Beiträge von Antimon

    Viele von euch haben ja ein ZON-Abo und können diesen Artikel daher lesen:

    https://www.zeit.de/2024/39/jungen…-kita-uni-noten

    Für alle, die ihn nicht lesen können: Es geht darum, dass Jungen häufiger sitzenbleiben und häufiger auf Förderschulen gehen als Mädchen und Mädchen dafür häufiger Abitur machen, insgesamt bessere Noten haben, häufiger studieren, etc. pp. Es wird darüber geschrieben, dass Jungen in der Entwicklung im Schnitt 2 Jahre hinterher sind und das an der Schule nicht berücksichtigt wird. Mädchen profitieren von offenen Lernumgebungen, die viel Selbstdisziplin und Eigenmotivation fordern, die Jungs oft fehlt. Es wird von einer systematischen Benachteiligung von Jungs im Bildungssystem geschrieben.

    Mich würde eure Meinung dazu interessieren. Vieles von dem, was da geschrieben wird, ist zwar durch Zahlen belegbar, einiges macht mich aber auch stutzig. Irgendwo im Text wird anekdotisch ein Gymnasium in Berlin erwähnt, an dem 9 der 10 Jahrgangsbesten Frauen sind. Das hat mich gewundert und ich habe mal unsere Jahresberichte durchgeschaut. Über die letzten 10 Jahre ist die Verteilung an der Maturabteilung etwa 60 % Frauen zu 40 % Männer unter den Jahrgangsbesten. Die leistungsstärksten Klassen sind immer die Mathe-/Physik-Klassen mit 80 % Männern, die leistungsschwächsten Klassen sind oft die Musik-/Zeichnen-Klassen mit 80 % Frauen. Eher leistungsschwach sind aber auch die Wirtschafts-Klassen, die auch oft einen deutlichen Männerüberhang haben. Ich sehe bei den Männern durchaus die Extreme von abgrundtief faul bis super leistungsstark, bei den Frauen eher das Mittelmass. Einen so deutlichen Ausschlag zugunsten der Frauen, wie im Text beschrieben, sehe ich aber absolut nicht. Wir haben bei uns an der Schule mit ca. 60 % Schülerinnen schon auch einen Frauenüberhang, das liegt aber daran, dass an der Fachmittelschule *sehr* viel mehr Frauen als Männer sind. Und die FMS ist halt das tiefere Schulniveau im Vergleich zum Gymnasium. Die Berufslehre ist bei uns hingegen "männlich", wobei man hier ganz klar schreiben muss, dass vor allem die technischen Ausbildungsgänge deutlich anspruchsvoller sind als die Fachmaturität. An der Uni beklagen sich Dozenten im Fachbereich Psychologie über die vielen Frauen in diesem Studiengang, die das Niveau und die Leistungsbereitschaft nach unten ziehen würden. Tendenziell ist das an der Schule auch eher meine Erfahrung, dass Frauenklassen gerne mal "jammerig" sind, wohingegen ein Männerüberhang eher zu bodenloser Faulheit führt, die aber nicht "bejammert" wird. Aber bevor ich jetzt weiter sinniere ... Was meint ihr dazu?

    weil mir ganz grundsätzlich was daran widerstrebt, Verhalten zu belohnen, was im Schulkontext eigentlich selbstverständlich sein sollte

    Dann stimmt das doch nicht. Wenn alles so selbstverständlich ist, musst du auch nicht loben. Woher soll die Selbstverständlichkeit denn kommen? Es ist doch *dein* pädagogischer Auftrag, Kindern und Jugendlichen beizubringen, wie sie sich im Schulkontext verhalten sollen. Zu Hause ist ja Zuhausekontext und nicht Schulkontext.

    Hab ich auch in der Unterstufe nie gemacht, weil mir ganz grundsätzlich was daran widerstrebt, Verhalten zu belohnen, was im Schulkontext eigentlich selbstverständlich sein sollte

    Machst du doch trotzdem indem du lobst. Wahrscheinlich ist es das, was ich grad so schräg finde, dass ihr da so einen grossen Unterschied sehen wollt. Ich habe zu meinen Klassen in der Regel eine für Sek-II-Verhältnisse relativ enge emotionale Bindung und weiss genau, wie stark einzelne SuS drauf anspringen, was ich ihnen sage. Ich glaube, ihr unterschätzt beide, wie viel bedeutender als das Schoggistängeli das Wort der Lehrperson sein kann.

    Ich habe weder zuhause noch in der Schule bisher mit positiven Verstärkern gearbeitet. In der Schule finde ich’s bei halbwegs erwachsenen überflüssig und nicht angebracht und zuhause gab es das einfach nie für Selbstverständlichkeiten.

    Ich nehme doch an, du hast deine Kinder gelobt, wenn sie ordentlich am Tisch gesessen haben? Individuelle materielle Belohnung finde ich bei älteren Kindern und Jugendlichen auch nicht angemessen aber ich sage einem Haufen 18jähriger durchaus mal, dass ich z. B. eine Praktikumsstunde sehr toll fand, wenn sie besonders konzentriert und produktiv gearbeitet haben. Es kann schon mal passieren, dass ich meiner Zufriedenheit mit einem Kuchen Nachdruck verleihe. Keine Sorge, ich sage denen schon auch, wenn sie mir auf den Keks gehen. Ich finde es auch bei älteren Jugendlichen noch wichtig ihnen zu spiegeln wie ihr Verhalten auf andere wirkt.

    Ist es überhaupt ratsam, für völlig normale Dinge wie ruhig sein, wenn die Lehrperson es sagt und wenn Stillarbeitsphase ist, eine Belohnung auszurufen?

    Ohne angriffig oder arrogant rüberkommen zu wollen: Ich bin grade ziemlich irritiert, dass die Frage jemand stellt, die selber Kinder hat. Kinder in dem Alter lernen doch in der Schule überhaupt erst, dass man während einer Arbeitsphase in einer Gruppe mit mehreren Kindern einfach mal ruhig sitzen bleibt und die Klappe hält. Also "normal" ist das erst, wenn's ihnen jemand beigebracht hat.

    Ebenso bin ich irritiert über die vorgeschlagene Methode mit dem "geheimen Kind". Ich habe selbst mit meinen 15 - 19jährigen Jugendlichen noch das Problem, dass die echt empfindlich beleidigt werden können wenn sie das Gefühl haben, "Mutti" mag einen von ihnen lieber als den anderen. Ich bin wirklich peinlich darum bemüht, absolut jeden und jede öffentlich zu "loben" wenn nur ansatzweise irgendwas Vernünftiges im Unterricht gesagt oder getan wird. Andererseits frage ich mich gerade, ob dieses Gefühl bei Primarschulkindern vielleicht sogar weniger ausgeprägt ist und das erst mit der Pubertät kommt? Weiss ich nicht ... was denken die anwesenden Primarlehrpersonen dazu?

    Dem stimme ich zu, hatte Antimon aber so verstanden, dass sie dazu rät, diese Angelegenheit einmal mit der Klassenlehrkraft abzusprechen.

    Genau das. Bei uns läuft das immer so, dass die Schülerin bzw. der Schüler mit der Klassenlehrperson zusammensitzt, bei Minderjährigen im Beisein eines Erziehungsberechtigten, und dann wird besprochen, was die Handlungsempfehlungen des Therapeuten sind. Bei besonders schweren Fällen kann das Gespräch auch zusammen mit dem Therapeuten und der Schulleitung stattfinden. Die Klassenlehrperson informiert dann das Klassenteam und man hält sich an das, was im Gespräch abgemacht wurde. In dem Moment weiss die betroffene Schülerin, dass alle Lehrpersonen informiert sind und es ist überhaupt nicht nötig, dass da jeder einzeln noch mal irgendwas rumkaspert. Ich habe selbst als Klassenlehrperson auch schon die Rückmeldung von betroffenen Schüler*innen bekommen, dass es unfassbar nervt, wenn sie dann noch mal extra nach der Stunde zitiert werden obwohl ja eigentlich alles kommuniziert ist. Gerade bei psychischen Erkrankungen ist es auch eine Belastung, mit Personen sprechen zu müssen, die man eigentlich gar nicht ins Vertrauen ziehen will.


    Einen Schüler oder eine Schülerin mit Asthmaanfall im Unterricht oder Migräneattacke würde ich ja auch nicht ignorieren

    Das ist ja auch was völlig anderes. Bei Allergikern, Epileptikern, etc. wird ans Klassenteam kommuniziert, wie man sich als Lehrperson konkret verhalten soll, wenn es zu einem relevanten Ereignis kommt. Ein Kollege hatte mal einen Epileptiker in einer Klasse, da wurde sogar eine kurze Schulung mit allen Lehrpersonen durchgeführt was man machen muss, wenn der Schüler einen Anfall hat.

    Ich finde es irritierend, wie häufig hier Ratschläge erteilt werden, was dem Schüler in der Situation möglicherweise helfen könnte. Wir sind Lehrpersonen, keine Psychotherapeuten. Meine Aufgabe als Lehrperson ist es sicherzustellen, dass der Schüler therapeutische Unterstützung hat und dann setze ich das um, was der Profi diesbezüglich vorschlägt. Übrigens kümmert sich da bei uns auch zunächst mal die Klassenlehrpersonen, die dann alle Fachlehrpersonen im Klassenteam informiert. Dass da noch 10 weitere Personen bilateral Absprachen treffen und rumpfuschen, ist überhaupt nicht angezeigt. Ich hatte schon Schüler*innen mit Panikattacken im Unterricht. Die letzte ist einfach kommentarlos aufgestanden, hat den Raum verlassen und kam nach einigen Minuten zurück. Abgesprochen war, dass sie selbst kommuniziert, wenn sie von einer Kollegin begleitet werden möchte. Das macht man dann einfach so, gesprochen wird da nicht mehr drüber. Was der Schülerin übrigens auch hochgradig unangenehm gewesen wäre, die fand die Situation so schon blöd genug. Ich war mit der Klasse auch auf Exkursion im Kernkraftwerk. Im Zwischenlager ist die Luft in den unterirdischen Gängen irgendwie komisch, das hat sie nicht vertragen und mir Bescheid gegeben, sie müsste raus. Das fand die Führung dann erst mal mühsam, aber das ist der Moment, in dem man sich auf gar keinen Fall auf Diskussionen einlässt. Das kann die mühsam finden, wie sie will, die Schülerin war 5 min später nach draussen begleitet.

    Antimon
    9. September 2024 16:53

    Es gibt eine ganze Menge Berufsgruppen, die selber putzen. Chemiker*innen sind die wahren Profis unter den Putzer*innen. Wir wischen auch an der Schule selbstverständlich selbst über den Korpus und die Laborarbeitsplätze, das ist dem Reinigungspersonal aus hoffentlich nachvollziehbaren Gründen nicht zuzumuten. Auch jeder Handwerker räumt seinen Dreck selber weg. So wie ich das hier verstehe, geht's aber um fremden Dreck. Die SL hätte die Presse einbestellen müssen um das öffentlich zu dokumentieren.

    Also ich finde das mit dem Hot Dog schon lustig. Ich bekomme übrigens nachts um 23:00 Uhr via Teams Fotos von einer Schülerin geschickt, die grade auf dem Weg zu McDonald's ist. Die hat bei mir auch schon Fritten im Unterricht gegessen (ich hab auch welche davon abbekommen). Ihr dürft gerne raten, was der Hintergrund der Aktion ist ^^

    Oh Gott ... Mir fällt gerade eine Geschichte aus meinem allerersten Berufsjahr an der Berufsschule ein. Chemie- und Pharmatechnologen, lauter 15jährige Jungs. Kommen die zu mir in den Unterricht, einer hat einen Apfel auf einen Bleistift aufgespiesst, dem sie mit Edding ein Adolf-Gesicht aufgemalt hatten. Das sei Adolf, der Apfel, ihr neuer Mitschüler. Ich habe ein Messer aus der Schublade gezogen, Adolf geschält und gegessen. Der Moment, wenn du als Lehrperson merkst ... yes, euch hab ich eingetütet :evil:

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