Verwirrung: Lerntheorien, Didaktische Modelle und überhaupt

  • Hallo liebe Fories!


    Ich hock hier gerade und versuche mich auf meine Prüfung vorzubereiten. Allerdings verwirrt mich mal wieder die Theorie.


    Es gibt verschiedenste Lerntheorien von Pawlow bis Bruner, sie lassen sich in drei Bereiche einteilen: Behavorismus, Kognitivismus und Konstruktivismus ...richtig?


    Was mich verwirrt ist, dass ich gelesen habe, das Pawlow und Co. LernMODELLE entwickelt haben. Was sind denn nun Modelle und was die Lerntheorien?


    In einem anderen Buch steht Kognitivismus unter Didaktische Modelle. Das verwirrt mich ebenfalls, denn ich dachte das wären so Dinge wie Handlungsorietierte oder Problemorientiert Unterrichtsmodelle.


    Kann jemand dieses Wirrwarr für mich lösen? Es geht mir wirklich nicht um inhaltliche Erklärungen, nur wenn ich darüber spreche muss mir schon klar sein, auf was für einer "Ebene" ich mich befinde.


    Danke
    sinfini


    EDIT: und dann auch noch das: http://www.ikud.de/handbuch.htm
    seit wann ist eine erkundung ein didaktisches modell? ich dachte das wäre eine methode?

    Es gibt keine andere vernünftige Erziehung, als Vorbild sein, wenn es nicht anders geht, ein abschreckendes. (A. Einstein)


    Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin und niemand ging, um einmal nach zu schauen, wohin man käme, wenn man ginge! (H. Pestalozzi)


    Im ganzen ist man kummervoll und weiß nicht, was man sagen soll. (W. Busch)

    Einmal editiert, zuletzt von sinfini ()

  • Hallo sinfini!


    Fangen wir einmal hinten an.


    Dass im "Göttinger Katalog Didaktischer Modelle" die "Erkundung" als "Modell" und nicht als Methode aufgeführt ist, hat einfach den Grund, dass dort sehr allgemein nach unterschiedlichen Lern-"Vorbildern", i.S.v modellhaften Anleitungen, gesucht wird. Wenn du ein wenig in den Katalog schaust, wirst du sehen, dass es dort nicht so sehr auf die Planung und Durchführung einer Erkundung ankommt, sondern auf einen Vergleich und eine einheitliche Beschreibung verschiedenster didaktischer "Modelle". Eine "Landkarte" didaktischer Lehr/Lern-Modelle. Im Übrigen verwenden Flechsig/Haller "Modell" und "Methode" synonym. Wenn du im GKDM liest, musst du immer mitdenken, dass dort (entgegen der allgemeinen Gepflogenheiten in der Pädagogik) nicht zw. Modell und Methode unterschieden wird.


    Ich würde mich nicht so sehr daran stören, dass nicht so streng zwischen Lerntheorien und -modellen in der Literatur unterschieden wird. Ich vermute, dass nicht jeder Autor damit einverstanden ist, dass es sich schon bei der Darstellung des "Reiz-Reaktion-Schemas" um eine "Theorie" handelt. Pawlow ging es nicht um die Ausarbeitung einer "Theorie".


    Ich würde evtl. so trennen: Ein "Modell" versucht (meinetwegen: empirische) Daten in einen schematisch-sachlichen Begründungszusammenhang zu bringen. Eine "Theorie" hat einen tieferen Anspruch: Widerspruchsfreie (ausführliche, auf Grundlage weniger Prämissen/Axiome) Ausarbeitung eines spezifischen Sachzusammenhangs ("Was ist Lernen?").


    (edit: Hälfte vergessen :o) )
    Deshalb würde ich dem "Behaviorismus" am Ehesten den Charakter eines "Modells" zuschreiben. Soweit ich weiß, gehen die Behavioristen weitgehend experimentell vor. Gibt es eigentlich eine echte "Theorie" des Behaviorismus?


    Den "Kognitivismus" als didaktisches Modell zu bezeichnen, finde ich interessant. Tatsächlich ist es meiner Meinung nach so, dass sich Kognitivismus im Wesentlichen darin äußert, Begründungen dafür zu geben, dass im Unterricht Fragen gestellt werden, die der Lehrer schon beantworten kann ("Der Schüler muss das Problem selber durchdenken!") und Übungen immer und immer wieder gleichförmig durchgeführt werden, bis das kognitive Verarbeitung dem Problem angepasst wurde. Insofert wäre der Kognitivismus tatsächlich kein "Lernmodell" (welches Lernen wird denn modelliert?) noch eine "Theorie" (Nachahmung allein ist wohl noch keine Theorie).


    Insfoern würde ich dem "Konstruktivismus" als vorrangig philosophisch/denkerisch präsentiertem Ansatz den Status "Theorie" zuerkennen. Allerdings würde ich dann hinzufügen "schlechte" Theorie. Was meistens gemeint ist, wenn Didaktiker von "Konstruktivismus" reden, ist, wenn überhaupt, ein didaktisches Modell: "Lernerzentrierter Unterricht". (Ok, darüber lässt sich sicherlich streiten)


    (edit: Ende)


    Ich hoffe, ich konnte ein wenig helfen,
    ambrador

  • Hallo,


    ich würde mir vor allem klar machen, dass Pädagogik und Didaktik Felder sind, in denen kein einheitlicher Sprachgebrauch existiert. Was der eine "Modell" nennt, nennt der andere "Theorie", und wo die "Methodik" anfängt und aufhört, weiß sowieso keiner.


    Für die Prüfung wäre es deshalb wichtig, dass Du Deinen (!) Gebrauch der Begriffe so klärst, dass Du ihn gegenüber den Prüfern begründen kannst. Das kann z. B. so aussehen, wie Ambrador vorschlägt. Oder Du übernimmst eine Unterscheidung zwischen "Theorie" und "Modell" aus EINER Deiner Quellen - dann musst Du in der Prüfung nur darauf hinweisen, woran Du Dich orientierst und dass insgesamt der Sprachgebrauch unterschiedlich gehandhabt wird.


    Normalerweise finden Prüfer es doch immer toll, wenn jemand Metareflexionen einbaut und z. B. sagt: "Die Begriffe Methode und Theorie werden natürlich nicht einheitlich verwendet. Den Konstruktivismus z. B. nenen xx Theorie, xy Methode. Ich orientiere mich hier an zz, aber mir ist klar, dass man das nicht verabsolutieren kann."


    Gefährlich wird es nur, wenn Du einen Prüfer hast, der in diesem Bereich einen Tick hat, weil er z. B. seit 30 Jahren damit beschäftigt ist, den "richtigen" Begriff von "Theorie" durchzusetzen und zu verteidigen. Das solltest Du dann schon wissen, aber wenn Du so am Überlegen bist, ist das wohl eher nicht der Fall.


    Viel Glück!
    Unter uns

  • Das is deprimierend... da hab ich 9 Semester Pädagogik studiert und kapier von deinen (gemeint ist ambradors) tiefgründigen Ausführungen trotzdem nix... Hast du nen Hilbert Meyer verschluckt ?!


    ***Andi***

  • erstmal vielen lieben dank für eure ausführlichen antworten. ich finde wirklich, dass das ein sehr undurchsichtiges thema ist, das durch die unklarheit der begriffe nicht leichter zu erfassen ist.


    dass behaviorismus keine lerntheorie darstellt, das ist mir neu. ich dachte immer, das wäre quais die "erste". "mein" buch (huwendiek/bovet) sagt, dass klassische konditionierungstheorien LERNtheorien sind.


    aber wie bereits angemerkt sieht das (fast) jeder autor anders. besonders nachvollziehbar (und übersichtlich) finde ich folgende einteilung:
    http://paedpsych.jku.at:4711/L…TE/Internetlernen/2/2.htm


    daran anschließen könnte man dann verschiedene DIDAKTISCHE modelle wie handlungsorientierung etc.


    und@ ***andi*** : wenn du so lange dieses wunderbare fach studiert hast, wie wäre es dann mit einer antwort die mir weiter hilft, anstatt anderen ihren schreibstil vorzuhalten?


    gruß
    sinfini

    Es gibt keine andere vernünftige Erziehung, als Vorbild sein, wenn es nicht anders geht, ein abschreckendes. (A. Einstein)


    Wo kämen wir hin, wenn alle sagten, wo kämen wir hin und niemand ging, um einmal nach zu schauen, wohin man käme, wenn man ginge! (H. Pestalozzi)


    Im ganzen ist man kummervoll und weiß nicht, was man sagen soll. (W. Busch)

  • na ich ahnte ja schon, dass man mir nicht glaubt, dass der Behaviorismus *keine* Theorie ist (allgeimein) und im Speziellen also auch keine LERNtheorie.


    Andeutungsweise habe ich schon versucht mit dem Hinweis auf das "Reiz-Reaktions-Schema" den Behaviorismus madig zu machen.


    Wo würdest du "Lernen" hinschreiben, wenn du ein Schema der folgenden Art siehst?


    Reiz -> Black-Box (= Gehirn des Menschen) -> Reaktion.


    Einen Kreis drummachen und darunter "Lernen" schreiben?


    Der eigentlich interessante Teil "-> Black-Box ->" wird von den Behavioristen als prinzipiell außerhalb von Beschreibungs- und Analysemöglichkeiten angesehen. Was bleibt ist dann eigentlich "Reiz Reaktion" (sogar ohne den angedeuteten Pfeil). Natürlich ist *das* der "Traum" der Pädagogik: die Reize herausfinden, die zu den gewünschten Reaktionen führen. Als "Nürnberger Trichter" bemüht sich eine ernsthafte Pädagogik solche Träumereien als ebensolche bloßzustellen.


    Ob das Ganze durch das Konzept des "operanten Konditionierens" gerettet werden kann, würde ich bezweifeln. Allerdings gibt es auch heute noch Leute die sich als (Neo)Behavioristen bezeichnen würden. Ich befürchte sie befinden sich auf der Suche nach dem heiligen Gral der Pädagogik und Träumen noch immer Comenius Traum von *der* Lehrmethode (die es nicht gibt).


    Dazu Heinz von Foerster in "Entdecken oder Erfinden" S. 85:


    "Wie Sie wissen, hat Pawlow die ersten großen Experimente gemacht mit den Hunden, wo er den abhängigen Reflex entdeckt hat.


    Seine Experimente sind so wunderbar beschrieben von ihm, er hat seine Experimentalbücher so genau geschrieben, dass seine Experimente immer wieder wiederholt werden können. Also: Da ist der Hund, den hat er auf den Tisch gestellt, da ist das große Fenster, da das kleine Fenster, der Assistent ist gekommen mit seinem weißen Kittel und hat dem Hund das Fleisch gezeigt; der Hund hat das Fleisch gesehen, und natürlich ist ihm das Wasser im Mund zusammengelaufen, in der Fachsprache heißt das: er hat >salviert<, und kaum hat der Hund salviert, so hat man ihm das Stück Fleisch gegeben und eine Glocke geläutet. Das geht so eine Woche, wird so gemacht und wiederholt, zum Schluss kommt der Assistent herein, zeigt ihm gar kein Fleisch, klingelt die Glocke, und der Hund salviert, das heißt, der glaubt, jetzt kommt das Fleisch.

    Gut, das hat er veröffentlicht, und dafür hat Pawlow den Nobelpreis bekommen.

    Ein polnischer Experimentalpsychologe hat gesagt, der Pawlow hat alles so wunderbar aufgeschrieben, wir können dieses Experiment jetzt wiederholen.

    So: Hund, großes Fenster hier, kleines Fenster da, Assistent kommt herein mit Fleisch, läutet die Glocke, das hat alles wunderbar funktioniert.

    Und jetzt kommt das experimentum crucis: wo der Assistent reinkommt und nur mit der Glocke läutet. Konorski, der Experimentator, hat heimlich, ohne dem Assistenten etwas zu sagen, den Klöppel aus der Glocke genommen. Also, der Assistent kommt rein, schwingt die Glocke und: stumm. Der Hund salviert!

    Also hat Konorski gesagt: Dieses Klingeln war ein Reiz für Pawlow, und nicht für den Hund! Und leider muss ich Ihnen sagen: Konorski hat dafür nicht den Nobelpreis bekommen!"

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