Gewalt in Klasse 1/2

  • Hallo,


    ich habe ein Problem... Ich habe seit sommer eine klasse 1/2 und dort ist gewalt an der tagesordnung. es geht von hauen (bis blutig...), treten, würgen, übelste schimpfwörter, kratzen. eigentlich alles. in meinen std geht es, aber sobald ein anderer lehrer drin ist oder sobald pause bzw ein geringstes fünkchen freiraum ist, fallen sie regelrecht übereinander her. hab schon ca hundert verbote ausgesprochen (pausenverbot, pc-verbot, spielehaus-verbot...) ausgesprochen, was aber überhaupt nichts bringt. regeln haben wir gemeinsam erarbeitet, alle kinder wollten sich dran halten... naja, die vorsätze halten sich sehr sehr kurz. wenn einer ärgert, schlägt der andere zu. von den eltern gibts da auch keine hilfe, o-ton eine mutter: "wenn jmd gemein zu meinem sohn ist, hab ich ihn gesagt, dass er hauen darf und da ist meine meinung, an der können Sie nix ändern." wir besprechen ca. dreimal täglich die regeln, ich versuche positiv zu verstärken, wenn sich ein kind dran hält, aber es ändert nix. zur zeit ist es echt zermürbend, ich weiß schon gar nicht mehr, was ich sagen soll, weil mir angesichts dieser massiven gewalt teilweise echt die worte fehlen. ich kann ja auch nicht ständig mit denen in der pause sein und sie überwachen. abgesehen davon ändert das auch nichts. heute hat selbst in der 5 min. pause ein junge einem anderen ins gesicht getreten, da besagter junge gegen sein spiel gekommen ist (was tatsächlich mal nicht absichtlich war). also, letztendlich ändert sich noch nicht mal was, wenn ich daneben sitze.
    hat jmd ähnliche erfahrungen, tipps, tricks, vorschläge? wäre über jede hilfe mehr als dankbar!
    gruß!

  • Morgäääähn....


    Was hindert dich daran, die schlagende Abteilung vom Ausflug auszuschließen? Klassengemeinschaft? Ob die gefördert wird, wenn die Kinder, die versuchen sich an die Regeln zu halten, ständig bestraft werden - entweder durch Gewalt durch ihre Klassen"kameraden" oder durch weniger Ausflüge...?
    Wir machen das so, dass wir den Ausflug ankündigen und hervorragendes Benehmen in den Tagen davor verlangen, weil ansonsten der Ausflug für diejenigen gestrichen wird, die sich an keine Regel halten können. Es muss natürlich zeitlich angemessen sein - aber wenn ihr das konsequent durchzieht, hat das eine auch für so Kleine absolut nachvollziehbare Logik. Müsste natürlich mit einem oder mehreren Kollegen abgesprochen werden, dass die entsprechenden Kinder dann dort etwas arbeiten können. Ich denke gerade jetzt am Anfang, 1. und 2. Schuljahr könnte so ein Ausschluss von einem Ausflug durchaus noch Wirkung haben.


    Allerdings - ich hab da auch so zwei, drei Kinder in der Klasse, bei denen ich mich langsam frage warum NICHTS wirklich auf Dauer wirkt... :(


    Nanny*jetztaberschnellabindieSchule*Ogg

    ~ Wenn ihr mich sucht, ihr findet mich im Zwiespalt. ~

  • Die großen Stänkerer und Rüpel werden sich wahrscheinlich immer an schwächeren vergreifen. Besorge dir 2 Paar Boxhandschuhe und lass sie gegeneinander kämpfen, um sich abzureagieren. Der "Gewinner" darf (muss) dann gegen einen Rüpel aus einer höheren Klasse boxen, damit er auch einmal unterliegt. Vielleicht gibt ihnen das zu denken!
    Bei absoluten Vergehen (ins Gesicht treten) sollte dieser auf jeden Fall vor eine Disziplinarkommission, dem Elternrat oder ähnlichen sich verantworten.

  • Ich sehe das auch aus Deiner Fürsorgepflicht: wenn Du die drei ausschließt, dann tust Du das auch, um die anderen vor ihnen zu schützen. Oder sehe ich das zu eng? Da hätte bei mir die Integration einen geringeren Stellenwert, denn wer integriert werden soll, muss auch einen Teil dazu beitragen. Und das Unterlassen von Tätlichkeiten ist m E. die mindeste Anforderung...!

  • Ja, also, mit dem ausflug, das ist irgendwie mein geringstes problem. hab ich angekündigt und wird dann ggf. eben auch eintreten.
    ich dachte so generell an tipps, was ich eben machen kann, wie ich mit der ganzen gewalt umgehen soll.
    mit boxhandschuhen aufeinander losgehen lassen, find ich jetzt nicht so toll. ich will ja gerade, dass sie sich NICHT vermöbeln und da können sie sich ja auch total verletzen. naja, und einsicht ist da halt nicht viel. ich weiß nicht, ob ichs erwähnt hatte, aber eine mutter meinte zu mir am telefon, ihr sohn sei früher im kindergarten immer verprügelt worden und sie würde ihm raten, sich nichts gefallen zu lassen "wenn einer dich haut, hau zurück!" Ist halt zusätzlich sehr schjwierig, wenn man da keine Unterstützung durch die Eltern erhält.

  • Kinder gezielt gegeneinander boxen lassen sollte man m.E. nur, wenn man eine entsprechende (Trainer-)Ausbildung und die Zustimmung aller Eltern besitzt. Abgesehen davon finde ich nicht, dass die Schule dazu anleiten sollte, wie man einander am besten schlägt und verletzt.


    Zum Aggressionsabbau:
    Kennst du diese Heizungsrohrisolierschaumstoffstangen?
    Tolles Wort, ich weiß :P , hab leider keine Ahnung, wie der krrekte Begriff lautet. Gibt es im Baumarkt, sind meistens grau und 1m lang, verschieden großer Durchmesser.


    Wir haben mal gezielt miteinander gekämpft. Sprich: Eine "Arena" abgegrenzt und Regeln festgelegt und dann konnten jeweils zwei mit diesen Dingern aufeinander einhauen... meistens war ich einer der beiden Kämpfer, manchmal ging es aber auch dass zwei Schüler kämpften.


    Die Regeln haben wir vor jedem einzelnen Kampf wiederholt, samt gestischer Unterstützung:
    - nicht oberhalb der Schultern/des Halses (also nicht auf den Kopf) hauen
    - wenn einer seine "Waffe" verliert, ist sofort Kampfpause
    - wenn einer "Stopp!" ruft, ist sofort Kampfpause


    Nach Händeschütteln ("Auf einen fairen Kampf!") ging es dann los. Auch hinterher haben wir uns jedes Mal formell verabschiedet... vielleicht ein bisschen wie beim Judo.
    Oft habe ich dann noch einen dritten Schüler als Schiedsrichter bestimmt.
    Die Kinder (damals Mittelstufe PB-Schule, viele Grenzgänger, teilweise psychisch auffällig) haben das erstaunlich gut hingekriegt... es war immer ein Highlight, auch wenn meine Kollegen mich schief ansahen, wenn wir mal wieder mit unseren Kampfstäben in die Arena marschierten.


    Mal abgesehen vom "Auspowern" lernen die Kinder, dass es auch beim Kämpfen Regeln gibt, dass es fair zugehen kann, dass man spielerisch kämpfen kann, ohne einander wirklich zu verletzen.


    Übrigens: Trotz aller weisen Ratschläge :rolleyes: habe ich einen Jungen in meiner derzeitigen Klasse, der seine Aggressionen sowas von gar nicht in den Griff kriegt. Das Problem scheint mir anders gelagert als bei deinen Schülern, dennoch bin ich gespannt auf weitere Tipps, gerade in Richtung psychischer Auffälligkeiten und Gewalt.


    Mit den reizenden Eltern würde ich dringend das persönliche Gespräch suchen. Schlimm, dass man Erwachsenen klar machen muss, dass Gewalt immer unrecht und nie eine Lösung ist.


    :muede: Nanny*insBettplumps*Ogg

    ~ Wenn ihr mich sucht, ihr findet mich im Zwiespalt. ~

  • Es git da eine Reihe Spiele, bei denen Kinder lernen ohne Gewalt zu reagieren. Leider fällt mir nur noch eines ein:
    Die Kinder gehen in einem begrenzten Raum. Stoßt ein Kind an ein anderes, müssen beide "Hallo" sagen.
    Ich habe das mal ausprobiert und es hat ganz gut geklappt.
    Viele Kinder haben leider die automatische Reaktion zuzuschlagen, sobald sie berührt werden.

  • Zitat

    Original von sarahkatha
    regeln haben wir gemeinsam erarbeitet, alle kinder wollten sich dran halten... naja, die vorsätze halten sich sehr sehr kurz.


    In der Tat sind Vorsätze kurzlebig. Sie enthalten aber so etwas wie 'Ideale'
    bzw. 'Wünsche'. Daher halte ich es für positiv, wenn Deine Schüler sich
    wünschen, diese Vorsätze umsetzen zu können. Sie wissen nur noch nicht,
    wie sie diese Vorsätze umsetzen können. Das liegt – wie Du selbst
    erwähnst - vor allem daran, dass sie bestimmten Verhaltensmustern
    folgen, die ihnen vertraut sind. Ich kenne nicht dieses Petermann-Training.
    Ich praktiziere aber seit Jahren das Konzept EINIGEN, mit dem ich es
    Schülern ermöglichen kann, vertraute Verhaltensmuster aufzugeben.


    Von zentraler Bedeutung sind im Rahmen dieses Konzeptes 'hinsehen' und
    'beschreiben'. D.h. der Lehrer leitet die Kinder dazu an, jeweils ihre Sicht
    des Konfliktes zu schildern und mit allen Beteiligten eine Rekonstruktion
    der Konfliktentstehung und des Konfliktverlaufes vorzunehmen. Dazu ist
    es immer auch hilfreich Dritte miteinzubeziehen, die den Konflikt
    beobachtet haben.


    Um jedem Kind zu ermöglichen, den Konflikt und sein eigenes Verhalten
    unbelastet in Augenschein nehmen zu können, ist es nötig, sich jedes
    Urteils, jeder Schuldzuweisung zu enthalten. Ich lasse auch nicht zu,
    dass Schüler sich gegenseitig endlos beschuldigen. Ich sage dann:
    "Mich interessiert, wie es zu eurem Streit gekommen ist!"
    Beschuldigen verhindert nach meinen Erfahrungen Verhaltensänderungen.
    Hilfreich dagegen ist die 'Einstellung', dass keiner der Beteiligten
    Konflikte positiv erlebt und im Prinzip immer darauf aus ist, mit dem
    anderen einvernehmlich zu agieren.
    Dass Deine Schüler sich ändern möchten, haben sie ja bereits deutlich
    gemacht. Diesen Wunsch kannst Du miteinbeziehen.


    Im Verlauf des gemeinsamen 'hinsehen' und 'beschreiben' auf das, was
    war und wie es überhaupt zu dem Streit kam, beruhigen sich erst einmal
    die Gemüter. (Wo dies nicht geht, weil die Schüler zu aufgewühlt sind,
    kann man das Gespräch später führen.) Die emotionale Beruhigung
    schafft die Basis, sich das, was war, genau anzusehen. Dann kann man
    darüber nachdenken, ob einem das gefallen hat. Im Hinblick auf Eure
    Regeln könntest Du möglicherweise einwerfen: "Gefällt es Dir, wenn
    jemand dich würgt?" oder "Gefällt es Dir anderen weh zu tun?"


    Im Zusammenhang mit solchen Fragen kann man dann mit jedem
    einzelnen herausfinden, wie er es anstellen kann, das zu tun, was er
    eigentlich gern tun möchte.


    Mit einem Drittklässler bin ich gerade dabei zu lernen, was er tun
    kann, um sein Muster: "Wenn ich wütend werde, raste ich aus!" aufzubrechen.
    Ich habe ihm vorgeschlagen, zu mir zu kommen, wenn er wütend wird.
    Er meinte: "Ich weiß nicht, ob ich das schaffe!"
    Ich: "Ich kann die anderen Kinder bitten, zu mir zu kommen, wenn sie
    sehen, dass Du wütend bist!" Er: "Ja, das geht." Und nun bin ich
    gespannt, ob es funktioniert.


    Wenn es dir gelingt, Konflikte auf die kurz umrissene Art und Weise zu
    "bearbeiten", entsteht zwischen den Kindern nach und nach eine neue
    Kultur des Miteinanders. Mir hat dieses Konzept innerhalb eines halben
    Jahres ermöglicht, das Übergewicht körperlicher Konfliktlösungen in
    einer Klasse zur Ausnahme werden zu lassen.


    Ich bin gern bereit, mich mit Dir darüber weiter auszutauschen.


    monika :)


    PS: Bei einem kurzen Blick in das Petermann-Training habe ich
    festgestellt, was es mit dem Konzept EINIGEN gemeinsam haben könnte.
    Auch die Petermänner gehen davon aus, dass Menschen sich ändern
    möchten und dies auch können. Sie bieten dazu Ideen an und erproben
    anderes Verhalten.

    Die Disziplin des Lernens unterscheidet sich von der Disziplin der Schule.

    2 Mal editiert, zuletzt von Monika ()

  • hallo monika,


    danke für deinen ausführlichen beitrag!!


    das mit dem aufbrechen von verhaltensmustern finde ich gut. ich möchte so was in form von verträgen machen. mit einem schüler habe ich vor den ferien schon verabredet, dass er rausgehen soll, darf, wenn er wütend ist. daran hat er sich auch direkt gehlaten. nach den ferien gehts dann jetzt darum, dass er, wenn er draußen ist, nicht gegen die tür treten soll. also, ich möchte versuchen, ihm deutlich zu machen, dass es ganz normal ist, wenn er mal wütend ist und er das auch sein darf, dass er eben nur schaffen muss, dass andere dann nicht darunter leiden müssen.
    das schwierige ist einfach, dass sieben der acht schüler extreme verhaltensweisen haben und ich mich eigentlich mit jedem hinsetzen müsste. es gibt eben keine kinder (bzw leider nur einen), die mit ihrem positiven oder einfach "normalen" verhalten ein positives beispiel darstellen könnten.
    naja, nach den ferien sind ja alle erholt und bestimmt total motiviert ;). bin mal gespannt wie es dann weitergeht und hoffe, dass irgendwie ein bisschen mehr ruhe einkehrt. aber nach wie vor bin ich über weitere tipps mehr als dankbar. :)

  • Hallo aus Berlin,
    hast du auch an eine langfristigerer Lösung gesucht??? Ich bin auch gerade dabei und kann schon einige Erfolge verzeichnen.
    Was mir weitergeholfen hat ist das Projekt " Faustlos", habe mir das Buch bestellt und einiges umgesetzt, bitte mal Googeln.
    Ein Smilysystem in dem sich die Kinder selbst im Gespräch mit mir einschätzen elöst? Konntest du dich an unsere Regel halten? Hast du an deinem Ziel gearbeitet? usw.) ( Fragen: Wie war dein Tag? Hattest du streit und wie hast du ihn ghat mich zum Erfolg geführt.
    Viel Erfolg und Mut
    Gruß Peti87

  • "Faustlos" ist ja so ein Programm für Grundschüler. Ich mache auch ein Programm, das heißt "Sozialtraining für Schulanfänger". Es geht über 23 Sitzungen (glaub ich) und es wird eingeübt, Streit freidlich zu lösen, sich in andere hineinzuversetzen, sich zu helfen usw. Es ist in eine spielerische Rahmenhandlung eingebunden, in der die Kinder mit einem Chamäleon auf Schatzsuche gehen. Ich habe viel Positives darüber gehört, selbst aber erst gestern damit angefangen. Ob es sich wirklich hilfreich erweist, wird sich zeigen. Ansonsten versuche ich natürlich durch ganz klare Regeln und Konsequenzen, längerfristig dagegen "anzugehen".
    Zur Zeit geht es eigentlich auch, dazu muss man aber sagen, dass ein Kinder krank ist und sich das total in der Atmosphäre widerspiegelt.
    Viele Grüße.

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