Die Zukunft unserer Kinder wird an den Traumstränden von Kreta verbummelt

  • Die Forderung nach einer Präsenzpflicht an der Schule finde ich nun gar nicht ärgerlich. Gerne wäre ich 8 Stunden in der Schule und wüsste dann meine Arbeit als erledigt.
    Wenn wir dann aber 8 Stunden in der Schule sind, wann machen wir dann die Fortbildungen?


    Silja

  • Nein, ich sehe es auch noch lange nicht. Wenn ich nur die normale Unterrichtszeit an der Schule bin, sind es schon 6 volle Stunden, ohne Konferenzen oder andere Besprechungen.
    Aber genau wegen deiner Argumente wäre es das Beste, wenn es wirklich so geschehen würde.
    Selbst wenn man eine Stunde am Tag dazu rechnen würde (wir haben ja soviel Ferien), würde das meiste liegen bleiben.


    Wäre ein interessanter Versuch.


    Silja

  • Es gab in NRW seitens der Landesregierung mal das Bestreben auszuloten, wie weit man Lehrern weitere Unterrichtsstunden aufbrummen könnte. dazu wurde eine Consultingfirma (ich glaub es war Accenture, seinerzeit noch Anderson) hinzugezogen, die das begutachten sollte.


    Ergebnis war: Lehrer arbeiten im Schnitt, also alle Ferien eingerechnet ca. 45 Stunden die Woche. Einige ein bißchen mehr, andere ein bißchen weniger. -


    Fazit: das Experiment 40h-Woche wird es nicht geben. Aus diesem und natürlcih noch aus diversen anderen Gründen nicht!


    Gruß, Forsch

  • Ich habe als Mutter, wenn ich die Schuljahre meiner Kinder zusammenrechne, 16 Schuljahre hinter mir.


    Ich habe viele tolle, engagierte Lehrer kennen gelernt.
    Aber leider auch das Gegenteil davon.


    Ihr hier in diesem Forum, ihr seid alle engagierte Lehrer, sonst würdet ihr euch hier nicht so engagieren.


    Aber wie das im Leben so ist, bleiben die Negativ-Beispiele haften, auch wenn sie in der Minderheit sind.


    Tochter besuchte eine Handelsschule. Dort lernt man u.a. auch Buchführung. Da heute die meisten Betriebe Buchführung per Computer erledigen, hat die Schule 2 schöne Computerräume, damit die Schüler nicht nur T-Konten kennen lernen.
    In diesen Räumen war die ganzen 2 Jahre kein Unterricht.
    Warum: es gab keinen Buchführungslehrer, der es unterrichten konnte.
    In der freien Wirtschaft, wäre ein Buchhalter, der sich weigert, einen Kurs über Buchführung per EDV zu besuchen schon lange entlassen worden. Und glaubt nicht, dass die Firma so einen Kurs zahlt, oder er während der Arbeitszeit stattfindet.
    Lern es und zahl es, oder wir finden jemanden, der es kann.


    Computer AG: Ersatzlos gestrichen, es gibt nur einen Lehrer, der sich mit Computern auskennt.
    Die anderen können noch nicht mal eine E-Mail lesen.


    Ein absolut unfähiger Lehrer, kein Interesse, sitzt seine Zeit als Beamter einfach ab, wird einfach nur versetzt. Er wird von einer Schule zur nächsten weitergereicht, aber es gibt keine Konsequenzen für ihn.
    Unterrichtsvorbereitung: hat er doch nicht nötig.


    Ein anderer benutzt immer noch sein 20 -30 Jahres altes Material. Neues zu erstellen wäre doch Arbeit.
    Schulbücher: braucht er nicht, da würde sein uraltes Material ja nicht mehr passen. Dienstliche Anordnungen usw. ändern da auch nichts dran.



    Wer genügend Sitzfleisch hat, auf Elternabenden gar nicht erst erscheint, für Eltern nicht zu sprechen ist, die Ohren gegen dienstliche Anweisungen auf Durchzug stellt, und verbeamtet ist, der kommt so durch. Ist zwar jedes Jahr an einer anderen Schule, aber er verdient sein Geld.


    Und von diesen Lehrern kommt das schlechte Bild. Und dagegen sind Kollegen, Eltern und Schüler machtlos.


    Und solange diese Minderheit ungestört so weitermachen kann, solange wird das Negativ-Bild Lehrer weiterbestehen.


    Und was so ein Lehrer bei Kindern anrichten kann, dass können 5 andere nicht mehr gutmachen.


    Wären alle Lehrer so wie ihr, der Beruf wäre sehr hoch angesehen.

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Bärbel,
    dein Posting tut gut, weil es so ehrlich ist. (Und danke auch für die Lorbeeren - ein paar Streicheleinheiten tun gut :D ).
    Natürlich gibt es schwarze Schafe bei den Lehrern, ich habe dergleichen selbst genug als Schülerin mitbekommen.
    Aber andere Berufsgruppen haben doch genauso schwarze Schafe, nur dass sie nicht ganz so im Licht der Öffentlichkeit stehen.
    Außerdem denkt nun mal jeder, aus seiner eigenen Schulerfahrung genau zu wissen, was ein Lehrer alles können und tun muss, um ein guter Lehrer zu sein.
    Ich denke immer noch schmunzelnd an meinen Freund, der fassungslos auf meine Aufsatzberge starrte, die ich am Wochenende abarbeiten musste ("Ich dachte, als Lehrer hat man soviel frei!")
    Inzwischen ist er derjenige, der meine Arbeit bei Bekannten leidenschaftlich verteidigt.
    Lg, Hermine

  • In NRW wird es über kurz oder lang eine Form der "Leistungsabhängigen Besoldung" geben. Was das im Einzelnen nun heißt, steht noch nicht fest.

  • Hallo,


    mag sein, der Bericht erscheint ein wenig einseitig, aber mal ganz ehrlich. Das, was ich an "meiner" Schule erlebe geht nahezu in diese Richtung und ich bin entsetzt darüber, dass es Lehrer gibt, die teilweise schon seit zwanzig Jahren keine Fortbildungsveranstaltung (SchilF mal ausgenommen) besucht haben.


    Im Laufe meiner (noch eher bescheidenen) Dienstjahre habe ich mir abgewöhnt lauthals aufzuzählen wann ich wie viel arbeite.
    Ich liebe meinen Beruf und bin mehr als glücklich ihn ausüben zu können. Ich weiß, dass ich mich engagiere und ich weiß, dass das meine unmittelbare Umwelt, die Schüler, deren Eltern, das Kollegium, die Schulleitung und das Schulamt auch sehen.


    Ich stehe nicht ein für das, was andere Kolleginnen und Kollegen - leider - versäumen und was uns solche Berichte "einbrockt".


    Natürlich liegt es auch mir nach einem solchen Bericht auf der Zunge zu erklären, dass ich alleine zwei Wochen benötigt habe, um den neuen Klassenraum einigermaßen sauber und eingerichtet zu bekommen etc.
    Aber das ist müßig - so viel habe ich schon mitbekommen.


    Das Gute ist doch, dass die meisten einigermaßen mitdenkenden Menschen zu unterscheiden wissen zwischen engagierten Lehrern und anderen.
    Darüber bin ich sehr froh.


    Liebe Grüße
    strubbelsuse

  • Zitat

    Tina34 schrieb am 24.09.2005 21:38:
    ...
    mit einem angemessenem Arbeitsplatz hätte ich gegen eine Präsenzpflicht an der Schule überhaupt nichts einzuwenden. Schließlich nutze ich von den 65 qm meiner Wohnung ganze 18 qm nur als Arbeitszimmer. Mit festem Arbeitsplatz an der Schule und ausreichend Stauraum würde ich eine Menge an Miete, Strom und Heizkosten sparen.
    ....


    Und - nebenbei bemerkt:
    Nach dem Kirchhof-Steuermodell der CDU wären diese zusätzlichen Belastungen - die andere Arbeitnehmer nicht haben - nicht mehr als Werbungskosten absetzbar.
    Welcher Arbeitnehmer muss seinen Arbeitsplatz eigentlich selbst bezahlen? - Selbst mit der derzeitigen Absetzmöglichkeit müssen 80% der Kosten aus der eigenen Tasche bezahlt werden. So viel zum "prima" Gehalt als Lehrer.....


    Über das populistische Lehrergeschelte rege ich mich nicht mehr auf. Mehr nerven mich Lehrerfortbildungen, die außer einem schönen Titel keinen Nutzen bringen - weil sie aus Spargründen von profilierungssüchtigen Kollegen dem Schulamt angedient wurden - und die Grenze jedes Zumutbaren überschreiten. Beispiel-Einstieg einer "Fortbildung" zum neuen Lehrplan:
    "Ich habe Ihnen die Kernaussagen des Lehrplanes herauskopiert. Bilden Sie bitte Arbeitsgruppen und entwerfen Sie ein Konzept für die Umsetzung. Wir treffen uns in einer Stunde im Plenum wieder....." X(
    Und sowas besuche ich freiwillig in meiner "Freizeit" am Nachmittag... und das war nicht die einzige Fortbildung, die in dieser Weise ablief. Meine Fortbildungsbereitschaft ist rapide gesunken. Lesen kann ich auch zu Hause. Und lächerliche Vorschläge hilfloser Kollegen zur Umsetzung bringen mich nicht weiter.


    Zur Arbeitsbelastung der Kollegen gibt es einige interessante Links:
    http://www.tresselt.de/arbeit.htm


    Zitat


    Eine Studie der EU hat sich eingehend damit beschäftigt. Das Ergebnis in Kurzfassung: Einkommensmäßig liegen deutsche Lehrkräfte im Mittelfeld, von der Arbeitszeit her - wenn man nämlich nicht nur die Stundenanzahl des Pflichtunterrichts betrachtet - liegen sie an der Spitze!


    http://www.zum.de/Faecher/evR2/BAYreal/as/se/pis/pisa11.htm


    Und zur Anerkennung und Verunglimpfung des Lehrerberufes hat Albin Dannhäuser, der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes gesagt, was zu sagen war. In diesem Sinne macht sich die Redaktion von "Kontraste" mitschuldig am schlechten Abschneiden der Schüler in Deutschland:

    Zitat

    Dannhäuser: Es ist leider so, und darunter leiden wir in der Tat, dass es in unserer Gesellschaft offensichtlich unausrottbare Vorurteile über den Lehrerberuf gibt. Wir können das z. T. verstehen, denn es ist ja nun einmal nicht jeder erfolgreich in diesem Schulsystem. Aufgrund dessen gibt es viele Schulversager und daher auch viele “offene Rechnungen”. Da ist man irgendwann einmal von einer Lehrerin oder einem Lehrer dumm angeredet worden und deswegen meint man dann, man müsste diese Rechnung später irgendwie begleichen. Aber die Gesellschaft und die Medien, und hierbei vor allem die Printmedien, tun damit nicht nur der Lehrerschaft nichts Gutes, sondern auch der Schule und damit den jungen Menschen. Und sie tun dadurch auch der gesamten Gesellschaft nichts Gutes, wenn Lehrerinnen und Lehrer bei jedweder Möglichkeit diffamiert werden. Natürlich gibt es Einzelfälle von Versagern auch unter der Lehrerschaft, die gibt es aber in jedem Beruf. Dafür bräuchten wir geeignete Instrumente, um das bewältigen zu können. Diese Einzelfälle jedoch oder diese subjektiven Erfahrungen, die man möglicherweise bereits vor Jahrzehnten gemacht hat, immer wieder aufs Tablett zu bringen und damit die gesamte Berufsgruppe zu demoralisieren, ist zum Schaden unserer Kinder und Jugendlichen. Schauen wir doch mal auf diese Spitzenländer in der PISA-Studie, schauen wir doch mal nach Finnland, denn Finnland ist in diesem Zusammenhang ja oft genug herumgereicht worden als leuchtendes Beispiel. Dort nennt man die Lehrerinnen und Lehrer "Kerzen des Volkes". Das ist sehr lyrisch und das tut gut. Wie ist es aber bei uns? Wenn man heutzutage bei uns z. B. im Urlaub gefragt wird, was man denn von Beruf sei, dann drücken sich die Lehrer oft um eine Antwort herum. Wenn es dann aber doch herauskommt, dann bekommt man in aller Regel zur Antwort: "So, das hätte ich aber nicht gedacht!" Oder man bekommt sogar eine regelrecht abfällige Bemerkung. Das ist ganz schlimm geworden bei uns. Welche Berufsgruppe würde sich das auf Dauer gefallen lassen oder würde das ertragen? Man müsste doch stolz darauf sein, dass die Lehrerinnen und Lehrer in dieser Gesellschaft die Grundlagenarbeit machen. Wer macht sie denn sonst? Wir als Lehrerinnen und Lehrer schaffen die Grundlagen für die wirtschaftliche Stabilität und Prosperität unserer Gesellschaft. Wir legen die Grundlagen für die soziale Balance, dafür, dass diese Menschen einigermaßen anständig und verantwortungsbewusst miteinander umgehen. Wir sind doch diejenigen, die vor allem bei der heute vorherrschenden hohen Mobilität in unserer Gesellschaft einen integrierenden Faktor darstellen. Nehmen wir die ethnischen, die religiösen, die ganz großen sozialen Unterschiede: Wir sind doch im wahrsten Sinne des Wortes eine integrierende Einrichtung dieser Gesellschaft. Wer leistet das denn außer den Lehrern? Niemand sonst! Darauf müsste die Gesellschaft also eigentlich stolz sein, sie müsste stolz darauf sein, dass wir das tun. Aber das ist nicht der Fall. Und das tut weh und schreckt übrigens auch einige von diesem Beruf ab. Auf die Dauer wird das auch zur Belastung. Damit sind wir nun natürlich beim Thema "Arbeitsbelastung bzw. Belastung überhaupt im Lehrerberuf" angekommen. Man darf jedenfalls diese Schädigung des Rufs der Lehrerschaft nicht unterschätzen, denn es ist in hohem Maße demotivierend, wenn diese Arbeit nicht anerkannt wird.


    http://www.br-online.de/alpha/forum/vor0403/20040316_i.shtml

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    Einmal editiert, zuletzt von alias ()

  • Nach Watzlawick kann man sich nicht nicht verhalten. Die Frage ist also, wie die Umwelt Schweigen bei solchen Äußerungen interpretiert...
    Man muss ja nicht gleich auf armer, überarbeiteter Lehrer machen. Ich erzähle gerne einfach ein paar Details aus dem Arbeitsalltag. Spätestens beim dritten oder vierten kommen keine dummen Bemerkungen zu den vielen Ferien.


    Was den Arbeitsalltag der Journalisten angeht, empfehle ich Helmut Karaseks wunderbares Buch "Das Magazin". Selbst wenn man die Hälfte aus gründen der literarischen/ironischen Übertreibung streicht, könnnte man folgendes Klischee verbreiten: Journalisten sind anmaßende, rumhurende Berufsalkoholiker.


    Während alle anderen Gewalten der Gewaltenverschränkung unterliegen, ist die "vierte Gewalt" fast gänzlich unkontrolliert. Man verfasse als Journalist einen Artikel hinreichend unkonkret, so dass rechtliche Folgen wie Klagen und Gegendarstellungen nicht möglich sind und kann dann noch mittels Auswahl der Leserbriefe die Reaktion manipulieren (immer ein paar ablehnende, das sind die Berufsquerulanten und ein paar zustimmende, das sind die, die den Gehalt des Beitrags begriffen haben...)

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    Einmal editiert, zuletzt von Timm ()

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