Fortführung des Stumpenhorst-Verfahrens auch am Gymnasium?

  • Hallo!
    An meiner Schule kommt es immer wieder zu Aufruhr, weil die Fünftklässler in Rechtschreibung oft sehr schwach sind. Unser Buch wiederholt die Rechtschreibregeln eigentlich sehr gründlich: Wann wird groß geschrieben, wann wird ein Doppelkonsonant geschrieben etc. Meines Erachtens also werden die Schüler wissensmäßig dort abgeholt, wo sie stehen. Einige Eltern scheinen den Grundschullehrern zu melden, dass die Kinder "nix" können, was dann m.E. oft so gedreht wird, dass wir die Kinder nicht da abholen wo sie sind.
    An den GS wird mit dem Stumpenhorst-Modell gearbeitet. Nun möchten die GS, dass wir in der 5 mit diesem Modell weiterarbeiten.
    Wie steht ihr dazu? Wie kommt es, das keines der im Moment verbreiteten Deutschbücher auf diesem Modell aufbaut? Spricht eurer Meinung etwas für die Forderung der Grundschullehrer?

  • Nein, ich glaube dein Thread spricht mal wieder dafür, dass das Konzept von Sommer-Stumpenhorst doch nicht so knallertoll ist. Bzw., doch das Konzept mag ja gut sein, aber ein großer Teil der GS-Lehrer führt es wohl einfach nicht richtig durch. Der eigentlichen Anlage nach soll das Konzept ja sehr viel Raum für individuelle Förderung usw. bieten. Dadurch ist es wohl auch bedingt, dass es sich sehr schlecht mit einem Lehrwerk paaren lässt. Leider endete es dann meisten in stundenlangem, stupiden Abschreiben von Texten und Modellwortkarten. Die Ergebnisse dieser "Arbeit" sitzen jetzt in deiner Klasse.


    Aber sollten Kinder, die nach der 4. Klasse aufs Gym wechseln, nicht mindestens "gut" in Rechtschreibung stehen?

  • Ich schließen mich hier mal an. Was die Grundschulrechtschreibnote angeht, standen meine Fünftklässler alle eins oder zwei. Trotzdem habe ich in einem geübten (!) Diktat bis zu 19 (!!!!) Fehlern gefunden. Das Üben sah so aus, dass wir uns mit Groß- und Kleinschreibung beschäftigt haben, die in Bezug darauf schwierigen Worte gemeinsam geübt haben, den Kindern der Diktattext mitgeteilt wurde und ihnen angekündigt wurde, dass wir diesen Text in der nächsten Woche als Diktat schreiben werden. Hausaufgabe war üben.
    Ich habe einige Kinder, die wirklich gut in Rechtschreibung sind, aber zweidrittel wirklich schwache Kinder.
    In meiner sechsten Klasse ist das nicht anders und auch Kollegen beobachten das seit einigen Jahren verstärkt.
    Irgendwas läuft da irgendwo schief!!! Die Frage ist erstens: wo genau? Und zweitens: Was kann man dagegen tun? Ich habe das Gefühl, das Hauptproblem ist, dass bei vielen Kindern (in meinem Referendariat dachte ich, das sei ein Gesamtschulproblem, ist an meinem jetzigen Gymnasium aber genauso) die Einsicht in die Notwendigkeit der richtigen Schreibung fehlt.

  • Ähnlich wie Delfine es anmerkt, stelle ich bei vielen meiner Schüler fest, dass ihnen die Rechtschreibung unwichtiig ist. Sie brauchen sie nicht für ihre Texte. Sehr häufig passiert es, dass sie buchstäblich viele viele Zeilen füllen, ohne auch nur einen Punkt zu setzen, es geht alles in einem durch.
    Einige wenige sind in der Lage, sich an die Großschreibung von Nomen und am Satzanfang zu halten, und die geläufigen Regeln in Verbindung mit kurzen Vokalen anzuwenden.
    Wir üben und üben und dennoch ist die Sache, sobald die Übephase vorbei ist, für viele abgehakt. Rechtschreibregeln gab es mal.


    (Fast alle hatten ein "gut" in Rechtschreibung. Viele von den schwachen hatten aber auch eine Realschulempfehlung, andere hingegen erkenne ich was Arbeitsvermögen angeht, nicht im Gutachten wieder. Aber das ist ein anderes Kapitel)

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Ich habe das Gefühl, das Hauptproblem ist, dass bei vielen Kindern (in meinem Referendariat dachte ich, das sei ein Gesamtschulproblem, ist an meinem jetzigen Gymnasium aber genauso) die Einsicht in die Notwendigkeit der richtigen Schreibung fehlt.


    In diesem Zusammenhang (aber ohne Zusammenhang zum Orignalposting):
    An meiner Schule hat die Deutschfachschaft nun beschlossen, die Rechtschreibung weniger stark in die Note der Arbeit einfließen zu lassen, da die Schüler so schnell von der Note demotiviert sind.


    Ich frage mich, ob die Schüler dadurch nicht noch weniger Sinn in der richtigen Schreibung sehen. *kopfkratz*


    kl. gr. Frosch

  • Diese Entscheidung deiner Fachschaft ist völlig unverständlich, falls die Rechtschreibung nicht vorher übermäßig gewertet worden sein sollte.
    In welchem Fach, wenn nicht in Deutsch, sollte auf Rechtschreibung verstärkt geachtet werden ?(
    Ich habe auch eine 5. Klasse in Dt. und das Gefühl, dass im Deutschunterricht in der Grundschule zum größten Teil nur die Schüler bei Laune gehalten wurden, anstatt Grundlagenkenntnisse zu vermitteln, auf denen man nun aufbauen könnte :rolleyes:

    • Offizieller Beitrag

    Derzeit ist die Rechtschreibnote recht stark bewertet. Sie liegt bei 25 % der Gesamtnote. Die Rechtschreibnote basiert dabei auf einem Fehlerquotienten.


    Demnächst soll sie ca 6 - 8 % der Note ausmachen. Und nicht mehr auf einem Fehlerquotienten basieren, sondern nach Kategorien ("Rechtschreibung ist überwiegend gut", etc) bewertet werden.


    Und außerdem soll die Rechtschreibung stärker gefördert werden. (Das wäre ja gut. Ich weiß nur nicht, wo die Fachschaft die Lehrerstunden für die zusätzliche Förderung herholen will. *kopfkratz*


    kl. gr. Frosch


    P.S.: es ist nur eine subjektive Einschätzung, aber ich glaube, dass die Rechtschreibleistung der Schüler seit Anfang der 90er Jahre (als ich ncoh zur Schule ging) rapide abgefallen ist.
    Meiner Meinung nach könnte das entweder daran liegen, dass
    a) die Schüler heute sehr früh sehr viel schreiben und dabei natürlich Fehler machen. Und meines Wissens kam es doch Anfang der 90er auf, zu sagen, dass es demotivierend sei, wenn man den Schülern bei ihren Schreiberfahrungen sagt, was alles falsch wäre. (Nach dem Motto "Besser was falsches als gar nichts. Kinder wollen schreiben.")
    b) das allgemeine Niveau (z.B. auf der Realschule) in den 90ern stark nachgelassen hat. In den 90ern gingen vermehrt Schüler z.B. auf die Relaschule, die in den 80ern noch auf die Hauptschule gegangen wären. Dadurch sinkt natürlich automatisch das Niveau der einzelnen Schulformen.


    Aber beides sind nur Vermutungen.
    Und damit entferne ich mich immer weiter vom Originalposting. Sorry.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo,
    ähnliche Diskussionen gab es im Forum ja schon öfters. Auch ich erlebe regelmäßig den Rechtschreib-Gau in meinen fünften Klassen.
    Interessant finde ich (sorry, nur leicht OT), dass auch ich genau wie der kleine grüne Frosch schon mal vermutet hatte, dass die Kinder früher (eben aus den 80ern und Anfang 90ern) bessere Rechtschreibleistungen gebracht haben. Da bekam ich aber vor allem von Grundschulkollegen eins auf den Deckel, die Rechtschreibfähigkeit würde sich doch erst entwickeln, ich solle nicht so ungeduldig sein und die Kinder da abholen, wo sie stehen und und und. Auch behaupteten einige der Grundschulkollegen aus meiner Gegend, die Fehler in der Rechtschreibung würden sich schon noch "auswachsen."
    Ich kenne die Sommer-Stumpenhorst-Methode nur ansatzweise, stelle aber fest, dass meine Schüler einen großen Unterschied zwischen Diktaten und Rechtschreibschreibübungen- oder einem freien Text machen. In den Übungen können die meisten ganz ordentlich rechtschreiben, sobald sie frei schreiben sollen, ist bei manchen das Hirn gänzlich von Regeln befreit.
    Ein Schüler erzählte mir sogar (ich kanns nicht recht glauben, obwohl das eigentlich ein sehr nettes und ehrliches Kerlchen ist und die Geschichte von anderen Schülern bestätigt wurde), dass der Lehrer in der Grundschule Aufsätze von mindestens 3 (!) D INA 4 Seiten verlangte. Rechtschreibung war dabei weitgehend egal. Na super.
    Beim ersten Elternabend waren alle Eltern auf meine Frage, worauf ich denn ihrer Meinung nach in Deutsch am meisten Wert legen solle, einer Meinung: "Lernen Sie den Kindern richtig rechtschreiben!"
    Insofern, um direkt aufs Ausgangsposting zurückzukommen, ein eindeutiges Nein- ich würde die Sommer-Stumpenhorst-Methode nicht weiterführen, weil sie m. E. maximal für die ersten drei Jahre der Grundschule geeignet ist.
    Liebe Grüße
    Hermine

  • Gibt es eigentlich Untersuchungen bezüglich der Effektivität der einzelnen Schreiblernmethoden?


    Mir fällt nur auf, dass die Rechtschreibleistung bei uns je nach Grundschule stark variiert. Wir haben Gruppen von Kindern, die durchweg gute Leistungen bringen. Aber auch umgekehrt: 5 von 6 Kinder einer bestimmten Grundschule können noch nicht einmal alle Laute zuverlässig unterscheiden.
    Die Rechtschreibung in Deutsch und Englisch ist katastrophal, aber leider ist gar kein Problembewusstsein bei den Schülern vorhanden. Offensichtlich war es vier Jahre lang egal, wie man schrieb, warum sollte man sich jetzt plötzlich hinsetzen müssen und was tun?


    Ich tu mich auch ein wenig schwer, bei allen eine LRS anzuerkennen, da ich befürchte, dass sie dann wieder nicht den Ernst der Lage erkennen.


    Das macht mir zur Zeit echt Sorgen, da es insbesondere in Englisch ganz schlimm ist. (Kann es sein, dass einige Kinder nach mehrmaligem Üben und einem Vokabeltest - mit Hinweis nochmal zu lernen und einer Doppelstunde, wie man denn effektiv Vokablen lernt - in der Klassenarbeit immer noch keinen einzigen Wochentag richtig schreiben können?)


    Ratlose Grüße
    Lolle

  • Zitat

    Original von lolle
    Gibt es eigentlich Untersuchungen bezüglich der Effektivität der einzelnen Schreiblernmethoden?


    Ja, es gab da mal die MSM-Studie.


    und die Reaktion von SoStu darauf.


    Zudem hat die Schulberatungsstelle Hochsauerlandkreis eine Studie durchgeführt.


    Auf der Seite von SoStu gibt es aber auch einige sehr gewagte Beiträge um sein Konzept zu verteidigen, z.B. diesen hier.

  • Zitat

    Original von Hermine
    Auch ich erlebe regelmäßig den Rechtschreib-Gau in meinen fünften Klassen.


    Ich erlebe regelmäßig den Rechtschreib-Gau in ebendiesem Forum hier. Damit meine ich nicht Vertipper, wie sie nun einmal vorkommen können, sondern eine prinzipielle Gleichgültigkeit gegenüber dem korrekten schriftlichen Ausdruck - so wie z.B. hier.


    Ist das ein allgemeines Problem der Kulturentwicklung? Dem ließe sich schlecht didaktisch begegnen.


    Nele

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Ist das ein allgemeines Problem der Kulturentwicklung? Dem ließe sich schlecht didaktisch begegnen.


    Ja, das ist es.


    Es hat sich im Internet so eingebürgert, dass man "schnell" schreibt. Deswegen schreiben meine Schüler im Internet auch so. Man nimmt halt im Internet das Recht in Anspruch, so zu schreiben, wie man möchte. Darf man ja auch.


    Nur bei Schülern ist dieses Larifari-Schreiben gefährlich, da man die Regeln der Rechtschreibung erst einmal beherrschen sollte. ;)


    kl. gr. Frosch


    Anmerkung: meine Schüler habe ich inzwischen soweit, dass sie wissen, dass ich nur dann auf eine Email antworte, wenn zumindest erkennbar ist, dass diese Mail korrekt geschrieben sein sollte.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Ist das ein allgemeines Problem der Kulturentwicklung? Dem ließe sich schlecht didaktisch begegnen.


    Uff, ich habe kurz gedacht, du würdest mich meinen- und das, obwohl ich sehr bewusst auf korrekte Rechtschreibung hier achte- so gut es eben geht.
    Gerade in Chats und Internetforen greift tatsächlich die Entwicklung um sich, dass geschrieben wird, wie man spricht, abgekürzt, wo es irgend geht usw.
    Immerhin habe ich letztes Jahr meinen Elftklasslern mühevoll beigebracht, dass sie zumindest in der Schule und in Tests auf ihre Rechtschreibung achten müssen. Es ist nämlich schon ärgerlich, wenn man auf einen Test eine Zwei statt einer Eins bekommt, weil man zusätzlich fünf Rechtschreibfehler eingebaut hat (Diese Korrektur war mit der Fachbetreuerin abgesprochen und wurde den Schülern auch vorher angekündigt)
    Liebe Grüße
    Hermine

  • Danke für eure Einschätzungen. Ich muss mich unbedingt fachlich zu dem Sommer-Stumpenhorst-Modell schlau machen, da wie gesagt, die Grundschullehrer bisher empört sind, dass wir das System bisher nicht fortführen.


    Kennt ihr evtl. eine Studie o.ä., in der diese Thematik einmal untersucht wurde?

  • Zitat

    Original von Aktenklammer
    Ich muss mich unbedingt fachlich zu dem Sommer-Stumpenhorst-Modell schlau machen, da wie gesagt, die Grundschullehrer bisher empört sind, dass wir das System bisher nicht fortführen.


    Hm, könnte man dieser Empörung nicht, sagen wir, output-orientiert begegnen und einfach mal dumm fragen, wieso dieser Schreiblehrgang offenbar so disparate Ergebnisse bringt?


    Ich sehe da eher die Grundschule in der Bringschuld.

  • Ja, eine solche Studie meine ich. Falls es da was gibt, bin ich für Hinweise dankbar.


    Unsere Schüler haben teilweise eine Schrift, die nur schwer lesbar ist, weil die Buchstaben aufschwimmen oder kleine und große Buchstaben nicht voneinander unterscheidbar sind. Ich habe mit den Schülern also noch mal ein wenig Schreibtraining in VA gemacht, indem ich ihnen Vorlagen in VA gegeben habe, denn ich halte es die Fremdsprachen wichtig, dass jeder Buchstabe eindeutig erkennbar ist und in Deutsch muss ich auch wissen,ob der Buchstaben nun groß oder klein ist.
    Die GS sind aber auch darüber sauer.


    Insofern möchte ich für das Gespräch gerne emotionslose Fakten haben, wenn es sie gibt.

    • Offizieller Beitrag

    Die Grundschulen sind darüber sauer, dass du mit denen noch "Schönschreibtraining" machst?
    Ich würde jetzt ja fast sagen "komische Grundschulen".


    Wobei ich mich ganz dunkel an mein Referendariat und den Deutschlehrplan für die Grundschule in NRW erinnern kann. Da steht meines Wissens irgendwo, dass die Schüler "... ein eigenes Schriftbild entwickeln sollen ..." *seufz*


    kl. gr. Frosch

  • Zitat

    Original von kleiner gruener frosch
    Es hat sich im Internet so eingebürgert, dass man "schnell" schreibt. Deswegen schreiben meine Schüler im Internet auch so. Man nimmt halt im Internet das Recht in Anspruch, so zu schreiben, wie man möchte. Darf man ja auch.


    Sehe ich anders. Wenn mir jemand einen gleichgültig verfassten Text vor die Füße kotzt, sehe ich das als Zeichen der Missachtung.


    Zitat

    Nur bei Schülern ist dieses Larifari-Schreiben gefährlich, da man die Regeln der Rechtschreibung erst einmal beherrschen sollte. ;)


    Und da gerät man m.E. eben in pädagogische Schwierigkeiten: wie kann ich als Lehrer den Anspruch erheben, dass man richtig schreiben soll, wenn es allgemeiner Usus ist, dass Rechtschreibung und Form ohnehin scheißegal sind?


    Nele

    • Offizieller Beitrag

    Hm,


    wenn ich jetzt langeweile hätte, würde ich googeln. ;)


    Aber:
    bei der Einführung der neuen Rechtschreibung hieß es, dass die Rechtschreibung explizit nur für die Schulen (also die Schüler) und sonstige Staatsbedienstete (bei dienstlichen Verlautbarungen) gelte.


    Für den Rest ist die Rechtschreibung eine reine KANN-Bestimmung. Natürlich wird implizit verlangt, dass sie (besonders bei Veröffenltichungen in Zeitungen, e.t.c.) eingehalten wird.
    Aber eine entsprechende Rechtsvorschrift gibt es dafür nicht.


    Persönlich bin ich allerdings auch der Ansicht, dass es kein Problem sein sollte, auf die Rechtschreibung zu achten. Und ich achte selber im Forum und in Chats auch darauf (nach Möglichkeit).
    Aber ich würde nie fordern, dass dies für alle Privatpersonen zu gelten habe.


    Kl. gr. Frosch


    P.S.: "Nie" muss ich korrigieren. (siehe oben)

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