Gewalt unter Schülern - rechtl. Mittel???

  • Hallo!


    Habe eine Frage zu rechtlichen Dingen, vielleicht kennt sich ja jemand gut aus???
    Einer unserer Schüler (Klasse 4) wurde von einem Schüler der Nachbarschule (wir teilen uns den Schulhof) an der Halswirbelsäule verletzt (eine Art Schleudertrauma), und zwar durch brutales zu-Boden-werfen und dann gegen-den Hals-treten.(!). Der Junge ist an seiner Schule wohl schon bekannt, sehr auffällig, wenig einsichtig, aggressiv. Jetzt wird dort eine Klassenkonferenz stattfinden, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden. So weit ist alles klar. Meine Frage aber ist: die Mutter des verletzten Kindes hat lange überlegt, Anzeige zu erstatten, sich aber dagegen entschieden, weil sie meint, die Schule wird es schon regeln und weil sie nicht wusste, welche Konsequenzen eine Anzeige bei der Polizei hat. Da konnte ihr leider auch keine Auskunft drüber geben. Ich möchte nun keine Diskussion über Gewalt auf Schulhöfen lostreten, sondern lediglich die folgende Frage beantwortet haben: Was passiert, wenn ich gegen ein Kind von 9 oder 10 Jahren Anzeige erstatte? Welche Konsequenzen hat das für Kind / Eltern etc?
    Weiß jemand Bescheid???


    Die ratsuchende Metti

  • Zitat

    metti schrieb am 14.02.2006 22:35:
    Was passiert, wenn ich gegen ein Kind von 9 oder 10 Jahren Anzeige erstatte? Welche Konsequenzen hat das für Kind / Eltern etc?
    Weiß jemand Bescheid???


    Der Vorfall erfüllt zwar den Tatbestand einer Körperverletzung, aber mit 10 Jahren ist man noch nicht strafmündig (erst ab 14 Jahren). Daher wird es rein rechtlich keine Konsequenzen haben, wenn das Kind angezeigt wird. Da müssten pädagogische Sanktionen bzw. Hilfemaßnahmen von Seite der Schule kommen. Ansonsten ist in diesem Fall nichts zu machen.

  • Unabhängig von der strafrechlichen Seite wäre zu klären, wie es mit zivilrechtlichen Ansprüchen wie Schadenersatz und Schmerzensgeld aussieht. Ich weiss es nicht.


    - Martin

    Acht Semester mitlesen ersetzt das Lehramtsstudium. ;)

  • Zitat

    oh-ein-papa schrieb am 14.02.2006 23:08:
    Unabhängig von der strafrechlichen Seite wäre zu klären, wie es mit zivilrechtlichen Ansprüchen wie Schadenersatz und Schmerzensgeld aussieht. Ich weiss es nicht.


    Auch zivilrechtlich ist man mit 10 Jahren noch nicht strafmündig und da es in der Schule vorgefallen ist, haben die Eltern ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt und sind deshalb zivilrechtlich auch nicht zu belangen.

  • .... ich stelle mir vor, dass evtl. jedenfalls eine Akte über das Kind angelegt wird, die z.B. dem Jugendamt mitgeteilt wird, und die gerade auch bei weiteren Auffälligkeiten Informationen sammelt. Ich habe mal gehört, dass, sollten bei solch einem Fall bleibende Schäden auftreten, das verursachende Kind dann mit 18 auch zivilrechlich zu belangen sei. ???? Ich wüsste es so gerne genau! Hat jemand denn eine Ahnung, wen ich noch fragen könnte? Die Schulaufsicht vielleicht? Oder einen Anwalt?


    LG
    Metti

  • Zitat

    metti schrieb am 14.02.2006 23:33:
    .... ich stelle mir vor, dass evtl. jedenfalls eine Akte über das Kind angelegt wird, die z.B. dem Jugendamt mitgeteilt wird, und die gerade auch bei weiteren Auffälligkeiten Informationen sammelt. Ich habe mal gehört, dass, sollten bei solch einem Fall bleibende Schäden auftreten, das verursachende Kind dann mit 18 auch zivilrechlich zu belangen sei. ???? Ich wüsste es so gerne genau! Hat jemand denn eine Ahnung, wen ich noch fragen könnte? Die Schulaufsicht vielleicht? Oder einen Anwalt?


    Dafür reicht mein Wissen im Jugendstrafrecht leider nicht aus. Da solltest Du einen Anwalt fragen, der sich in diesem Gebiet auskennt. Die Schulaufsichtsbehörde wird Dir da wohl nicht weiter helfen können.

  • Zitat

    Finchen schrieb am 14.02.2006 23:18:


    Auch zivilrechtlich ist man mit 10 Jahren noch nicht strafmündig und da es in der Schule vorgefallen ist, haben die Eltern ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt und sind deshalb zivilrechtlich auch nicht zu belangen.


    Na, nu, vorsicht! Bitte keine schnellen Laienschüsse aus der Hüfte. Zivilrecht und Strafrecht sind sei völlig unterschiedliche Dinge und die betroffenen Eltern - die als Erziehungsberechtigte die Ansprüche Ihres Kindes vertreten - sollten sich umgehend bei einem Fachmann über Konsequenzen und Nichtkonsequenzen einer unterlassenen Strafanzeige aufklären lassen. Wer wem gegenüber gegebenenfalls schadensersatzpflichtig ist, darüber sollten wir uns hier freifliegende Spekulatius verkneifen. Mit dem Alter des Kindes hat das i.d.R. überhaupt nichts zu tun.


    Nele

  • Zitat

    neleabels schrieb am 14.02.2006 23:55:
    Na, nu, vorsicht! Bitte keine schnellen Laienschüsse aus der Hüfte. Zivilrecht und Strafrecht sind sei völlig unterschiedliche Dinge und die betroffenen Eltern - die als Erziehungsberechtigte die Ansprüche Ihres Kindes vertreten - sollten sich umgehend bei einem Fachmann über Konsequenzen und Nichtkonsequenzen einer unterlassenen Strafanzeige aufklären lassen. Wer wem gegenüber gegebenenfalls schadensersatzpflichtig ist, darüber sollten wir uns hier freifliegende Spekulatius verkneifen. Mit dem Alter des Kindes hat das i.d.R. überhaupt nichts zu tun.


    Huhu Nele!


    Das Zivilrecht und Strafrecht zwei völlig unterschiedliche Dinge sind weiß ich. Außerdem ist mein Post kein "schneller Laienschuss aus der Hüfte". Ich habe Jura (mit Schwerpunkt Jugendstrafrecht und Familienrecht) nämlich als Nebenfach studiert und auch abgeschlossen. Daher weiß ich schon, was ich schreibe. An dem Punkt, wo mein Wissen aufhört habe ich dies übrigens auch mitgeteilt und an einen Anwalt verwiesen. Im Zivilrecht reicht mein Wissen nämlich nicht weit, aber Grundzüge aus der Einführung kenne ich schon noch.
    Ich werde aber noch mal nachschlagen.

  • Auch zivilrechtlich kann nur belangt werden, wer schuld ist. Das Kind ist es nicht. Also derjenige, der die Aufsicht hat. In diesem Fall wäre das wohl die Schule. Wenn das Kind für solche Taten schon bekannt ist, könnte es durchaus sein, dass da ein Ansatzpunkt ist.


    Es wäre den Versuch wert. Kostet ja nichts. Die Schulen sind in der Beziehung versichert. Wenn überhaupt niemandem eine Schuld nachzuweisen ist, ist es schlecht. Dann greift auch keine Haftpflichtversicherung.


    Grüße Enja

  • Zitat

    Finchen schrieb am 14.02.2006 23:18:


    Auch zivilrechtlich ist man mit 10 Jahren noch nicht strafmündig und da es in der Schule vorgefallen ist, haben die Eltern ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt und sind deshalb zivilrechtlich auch nicht zu belangen.


    Das Studium scheint im Zivilrecht wirklich nicht viel hergegeben zu haben. In diesem Bereich gibt es keine Strafmündigkeit, sondern man spricht von Deliktfähigkeit. Die beschränkte Deliktfähigkeit beginnt mit 7 Jahren (!).
    Beschränkt heißt, dass das Kind Einsicht in die Konsequenzen seiner Tat haben muss. An Stelle des Betroffenen würde ich sehr wohl meinen, ein Kind mit 10 Jahren könne einsehen, dass so massives Zutreten Folgen haben kann. Allerdings bestehen wohl überhaupt nur Chancen auf Schmerzensgeld, wenn ein ärztlichliches Attest auf Basis einer zeitnahen ärztliche Untersuchung vorliegt.
    Als (Vermögens-)Sorgeberechtigte sind dann natürlich die Eltern des Jungen in der Pflicht. Nur unter der Voraussetzung, eine Rechtschutzversicherung deckt so etwas ab, würde ich mich an Stelle der Eltern an den Anwalt wenden und ggf. einen Prozess riskieren. Als Außenstehende hast du in diesem Fall keine zivilrechtlichen Mittel.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    Einmal editiert, zuletzt von Timm ()

  • 3) Einschlägige Vorschrift für die zivilrechtliche Haftung Minderjähriger aus "unerlaubter Handlung" ist § 828 BGB. Die Vorschrift lautet:


    "(1) Wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich.


    (2) Wer das siebente, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich, wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat."


    Zur Klarstellung: Diese Vorschrift gilt nur für die zivilrechtliche Haftung.
    Strafmündig sind Minderjährige erst ab Vollendung des 14. Lebensjahres.



    Zwecks Schadenersatz (den trägt dann die Haftpflichversicherung wenn vorhanden) muss das Kind verklagt werden. Nicht die Aufsichtsperson.


    Ersatzweise könnte man auch die Schule verklagen. Es wurde ja angedeutet, dass das Kind für seine Gewalttätigkeiten, die über das normale Maß hinausgehen, bekannt war. Da müsste die Schule auch Maßnahmen treffen, solche Vorfälle zu verhindern.


    Grüße Enja

  • Zitat

    Enja schrieb am 15.02.2006 06:20:
    Auch zivilrechtlich kann nur belangt werden, wer schuld ist. Das Kind ist es nicht. Also derjenige, der die Aufsicht hat.


    Ich gehe davon aus, dass du mit deinem letzten Beitrag obige Feststellung korrigieren wolltest.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

  • Nicht ganz. Der Paragraph stellt fest, dass Kinder unter 14 Jahren in zivilrechtlichem Sinne schuld haben können, in strafrechtlichem nicht.


    Haftpflichtversicherungen bezahlen nur, wenn jemand schuld hat. Ist das nicht der Fall, weil das Kind noch zu jung ist, musst du die Kosten selber tragen. Insofern ist das recht interessant.


    Ich hoffe, die Tatsache, dass ich den Paragraphen rausgesucht habe, kreidest du mir nicht an. Es soll nicht besserwisserisch wirken, macht aber keinen Sinn, über etwas zu diskutieren, wenn das Gesetz alles klar regelt.


    Grüße Enja

  • Du bringst etwas durcheinander: Die von dir gemeinte Schuld gibt es im Zivilrecht nicht, was du meinst ist Haftung.
    Das Schuldkriterium der Haftpflichtversicherung trifft so also nicht zu, sondern es muss korrekt heißen: Haftpflichtversicherungen zahlen nur, wenn jemand haftungspflichtig ist. Schuld im strafrechtlichen Sinne muss nicht bestehen, sonst müsste man ja eines Vergehens nach dem StGB schuldig sein, dass gezahlt wird.


    Zum Schuldbegriff:


    http://de.wikipedia.org/wiki/Schuld_(Strafe)


    Dass du den Paragrafen genannt hast, ist selbstverständlich o.k.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

  • Das freut mich. Tatsächlich bin ich genauso wenig Jurist wie die meisten hier. Ich habe die Worte benutzt, mit denen Polizei und Anwalt es uns damals erklärt haben. Das Kind, das unseres damals schwer verletzt hat, war sechs Jahre alt. Insofern waren damals die Konsequenzen: keine.


    Grüße Enja

  • Ich danke euch sehr für eure Beiträge, das Thema ist ja wirklich nicht ganz einfach. Enja, ich hoffe, deinem verletzten Kind geht es wieder gut!


    LG
    Metti

  • Die beschränkte Deliktfähigkeit beginnt zwar auf dem Papier mit sieben Jahren aber in der Realität findet sich so gut wie kein Fall in dem ein so junges Kind zivilrechtlich belangt wurde. Das sind dann wirklich meistens Klagen gegen die Eltern bzw. Aufsichtspersonen.


    Zivilrechtlich dürfte an sich der Tatbestand der §§ 823I und §823 II erfüllt sein. Allerdings könnte es an der Zurechnungsfähigkeit des Kindes als Verursacher der unerlaubten Handlung fehlen.
    Denn es gilt in jedem Fall: Wer das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, ist, sofern seine Verantwortlichkeit nicht nach Absatz 1 oder 2 ausgeschlossen ist, für den Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich, wenn er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hat.


    Dies müßte der Schädiger auch darlegen und beweisen. Kurz und vereinfacht er müßte vor Gericht sagen: Ich bin so unreif, das ich nicht wußte was ich da tue. Und genau damit wird er mit ziemlich großer Sicherheit durchkommen.

  • Wobei ein 11jähriger keine angelernte Falschaussage vor Gericht hinbekommt. Und wenn er amtlich festgestellt keine Einsicht hat, kann man das auch nicht einfach so belassen, sondern muss pädagogisch dran arbeiten.


    Wie reagiert denn die Schule drauf? Sanktioniert die auch irgendwie?


    An unserer Grundschule werden Kinder, die im Verdacht sind Gewalttätigkeiten zu begehen (also schon entsprechende begangen haben), speziell beaufsichtigt. Bzw. irgendwann winkt die Schule für Erziehungshilfe.


    Die Frage, wen man da zivilrechtlich belangt, ist ja im Grunde Versicherungsarithmetik. Das machen normalerweise die Versicherungen untereinander ab, wobei ich den Eindruck habe, dass deren Interesse, solche Fälle überhaupt aufzuklären, relativ gering ist.


    Grüße Enja

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