Kann nicht mehr

  • Hallo,
    auf meiner Suche nach Hilfe bin ich jetzt erstmal in diesem Forum gelandet, bevor ich demnächst wohl einen professionellen Coach aufsuchen werde.
    Hintergrund ist der: Ich bin inzwischen seit zehn Jahren Lehrerin, immer mit Ups und Downs. Schon im Ref. wurde mir gesagt, dass ich nicht die optimale Lehrerpersönlichkeit habe usw. Habe mich aber durchgekämpft, bin nicht der Typ, der so schnell aufgibt.
    Auch in den Jahren meiner Berufstätigkeit habe ich mich immer wieder aufgerappelt und nach Rückschlägen wieder weiter gemacht. Dabei habe ich mich auch mit Alternativen zu dem Beruf auseinandergesetzt, aber bin doch dabei geblieben - aus Gewohnheit, aus Mangel an Alternativen, aber auch, weil ich immer wieder erlebt habe: Ich kann es doch, es kann gut klappen, und dann macht es auch Spaß.
    Nun habe ich vor einem Jahr die Schule gewechselt, weil ich mit dem Stellenwert meines Fachs an meiner alten Schule chronisch unzufrieden war.
    Und nun geht gar nichts mehr. Ich habe massive Probleme mit Klassen und einzelnen Schülern. Bei diesen Konflikten habe ich Fehler gemacht, mich nicht professionell genug verhalten. Die Schüler tauschen sich untereinander natürlich aus - und da ich vier parallele 10. Klassen habe, hab ich inzwischen das Gefühl, vor einer Wand aus Ablehnung und Missachtung zu stehen. Ich habe das Gefühl, dagegen überhaupt nicht mehr anzukommen.
    Ich bin inzwischen so kaputt, dass ich es nichtmal mehr schaffe, dem Einhalt zu gebieten, wenn sich Schüler im Unterricht über mich lustig machen. Ich habe die Kraft nicht mehr.
    Es ist ein Teufelskreis, aus dem ich alleine nicht mehr rauskomme.
    Dazu kommt, dass die Grundhaltung an dieser Schule die ist: Wenn die Schüler sich bei dir nicht benehmen, ist das dein Problem, dann bist du halt ein schlechter Lehrer. Unterstützung kann ich von Kollegen oder Schulleitung nicht erwarten, im Gegenteil.


    Wahrscheinlich ist das tatsächlich nicht der optimale Beruf für mich - ich bin eher nachgiebig, zu "lieb". Ich hasse Machtspielchen und nehme mich lieber selber zurück. Ich bin viel zu empfindlich und ziehe mir jeden mir hingeworfenen Schuh bereitwillig an.
    Aber ich kann nicht einfach kündigen. Ich lebe allein und habe entsprechende finanzielle Verpflichtungen.
    Klar, ich hätte es damals besser wissen können und müssen und einen anderen Weg einschlagen sollen. Nur ist das jetzt schwer zu korrigieren.


    Ich weiß echt nicht mehr weiter. Meine Beziehung leidet enorm unter der Situation, ich schlafe nicht mehr, habe 10 Kilo abgenommen, fühle mich freudlos und "gefangen".
    Weiß jemand einen Rat?
    J.

  • kann ich gut nachvollziehen, was du so erzählst. gerade wenn man sowas an sich ran lässt, kann das einen echt kaputt machen.


    kommt evtl. ein erneuter schulwechsel an eine "gute" schule in frage? oder eine stundenreduktion? meine letzte schule war auch so ausgerichtet, dass man einzelkämpfer war - an der neuen ist das glücklicherweise bei weitem nicht so und man kriegt viel unterstützung, wenn man danach fragt. vielleicht findest du doch eine abteilungsleitung, die mal mit in den unterricht kommt, nur damit die schüler merken, dass es so nicht weitergeht und du es dir nicht gefallen lässt?

    • Offizieller Beitrag

    Da kommt ja vieles zusammen. :( Ich würde die Stunden reduzieren, mir eine gute Supervision und ggf. für eine gewisse Zeit eine Therapie suchen (manche Psychologen bieten beides an), und mich nach Schulen umsehen, wo ich auf Dauer glücklicher werden kann.

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  • Danke für eure Antworten!
    Eine Therapie hatte ich im letzten Jahr "erfolgreich" abgeschlossen, bin jetzt aber wieder hin. Der Psychiater war auch ziemlich erschrocken, mich jetzt so zu sehen, nachdem ich eigentlich "geheilt" entlassen worden war.
    Ich bin eben anfällig für Depressionen, und solche Geschichten wie jetzt bringen mich da schnell wieder hin.


    Kann man diesen Beruf mit einer solchen Anfälligkeit ausüben?


    Es gibt da für mich zwei Ansätze: 1. Nein. Die Schüler brauchen absolut stabile, durchsetzungsstarke und ausgeglichene Lehrerpersönlichkeiten, und für Menschen mit Neigung zu Depressionen ist der Job zu anstrengend. 2. Ja. Auch das System Schule muss Menschen eingrenzen können, die begabt und fähig sind (kleines Selbstlob...), aber eben auf Grund ihrer persönlichen Geschichte bestimmte psychische Vorbelastungen haben - eine ehrliche und intensive psychologische Betreuung/Auseinandersetzung vorausgesetzt.
    Ich möchte eigentlich zu 2) tendieren, aber stelle immer wieder fest, dass die Realität anders aussieht.
    Zwei ebenfalls psychisch belastete Kolleginnen, die intensivst gemobbt wurden, sind von meinem jetzigen Schulleiter bereits "ausgesondert" = in Frühpension geschickt worden.


    Ich muss in letzter Zeit oft an den Fußball denken, in dessen Bereich nun ja immer häufiger Menschen unter dem enormen Druck zusammenbrechen. Da ist dann von einem "Spiegel der Gesellschaft" die Rede. Da kann sich m.E. die Schule nur in die gleiche Reihe stellen.
    Ich sehe es auch bei vielen Schülern, wie sie unter dem enormen Leistungsdruck leiden, nicht mehr schlafen können, psychische Probleme entwickeln.


    Irgendwas ist da ungesund.


    Aber ich muss jetzt erstmal versuchen, aus meinem persönlichen Loch wieder rauszukommen.
    Ich denke auch, dass ich nach einer anderen Schule suchen sollte, sobald ich wieder etwas mehr "auf dem Damm" bin.

  • Vielleicht kannst du dich erstmal für ein paar Wochen krankschreiben lassen. Danach ne Kur - Burn Out spezialisiert.
    Dann denke doch einmal über ein Sabbatjahr nach. Während dessen kannst du ggf. auf H&R umsatteln. Ist zwar nicht das gelbe vom Ei, aber der Fachanspruch vielleicht auch nicht so hoch wie am Gymnasium, so dass du die an Unterrichtsvor- und nachbereitung ersparte Zeit in die Supervision stecken kannst bzw. in die pädagogische Arbeit, nicht so sehr die fachliche.
    Gerade die vielen Korrekturen rauben ja auch einen Großteil der Kraft, was dann wieder die persönliche Ausgeglichenheit behindert, die in meinen Augen das A und O ist.
    Kopf hoch!

    • Offizieller Beitrag

    Ich beschäftige mich grade stark mit Burnout (bzw. der Erschöpfungs-Depression, das ist der medizinische Name). Ich habe meine Bücher jetzt nicht zur Hand, aber man kann mit dem sog. Burnout Screening Inventory (z.B. hier: http://www.bz-olten.ch/fileadmin/bsi-1.pdf ) relativ schnell feststellen, ob denn ein Burnout vorliegen KÖNNTE. Da es über 50 Burnout-Arten gibt, und diese sich auch oft nur schwer von anderen psychischen Problemlagen abgrenzen lassen, kann bei höherern Punktzahlen nur ein Therapeut eine Diagnose erstellen. Zumindest decken sich die Aussagen von jamaica mit neueren Forschungsergebnissen, die besagen, dass Burnout nicht wie bisher angenommen in erster Linie die überengagierten trifft (bei denen fällt das nur mehr auf), sondern zuerst und oft unbemerkt diejenigen, die nicht unbedingt in ihrem Idealberuf arbeiten.

  • Zitat

    die besagen, dass Burnout nicht wie bisher angenommen in erster Linie die überengagierten trifft (bei denen fällt das nur mehr auf), sondern zuerst und oft unbemerkt diejenigen, die nicht unbedingt in ihrem Idealberuf arbeiten.


    Das muss man stets betonen!


    Zum Thema: Ich würde bei deinem Therapeuten / Arzt anfragen, welches Vorgehen er/sie in deiner konkreten Situation momentan am Geeignetsten findet.

  • Zitat: " die besagen, dass Burnout nicht wie bisher angenommen in erster Linie die überengagierten trifft (bei denen fällt das nur mehr auf), sondern zuerst und oft unbemerkt diejenigen, die nicht unbedingt in ihrem Idealberuf arbeiten."


    Ich denke, das eine schließt das andere nicht aus. Ich arbeite nicht in meinem Idealberuf und war/bin trotzdem überdurchschnittlich engagiert, weil ich einfach ein Arbeitstier bin und es mag, Dinge in Gang zu setzen.
    Mit dieser Polarisierung anzufangen ist m.E. gefährlich - dann ist man ganz schnell auf der "Selbst schuld" - Schiene, womit niemandem geholfen ist.


    Danke auf jeden Fall für eure Mutmach-Antworten!
    Krankschreiben lassen möchte ich mich nicht. Bis zu den Weihnachtsferien schaffe ich es irgendwie und hoffe dann, erstmal zur Ruhe zu kommen, Abstand zu gewinnen und neue Kraft zu schöpfen. Als erste Maßnahme ist tatsächlich wohl eine Stundenreduktion sinnvoll.
    Weiß jemand, ob man eine Chance hat, zum nächsten Schuljahr zu reduzieren, auch wenn man die Frist verpasst hat? Diese war bei uns vor 4 Wochen - da hatte ich bereits überlegt, den Gedanken aber wieder verworfen.

  • Ich kann deine Situation voll und ganz nachempfinden, vor allem auch mit dem Burnout-Syndrom.


    Gerade deshalb möchte ich dir allerdings zu bedenken geben, dass das hier:

    [....] hab ich inzwischen das Gefühl, vor einer Wand aus Ablehnung und Missachtung zu stehen. Ich habe das Gefühl, dagegen überhaupt nicht mehr anzukommen.

    ... nicht unbedingt der Realität und der Meinung deiner Schüler entsprechen muss.


    Der Mensch neigt gerade im akuten Burnout dazu, eine verzerrte Wahrnehmung zu haben, die allein auf subjektivem Befinden und der eigenen momentanen Gefühlslage beruht.
    Vielleicht würde ein hospitierender Kollege auch sagen, dass alles bestens ist und die Schüler dich schätzen...


    Und ja natürlich:
    Professionelle Unterstützung (erstmal durch einen Therapeuten) ist sicher ein guter Ansatz....


    Alles Gute dir
    Lillyfee

  • Liebe Lillyfee,
    nee, alles in Ordnung ist sicherlich nicht - so wahrnehmungsverzerrt kann ich gar nicht sein ... :)
    Aber worin du sicher Recht hast, ist, dass man in so einer Phase alles noch schwärzer sieht als es ohnehin ist.
    Heute habe ich mir auch gesagt: Okay, was ist die Sachlage?
    - Einige Schüler der 10. Klassen finden mich extrem sch... - Na und? Den meisten wird es eher egal sein bzw. sie stehen der Situation neutral gegenüber.
    - Ich habe mich letzte Woche bei einem Konflikt vor der ganzen Klasse absolut unsouverän verhalten. - Das ist ärgerlich, aber ich bin ja auch nur ein Mensch und eben leider auch eher schlecht ausgebildet, was extremes Verhalten von Schülern angeht.
    Usw.


    Hattest du auch Burnout?
    Wobei ich gar nicht weiß, ob ich tatsächlich Burnout habe, ich kann das nicht definieren bzw. abgrenzen gegenüber depressiven Phasen, die ich ja immer wieder hatte.


    Mein Arzt will die Sache mit mir nun verhaltenstherapeutisch angehen; meint, ich könnte da gewisse Strategien und Verhaltensmuster lernen, die helfen.

    • Offizieller Beitrag

    Kann man diesen Beruf mit einer solchen Anfälligkeit ausüben?


    Es gibt da für mich zwei Ansätze: 1. Nein. Die Schüler brauchen absolut stabile, durchsetzungsstarke und ausgeglichene Lehrerpersönlichkeiten, und für Menschen mit Neigung zu Depressionen ist der Job zu anstrengend. 2. Ja. Auch das System Schule muss Menschen eingrenzen können, die begabt und fähig sind (kleines Selbstlob...), aber eben auf Grund ihrer persönlichen Geschichte bestimmte psychische Vorbelastungen haben - eine ehrliche und intensive psychologische Betreuung/Auseinandersetzung vorausgesetzt.
    Ich möchte eigentlich zu 2) tendieren, aber stelle immer wieder fest, dass die Realität anders aussieht.
    Zwei ebenfalls psychisch belastete Kolleginnen, die intensivst gemobbt wurden, sind von meinem jetzigen Schulleiter bereits "ausgesondert" = in Frühpension geschickt worden.


    Ich denke, es hängt sehr von der Peson selbst ab. Ich kenne depressive Menschen, die gut eingestellt und sich im Griff haben und und die Kriterien unter 1 voll erfüllen und in der Schule super zurecht kommen. Ich kenne auch solche, die mit der selben Erkrankung eine hohe Belastung für Schüler und Kollegium darstellen. Ich bin nicht der Meinung, dass das Argument "das muss so ein System auch aushalten können" unbedingt zutrifft: im Zweifelsfall können notenmäßig abhängige und selbst noch nicht erwachsene und leicht zu verunsichernde junge Menschen und Kinder so etwas eben nicht tragen/abfangen. Da müssen andere Lösungen her.


    Burnout mit Depressionen gleichzusetzen ist eher gefährlich - das ist nicht dasselbe. Es gibt Depressionen aufgrund chemischer Dysbalancen in Hirn, solche aufgrund traumatischer Erlebnisse, solche aus Erschöpfung, usf. Und Mischformen. Alle erfordern eine unterschiedliche Behandlung. Eine klare Diagnose ist unerlässlich.


    Stundenreduktion auch nach der Antragsfrist einzuleiten ist oft Verhandlungssache. Einfach mal probieren.

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  • Hattest du auch Burnout?

    Nein, aber ich hatte mich in einer Phase meines Lebens mal an eine "Förderschule - Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung" verirrt 8| . Wenn ich da weiter hätte bleiben müssen, wäre ich auch Burnout gewesen (das geht sicher schon nach ein paar Wochen).
    Verhaltenstherapeutischer Ansatz scheint mir hier auch in die richtige Richtung zu gehen.

  • Hi Jamaica,


    ich kann deine Situation sehr gut verstehen - ich war auch mal in so einer Phase. Wenn du dich selbst verunsichert fühlst, strahlst du das nach außen aus, und leider haben SUS ein Gespür dafür und hauen dann erst recht drauf. Daher mein Rat: stärke erst mal dein Selbstbewusstsein, suche dir Unterstützung durch einen Coach und tu Dinge, die dein Selbstbewusstsein aufpäppeln. Wenn du "dich wieder im Griff hast" REDE mit den SUS - und zwar von Mensch zu Mensch! Das habe ich selbst probiert, und es wirkt Wunder - mach eine kurze Feedback-Runde, wo sie einfach mal sagen sollen, wie sie sich so fühlen. Dann sagst du, wie du dich fühlst, dass du gerade in einer schwierigen Phase bist - natürlich nicht zu viele Einzelheiten. Oder mach einfach mal ne lockere Std. jetzt so vor Weihnachten, wo du ihnen Kekse mitbringst und mit ihnen ins Gespräch über Alltagsdinge kommst und dann so nebenbei auf das Thema Unterricht abschwenkst und vielleicht dadurch herausfindest, was ihnen nicht so passt.
    Und sei nicht so streng mit dir selbst - über sich selbst lachen können wirkt Wunder! Es gibt nicht die EINE Lehrerpersönlichkeit, es gibt eine Fülle von unterschiedl. Persönlichkeiten, die alle auf ihre Art für den Lehrerberuf geeignet sind - keiner erfüllt ALLE Anforderungen! Ich arbeite eher über die Beziehungsebene, ein anderer ist eher der super-strukturierte Typ - das ist doch auch ok! Schüler erwarten keine Perfektion!
    Schlimm finde ich, dass du keine Unterstützung durch die SL erfährst - aber leider ist diese oft mit Menschen besetzt, die für Führungspositionen ungeeignet sind. Suche dir also woanders Unterstützung!
    LG


    Sonnenkönigin

    Unser Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann.

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