Nix Politisches: Die K-Frage

  • Liebes Forum,
    entschuldigt bitte den etwas reißerischen Threadtitel.


    Mich auf meine mündliche Prüfung im Fach Musik vorbereitend, rief mich doch gestern mein Musik-Fachseminarleiter an, sehr nett, er wolle doch noch mal kurz besprechen, was er inhaltlich am Dienstag ansprechen wird. Und da war sie wieder: Die "K-Frage" - nämlich:


    Darf/kann/soll man Kreativität (gerade in "musischen" Fächern) bewerten?


    Ich hatte die Diskussion mit ihm schonmal, damals meinte ich ja (er: nein), wir gingen jedoch von einem unterschiedlichen Kreativitätsbegriff aus. Habe hier einen Artikel aus dem mip-journal, da schreibt der Autor:

    Zitat

    Kreativität in der Musik ist an bestimmte Arbeitsbereiche gebunden, an Komponieren oder Improvisieren. Beides setzt enormes fachliches Können und Lernprozesse voraus...


    Die daraus abzuleitende Tendenz wäre für mich: Kreativität ist nicht / nur schwer bewertbar - gerade in der Grundschule, wo das fachliche Können in Musik nicht Schwerpunkt ist.


    Gleichzeitig jedoch formulieren die Rahmenrichtlinien des Landes Niedersachsen (von 1984) für das Fach Musik:

    Zitat

    Die Leistungsbewertung im Musikunterricht muss sich aus den Beobachtungen in allen Lernbereichen zusammensetzen. ... Grundlage dafür bilden eigene Experimente und Improvisationen der Schüler mit Instrumenten


    Also: Kreativität ist eindeutig mitzubewerten.


    Aber wie? Welche Maßstäbe lege ich an?
    Kann ich Kreativität wirklich bewerten - also auch benoten?


    Irgendwie fehlt mir die Argumentationsstruktur.
    Kann irgendwer helfen?


    Dankbare Grüße,
    das_kaddl.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo kaddl,


    das ist ja wirklich ne blöde Sache!
    Ich schreib jetzt mal, was mir spontan dazu einfällt, ohne Gewähr...


    Experimentieren und improvisieren können Grundschüler: Bsp.: Einen Text vertonen, aus (selbstgebauten) Instrumenten möglichst viele verschiedene Töne herauslocken, verschiedene Spielweisen erkunden, Klänge der Stimme erkunden, Wirkungen von Liedern / Musikstücken erkunden, wenn sie unterschiedlich gesungen / gespielt werden, spielen mit Sprache (lautmalerische Vertonungen / Lieder), Erfinden neuer Strophen zu Liedern, Ausdenken rhythmischer Bausteine.


    Man könnte hier also bewerten, ob und wie Kinder z.B. einem Instrument Töne zu entlocken versuchen.
    Und man könnte prozessorientiert bewerten: Kinder, die am Anfang weniger Ideen haben, sich aber von ihren Mitschülern beeinflussen lassen und sich später auch trauen, mit einem Instrument mehr als nur einen Klang auszuprobieren.


    So, und das ganze ohne theoretische Grundlage, ich kann also auch gar nichts zitieren...


    Grüße,
    Conni

  • Hallo kaddl,
    spontan sage ich mal, dass Kreativität sehr wohl mit benotet wird, auch in Deutsch beim Schreiben von Geschichten und natürlich in Kunst. Warum also nicht in Musik?
    Alles Gute für die Prüfung!
    Gruß venti :)

  • toitoitoi!


    Interessieren würde mich in diesem Zusammenhang einfach die Vorbildungsdiskrepanz:


    Viele meiner Instrumentalschüler haben seit ihrem zweiten oder dritten, spätestens vierten Lebensjahr eine Ausbildung in der Musikalischen Früh- und Grunderziehung. Die sind SEHR KREATIV weil SEHR ERFAHREN/ GEÜBT. Und langweilen sich im Schulmusikunterricht leider zu Tode.
    Die anderen können diesesn Erfahrungsschatz of gar nicht mehr aufholen, spätestens in der 3./ 4. gibt es Probleme in der Notationskunde. Und hatten wir hier nicht eine Mutter, die den Musiklehrer ihres Sohnes wegen der Unterrichtsreihe Baßschlüssellesen am liebsten gesteinigt hätte *zwinker*...


    Wie handhabt ihr zensurentechnisch diese großen Unterschiede in der Vorbildung?



    Interessierte und musikalische Grüsse von der Musikatze

    Musik ist die Stenographie des Gefühls.
    Tolstoi

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    musikatze schrieb am 07.03.2005 09:24:
    Wie handhabt ihr zensurentechnisch diese großen Unterschiede in der Vorbildung?


    Hallo Musikatze,


    da es bei uns kaum Kinder gibt, die ein Instrument spielen, ist das zum Glück kein Problem. (Und wenn Kinder ein Instrument spielen, fangen sie oft erst im 3. oder 4. Schuljahr an und dann werden die Unterschiede zwar spürbar, aber nicht sehr groß.
    Mein Musikseminarleiter hat uns ansonsten gesagt, wir müssten alle schriftlichen Kontrollen für alle gleich stellen und gleich bewerten, obwohl das ziemlich gemein ist, wenn einer z.B. zum ersten Mal Noten sieht, einer an der letzten Schule schon welche hatte, einer Posaune spielt (Bassschlüssel) und eine Geige. Alle sollen vielleicht die C-Dur-Tonleiter aufschreiben (oder ein paar Noten im Violinschlüssel), eine langweilt sich zu Tode, einer findet es ok, einer denk, er müsste sich eigentlich auch zu Tode langweilen und verweigert die Arbeit, weil es für ihn der "falsche" Schlüssel ist und der Vierte sieht kein Land.


    Beim Singen werte ich es ansatzweise mit: Bei einem Kind, das zwar mit Eifer singt und übt, aber kaum eine Melodie halten kann, drücke ich schon von Vornherein 3 Ohren zu. Ein Kind, das aber gut singen kann, sollte sich auch noch anstrengen müssen. (Ich hatte mal zwei Schüler/innen, die bewusst "cool" sangen, um ihre Unterforderung und meine Fehler als "noch nicht fertige Lehrerin" aufzuzeigen und dann mit den dazu passenden Zensuren leben mussten, ohne zugedrücktes Ohr oder Auge. Das ist jetzt das absolute Negativbeispiel, aber ein Kind das gut singen kann, könnte z.B. den Spezialauftrag bekommen, besonders ausdrucksvoll zu singen.) Aber... schon ein schwieriges Thema, denn auch bei mündlichen Noten, schauen Schüler genau...


    Was denkst du denn als Mutter/Instrumentallehrerin, wie sich die unterschiedlichen Fertigkeiten in der Bewertung niederschlagen sollten?


    Grüße,
    Conni

  • Guten Morgen Conni!


    Keine Ahnung!
    Das ist ja das Dilemma des schulischen Musikunterrichts, sowohl in der Qualität des Angebotenen als auch in der Durchführung ... (ich hatte als "Musikerin von der ersten Stunde an" in Musik übrigens mal eine 4 auf dem Zeugnis, weil ich nicht wußte, wieviel Plätze die Deutsche Oper GENAU hatte. Hab´ sie halt bei meinen Opernbesuchen nicht gezählt... *kicher*...).


    Eine Lösung des Problems scheint auch nicht in Sicht zu sein, es gibt berechtigter Weise einen Lehrplan und entsprechendes Wissen, was auch meiner Meinung nach zur Allgemeinbildung des deutschen Schülers zählen sollte.


    Für die Grundschule würde ich mir das Klassenmusizieren als Unterrichtsfach wünsche! Von der ersten Klasse an zwei Stunden Rhythmik und zwei Stunden Instrumentalunterricht für alle. Betreut von uns ausgebildeten und erfahrenen Frühmusikerziehern und Instrumentallehrern. Ab der dritten/ vierten Klasse dann Theorie statt Rhythmik.


    Von solch einem Konzept würden alle Schüler und alle Fächer (und damit auch alle Lehrer *grins*) profitieren.



    Utopien am Morgen von der Musikatze (mit den besten Wünschen für einen erfolgreichen Tag!)

    Musik ist die Stenographie des Gefühls.
    Tolstoi

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    • Offizieller Beitrag

    hallo musikatze


    Zitat

    musikatze schrieb am 08.03.2005 08:43:
    eine 4 auf dem Zeugnis, weil ich nicht wußte, wieviel Plätze die Deutsche Oper GENAU hatte.


    Wie und NUR dafür ne 4???
    Ich hatte im 1. Halbjahr 1. Klasse mal ne 2, aber das lag daran, dass unsere Musiklehrerin uns sagte, vor dem benoteten Vorsingen müsse man sich besonders konzentrieren. Als ich das tat, wertete sie es als "Text nicht wissen", weil ich ein paar Sekunden später begann als von ihr erwartet. Und es gab nur 2 Zensuren in dem Halbjahr, da hat sie dann abgerundet. Meine Eltern haben ein Riesen-Fass aufgemacht. (Ich fand übrigens als Kind die Reaktionen meiner Eltern auf Zensuren viel schlimmer als die Zensuren selber.)
    Bei den "Merk"aufgaben hatte ich dann in der Oberstufe eine Freundin und Banknachbarin, mit der ich mich gut ergänzte bzw. sie mit mir: Ich konnte die Noten und sie lernte die Musikgeschichte.


    Zitat

    Für die Grundschule würde ich mir das Klassenmusizieren als Unterrichtsfach wünsche! Von der ersten Klasse an zwei Stunden Rhythmik und zwei Stunden Instrumentalunterricht für alle. Betreut von uns ausgebildeten und erfahrenen Frühmusikerziehern und Instrumentallehrern.


    Ja, das wär Klasse! Ohne Zensuren selbstverständlich und mit einem gewissen Anspruch an die Instrumente. (Ich habe mal mit Viertklässlern auf Mini-Metallofonen musiziert, die auf ein Sperrholzbrett gebaut sind, d.h. kaum Volumen und sehr hoch. Ein Kind sagte dann "Das klingt schlecht, haben wir keine Instrumente, die besser klingen?"
    Jetzt habe ich z.B. Holzxylofone, das ist schon wesentlich besser.
    Aber man müsste die Klasse auch noch teilen dafür, schon das Musizieren mit 12 Xylo- und Metallofonen geht SEHR auf die Ohren.



    Weißt du, was Mehlhorn-Schulen sind? Das sind besonders an der Kreativität der Kinder orientierte Privatschulen mit angeschlossenen Kitas. Die Kinder lernen ein Instrument, nehmen an Kunstprojekten teil, kreatives Erzählen, Schreiben und Theaterspielen stehen auf dem Stundenplan, auch eine Fremdsprache (Arabisch oder Chinesisch) und Schach werden ab dem 1. Schuljahr unterrichtet... Deine "Utopie" liegt davon nicht weit entfernt glaub ich:
    http://www.mehlhornschulen.de/
    http://www.diekappe.de/ Hier links oben auf "BIP-Grundschule" klicken.


    Grüße,
    Conni

  • Zu schööön um (für Berlin) wahr zu sein...
    (Ich habe für einen zweijährigen "Ausflug" in eine Grundschule eine gesamte Klassenausstattung an Instrumenten selbstbezahlt...)


    Dir trotz der spärlichen Ausstattung einen guten und erfolgreichen Tag: Musik ist trotz allem ein tolles Fach!


    Findet die Musikatze

    Musik ist die Stenographie des Gefühls.
    Tolstoi

    Einmal editiert, zuletzt von musikatze ()

    • Offizieller Beitrag

    Hi Musikatze,


    danke für die Wünsche. Ich war heut noch zu Hause weil krank, morgen gehe ich wieder arbeiten, habe aber (zum Glück) keinen Musikunterricht, das ist mit Erkältung immer ziemlich unangenehm bis unmöglich.
    Bei der Grobplanung des Musikunterrichts bis zum Ende des Schuljahres stellte ich nun fest, dass auf manchen Arbeitsblättern zur Instrumentenkunde steht: "Probiert die Instrumente aus!" Dabei geht es nicht um Orff-Instrumente oder um Studierende einer Musikhochschule, nein, es geht um Kinder der Orientierungsstufe und um Blechblasinstrumente.


    liebe Grüße vom inzwischen wieder verschneienden Berliner Stadtrand

  • Ich klinke mich kurz wieder ein, obwohl ich glaube, dass ihr euch auch ohne mich ganz gut unterhalten habt ;)
    Die Kreativitätsfrage gab's nicht (auch die verschiedenen Stecker wurden mir nicht zur Benennung hingelegt - macht der FSL sonst eigentlich immer :D ). Hätte ich mich für die Beantwortung der Frage entscheiden müssen, hätte ich zähneknirschend "ja" gesagt - wohl wissend, dass es sich um ein absolut subjektiv geprägtes Bewertungsmuster handeln würde. Aber das ist in Musik ja leider fast immer so :rolleyes: .


    Die Bewertung bei "musikalisch-instrumental außerschulisch gebildeten Kindern" nehme ich meist so vor, dass ich ihnen schwierigere Stimmen für die Orff-Instrumente gebe oder sie mit ihrem Instrument ins Arrangement eines Liedes einbinde.


    Zur Ausstattung mit Instrumenten:
    Neulich war ich auf einer Fortbildung, bei der wir von einer Kinderliederkomponistin (und in sonstigen musikpädagogischen Breiten Tätigen) einige Arrangements vorgeschlagen gekriegt haben. Und die Gute fragte doch allen Ernstes die meist fachfremd Musik-Unterrichtenden:
    "Wie, Sie haben keine E-Gitarre und kein Schlagzeug an Ihrer Grundschule?" 8o


    LG, das_kaddl.


    PS: Musikatze, ist doch nicht dein Ernst, dass du Metallofone etc. selbst bezahlt hast? Ich kanns nicht glauben!!!

  • Nur ein Metallophon *schäm*, war aber eine echtes ebay-Schnäppchen *stolz*... Dazu ein Xylophon, Trommeln, Flötenköpfe, Klingelklüngelkrempel, 2 Saitenspiele, usw. usw.
    Für mich war es eine - steuerbegünstigende - Investition für viele Kurse, aber ich würde es nicht publik machen! Nachher kommen die Schulen noch auf die Idee, den Lehrern die Anschaffung von elementarem Unterrichtsmaterial wie Tafeln, Stühle und Tische nahezulegen. Heutzutage ist alles möglich...



    Grüsse von der Musikatze



    P.S. Herzlichen Glückwunsch für Dich!!!!

    Musik ist die Stenographie des Gefühls.
    Tolstoi

    • Offizieller Beitrag

    Hallo das_kaddl,


    dann gratulier ich mal zur bestandenen Prüfung, oder?


    Zitat

    das_kaddl schrieb am 10.03.2005 07:36:
    auch die verschiedenen Stecker wurden mir nicht zur Benennung hingelegt


    Stecker?????
    Klingt ja fast wie die Geografie-Prüfung, bei der ich zu Gast war, da sollte die Kandidatin Steine auf die Tauglichkeit als Unterrichtseinstieg hin testen.


    Zitat

    Die Bewertung bei "musikalisch-instrumental außerschulisch gebildeten Kindern" nehme ich meist so vor, dass ich ihnen schwierigere Stimmen für die Orff-Instrumente gebe oder sie mit ihrem Instrument ins Arrangement eines Liedes einbinde.


    Hmm, ja, so gut sind meine dann doch nicht, Noten lesen können sie jedenfalls nicht.


    Zitat

    Und die Gute fragte doch allen Ernstes die meist fachfremd Musik-Unterrichtenden:
    "Wie, Sie haben keine E-Gitarre und kein Schlagzeug an Ihrer Grundschule?" 8o


    Ja wie, habt ihr nicht? Na dann aber schnell mit dem nächsten Etat beschaffen... *HUST*
    Mir bot mal ein Instrumentenfachhandel an, unserer Schule einen guten Preis für Bongos zu machen, bei einer Mindestabnahme von 10 Stück....


    musikatze
    Ja, das mit den Stühlen und Tischen hab ich auch schon überlegt, nachdem ich in meiner letzten Schule die Kassettenrecorder anfangs selber mitbrachte...


    Grüße,
    Conni

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