Musikunterricht und GU Kinder mit Förderbedarf in emotionaler und sozialer Entwicklung.

  • Ich habe zwei Kinder mit Förderbedarf in emotionaler und sozialer Entwicklung in meiner Klasse.
    Soweit haben wir uns aneinander gewöhnt und mit viel Unterstützung arbeiten sie auch meistens im Unterricht mit.
    Nur nicht in Musik.
    Das halten sie gar nicht aus.
    Sie machen Quatsch, reden, bleiben nicht auf ihrem Platz, sondern versuchen, herumzutoben... wenn sie doch mitsingen, dann in der Regel zu laut oder zu schrill oder grölen... alles absichtlich... oder sie singen gar nicht und machen Gegengeräusche.
    Der eine hält sich dabei auch noch die Ohren zu.
    Manchmal fragen sie, ob sie nicht lieber Mathe in der Parallelklasse machen dürfen.
    Und es ist dabei egal, welche Art von Liedern gesungen werden, ob selbst Musik gemacht werden soll, ob gespielt werden soll... tanzen ist ganz schlimm...
    Auch klassische Musik ist für diese Kinder nicht auszuhalten.
    Arbeitsblätter über das Leben von Komponisten bearbeiten sie fast erleichtert... wenn auch mit kurzer Konzentrationsspanne, weil das bei ihnen halt so ist.


    Aber Musik überfordert sie offensichtlich... sie halten das nicht aus.
    Bislang ist mein Musikunterricht komplett an ihnen vorbei gegangen.


    Warum ist das so?
    ich würde das gerne verstehen, um in meinem Unterricht auch diese beiden KInder berücksichtigen zu können.


    was macht ihr mit solchen KInder im Musikunterricht?

    Das Leben ist unberechenbar. Iss das Dessert zuerst!

  • Ich arbeite nur mit Kindern aus diesem Bereich und meine bisherige Erfahrung zeigt mir, dass gerade das Singen und Musizieren für einige Kinder unerträglich ist. Das trifft eigentlich vor allem auf diejenigen zu, die eine Autismussprektrumsstörung haben. Ein Schüler, der schon etwas älter war, beschrieb es mal, es sei, als ob ihm einer mit den Fingernägeln von innen an der Schädeldecke entlang schramme. Aus meiner aktuelle Lerngruppe empfinden etwa 50% mediative Musik so nervenaufreibend, dass sie sich anschließend nicht auf den folgenden Unterricht konzentrieren können. Der andere Teil empfindet es als beruhigend.
    Der theoretische Musikunterricht klappt mit allen. Beispielsweise Notenlehre. Ich hatte auch schon einen 13-jährigen Schüler der sich 10 Meter vor dem Musikraum auf den Boden geworfen hat, weil er die Qual nicht aushalten konnte, dass er eventuell 45 Minuten Musik machen oder hören sollte. Da war nichts mehr zu machen.
    Rhythmisches Klatschen geht wiederum bei den meisten. Auch sind sie aufgeschlossen den Lebenslauf eines Künstlers kennenzulernen, besonders wenn sie wissen, dass sie keine Musik hören werden.
    Nicht wenige haben mir den Vorschlag gemacht lieber an den Hauptfächern zusätzlich zu arbeiten (!!!), als zu Musik zu gehen.


    Mein Vorschlag an dich: Biete den Schülern an im Bereich Singen und Musik hören teilzunehmen und nach einigen Minuten - ohne große Worte- in eine andere Klasse zum Arbeiten zu gehen.
    Bei theoretischen Aspekten müssen sie aber anwesend sein und vielleicht auch das ein oder andere Musikstück hören oder der Klasse beim Singen zuhören. Wenn die Beziehungsebene zwischen dir und den Kindern passt, schaffen sie vermutlich diese Differenzierung.


    Wenn du sie aus dem Musikunterricht ausgliederst, wirst du merken, dass sie in anderen Fächern besser mitarbeiten wollen. Als Dankeschön.

  • Vielen Dank, das dachte ich mir ja schon, dass das nicht nur an mir und meinem Musikunterricht liegt.
    Interessant, dass diese Erfahrung nicht nur ich mache... könnte ja direkt ein Thema auf Fortbildungen sein... Musikunterricht passt nicht für diese Kinder.


    Derjenige Schüler, der sich in Musik die Ohren zuhält hat auch deutliche autistische Verhaltensweisen... auch das passt.


    Und dein Beitrag zeigt mir, dass ich meinen Musikunterricht dann gar nicht auf diese Kinder zuschneiden kann, da sie jede Art von Musik unerträglich finden.
    Wir müssen da Kompromisse finden.
    Also kann eine Differenzierung fast nur so aussehen, dass sie nur an theoretischen Teilen des Musikunterrichts teilnehmen und sich ansonsten in eine andere Klasse zurückziehen dürfen.
    Das ist auch ganz im Sinne meiner Schüler... ihr eigener Vorschlag. Den werde ich jetzt also mal positiv und wohlwollend berücksichtigen.
    Da die Beziehungsebene zwischen mir und den Schülern passt, werden wir da unseren Weg finden.

    Das Leben ist unberechenbar. Iss das Dessert zuerst!

  • Gerne geschehen, @ caliope und Jazzy. Freut mich.


    Caliope, ich denke, dass du ein sehr gutes Gespür für deine Beiden hast! Hut ab.
    Und ich kann dich nochmals bestärken, dass du, wenn deine Kinder da so gestrickt sind wie meine, dich auf den Kopf stellen, mit Verstärkerplan arbeiten oder dir unendlich viele Gedanken machen könntest und du würdest nur Frust auf beiden Seiten aufbauen.
    Wichtig wäre mir, und du schreibst es ja auch, dass sie an den erträglichen und leistbaren Teilen teilnehmen.


    Falls du einen Förderplan schreiben musst, wären die denkbare Ziele:
    - die eigenen Grenzen im Musikunterricht wahrnehmen
    - beim Erreichen der Grenzen im Musikunterricht die vereinbarten Verhaltensregeln einhalten (z.B. leise das Klassenzimmer verlassen und leise das andere Klassenzimmer betreten. Oder: Ohrenschutz aufsetzen und Mathemappe bearbeiten ...)
    - etc. pp

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