Ich lese hier schon einige Zeit still mit und will jetzt auch mal was loswerden. Ich habe in den 90er Jahren mit meinem Lehramtsstudium (D/G GY) angefangen unter dem Wissen der Einstellungssituation der 80er/90er Jahre. Damals wurde schlichtweg so gut wie niemand eingestellt. Referendare von damals mussten sich radikal umorientieren.
Ich kenne einen, der nach seinem Ref 20 Jahre lang als Krankenpflegerin gearbeitet hat. Als es in den letzten Jahren dann wirklich mal kurzzeitig besser war mit Stellen, ist er dann doch wieder in den Schuldienst als Angestellter - mittlerweile mein Kollege. Eine Referendarin Anfang der 90er Jahre hat damals nach dem Ref eine Ausbildung als Bürokauffrau gemacht, das weiß ich noch. Ein weiterer Bekannter derselben Generation hat sich jahrelang als Werbetexter durchgeschlagen. Ein anderer heutiger Kollege war Ewigkeiten mangels Perspektive Hausmann, seine Frau hat die Familie ernährt. Mein Nachbar, auch ehemaliger Lehramtsanwärter ohne Aussicht auf Anstellung, hat damals eine Imbissbude an einem Campingplatz übernommen. Er machte dann Karriere im Gastrogewerbe und hat nie mehr eine Schule von innen gesehen... Eine weitere Kollegin von mir der Generation 50 plus hat sich lange Zeit als Reiseleiterin für einen Anbieter von Bildungsreisen in England/Irland über Wasser gehalten. Eine Freundin hat nach ihrem D/G-Studium erstmal Physiotherapeutin gelernt aufgrund der schlechten Stellenlage. Kollegin XY war sehr lange Jahre an der Hauptschule, wo sie ausschließlich evangelische Religion unterrichtet hat, bevor sie an das Gymnasium zurückgekehrt ist. Anspruch hatte man damals auch nur auf Sozialhilfe, das hat aber niemand beantragt, denn "aufs Sozialamt geht man nicht". Dann doch lieber Imbissbude am Campingplatz...
Was ich mit der Aufführung der Beispiele sagen will, ich und wohl die meisten Studenten meiner Generation sind damals ohne Illusionen in das Lehramtsstudium gegangen. Ich wollte das studieren, weil mich die Fächer interessierten, aber war mir immer dessen bewusst, dass es mit dem Lehrerdasein keine einfache Sache wird. Ich hab damals genug Leute gekannt, bei denen es eben mit dem Lehrerdasein nie geklappt hat. So war dann auch mein Studium ausgerichtet. Kellnern gegangen bin ich nie. Stattdessen habe ich wie viele meiner Mitstudenten Praktika, Ferienarbeit und Semestertätigkeiten dafür genutzt, mich für PLAN B, den es aus den oben beschriebenen Erfahrungen immer gab, zu qualifizieren. Ich habe beispielweise lange für einen Verlag gearbeitet, hab ein Auslandspraktikum bei einer Softwarefirma gemacht, hatte einen Werkstudentenjob bei einem großen Konzern im Bereich Technische Dokumentation,... Noch vor dem Ref habe ich mich dann auch für die "Welt da draußen" beworben, denn die Aussichten galten gerade für meine Kombination immer noch alles anders als rosig. Ich bekam dann auch die Zusage für eine feste Stelle als Technische Redakteurin. Da die Mühlen damals aber langsam mahlten (2004), hatte ich damals bereits einige Monate mit dem Ref begonnen und beschlossen, dieses auch abzuschließen. Am lockersten haben zu meiner Studentenzeit ihre Zukunft die übrigens die Sportler gesehen - Tenor "Fitnesstrainer geht immer"! Wider Erwarten hat mein Einstieg in den Lehrerberuf dann aber ohne Probleme geklappt, ich bekam gleich eine Planstelle, muss mich manchmal heute noch keifen, dass es so glatt lief. Ich muss aber auch sagen, dass ich mich zur Sicherheit auch in anderen Bundesländern und auch für andere Schularten beworben hatte.
Nun bin ich also doch Lehrerin an einer Seminarschule und habe deswegen viel mit Referendaren zu tun. Bei den meisten sehe ich keinen Plan B, die haben sich auch im Studium nie mit Alternativen beschäftigt. Stattdessen bei vielen eine Art kindlicher Trotz und das Schieben der Schuld auf den bösen Staat, der ihnen jetzt doch keine Stelle anbietet, wo sie doch immer vom Lehrermangel gehört hatten. Eine Stimmung, die ich aus vielen Threads hier auch rauslese. Schon reichlich naiv, oder?