Es gibt glaube ich zwei Todesfächer, in denen man entweder nie auf einen grünen Zweig kommt oder für eine wirklich gute Note wirklich *verdammt* viel lernt: Mathe und Chemie.
So, das nehme ich jetzt mal als Aufhänger (ist also in keiner Weise an oder gegen Dich gerichtet, liebe Wollsocken), um mal eine etwas ausführlichere Suada zum Thema "Mordor NaWis vs. Auenland GeWis" loszuwerden. Es kam ja in diesem Thread, der ja nicht zuletzt schon vom Ausgangsposting her darauf angelegt war, wieder mal zu der Frage, warum über diesen alten Käse immer wieder - und zwar nicht von Seiten der Geisteswissenschaften! - diskutiert werden muss.
Nun – die Frage, warum diese Diskussion immer wieder hochkocht, lässt sich wohl nur mit der manchen naturwissenschaftlich ausgebildeten Lehrkräften eigenen Mischung aus Hybris, Beschränktheit und Frust erklären. Es mag sich lohnen, das Problem einmal differenziert zu betrachten.
Da wäre zunächst die Hybris der Genannten (wir reden immer noch von "manchen", gell!), ihre Fächer seien um ein Vielfaches „schwerer“ und von viel weniger Menschen intellektuell bewältigbar als andere. Vor allem Chemiker scheinen mir für den Glauben an "Gottbegnadung" (ja, ich weiß, was mit diesem Begriff konnotiert ist) anfällig, und in der Tat scheint für das Studium der Chemie eine Art Inselbegabung äußerst nützlich zu sein (siehe hierzu auch obiges Zitat). Nicht umsonst sind meist die Lehrer naturwissenschaftlicher Fächer dafür berüchtigt, für in ihrem Fach schwächere Schüler eher wenig übrig zu haben. Ach, nie werde ich Herrn B. vergessen, seines Zeichens Chefchemiker an unserem Provinzgymnasium, für den die Welt aus Chemie bestand und der für Kultur so gar keine Antenne hatte. Er ist dann auch folgerichtig Seminarlehrer geworden, um auch nachfolgende Chemielehrergenerationen angemessen einnorden zu können.
Diese Hybris hat aber noch einen weiteren Hintergrund, nämlich die Tatsache, dass die Chemie, neben anderen Naturwissenschaften, ökonomisch so viel besser verwertbar ist als die meisten Geisteswissenschaften. Schlichte Gemüter schließen daraus auf die „Wichtigkeit“ oder den „Anspruch“ der ersteren und verkennen dabei, dass es lediglich unsere gegen- (viele kluge Köpfe sagen auch nicht ohne Grund: wider-)wärtige Gesellschafts- und vor allem Wirtschaftsordnung ist,die zu dieser Tatsache führt (und die uns demnächst um die Ohren fliegen wird, so nicht ein Wunder geschieht).
Dementsprechend muss auch festgestellt werden – jetzt kommen wir zum Punkt „Frust“ –, dass der Lehrerberuf für die meisten Naturwissenschaftler zumindest gefühlt eher die untere Gehaltsebene ihrer Ausbildung darstellt, für Geisteswissenschaftler jedoch die mittlere bis obere. Viele Chemielehrer (zumindest für SekII ausgebildete) sind offensichtlich ständig frustriert, weil sie sich immer wieder ausmalen müssen, was sie als Abteilungsleiter (oder höher) in der Wirtschaft verdienen bzw. bekommen würden. Dem Deutschlehrer stellt sich dieses Problem nicht; er freut sich seines Lebens und seines Gehaltes, das immerhin (so er Beamter ist) gut dem Doppelten des deutschen Durchschnittsnettos entspricht und sich auch im akademischen Bereich mehr als sehen lassen kann – wer wird schon Professor, Direktor beim Goethe-Institut oder Feuilletonchef bei der FAZ? Von der Tatsache, dass Hölderlin wesentlich besser zum Bezirzen der Damen geeignet ist als Benzolringe, sei hier mal abgesehen.
Bleibt die oben erwähnte Beschränktheit, auf die wir noch eingehen müssen. Nun, diese bezieht sich selbstverständlich nicht allgemein auf die intellektuellen Fähigkeiten von Naturwissenschaftlern. Es ist jedoch für diesen Punkt bezeichnend, dass der unschmeichelhafte (und von mir hier ausdrücklich nur zitierte) Begriff „Fachidiot“ ausschließlich für Naturwissenschaftler reserviert zu sein scheint. Ein Historiker, Anglist, Germanist oder auch Jurist kann wohl aufgrund der vielfältigen interdisziplinären Vernetzungen und Implikationen, die sein Fach mit sich bringt, per se kein „Fachidiot“ sein. Und eben diese spezielle Art der Fähigkeit zum vernetzten Denken ist es wohl auch, die vielen Naturwissenschaftlern abgeht. Dazu passt auch das Beispiel des TE, der Geschichte langweilig findet und offensichtlich die Relevanz nicht erkennt, die dieses Fach für unsere Gegenwart (und auch für sein eigenes Fachgebiet!) hat, und zwar aktuell mehr denn je. Zugegeben 1: Das gilt mit Sicherheit in vielen Fällen auch umgekehrt. Zugegeben 2: Diese Relevanz zielgruppengerecht zu vermitteln scheint mir eine Herausforderung zu sein, der viele Geschichtslehrer nicht die nötige Bedeutung zumessen.
Sicher dürfte auch sein, dass die meisten „harten“ Naturwissenschaftler ein ernsthaft betriebenes Studium der Germanistik oder Geschichtswissenschaft bestenfalls irgendwie bestehen würden. Mit Labern (das im Übrigen auch gekonnt sein will) ist es halt auch in diesen Fächern nicht getan, wenn man darauf angewiesen ist, Punkte zu bekommen.
Disclaimer: Wer jetzt der Meinung ist, ich hätte hier einen Haufen Stuss zusammengeschrieben, der mag recht haben, lasse sich aber gesagt sein, dass ich mir das speziell innerhalb dieses Threads als Geisteswissenschaftler auch einfach mal rausnehme. Und wer sich als Naturwissenschaftler angegriffen fühlt, der zeigt damit nur, dass er gar nicht gemeint ist.
Incipiat tempestas stercoris! (oder auf Deutsch: Möge d ach was, Latein hat man zu können)