Stationenarbeit in unruhiger Klasse sinnvoll?

  • Ich unterrichte als Referendarin seit etwa 6 Wochen Mathematik in einer zweiten Klasse (eigenverantwortlicher Unterricht).
    Die Klasse ist extrem unruhig. Es wird sich lautstark unterhalten, Quatsch gemacht, herumgelaufen. Schüler kommen regelmäßig unpünktlich, haben keine Hausaufgaben dabei und ihre Arbeitsmaterialien zu Hause. Hinzu kommt, dass es in dieser Klasse einige Schüler gibt, denen Sozialverhalten ein Fremdwort ist. Die Kinder beschimpfen sich aufs Übelste; machen sich lustig, wenn jemand eine falsche Antwort gibt usw. Diese Situation hat zur Folge, dass ich mit meinem Lernstoff total im Rückstand bin- war halt fast nie ein normaler Unterricht möglich.


    Habe schon diverses versucht, um die Klasse in den Griff zu kommen: Einführung gelb-rote Karte, Schreiben an die Eltern, Klassenlehrin hospitieren lassen, selbst bei der Klassenlehrerin hospitiert, störende Kinder in Nachbarklasse gesetzt und wir hatten sogar einen Elternabend zu dieser Problematik.


    ...so nun zu meiner eigentlichen Frage. Da in der Klasse extreme Leistungsunterschiede herrschen (einige Kinder können noch nicht mal im ZR bis 10 rechnen) halte ich es für sinnvoll offener zu unterrichten. Ich habe vor den Ferien mit dem Hunderterfeld angefangen. Da viele Kinder noch Probleme habe würde ich gerne vielfältige Übungen in Form eines Stationentrainings anbieten (verteilt auf zwei Tage). Die Klasse ist von der Klassenlehrerin nur Einzelarbeit gewöhnt und ich weiß nicht ob das Stationenlernen in einer sehr unruhigen Klasse im totalen Chaos endet. Andererseits ist es vielleicht auch möglich, dass es dieser Klasse gerade hilft. Zudem besteht ja auch die Möglichkeit die Stationenarbeit relativ geschlossen zu beginnen (Festlegen der Gruppen, Wechsel auf akkustisches Zeichen,...).


    Was würdet ihr mir raten? Bin dankbar über jeden Rat, bin in der Klasse gerade ziemlich am verzweifeln.

  • Hallo Johann,
    so wie du es schilderst, würde ich da auch verzweifeln. Das kann doch nur besser werden! Ich würde mit der Klasse auch offener arbeiten, und zwar so wie du schreibst, die Sache langsam angehen lassen, Regeln aufstellen und möglichst alle Arbeiten streng kontrollieren. Das halte ich gerade am Anfang für sehr wichtig. damit die Kerlchen das Ganze nicht missverstehen. Es ist für einige Kinder sicher eine Chance, eigenverantwortlicher - und ruhiger - arbeiten zu können. Danach könntest du Schritt für Schritt versuchen, Partnerarbeit einzuführen. Es ist eben nicht einfach, wenn die Klassenlehrerin nicht mitzieht. Vielleicht kannst du sie überzeugen?
    Viel Erfolg!
    Gruß venti :)

  • Hallo,


    ich schließe mich venti an. Auch ich würde auf jeden Fall offener arbeiten. Ich habe mir vor ca. 6 Wochen die gleiche Frage gestellt, da in meiner dritten Klasse eine ähnliche Lernatmosphäre herrschte. Die Kinder waren Frontalunterricht gewohnt und dementsprechend chaotisch ging es bei der ersten Stationenarbeit zu. Ich habe dann mit den Kindern gemeinsam einen Regelkatalog aufgestellt, den wir an die Wand gehängt haben. Mit der Zeit wurde es dann immer besser. :) Die Kinder brauchen einfach Zeit sich an die neue Situation zu gewöhnen.
    LG
    Cora

  • Auch ich habe festgestellt, dass offener Unterricht die leistungsstarken Schüler so beschäftigt und sie von Blödheiten abhält.
    Allerdings brauchst du für die Schwächlinge ausreichend Zeit und eventuell sogar Team-Unterstützung. Denn warten können die bestimmt nicht, und dann geht's wieder rund...

  • Habe auch eine Klasse, mit der ich immer ordentlich zu kämpfen habe: ständig am reden, sich gegenseitig beschimpfen, Beine stellen, schlagen mitten während dem Unterricht, etc.
    Da ich shcon immer ein Fan von Stationenarbeit war, habe ich das regelmäßig seit Beginn des Schuljahres gemacht - eingeführt zu Zeiten, in denen ich die Klasse eigentlich noch gar nicht einschätzen konnte (würd ich vielleicht das nächste mal nicht mehr so machen). Und, oh Wunder: bei Stationentrainings sind die Schüler immer dermaßen diszipliniert!!! Bin sogar ganz stolz, weil sie so konzentriert und leise arbeiten, dass wir eine Station auf den Gang verlegen können (in einer Schule, in der das sonst kein Lehrer macht, wir also ultra-leise sein müssen damit niemand meckert).
    Mein Tipp: nicht zu viele Stationen anbieten und die Übungen sollten den Schülern wohlbekannt sein. Ich habe in meiner Stationenarbeits-Euphorie mal fünf Stationen angeboten, damit kommen die Schüler einfach noch nicht klar (da war allein das Problem schon bei den Selbstkontrollmöglichkeiten gegeben: "Wo ist denn in unserem Klassenzimmer das Pult?"). Drei Stationen sind aber kein Problem (angefangen hatten wir mit zwei Stationen).

  • Danke für eure Beiträge. Sie machen Mut Stationenarbeit trotz der chaotischen Zustände in der Klasse auszuprobieren.
    Ich habe vor den Ferien von meiner Mentorin den Tipp bekommen den Unterricht ganz langsam zu öffnen. Indem ich in den Unterricht immer mal wieder kleine offene Phasen einbaue; nur für 15 Minuten ( ein Spiel spielen, nach draußen gehen und Aufgaben auf dem Schulhof hüpfen lassen etc.). Vielleicht ist es ja sinnvoll, nicht die ganze Stunde an Stationen arbeiten zu lassen, sondern für den Anfang nur die Hälfte der Stunde. Die andere Hälfte müsste beim ersten Mal sowieso für Erklärungen genutzt werden (wie läuft Stationenarbeit ab, was sind unsere Regeln, was passiert wenn wir uns nicht an die Regeln halten usw.).


    Würde trotz des Vorschlages von Juna beim ersten Mal dennoch gerne mehr als zwei Stationen anbieten. Hatte so an 6 Stationen gedacht. Dies hat den Vorteil, dass die Kinder auswählen können, dass schnelle Kinder nicht schon nach 10 Minuten fertig sind und ich vielfältige Übungen anbieten kann. Würde die Arbeit dann auf mehrere Tage verteilen. Was haltet ihr davon?



    Eine Freundin von mir hat gerade in ihrer 1. Klasse die Stationenarbeit eingeführt. Sie hat die Stationen vorher fotographiert, dann ausgedruckt und quasi als Arbeitsaufträge an den Stationen gelegt.

  • Die Idee mit dem Fotografieren finde ich auch sehr gut. Später zumindest als zusätzliche Erklärung, falls jemand die schriftliche nicht versteht.


    Ich denke, wenn ich demnächst bei meiner Klasse Stationenarabeit mache (zum ersten Mal), werde ich auch mehr Stationen anbieten. Letztes Jahr (die Klasse war allerdings Stationen-erfahren) habe ich es immer so gemacht, dass ich sogar ziemlich viele Stationen hatte. Dies hatte den einfachen Grund, dass ich nicht einschätzen konnte, wie lange die Kinder brauchen. So hatte ich einige Pflichtstationen und viele Zusatzstationen. Die Zusatzaufgaben müssen nicht erledigt werden, jedoch muss in der Stationen-Zeit jeder an einer Station arbeiten. Wer also die Pflichtsachen schon hat, muss also doch die Zusatzstationen machen.
    Verständlich?


    Meine Klasse hat bisher allerdings schon am Wochenplan gearbeitet, von daher kennen sie eine ähnliche Lernsituation. Da hab ich es aber genauso eingeführt.


    Liebe Grüße,
    biene maja

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