Kind mit Hochbegabung - Probleme

  • Hallo!


    Ich habe eine 2. Klasse übernommen, in der bei einem Kind Hochbegabung "festgestellt" wurde (schon während der 1. Klasse), dieses Kind ist in den Sachfächern richtig gut und weiß total viel, aber in Mathe und Deutsch gibt es Probleme. Nicht vom Verständnis, sondern wenn's ums Schriftliche geht. Es schafft in einer Stunde 3 Matheaufgaben oder 4 Wörter, kommt ständig und sagt es wäre so kaputt etc. Hausaufgaben sind ein täglicher Kampf, meist braucht es unglaublich lange oder erledigt das meiste aus Zeitmangel nicht, Schulaufgaben werden meistens ebenfalls nicht vollständig erledigt. Der Aufgabentyp ist übrigens egal, ob es "schnöde Übungsaufgaben" sind, freie Aufgaben, Rätsel, Knobelaufgaben... sobald es schriftlich wird, geht nix mehr. Das Kind ist auch nicht besonders exakt und deshalb so langsam.
    Es braucht auch lange, um das Unterrichtsmaterial ein- oder auzupacken und auch um sich für den Sportunterricht umzuziehen.
    Ich frage mich, ist das ein reines Austesten, wer hat hier mehr Macht, wie lange kann ich mich durchsetzen und nichts tun oder was soll das sein? Das Kind ist sehr gut darin, seine (häusliche) Umgebung in "seinem Sinne zu beeinflussen", d.h. Mama macht, was es sagt; hat es z.B. bis vor einigen Monaten noch bei jeder Mahlzeit gefüttert oder es kriegt Mama oft dazu aufzuschreiben, dass es die Hausaufgaben nicht geschafft hat.
    Gespräche mit den Eltern haben stattgefunden, haben aber nicht so richtig was gebracht. Das Kind geht zur Ergotherapie, deren Wirksamkeit von den Eltern bezweifelt wird, die aber in Erziehungsdingen beraterisch tätig wird und schon einige Dinge durchgesetzt hat.
    Meine Frage: Was können /sollen/müssen wir als Lehrer tun? Was kann ich den Eltern als Hilfen empfehlen?


    LG
    Dana

  • Hallo,


    wurde das Kind schonmal auf "Dyspraxia" (dt. Begriff? keine Ahnung) getestet?
    http://www.dyspraxiafoundation…/services/ad_symptoms.php


    Ich hab auch so nen Fall in der Klasse. Muendlich hat er gar keine Probleme und vom Verstaendnis her ist er auch gut. Er ist in meiner hoechsten Rechtschreibgruppe und sein Leseverstaendnis liegt ueber dem Durchschnitt. Sobald es ans Schreiben geht ist aber alles dicht. Buchstaben sind kreuz und quer, viel zu gross, nur Druckbuchstaben, alles dauert ewig. In einer der ersten Stunden hat er ganze zwei Zeilen zu Papier gebracht. :rolleyes: Die vorherige Schule hatte keine Warnung mitgeschickt und ich hab ihn erstmal zum Heulen gebracht (unabsichtlich), als ich ihn danach gefragt habe.
    Allerdings bittet er nicht um Hilfe, was das ganze schwieriger macht. Ich muss also immer sehen, ob bei ihm alles laeuft oder nicht.
    Er bekommt jetzt erstmal die gleiche Hilfe wie meine schwaecheren Schueler. Also, viel Unterstuetzung beim Schreiben, Planungshilfen, "writing frames", etc. Ich muss halt warten, bis unser Senco mal seinen Hintern in Bewegung bekommt. Namen hab ich weiter geleitet, jetzt liegt's an unserer Lernhilfeabteilung.

  • Hast du mein Kind in der Klasse? ;)


    Hab auch so ein Kind, das mir aufgefallen ist durch sehr langsames Handeln (Schreiben, Aufschreiben von Rechenergebnissen, Umziehen zum Sportunterricht, etc.), aber enormes Sachwissen hat, neue Zusammenhänge schnell (und klug!) durchschaut, ...


    Auch die Kindergärtnerin hatte Verdacht auf Hochbegabung geäußert, daher haben die Eltern letzten Winter schnell einem Test zugestimmt (und: wer lässt sein Kind nicht gerne auf Hochbegabung testen...) Es kam ein recht eindeutiges Ergebnis heraus, in dieser neuen Situation (irgendwie hat sie dann auch geahnt, um was es geht) hat sie sogar eine enorme Arbeitsleistung hingelegt.


    Meinen nächsten Ratschlag, dass die Eltern sich Hilfe bei der Erziehungsberatungsstelle holen, um Unterstützung im Umgang mit einem hochbegabten Kind zu erhalten, haben die Eltern dann nicht so gerne angenommen. Seitdem die Eltern daheim aber konsequenter sind, ihr Kind aber trotzdem noch als kleines Mädchen wahrnehmen, entspannt sich sowohl die Situation zu Hause als auch in der Schule...


    Daher würde ich immer wieder allen Eltern raten, sich Hilfe im Umgang mit so einem "besonderen Kind" zu holen.


  • Hallo Dana!
    Alle og. Verhaltensweisen fallen auch den anderen Kindern auf, nicht wahr? Und das erwähnte Kind weiß sicher auch, dass die anderen es zumindest bemerken.

    Zitat

    Meine Frage: Was können /sollen/müssen wir als Lehrer tun? ...


    Wenn Du etwas tun willst, wovon ich ausgehe, denn sonst hättest Du hier nicht geschrieben, dann nimm Dir das Kind beiseite und sprich mit ihm unter vier Augen!


    Lobe (sachlich) seine Intelligenz und sein großes Wissen und frage, wie es das Wissen und Können erworben hat.
    Wahrscheinlich hat das Kind sich viel mit den Dingen beschäftigt, so dass Du das "Sich-Viel-Beschäftigen" mit "Training" zusammenfassen kannst und dann (mit Pausen [...] , damit das Kind genug Zeit hat, über Deine Worte nachzudenken) weitersprichst:


    "Sehr gute Sportler [...] trainieren viel, obwohl sie schon sehr gut sind. [...] Sie üben manchmal sogar nur ganz kleine Bewegungen [...] vielleicht sind es nur unwichtige Bewegungen [...] wie das Balancieren eines Fußballes [...] das brauchen sie vielleicht beim Spielen gar nicht, [...] aber sie wollen eben noch besser werden [...] und [...] sie freuen sich dann, [...] wenn die Leute staunen, [...] wie geschickt diese Sportler doch sind [...] in allem, [...] geschickt auch in unwichtigen Kleinigkeiten [...] "


    Durch weiteres geschicktes Nachfragen lockst Du aus dem Kind auch heraus, dass es ja eigentlich als "schon groß" angesehen werden möchte (Jedes Kind möchte "groß" werden, aus verschiedenen Gründen, vielleicht auch, um von anderen Kindern nicht ausgelacht zu werden.)
    Wenn das Kind bestätigt, gern so gesehen zu werden, kannst Du fortfahren: "Die Großen, [...] auch die großen Schüler, [...] die machen alles von ganz allein [...] und weil sie es geübt haben, [...] sind sie auch so schnell [...] in allem, was sie tun. [...]
    Das sieht alles so [...] cool, [...] so leicht, [...] so geschickt aus - [...] was die Großen alles wissen und können, [...] was sie sagen, [...] wie sie lesen, schreiben, malen, zeichnen - [...] sie haben's halt geübt [...]."


    Um alles zu festigen, würde ich noch ein kleines Geheimnis aus der Angelegenheit machen: "Ich würde an Deiner Stelle Mama nicht sagen, wenn sie heute fragt, ob Du Deine Hausaufgaben endlich machen willst: 'Mama die habe ich schon fertig.'
    Ich würde sie etwas zappeln lassen - soll sie heute noch einmal ein bisschen schimpfen. Dann würde ich ganz cool die Hefte rauslegen und nur grinsen, aber nichts verraten - egal, was sie sagt."


    Probier's mal! Diese viertel Stunde ist gut angelegt - im Sinne dieses Kindes.

  • Zitat

    Ich setze das fröhliche "Symptome- / Diagnose-Raten" mal fort


    Das mache ich jetzt mal nicht ...
    Dass das Kind eine gute intelektuelle Vorraussetztung hat um Sachverhalte schnell zu lernen ist sicherlich schön, ich finde nur schade, dass die Diagnose schnell dazu genommen wird um ein Problem zu rechtfertigen, deswegen "rate" ich jetzt mal nicht mit. :)


    Das Problem könnte darin liegen, dass das Kind nicht gewohnt ist, sich mit Problemen länger auseinanderzusetzten, weil es einfach schnell begreift. Schreiben ist ein mühsamer und mitunter auch langweiliger Prozeß, also nicht einsehbar, warum man sich als Kind länger als nötig damit auseinandersetzten sollte. Wenn das Kind in der Lage ist zu begreifen, sollte man ihm einfach genau erklären, warum die Hand trainiert werden muss. Schließlich ist die Schrift ein Kommunikationsmittel, um sich anderen mitzuteilen, wenn man unleserlich schreibt oder zu langsam ist hat der andere nichts davon. Ich denke, dass man das Kind über den Intellekt "packen" muss, er muss verstehen warum es sich lohnt, sich auch mal zu mühen. Die Mitschüler werden sich in anderen Bereichen tag für tag anstrengen müssen um eine gewisse Leistung zu erbringen, seine Anstrengung liegt eben im motorischen Bereich.

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