Vorbild Finnland! - Standardisierung ist der Feind aller Kreativität

  • Ich bin überhaupt kein Fan von Finnlandverherrlichung. Aber das hier habe ich doch mit äußerstem Interesse gelesen:
    http://www.zeit.de/2013/37/lehrer-eignung-auswahl-finnland
    Während bei uns auf Deubelkommraus Evaluation durch Schulinspektoren und standardisierte Testverfahren fetischisiert wird, geht es woanders erfolgreich ohne diesen ganzen Zirkus. Wusst ichs doch.


    putzi

    "I think it would be a great idea." (Mohandas Karamchand Gandhi when asked what he thought of western civilization)

    • Offizieller Beitrag

    Genau das Prinzip, das ich auch im Unterricht anwende - ein hohes Vertrauen in die Schüler und deren Selbstverantwortung: und bei mir funktioniert's.


    Leider traut man uns das nicht zu.


    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Zitat

    Dann werden sich die Lehrer übergangen und in ihrer Freiheit eingeschränkt fühlen, weil sie plötzlich das Gefühl haben, sie müssen ihre Schüler auf Tests vorbereiten, können aber nicht mehr frei entscheiden, wie sie ihren Unterricht gestalten.


    G-A-N-Z G-E-N-A-U.


    Ich arbeite in NDS und es geht im Leistungskurs mächtig Zeit drauf für Training zum Verhalten und zu Strategien in Leseverständnistest, Hörverständnisaufgeben und Sprechprüfungen. Alles für den Gott der Standardisierung.


    Lasst uns auf die Schulter klopfen: Wir haben die Inhalte überwunden. Ein Hoch auf Methodenfirlefanz und den Standard.


    Es geht schon soweit, dass die Kollegen ganzer Jahrgänge sich eine Klausur teilen (wird 6mal geschrieben in 6 Kursen /Klassen). Alles in Namen der Kollegialität, unbewusst aber im Namen der Vergleichbarkeit.


    Da wird individuelles Fördern und Fordern propagiert und am Ende wird alles über einen Standard geschoren. Und das leider von begeisterten Kollegen.


    Immer öfter mit Brechreiz zum Dienst gehend
    Raket-O-Katz

    • Offizieller Beitrag

    Es geht schon soweit, dass die Kollegen ganzer Jahrgänge sich eine Klausur teilen (wird 6mal geschrieben in 6 Kursen /Klassen). Alles in Namen der Kollegialität, unbewusst aber im Namen der Vergleichbarkeit.


    Hm. Das koordinierte Arbeiten machen wir (in den Sprachen) schon seit Jahren, schon lange vor den Bildungsstandards (!) - und ich finde, das hat mit dem oben im Beitrag nicht unbedingt etwas zu tun: wenn es in Form eines Angebots funktioniert - wir haben zu jedem inhaltlichen Thema einen mittlerweile riesigen Materialpool aus dem jeder aussuchen kann und wir sind immer in Kontakt - das hat, im Vergleich zu früher, die Gesamtarbeit in Vorbereitung und Konzeption um mindestens 30% reduziert. Für die neuen Kollegen um mehr als 50%, wie sie immer wieder betonen: sie brauchen nur auszusuchen und können sich darauf verlassen, dass es erprobtes und im Schwierigkeitsgrad angemessenes Material ist, sie könnn damit so umgehen wie im Material angegeben oder eben anders ... wer will, kann natürlich eigenes erstellen (und in den Pool geben).


    Jeder kann, muss aber nicht die Materialien verwenden und kann natürlich in seinen Kursen arbeiten wie er will. Die Klausuren sind da, werden von den meisten geschrieben - wer nicht kann, weil er oder sie vielleicht anders gearbeitet hat, steigt halt einmal aus. Die Schüler schätzen es sehr, weil sie immer eine Orientierung haben, eine hohe Verlässlichkeit da ist, was die Qualität angeht, selbst wenn Lehrer erkranken, gibt es Möglichkeiten per lonet auf Teile des Materialpools zuzugreifen, und die Kollegen schätzen es, weil die Arbeitserleichterung immens ist und man immer im Austausch mit denandren auch die eigenen Arbeit kollegial überprüfen und verbessern kann, aber nicht muss.


    Daran sehe ich nichts Verkehrtes, im Gegenteil.


    Mir ging es bei meiner Zustimmung oben eher um die Übertragung auf ein generelles Misstrauen gegenüber Lehrern in Deutschland, das sich zB (aber nicht nur) in staatlichen Kontrollen wie Schulinspektionen ausdrückt - bei denen meines Wissens noch nie etwas Positives (oder Negatives - oder überhaupt irgendwas) für die Schulen herausgekommen ist, was aber Jahr für Jahr Unsummen verschlingt.
    Gegen standardisierte Tests hätte ich nichts, wenn es ganz am Ende extern und völlig unabhängig geschähe - zB wie bei den Cambridge Prüfungen. Finnland hat auch ein Zentralabitur. Und es gibt viele zentral gestellte diagnostische Leistungsstanderhebungs-Tests, die man anwenden kann. (!) Das finde ich nicht so schlecht.


    Das Wichtigste in Finnland dürfte aber das Folgende sein:


    Hier machen Lehrer im Prinzip alle oben genannten Jobs UND begegnen einem hohen Misstrauen. Das kann nicht funktionieren.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

    3 Mal editiert, zuletzt von Meike. ()

  • Meine Kolleginnen kommen gerade aus Finnland und bestätigen genau das, was Meike im letzten Beitrag zitiert hat.

  • Lasst uns auf die Schulter klopfen: Wir haben die Inhalte überwunden. Ein Hoch auf Methodenfirlefanz und den Standard.


    Sollte ein Standard nicht die Inhalte festlegen?

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :_o_P


    8_o_) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Nach Meikes Beitrag ist mir schon was anders... Das ist ja wirklich ein Traum.


    Und das zeigt natürlich auch, warum die Einzelkämpfermentalität so weit verbreitet ist unter deutschen Lehrern.

    Quiet brain, or I'll stab you with a Q-Tip!


  • Sollte ein Standard nicht die Inhalte festlegen?


    So wie ich es hier erlebe, sind die Inhalte zweitrangig. Hauptsache es werden die Kompetenzen überprüft (Hören, Sprechen). Lediglich bei Aufgaben zur Textproduktion ist der Inhalt von Bedeutung, weil er zum Semesterthema passen muss.


    Zu Meike:
    Das mit den Klausuren hatte ich anders gemeint. So wie es bei auch läuft ist das super. Hier haben sie Kollegen Angst und sind unsicher. Teils weil sie unerfahren sind, teils wie sie Kritik der Eltern (Klagen etc.) fürchten. Da bietet es sich an, wenn der gesamte Jahrgang die selbe Klausur schreibt. Ich empfinde das als Gängelung.


    Grüße sendet
    Raket-O-Katz

  • Ich denke, dass es das ist, was das finnische System ausmacht: Alles, was den Unterricht stört (gesundheitliche, soziale, psychologische Faktoren) werden von dafür geschultem Personal aufgearbeitet und der Lehrer davon entlastet, so dass er sich auf den Unterricht konzentrieren kann.
    Das erfordert eben entsprechendes Personal in den Schulen und Geld im System.


    Wenn mir ein Schulpsychologe auf einer Fortbildung sagt, dass er für einen ganzen Landkreis mit vielen Schulen und tausenden von Schülern zuständig ist und seine Aufgabe nur in Einzelfällen in individueller Beratung, sondern mehr in der Ausbildung und Schulung von Multiplikatoren (Lehrern) sieht, damit die sich dann vor Ort der Probleme besser annehmen können, dann stimmt doch etwas nicht! Und die Probleme nehmen ja zu...


    Bei den Finnen merkt man, dass ihnen jedes einzelne Kind eben wirklich wichtig ist...und sie sind bereit da zu investieren!

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