant.

    Edit:

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    Aus unserem kantonalen Lehrplan für das Fach Chemie.

    Nein, es geht da nicht um "fachliche" Anforderungen. Bei der praktischen Arbeit gibt es Abzug dafür, wenn jemand die Sicherheitsregeln nicht einhält. Laborkittel nicht geschlossen, keine Schutzbrille auf, beim Erhitzen über dem Gasbrenner das Reagenzglas auf eine andere Person richten, etc. pp. Das hat mich Fachwissen in der Chemie nichts zu tun sondern mit Sicherheit am Arbeitsplatz. Es gibt auch Abzug dafür, wenn der Arbeitsplatz schlampig ist, Gefässe offen stehen, etc. In der Physik achte ich z. B. bei der Arbeit mit Elektrizität darauf, ob jemand das Multimeter richtig bedienen kann, ob beim Umstecken von Schaltungen diese zuvor von der Spannung getrennt werden, etc. Da kann die Person noch so toll mit dem Ohmschen Gesetz rechnen können, es gibt Abzug für mangelhafte praktische Arbeit.

    Dann gibt es keine Grundlage, ihn durchfallen zu lassen.

    Es geht doch nicht ums "Durchfallen", es geht um die Bewertung einzelner Prüfungsleistungen. Ich habe Schülerinnen und Schüler im Unterricht, die in reinen Theorieprüfungen sehr gut abschneiden, bei der praktischen Arbeit aber auffällig werden. Ja, natürlich fliesst dann das Sozialverhalten in die Bewertung der entsprechenden Leistungsnachweise ein. Dann steht halt im Zeugnis keine 6 sondern "nur" eine 5.

    Doch, das kann man und muss man in Bundesländern, in denen es eigene Noten für Mitarbeit oder auch Verhalten getrennt von den Fachnoten gibt- wie hier in BW- auch machen. Wenn das bei euch in SH nicht erforderlich ist, ok, dann passt es ja, wie du das handhabst. Würde ich hier in BW so vorgehen, wie du beschreibst, würde ich die Vorgaben meines Bundeslandes jedoch gepflegt ignorieren.

    Ich verstehe schon, was Firelilly meint. Wir dürfen die Arbeitshaltung der SuS per Notenreglement nicht bewerten (aka keine Mitarbeitsnoten), sind aber gleichzeitig dazu angehalten, ihr Sozialverhalten bei der Notengebung zu berücksichtigen. Das ist, wie von Firelilly beschrieben, in den Naturwissenschaften sehr einfach und eigentlich auch schon fast unvermeidbar. Wenn ich eine Praktikumsprüfung abnehme und jemand auch nach der drölfzigsten Erklärung ein Gefäss nach dem Abwiegen einer Substanz offen stehen lässt, dann gibt es Notenabzug dafür. Wenn die Person sich weigert, eine Schutzbrille zu tragen, macht sie die Labortüre von aussen zu und kassiert einen 1er, sie kann ja dann den praktischen Auftrag gar nicht erfüllen. Wenn ich in einer schriftlichen Prüfung nach dem methodischen Vorgehen beim Umkristallisieren frage und jemand hat es im Labor nicht ordentlich gemacht, wird mir die Person die Frage nicht korrekt beantworten können. Wenn sich jemand in einer Gruppenarbeit grob daneben benimmt, gebe ich individuelle Noten und die Person, die nicht kooperiert, bekommt die schlechtere Note. Wenn jemand Abgabetermine nicht einhält, gibt es Notenabzug. Die letzten beiden Szenarien gelten für alle Fachbereiche.

    Wiederum vollkommen anekdotisch kann ich dabei nicht behaupten, dass mir diesbezüglich ein Geschlecht besonders auffällt. Die Verhaltensmuster sind durchaus unterschiedlich, aber in der Summe finde ich bei den Frauen sicher gleich viele Ausfälle wie bei den Männern. Frauen neigen eher dazu, das "dumme Mädchen" zu geben und die Flügel komplett zu strecken, Männer neigen eher dazu sich selbst gnadenlos zu überschätzen, dabei die Versuchsanleitung nicht richtig zu lesen und so dann eben Fehler zu machen.

    Auch ich habe schon manchmal bei einem stillen, fleißigen und "pflegeleichten" Mädchen bei der Note ein Auge zugedrückt und mich hinterher gefragt, ob ich das bei einem störenden, anstrengendem Jungen bei der gleichen Notenlage auch getan hätte.

    Ich halte es für möglich, dass man als Mann eher in solche Fallen tritt um selbst nicht als Sexist abgestempelt zu werden. Insbesondere in den MINT-Fächern. Ich erwische mich rumgedreht selbst eher dabei, dass ich den "dummen Mädchen" schon mal eins drücke weil mir ihr Gehabe als heimliche Feministin irgendwann ziemlich auf den Keks geht. ADHS-Jungs vertrage ich eher.

    Ehrlich, eine Liste von Buzzwords ist doch keine "Argumentation" für eine angebliche Benachteiligung von Männern in unserer Gesellschaft. Wenn's um Rassismus geht, schaut man nach den Ursachen für die von dir genannten Beobachtungen. Eine höhere Risiko- und Gewaltbereitschaft ist bei Männern durchaus biologisch begründbar. Testosteron und so, das lässt sich einfach nicht leugnen und auch nicht allein durch Sozialisation und Erziehung erklären. Männer werden nicht nur häufiger Opfer von Gewaltverbrechen, sie sind in über 90 % der Fälle auch die Täter.

    Worüber wir z. B. gerne diskutieren können und was sich auch belegen lässt, ist, dass Männer in der medizinischen Versorgung in gewissen Bereichen benachteiligt werden. Frauen aber halt auch, in anderen Bereichen. Man müsste die komplette medizinische Versorgung mehr aufs biologische Geschlecht ausrichten, aber dafür müsste man primär mal anerkennen, dass eben dieses biologische Geschlecht hier relevant ist und nicht, wer sich grade wie fühlt oder eben nicht.

    Ich kenne viele Kolleginnen, selbst bei uns am WBK, die aus leicht prolligem, klischeehaft männlichen, Verhalten gleich einen Elefanten machen.

    Ist das so? Kannst du das an einem konkreten Beispiel festmachen? Völlig anekdotisch sehe ich unter meinen Kolleginnen schon auch ein paar Frauen, die eher Mühe mit den Männern in den Klassen haben. Ebenso anekdotisch kommen mir aber auch gleich mehrere Kollegen in den Sinn, die regelmässig in unseren Spanisch-Klassen mit den vielen exaltierten Frauen verzweifeln. WBK klingt für mich so, als gäbe es da unter den Lernenden einen deutlichen Männerüberhang. Sprich, du erlebst das Gegenteil einfach nie.

    Nach deiner Logik ist auch die Förderung von Frauen in MINT-Fächern völlig überflüssig

    Das würde ich unterschreiben, ja. Was sind denn jetzt die von dir implizierten "Probleme", die sich gesamtgesellschaftlich aus einer (angeblichen) Benachteiligung von Jungen im Bildungssystem ergeben? Und was sollte man dagegen tun? Bis hierhin echauffierst du dich nur ohne konkret zu werden.

    Da du sicher keine 20 mehr bist, ist das gefühlt also schon länger so. Ein wirkliches Problem scheint sich für die Männer daraus also nicht zu ergeben, ne? Weiter als das was der Artikel vor sich hin lamentiert, sind wir hier auch noch nicht gekommen.

    Männer sind aber nun auch gesellschaftlich weit davon entfernt insgesamt benachteiligt zu werden.

    Eben. Was übersehe ich also? Worin besteht der Handlungsbedarf? Kein Mann wird davon abgehalten, ins Lehramt Primar zu gehen. Ist halt zu schlecht bezahlt und zu wenig intellektuell, gell.

    Einfach mal zum "Beweis":

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    Das ist unsere Statistik 1995. Die ist 2024 praktisch identisch. Der Typus C war früher das MINT-Profil, das entspricht heute dem Profi A (Mathe/Physik) und die Verteilung ist die gleiche. Aus der DMS ist die FMS geworden. Die DMS nannte man früher despektierlich "dumme Mädchen Schule". Denkt euch irgendein nettes Adjektiv mit f aus, dann stimmt es immer noch. Um ein "früher" zu finden, in dem wirklich alles anders war, d. h. deutlich mehr Männer als Frauen haben die Matura gemacht, muss ich noch mal 20 Jahre zurück gehen. Älter ist unsere Schule nicht. Ist das irgendeine Art von Wahrnehmungsverzerrung oder ist "früher" einfach mal so früher, dass es keinen mehr interessiert?

    Edit: Ich musste erst mal nachschauen, was der Typus A war. Latein und Altgriechisch. Siehe da, das hat vor 30 Jahren schon niemanden mehr interessiert. B und D sind übrigens weitere Sprachprofile. Von wegen, früher sei MINT viel stärker gewesen. Nein, *heute* haben wir *zwei* MINT-Profile.

    Es ist sicher auch nicht hilfreich, dass traditionelle Männerdomänen wie Naturwissenschaften, Mathematik und Technik gesellschaftlich immer mehr an Anerkennung verlieren und in der schulischen Realität dabei sind, in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen.

    Kann ich überhaupt nicht bestätigen. Ohne zu viel zu spoilen (was ich eben offiziell nicht darf): Der MINT-Bereich wird bei uns mit der anstehenden Maturreform deutlich gestärkt. Historisch gesehen hatte die humanistische Bildung mit Philosophie und den alten Sprachen lange Zeit den höchsten Stellenwert. Das Realgymnasium fokussiert als eher neuzeitliche "Erfindung" im Übrigen immer schon auch auf moderne Fremdsprache und nicht nur die Naturwissenschaften. Albert Einstein hat an der Alten Kantonsschule Aarau eben drei Fremdsprachen gelernt und nicht wie heute üblich zwei davon.

    Ich habe den Artikel nicht gelesen, aber da Jungen in einem Bildungssystem, in dem bis zum Alter von 10 Jahren, also bis die Basics in Bildung gelegt sind, vorwiegend von Frauen erst betreut und dann unterrichtet werden, ist es doch eigentlich recht logisch, dass sie sehr häufig in dem System nicht andocken können.

    Wieso sollte das so sein? Weil wir Frauen zu doof sind, die Jungs adäquat zu unterrichten? Nee, ehrlich, das ist mir zu simpel und auf eine Art auch zu sexistisch.

    Fleiß ist aber eben keine intrinsische Eigenschaft, sondern das Ergebnis von Erziehung, die auch in Schule stattfindet.

    Ja eben, aber so kannst du doch auch bei den Jungs argumentieren. Was du oben schreibst, dass die mit klaren Ansagen besser klarkommen, ist auch nur ein Ergebnis der Erziehung.

    Nur Konsequenzen hat das nicht.

    Welche sollte es denn haben? Ich finde den Artikel ehrlich gesagt ziemlich überzogen. Den Mädchen wird seit Jahrzehnten gesagt, sie sollen sich mal nicht so anstellen. Muss man den Jungs jetzt gleich den Poppes pudern weil's mal nicht mehr ganz so rund läuft? Weiss ich nicht. "Meine" Jungs machen mir nicht so einen unzufriedenen Eindruck. Aber gefühlt machen wir hier auch irgendwie noch was anders, da der Ausschlag zumindest am Gymnasium offensichtlich nicht gar so weit zugunsten der Damen geht.

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