Die Welt draußen richtet sich nicht nach den realen Schülervoraussetzungen !

  • Besonders interessant ist die Idee des organischen Lernens / Lebens im Gegensatz zur Überzeugung, dass Leben und Lernen immer linear erfolgen. Ebenso wie der Gedanke, dass für alle Schüler bestimmte Fähigkeiten gleichermaßen relevant sein müssen, um ihre Talente zu entwickeln.


    Vielleicht ticken die Uhren in der Realschule ja anders, aber ich sehe: Bildungsstandards, Kerncurricula und Zentralabitur. Und das ist alles sehr linear aufgebaut (neudeutsch auch: Spiralcurriculum u.ä.) Und die Kompetenzen, die da verlangt werden, sind für alle Schüler dieselben (natürlich "differenziert" nach Niveaustufen). Nennt sich übrigens seit PISA "Output-Orientierung", d.h. es interessiert keinen, was für eine Schülerklientel mit welchen Befindlichkeiten du hast oder welche Ressourcen dir zur Verfügung stehen. Es zählt nur "was hinten rauskommt"


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Zitat Silicium :

    Zitat

    Ich denke Elternschreck hat nichts dagegen, wenn auch andere Schulformen hier mitdiskutiert werden.

    Selbstverständlich habe ich nichts dagegen ! Ebensowenig habe ich etwas dagegen, wenn hier in humorvoller, wie z.B. TMFKAW mit seinem US-Army-Plakat, und kritischer Weise diskutiert wird, auch wenn es meiner Meinung absolut nicht entspricht. Nein, in meinem (!) Thread wünsche ich sogar eine knackig-kantige Diskussion !


    Ich persönlich würde es mir auch eher wünschen, dass wir in einer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung leben könnten, in der sich die Wirtschaft ausschließlich nach dem Menschen richtet. TMFKAW liegt da mit seinem Vergleich der US-ARMY-Werbung gar nicht so falsch. Im Prinzip, ob wir es wollen oder nicht, haben wir die Aufgabe, unsere Schüler für das spätere Arbeitsleben und den Vorstellungen der Firmenbosse fit zu machen. Es ist halt die Realität, und man kann nicht so tun, dass es zu einseitig und unter unserer pädagogischen Würde sei, unsere Schüler für die Welt da draußen zu präparieren. Wer die Ansprüche unserer Firmen und Personalchefs ignoriert und stattdessen pädagogische Utopien verwirklichen möchte, kann dieses nur tun, weil er selbst in einem Sozialbiotop lebt und für die Konsequenzen, die unsere Schüler ausbaden müssen, nicht zur Verantwortung gezogen wird und seine (verbeamtete) Stelle behält.


    Zitat Silicium :

    Eben !

    Und da sehe ich die berufliche Zukunft für unsere Schüler nicht mehr allzu rosig. Und gerade in den Ländern, in denen lehrerzentriert unterrichtet wird, wird in den Schulen effizienter gearbeitet. Die Sache mit der Kreativitätsbildung unserer Schüler, die immer gerne als pädagogisches Trumpf-AS entgegengehalten wird, halte ich schlichtweg für eine Mär.
    Unsere Schüler sind und werden, so wie es jetzt in unseren Schulen so läuft, auch nicht kreativ ! Das behaupte ich hier mal ganz frech.
    Kreativität setzt eine ganze Tüte voll Wissens-Grundlagen und Selbstdisziplin voraus. Beides sehe ich an unseren Schulen nicht mehr so richtig am entwickeln.


    Unter den realen gesellschaflichen Verhältnissen, messe ich z.B. den Erfolg unserer Schule weniger daran, welche merkwürdigen pseudomodernen pädagogischen Konzepte durchgeführt wurden, sondern daran, wie unsere Schüler in der Arbeitswelt klarkommen. Dass wir Lehrer uns da alle nochmal ins Gebet nehmen müssen, wie wir eine größere Effizienz hinbekommen, bleibt für mich außer Frage.8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

    Einmal editiert, zuletzt von Elternschreck ()

  • Wer die Ansprüche unserer Firmen und Personalchefs ignoriert und stattdessen pädagogische Utopien verwirklichen möchte, kann dieses nur tun, weil er selbst in einem Sozialbiotop lebt


    Von welchen Firmen redest du hier überhaupt? Unsere Wirtschaft ist so vielfältig, da wirst du wohl kaum einen Nenner finden, damit du allen gerecht wirst und ihnen billige und widerspruchslose Geister liefern kannst.

    Und da sehe ich die berufliche Zukunft für unsere Schüler nicht mehr allzu rosig. Und gerade in den Ländern, in denen lehrerzentriert unterrichtet wird, arbeiten in den Schulen effizienter. Die Sache mit der Kreativitätsbildung unserer Schüler, die immer gerne als pädagogisches Trumpf-AS entgegengehalten wird, halte ich schlichtweg für eine Mär.


    Dann vergleiche doch mal die Wirtschaftsleistung dieser "lehrerzentrierten" Länder mit Deutschland. So ganz falsch kann bei uns wohl nicht ausgebildet werden, so "bombig" wir es momentan läuft.

  • Es geht nicht um das Rekrutieren widerspruchslose Geister sondern um elementare Fertigkeiten, wie z.B. in Mathematik, Rechtschreibung, sprachliches Ausdrucksvermögen und natürlich auch um Leistungsbereitschaft und gutes Benehmen.


    Zitat raindrop :

    Zitat

    Dann vergleiche doch mal die Wirtschaftsleistung dieser "lehrerzentrierten" Länder mit Deutschland.

    Das kann man so nicht vergleichen und dann schlussfolgern, dass ihr Schulsystem ineffizient sein müsste. Etliche Länder haben halt eine andere geopolitische Voraussetzung und manche müssen erstmal nach der Erblast der Diktatur, wie z.B. in Russland, durchatmen.


    Bei uns sehe ich die Situation so, dass wir die Restsubstanz der vergangenen Wohlstands-Jahrzehnte (hochverschuldet) verfrühstücken.8)

    Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

    Einmal editiert, zuletzt von Elternschreck ()

  • Bei uns sehe ich die Situation so, dass wir die Restsubstanz der vergangenen Wohlstands-Jahrzehnte (hochverschuldet) verfrühstücken


    Du meinst von denen, die in den viel "besseren" Zeiten der 70er Jahre zur Schule gegangen sind? Vielleicht sind es ja genau diese in deinen Augen zu kreativen Kinder, die momentan in der Schule sind, die den Karren wieder aus dem Dreck ziehen, den die jetztigen Generationen mit ihrem Wissen gegen die Wand fahren.

    Das kann man so nicht vergleichen und dann schlussfolgern, dass ihr Schulsystem ineffizient sein müsste. Etliche Länder haben halt eine andere geopolitische Voraussetzung und manche müssen erstmal nach der Erblast der Diktatur, wie z.B. in Russland, durchatmen.

    Genausowenig kann man deiner Schlussfolgerung nachgehen, dass in den "lehrerzentrierten" Ländern effizienter gerlernt wird, vielleicht lernen sie ja alle das Falsche? Nach welchem Maßstab misst du denn dort, das es effizienter ist? Geht es dir alleine um Wirtschaftsleistung? Dann müsste das amerikanische Schulsystem ja das Beste auf der ganzen Welt sein.

    Etliche Länder haben halt eine andere geopolitische Voraussetzung und manche müssen erstmal nach der Erblast der Diktatur, wie z.B. in Russland, durchatmen.


    Etlichen anderen Ländern wie z.B. Japan, die wohl eines deiner "lehrerzentrierten" Länder ist, geht es wirtschaftlich nicht ganz so dolle, abgesehen von der immens hohen Selbstmordrate unter SchülerInnen.

    • Offizieller Beitrag


    Hm, nach meinem Empfinden wurde zu oft "Der Schüler" und "Die Eltern" formuliert - daher fühlte ich mich verpflichtet, weniger generalisierend zu arbeiten. Aber vielleicht habe ich da auch falsch "gehört".



    Mikael: Nein, Nein, ich habe nur angemerkt, dass die Ideen, die Robinson äußert, in diese Richtung gehen - das, was an den Schulen stattfindet, ist schon das, was du da vor Augen hast.


    Kuschlerin: Ja, das kannte ich schon, das Ding ist super...und immer, wenn ich kurz vor dem System-Verzweifeln stehe, guck ich mir sowas an...:)

  • Zitat

    Im Prinzip, ob wir es wollen oder nicht, haben wir die Aufgabe, unsere Schüler für das spätere Arbeitsleben und den Vorstellungen der Firmenbosse fit zu machen. Es ist halt die Realität, und man kann nicht so tun, dass es zu einseitig und unter unserer pädagogischen Würde sei, unsere Schüler für die Welt da draußen zu präparieren.


    Ich würde meinen Beruf an den Nagel hängen, wenn ich ein derart enges an der wirtschaftlichen Nützlichkeit und Verwertbarkeit ausgerichtetes pädagogisches Selbstverständnis hätte. Aber das ist unser neoliberaler Zeitgeist - die Ära des "Humankapitals" -, den du hier unentwegt propagierst und der sich gaaanz langsam seinem Ende zuneigt. So zu tun, als ob diese Ideologie DIE alles Wahre sei, empfinde ich äußerst undifferenziert. Alle Bildung, die betriebswirtschaftlich unrentabel ist, hat in diesem Weltbild keine Platz, gehört - ich überspitze - ausgerottet. Was wäre aus dem Land der Dichter und Denker, der Aufklärung, geworden, wenn sich die damals führenden Köpfe der betriebswirtschaftlichen Logik hätten unterwerfen müssen?


    Wer die entsprechenden Pragraphen in den Schulgesetzen "Aufgaben/Auftrag der Schule" in Gänze(!) liest - ich habe eben in einige online verfügbare reingeschaut - wird verblüfft sein, was da sonst noch drin steht. Da geht es nämlich auch um Bildung und Erziehung - mancher mag es womöglich kaum glauben.


    Dass du, lieber Kollege Elternschreck, heute Lehrer bist, liegt daran, dass du die Gnade der Bildung erfahren hast und irgendwann gelernt hast, Verantwortung für dich selbst zu übernehmen (steht im übrigen auch in den Gesetzen). Die Wahrscheinlichkeit, dass du Verantwortung erlernst, ist aber bei weitem geringer, wenn du als Schüler überwiegend(!) nur das abzuarbeiten hast, was dir irgendein geliebter oder gehasster Lehrer Tag für Tag vorgibt! Schüler brauchen Aufgaben, an denen sie wachsen können, ihre Persönlichkeit ausbilden können. Um es mit deinen betriebswirtschaftlichen Gedankengängen zu formulieren: Unternehmen brauchen nicht Marionetten, denen "sie" bei jeder Kleinigkeit hinterher rennen müssen, bei denen sie sich nicht auf die dressierten Mitarbeiter verlassen können, sondern sie "brauchen" verantwortungsbewusst handelnde Menschen.


    Welche Verantwortung für sich selbst, für ihre Persönlichkeit, übernehmen die Schüler in deinem Unterricht? Was ist Verantwortung wert, wenn sie allein auf dem Hintergrund begründet ist, dass man als Schüler sonst eine schlechte Note bekommt? Welchen Sinn können Schüler in dem Unterricht bei dir erkennen? Was hat Schule mit ihnen überhaupt zu tun? Früher funktionerte Schule so gut, weil sie auf der Angst vor Strafe durch Eltern und Lehrer fußte. Ich bin froh, dass wir in diesem demokratischen Staat endlich darüber hinweg sind. Das Problem ist nur, dass wir uns jetzt etwas anderes überlegen müssen, um Schüler zur Bildung zu bringen, sie zu motivieren. Dass das nicht mehr möglich ist, wenn man alle über einen Kamm schert, sollte logisch erscheinen. Da helfen dir auch kaum deine ständigen Effizienzbekundungen weiter, die auch nur Teil des neoliberalen Zeitgeistes sind. Effizienz ergibt sich von allein. Dann, wenn ein Schüler Verantwortung für sein Lernen übernimmt. Lernen einfordert. Wann haben die Schüler "Lernen" bei dir eingefordert? In meiner Schulzeit war ich zumindest froh, wenn Unterricht ausgefallen ist - YEAH! FREISTUNDE!


    Zitat

    „Die Zukunft der Bil­dung heißt Per­sön­lich­keits­bil­dung. Wir brau­chen 'Intel­li­genz plus Charakter'.”

    (Martin Luther King)
    Charakter kann man nur nicht "vermitteln". Den muss man sich an bedeutsamen, an sinngebenden(!) Aufgaben erarbeiten, Aufgaben, an denen man wachsen kann.

  • Ich weigere mich auch als Lehrer, immer die Wirtschaft / den Personalmanager von Firma XY im Kopf zu haben. Ginge es nach der Wirtschaft, könnte einige Fächer, die ich aber für eine gute Allgemeinbildung unumgänglich halte, wohl wegfallen.


    Aber: Was bedeutet "fit" machen, für die Welt draußen? Was ist Firmenbossen heute wichtig?
    Aus meiner Sicht hat die Schule durchaus einen Auftrag: Eine gute Allgemeinbildung vermitteln, dazu bestimmte Fähigkeiten / Verhaltensweisen, die in fast allen späteren Tätigkeitsfeldern nötig sind ... oder auch nur im Zusammenleben in der Gesellschaft (Sozialkompetenz, Teamfähigkeit, problemlösendes Denken, Eigenverantwortung ... und, da das scheinbar in manchen Elternhäusern nicht mehr so geschieht, auch höfliches Auftreten). Von daher gebe ich Kuschlerin recht: Bildung und Erziehung sind die Ziele (nur ... das kann durchaus auch von der Wirtschaft gewünscht sein - ich glaube sogar, dass das vielen Firmenbossen wichtig wäre ... und: das hat auch etwas mit Anforderungen / Forderungen stellen zu tun und an bestimmten Punkten - z.B. so im Übergang von Grundschule in die Sekundarstufe - wäre es wünschenswert, wenn in bestimmten Bereichen möglichst viele SuS bestimmte Anforderungen möglichst gut erfüllen würden ... das sollte evtl. unser Streben sein ... gleiches gilt dann natürlich für den Übergang Schule - Berufsleben oder Studium).


    Ich würde allerdings widersprechen, wenn man sagt, dass Schule früher nur aus Angst vor Strafe durch Eltern und Lehrer funktionierte. Wie war das mit Pauschalisieren? Angst hatte ich während meiner Schulzeit keine ... es hat bei mir aber gut geklappt ... weil:
    - meine Eltern mir überzeugend darlegen konnten, dass das alles nicht sinnlos ist
    - ich das Gefühl hatte, Eltern, Lehrer und auch ich wollen eigentlich das Gleiche
    - meine Lehrer Regeln aufgestellt haben - mit transparenten Konsequenzen - und diese Regeln auch gerecht durchgesetzt haben
    - ich grundsätzlich daran interessiert war, etwas zu lernen (und das sind Kinder eigentlich immer - die Frage ist, wann und warum ihnen dieses Bedürfnis abhanden kommt)
    - ein gewisses Vertrauen in Eltern und Lehrer da war, dass sie das Beste für mich wollen (und nicht das Bequemste)
    - ich das Gefühl hatte, gefordert zu sein
    - ich altersgemäß Eigenverantwortung bekam


    Ich war übrigens auch froh, wenn Unterricht ausfiel ... den z.T. äußerst verbissenen Versuchen des KMs, den Unterrichtsausfall zu vermindern stehe ich als Lehrer skeptisch gegenüber (als Schüler würd ich den passiven Widerstand wählen).


    Möglicherweise besteht auch über die ZIELE viel größere Übereinstimmung, als über die MITTEL, wie sie zu erreichen sind.

  • Wenn ich an "früher" denke, dann denke ich an die Schule, die mit Rute und Stock hantierte, in der körperliche Züchtigung durch Eltern und Schule als selbstverständliches Mittel der Erziehung betrachtet, Gewalt gegenüber dem "Zögling" also noch gesellschaftsfähig war. Meine Eltern erzählen bis heute davon, wie sehr sie die Angst vor der körperlichen Strafe zum Lernen angetrieben hat. Mag sein, dass das nicht bei allen so war.

  • Öhm ... ok ... nö, so lange ist meine Schulzeit nun doch nicht her (allerdings erzählt mein Vater auch nicht gerade unglücklich von seiner Schulzeit, mag aber eine Ausnahme sein).

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