Streik in Sachsen??

  • Hallo!


    Ich bin gerade etwas verwirrt (und hoffe, dass sich das nicht aufs Bundesland ausgeweitet - es ging doch um Sachsen heute in den Nachrichten, oder??):


    Heute haben in Sachsen die Lehrer gestreikt.


    Und ich dachte, das dürfen Lehrer gar nicht?? Oder sind das alles keine Beamten, sondern Angestellte? Dürfen die das?


    Ich hoffe, mir kann da mal jemand helfen.


    Vielen Dank schon mal!


    Katta

    "Et steht übrijens alles im Buch, wat ich saje. ... Nur nit so schön." - Feuerzangenbowle

  • Hallo,
    ich verfolge dieses Forum schon seit langer Zeit, habe aber bisher nur mitgelesen.
    Da gerade die Frage nach dem dienstrechtlichen Status der sächsischen Lehrer gestellt wurde, möchte ich zum ersten Mal „aktiv“ werden und diese Frage beantworten:
    Nein, die Lehrer in Sachsen befinden sich nicht im Beamten – Verhältnis (einzige Ausnahme: die Angehörigen der Schulleitungen).
    Das sächsische Kultusministerium plant für die nächsten Jahre die Schließung von über 100 Mittelschulen und die Streichung von etwa 7500 Lehrerstellen (von ca. 33000).
    Die Reduzierung der Lehrerstellen soll durch verkürzte Stundenzahl und entsprechend niedrigeres Gehalt realisiert werden.
    Hinzufügen muss man vielleicht noch, dass in den letzten 10 bis 15 Jahren schon massenhaft Schulen geschlossen und Tausende Lehrer gekündigt worden sind.


    Mit freundlichen Grüßen


    Animagus

    • Offizieller Beitrag

    Hallo katta,


    in den neuen Bundesländern gibt es viel mehr Angestellte als in den alten. Das liegt daran, dass nach der Wende nur dann verbeamtet werden konnte, wenn die gesundheitliche und altersmäßige Eignung vorlag und die Verbeamtung vorgesehen war.
    Für mein Bundesland: Da einige eben schon älter waren, wurden sie nicht verbeamtet. In den Kollegien, wo ich bisher war, waren 1/3 bis die Hälfte der Lehrer Angestellte. Ob es nun länderspezifisch in Sachsen noch mehr Angestellte gibt, weil dort weniger verbeamtet wurde, weiß ich nicht. (In meinem Bundesland wird noch recht gern verbeamtet.)


    Grüße,
    Conni
    PS: Animagus: Ah, da bist du mir zuvor gekommen. Das sieht bei euch ja noch schlechter aus. X(

  • echt heftig,
    da gehts uns "hier im Westen" ja richtig Gold gegen.... obwohl mich selbst hier oft ank.... , wie man da z.T. mit unserem Berufsstand in Medien und Politik umgeht...


    mfg
    der unbekannte Lehrer

    "Get thee back into the tempest and the Night´s Plutonian shore!...
    Take thy beak from out my heart, and take thy form from off my door!"
    Quoth the raven: "Nevermore." (E.A.Poe,The Raven)

  • Die Schulen werden doch geschlossen, weil es keine Schüler mehr gibt oder irre ich mich? Das wird man durch einen Streik wohl kaum verhindern können.


    Grüße Enja

  • Die Schülerzahlen sollen in den nächsten 10 Jahren um 1/4 sinken. Die Lehrerarbeitszeit soll aber auf Werte von 62-73% abgesenkt werden. Damit wird sich also die Unterrichtsversorgung verschlechtern.
    Die GEW fordert eine Teilzeitquote von 80%, d.h. langfristig eine leichte Verbesserung der Lehrerversorgung. Im Sinne der Außendarstellung Sachsens als Hightech-Land und der PISA-Ergebnisse eine gut begründbare Forderung, für die sich das Streiken lohnt.
    Viel Erfolg den Sachsen!

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

  • Problematisch ist eben, dass Sachsen nicht nur die "Boom-Regionen" Leipzig und Dresden hat, sondern auch das in Bezug auf schulpflichtige Kinder dünnbesiedelte Erzgebirge und die Oberlausitz hat.


    Im Bereich der Grundschulen gibt's ja, wie auch in Brandenburg und MVP die "kleinen Grundschulen", in denen die Jahrgänge zusammengelegt werden. Im Bereich der weiterführenden Schulen sind mir solche Modelle nicht bekannt (und ich habe mich mal zwei Wochenenden lang seeehr ausführlich mit der Demographie der neuen Bundesländer und den Auswirkungen auf Schule befasst :rolleyes: ). Die eigentliche Achillesferse des sächsischen Politik-Handelns ist jedoch nicht nur das Zustandekommen übel langer Schulwege, sondern die Vernachlässigung der Tatsache, dass eine Schule ja auch "Standortfaktor" ist, nicht nur für Arbeitgeber, sondern auch für die "Noch-Bewohner". Flächendeckende Schließung von Schulen in dünn besiedelten Gebieten -> extremer Wegzug von Noch-Bewohnern, besonders Familien mit Kindern. Extremer Wegzug von Noch-Bewohnern -> noch mehr Schulschließungen.


    Dieses Szenario plus 35 Jahre = Problematik, dass nur noch alte Menschen in dünn besiedelten Gebieten wohnen, die sich nicht mehr umsiedeln lassen wollten. Diese Menschen werden - aufgrund der enorm gestiegenen Lebenserwartung und dem hohen Standard der medizinischen Versorgung in Deutschland - voraussichtlich auch pflegebedürftig. Aber wer pflegt sie, wenn die potenziellen Pflegekräfte (Profil: zwischen 20 und 50 Jahre alt, weiblich, mit Familie) vor Ort nicht mehr vorhanden ist? Ärzte und Supermärkte werden sich dann ebenfalls schon verabschiedet haben, sodass noch gar nicht abzusehen ist, wohin diese Schulstrukturpolitik führen wird.


    Nicht nur Sachsen hat struktur- und bevölkerungsschwache Gebiete - ich frage mich, warum sich für die Problematik der weiterführenden Schule und Schülermangel "damals", als der Schülermangeln noch mit "Kleinen Grundschulen" behoben werden konnte, keiner interessiert hat, obwohl klar abzusehen war, dass der nachwendliche Geburtenknick ja irgendwann mal in den weiterführenden Schulen ankommen muss.


    Übrigens hat man in den neuen Bundesländern aufgrund der abzusehenden niedrigen Geburtenraten Lehrer nicht verbeamtet, sondern nur angestellt. Da sich die Länder letztes Jahr aus dem BAT zurückgezogen haben und Niedersachsen bereits verlauten ließ, bedarfsbedingte Kündigungen auszusprechen, wird das in den neuen Ländern wohl auch bald folgen. Bisher versuchte man da noch mit Teilzeitregelungsmodellen hinzukommen. Das funktioniert aber auf Dauer (20/30 Jahre) nicht, weil sich der Geburtenknick (der übrigens schon in den 1980ern anfing) ja weiterhin negativ potenziert.


    Genug demographiert ;)
    LG, das_kaddl.

  • Ganz interessante Aspekte, nachdem wir bisher ja nur die Diskussion über die Arbeit an einer Privatschule hatten, wo befürchtet wurde, dass die dann geschlossen werden könnten.


    Grüße Enja

  • Schulen können in jedem Bundesland geschlossen werden, wenn die entsprechende Zielgruppe zu klein ist und daher ein Schulüberangebot besteht. Der Unterschied von Bundesländern mit verbeamteten Lehrern im Gegensatz zu Bundesländern mit vorrangig angestellten Lehrern ist jedoch, dass erstere weiterbeschäftigt werden müssen, wohingegen man letzteren zwar nicht "einfach", aber doch, kündigen kann.


    Gegenbeispiel ist das südliche Brandenburg (Connis Bundesland). In meiner Heimatstadt hat man Gymnasiallehrer verbeamtet. Jetzt gibt's viel zu viele Gymnasien, daher auch zu viele Gymnasiallehrer. Das Land beschloss also, von seinem Recht Gebrauch zu machen und die Beamten abzufinden und mitsamt ihrer Familien in den Speckgürtel von Berlin zu versetzen. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was das für eine Empörung unter den Betroffenen ausgelöst hat. Und das, obwohl sie im Vergleich zu Sachsen doch recht gut dastehen :rolleyes:


    LG, das_kaddl.

    • Offizieller Beitrag

    kaddl
    Ich persönlich bin im mittleren Brandenburg. In der Region, die von Berlin noch entfernt profitiert, auch wenn ich das mit Blick auf den Schulort gar nicht glauben kann.


    In Brandenburg war es ja schon lange so, dass wild umgesetzt wurde, 80 km Fahrtweg für eine Strecke wurden für zumutbar befunden. Manche haben eben keinen Führerschein und nicht jede 50jährige macht den mal eben schnell. Dadurch kam es dann zu ewigen Fahrtzeiten oder Lehrern, die es irgendwie in die Dauerkrankheit schafften.
    In diesem Jahr nun sollte diese Grenze von 80km komplett aufgehoben werden, Leute aus dem Südosten Brandenburgs in den Speckgürtel versetzt werden. Und zwar Leute, die dort ein Haus haben, teilweise Kredite drauf zu laufen (bei den Immobilienpreisen nicht gut zu verkaufen) und deren Partner dort teilweise auch noch Arbeit haben. Wohnung + ev. Kredite auf das verlassene Haus abzahlen + komplette Familie ernähren mit einer 3/4-Stelle zum BAT Ost ist im Berliner Umland auch nicht so einfach. U.a. deshalb gab es viel Aufruhr. Diese ganze Umsetzungsaktion wurde nun mit Hilfe von Klagen und der GEW gestoppt und einige Schulen wissen noch nicht, wo sie zum neuen Schuljahr ihre Lehrer herbekommen sollen, in meiner ehemaligen Ausbildungsschule fehlen 2, in der Schule, wo ich zwischendrin war 3 oder 4. (Ansonsten würde ich mich gerne in den Berliner Speckgürtel versetzen lassen. ;) )


    Grüße,
    Conni

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