Schüler schwer verletzt auf Intensivstation

  • Hallo ihr alle!


    Seit letztem Mittwoch kreisen meine Gedanken pausenlos um eine Sache und ich hoffe, dass ihr mir jetzt hilfreiche Tipps geben könnt.


    Mittwoch rief mich also eine Mutter an und erklärte, ihr Kind würde im Krankenhaus liegen - Schädelbruch, Hirnbluten, künstliches Koma.
    Letzten Samstag (Osterferien) sei er zusammen mit einem anderen Jugendlichen (nicht aus meiner Klasse) auf das Dach der Grundschule geklettert und quasi durch ein Oberlicht "eingebrochen", also in das Innere des Gebäudes gestürzt. Mit 1,6 Promille Alkohol im Blut.


    Der Junge (9.Kl.) liegt auf der Intensivstation, ist nicht ansprechbar und natürlich auch nicht besuchbar.
    Ich habe mit meiner Klasse natürlich am Donnerstag und Freitag darüber gesprochen. Einige wussten nichts davon, andere hatten davon gehört und glänzten mit Halbwissen. Wir haben also mit Gerüchten aufgeräumt, über das Geschehene geredet und an den Jungen gedacht.


    Die Mutter meinte, die Ärzte hätten gesagt, dass so eine Verletzung mindestens 1-2 Monate zum Heilen benötigt. Mein Lebensgefährte ist Rettungsassistent, also medizinisch nicht ganz unerfahren, der meinte, dass er danach - je nach Folgeschäden- mit Sicherheit eine Reha bräuchte.
    Gut, ich gehe also davon aus, dass ich ihn zumindest in diesem Schuljahr nicht mehr in der Schule sehe.


    Natürlich möchte ich aber dem Jungen und seiner Familie zeigen, dass wir an ihn denken und ihn auch in 14 Tagen nicht vergessen haben. Ich möchte auch, dass meine Schüler immer im Hinterkopf haben, dass es einem von ihnen derzeit sehr, sehr schlecht geht.
    Aber wie kann ich das tun? Vor allem gegenüber der Familie, ohne mich aufzudrängen?


    Soll ich dort einmal in der Woche anrufen? Fragen wie es ihm geht? Oder einfach nur ein nettes Kärtchen schicken? Wie stelle ich es an, dass meine Klasse regelmäßig an den Jungen denkt?!? Es ist jemand, bei dem es nicht zwangsläufig auffällt, dass er in der Gemeinschaft fehlt, da er recht zurückhaltend ist.....


    Ich habe gerade das Gefühl, dass alles, was ich machen könnte, irgendwie halb"gar" ist oder falsch.


    Und ich habe immer im Hinterkopf: Was tue ich, wenn er gar stirbt oder irgendwelche Behinderungen davon trägt? ;(


    Sicher - es ist nicht mein Kind und seine Eltern haben viel größere Sorgen als ich. Aber das Ganze lässt mich jetzt schon ein paar Nächte nicht schlafen....


    Fragende Grüße,
    Dini78

  • Also das erste was ich machen würde ist mit der klasssen zusammen eine schöne Karte gestaltenoder jeder schreibt ein kleines briefchen und ihm das zusammen lassen.
    und dann würde ich den weiteren verlauf abwarten. Wenn es sich recht gut entwickelt könntet ihr mit der klasse ja auch mal eine videobotschaft aufnehmen oder wenns ihm ganz toll geht ihn auch mal besuchen.
    auf keinen fall wüdre ich jede woche bei den eltern anrufen. Du kannst der Mutter ja sagen, dass du es gut findest, wenn sie dich übder den Zustand auf dem laufenden hält.

  • Zitat

    Original von lissi111
    Also das erste was ich machen würde ist mit der klasssen zusammen eine schöne Karte gestaltenoder jeder schreibt ein kleines briefchen und ihm das zusammen lassen.


    Hm, ich glaube, aus dem "jeder schreibt ein Briefchen-Alter" sind sie irgendwie raus...oder noch nicht wieder drin.....Einigen wäre das furchtbar, schrecklich peinlich. Und ich glaube, dass da auch nicht viel Präsentierbares herauskäme.... (klingt jetzt nicht so, aber eigentlich ist meine Klasse toll...)


    Zitat

    Original von lissi111
    und dann würde ich den weiteren verlauf abwarten. Wenn es sich recht gut entwickelt könntet ihr mit der klasse ja auch mal eine videobotschaft aufnehmen oder wenns ihm ganz toll geht ihn auch mal besuchen.
    auf keinen fall wüdre ich jede woche bei den eltern anrufen. Du kannst der Mutter ja sagen, dass du es gut findest, wenn sie dich übder den Zustand auf dem laufenden hält.


    Darum habe ich sie gebeten, aber ich denke, die Frau hat anderes im Kopf als uns anzurufen, oder?! Das ist genau das, was mir durch den Kopf geht...


    Nix machen ist falsch, da dauernd anrufen ist falsch :(

  • Hallo Hini78.


    Aus der Perspektive eines Vaters, dessen Sohn (auf zunächst nicht absehbare Zeit) einige Wochen im Krankenhaus verbringen musste, versuche ich mal einige Fragen zu beantworten.


    Zunächst mal: Für die Eltern und auch deinen Schüler ist es sicherlich ein gutes Gefühl, wenn Sie von deiner/eurer Anteilnahme erfahren. Uns hat das zumindest gut getan.


    Wichtig finde ich aber das 'wie' und insbesondere das 'wann' bzw. 'wie oft'.

    Zitat

    Original von Dini78
    Soll ich dort einmal in der Woche anrufen?
    Dini78


    Aus meiner Sicht: Mit Sicherheit nicht! Einmal pro Woche halte ich für völlig übertrieben. Das wäre mir und meiner Frau ziemlich auf die Nerven gegangen.


    Ich würde als Lehrerin zunächst eine Karte schreiben. Wenn du die Klasse einbinden möchtest, würde ich die Schüler selbst Ideen entwickeln lassen, was zu tun ist und das Ganze einfach ein wenig kanalisieren/dosieren. Erzwingen würde ich die Anteilnahme aber nicht. Du kannst einen entsprechenden Impuls setzen - es würde mich wundern, wenn die Schüler nicht darauf anspringen.


    Eine meiner Klassen hat, nachdem sie von meinem privaten Schicksalsschlag erfahren hat (und ohnen meinen Sohn selbst zu kennen), bspw. für meine gesamte Familie ein kleines Päckchen mit ganz viel Schokolade als "Nervennahrung" gepackt. Wir haben uns alle riesig über diese Geste gefreut.


    Dann könntet ihr euch einfach zu gegebenen Anlässen oder im Abstand von einigen Wochen bei dem betreffenden Schüler melden. Mein Kind hat z.B. von seinem Kindergarten nochmals zu Ostern ein Kärtchen mit einem kleinen Geschenk erhalten.


    Mit dem Wachkoma würde ich bezüglich der Botschaften an den betroffenen Schüler erstmal so umgehen, als wäre er ansprechbar. Er wird sich dann schon zu gegebener Zeit über die Bilder, Karten etc. freuen, wenn er wieder bei sich ist.

  • Danke Schubbidu, das bringt ein bisschen Licht in mein Dunkel....



    Und die Schokoladenidee finde ich auch prima.

    • Offizieller Beitrag

    hi


    wir hatten neulich einen fall, bei dem einem schüler an der s-bahn durch eigenes verschulden ein bein abgetrennt wurde, weil er über die gleise rannte. die informationspolitik lief da so, dass der chef kontakt zu den eltern hielt und mit ihnen dann dinge abstimmte, vor allem auch informationen, die nach außen gingen.


    den eltern war klar, dass dieser unfall große wellen schlug (oder der chef hat es ihnen klar gemacht) und daher haben sie dann auch sehr eng mit der schule zusammen gearbeitet. ich meine, dass in deinem fall auch die schule interesse daran hat, dass sie auf dem laufenden gehalten wird. dies ist keine zumutung und die eltern haben da auch ein interesse dran.


    vor ein paar jahren hatte ich einen schülerunfall mit todesfolge an der schule - auch da waren die eltern bereit mit der schule zusammen zu arbeiten und es half die reaktionen der schüler aufzufangen.


    beim genannten unfall oben hat dann z.b. die klasse, in der er war, zur passenden zeit etwas organisiert und damit war gut.


    grüße


    h.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Ich habe gerade das Gefühl, dass alles, was ich machen könnte, irgendwie halb"gar" ist oder falsch.

    Sicher gibt es keine Rezepte dafür, aber grundsätzlich sind alle Zeichen ehrlicher Anteilnahme und Interesses erstmal richtig.


    Im Zweifelsfall mit den Eltern sprechen und erklären, dass man sich wünsche, Anteil auszudrücken und fragen, wie es der Familie denn am genehmsten wäre.


    Karten und kleine Päckchen mit Zeichen der Anteilnahme schicken ist nie verkehrt.

  • Ich überlege mir gerade, dass es vielleicht toll wäre, es irgendwie zu organisieren, dass er jeden Tag eine Karte von uns bekommt....


    Zumindest bis zu dem Zeitpunkt bis er besuchbar ist !?!


  • Hallo Hawkeye,


    die Schulleitung hat keinen gesonderten Kontakt zu den Eltern - nur über mich.
    Der Vorfall hat ja auch irgendwie nichts mit der Schule zu tun.


    Dadurch, dass da anscheinend nichts durch die Presse gegangen ist, ist die Sache auch nicht sehr hochgekocht bisher.
    Selbst die Schulleitung der "geschädigten" Grundschule hat bei uns nachgefragt, was da überhaupt passiert sei....


    Die Eltern meinen, ich kann alle Informationen weitergeben, es gäbe da nichts geheimes.


    Ich denke nicht, dass ich oder die Schule irgendwie ein Recht auf Informationen habe. Der Schüler ist ja schließlich entschuldigt und es gibt Zeugen für diesen Unfall....

  • Zitat

    Original von Dini78
    Ich überlege mir gerade, dass es vielleicht toll wäre, es irgendwie zu organisieren, dass er jeden Tag eine Karte von uns bekommt....


    Zumindest bis zu dem Zeitpunkt bis er besuchbar ist !?!


    Also vielleicht bin ich da jetzt überempfindlich aber ich halte alles, was in Richtung "täglich" geht für übertrieben. Nicht nur aus Sicht der Eltern.
    Wenn er nur für kurze Zeit nicht ansprechbar ist, kann man das vielleicht noch machen. Aber wie hältst du die Schüler deiner Klasse bei der Stange, wenn sich der ganze Prozess über Wochen hinzieht?

  • Zitat

    Original von Schubbidu


    Also vielleicht bin ich da jetzt überempfindlich aber ich halte alles, was in Richtung "täglich" geht für übertrieben. Nicht nur aus Sicht der Eltern.
    Wenn er nur für kurze Zeit nicht ansprechbar ist, kann man das vielleicht noch machen. Aber wie hältst du die Schüler deiner Klasse bei der Stange, wenn sich der ganze Prozess über Wochen hinzieht?


    Hm, da hast du auch wieder recht....

  • Hallo Dini,


    in meiner Klasse waren schon öfters Schüler längere Zeit im KH. Wir haben dann von der Klasse aus ein oder mehrere Briefe geschrieben, meist haben wir auch ein Klassenfoto dazugelegt, ein kleines Präsent geschickt und ich habe mit den Eltern telefonisch Kontakt gehalten, wobei wir uns gegenseitig angerufen haben, oder gemailt. Gerade die Mailvariante fanden die Eltern und ich sehr gut. So konnten wir Nachrichten an den Schüler schreiben, als es ihm besser ging und vorher konnten die Eltern so schreiben und antworten, wie es in ihren Zeitplan passte. Zu einem Besuch der betreffenden Schüler kam es nie, weil sie zu weit weg behandelt wurden. Wir haben so alle 2-3 Wochen einen Brief von der Klasse geschrieben und das war für die Mitschüler in diesem Rahmen in Ordnung.


    Ulsa

  • Wäre ich Schüler der Klasse, so würde mich stören, dass hier über meine Anteilnahme verhandelt wird. Darf ich mich dazu nicht selber äussern? Das Ganze klingt für mich so, als würde entschieden, was ich Oma zum Geburtstag schenken soll.
    Will damit sagen, vielleicht solltest du die Schüler mitentscheiden lassen?

    Die Wälder wären sehr still, wenn nur die begabtesten Vögel sängen - HEnRy vAn dyKe

  • Zitat

    Original von Remus Lupin
    Wäre ich Schüler der Klasse, so würde mich stören, dass hier über meine Anteilnahme verhandelt wird. Darf ich mich dazu nicht selber äussern? Das Ganze klingt für mich so, als würde entschieden, was ich Oma zum Geburtstag schenken soll.
    Will damit sagen, vielleicht solltest du die Schüler mitentscheiden lassen?


    Nein, so ist es ganz und gar nicht. Aber für den Fall das morgen keine Ideen kommen, möchte ich nicht dastehen und sagen: Tja, dann machen wir eben nichts.


    UND: Ich finde die Gedankensammlung hier ganz gut. Beispielweise, darüber, was zu aufdringlich ist und was nicht....

  • Wir haben mal für einen Schüler ein Herz aus Kerzen, die wir für ihn angezündet haben fotografiert. Das dann als Postkarte geschickt.
    Ein anderes Mal haben wir alle ein Puzzle gestaltet und ein Teil weggenommen, stellvertretend dafür, dass er fehlt. Das Teil haben wir ihm geschenkt als er wieder da war.

    • Offizieller Beitrag


    hm ok,


    bei uns war das problem, dass am nächsten tag dreißig verschiedene versionen des vorfalls umhergingen, die bis dahin ausgeschmückt wurden, dass gliedmaßen durch die luft flogen. entsprechend wurde es in der schule diskutiert. entsprechend ging es nicht darum, ein recht auf informationen einzufordern, sondern solchen ausuferungen einhalt zu gebieten, indem man gezielt informationen ausgab. darum ging es uns.


    und auch wenn es herzlos klingt - ich hatte / habe so etwas wie mitleid mit dem schüler und fühle mit den eltern, dennoch war der unfall auch selbstverschuldet, daher denke ich, dass "übermäßiges" mitfühlen-wollen und sollen etc. auch nicht unbedingt plaziert ist. (klingt grad kälter als gewollte, also fallt nicht über meine schreibe her ;))


    man sollte den kindern raum geben für ihre emotionale anteilnahme und verarbeitung, aber ich habe manchmal das gefühl bei solchen geschichten - auch wie bei uns vor einigen wochen - dass die gafehr besteht, dass sehr viel von außen in die kinder hinein-psychologisiert wird, dass ihnen gefühle eingebrockt werden, die nicht die ihren sind.


    gruß


    h.

  • Zitat

    Original von Dini78Dadurch, dass da anscheinend nichts durch die Presse gegangen ist, ist die Sache auch nicht sehr hochgekocht bisher.


    Doch, ich erinnere mich nicht wo, aber ich habe davon gelesen. Er hatte Pech und ist auf einen Betonboden gestürzt, daher die schweren Verletzungen. Ich glaube, es stand auch noch etwas über den Grund des Hinaufkletterns, weiß nicht mehr genau.

  • Zitat

    Original von malvinas2


    Doch, ich erinnere mich nicht wo, aber ich habe davon gelesen. Er hatte Pech und ist auf einen Betonboden gestürzt, daher die schweren Verletzungen. Ich glaube, es stand auch noch etwas über den Grund des Hinaufkletterns, weiß nicht mehr genau.


    Das war nicht dieser Vorfall. Er ist auch nicht auf Beton aufgekommen. Sondern auf einer Toilettenschüssel....


    Es gab auch keinen Grund zum Hochklettern - außer jugendlichem Leichtsinn...

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