Interessierte Schüler selten geworden?

    • hallo Zusammen :)


    Ich bin Lehrerin an einem Gymnasium und unterrichte hauptsächlich die Oberstufe. Manche Schüler sind immer noch extrem unmotiviert, machen selten mit und sitzen eher ihre Zeit ab, aber andere zeigen auch wirklich Interesse am Thema, und dies deutlich stärker als in der Sek I
    Ist es bei euch auch so, dass euch diese Schüler sozusagen beruflich "am Leben halten" ? :D Ich freue mich immer total über diese Aha-Momente und das kurze Augenblitzen in interessierten Blicken. Jedoch bin ich in einer desinteressierten Klasse auch gleich viel unengagierter weil ich meine gegen eine Wand zu reden. Ist das bei euch auch so?


    Letztes Jahr hat mir ein Schüler meines Deutsch Leistungskurses nach dem Abi erzählt er wolle Literaturwissenschaften studieren - von dieser Aussage konnte ich erstmal 2 Wochen Energie zehren :verliebt:
    Merkt ihr diesen starken Einfluss von motivierten, lernwilligen Schülern auch?

    • Offizieller Beitrag

    Ich häng's nicht nur an den Lernmotivierten auf. Generell kann ich aus Vielem zehren:
    - der stille Schweiger hat bei dem Rollenspiel mal einen Part von mehr als 2 Sätzen gesprochen = :) ,
    - die eher oberflächliche Fashionista hat sich endlich ein Mal über was Politisches aufgeregt = :) ,
    - der Vokabularverweigerer hat sich in der Schreibübung mal eloquent ausgedrückt = :) ,
    - überforderter Schnuffi hält in der 5minuten-Pause ein Schwätzchen mit mir und erzählt, dass er in Bio 10 Punkte hat "nur, dass Sie nicht denken, ich wär überall so wie in Englisch" = :) :) ,
    - oder Leseratte kommt nach der Stunde schwärmend mit einem Roman von Hermann Hesse (*stöhn*) an und will wissen, wie ich den finde.. :) .. (öh..)


    Ich mag die Menschen, mit denen ich arbeite, generell. Bei 90% finde ich früher oder später auch etwas, WOFÜR ich sie mag.


    Das muss nicht immer nur Leistung sein. Der eine hat nen schrulligen Humor, die nächste einen stillen, feinen Charakter und der übernächste kriegt in Englisch vielleicht nichts auffe Reihe, hat aber ein Talent für Soziales und organisiert jedes Kurstreffen mit. Klar nerven einige mich auch manchmal damit, dass sie Dinge nicht auf die Kette kriegen, aber grundsätzlich mag ich die alle.


    Die Kollegen mag ich überwiegend auch.
    Und wo man die Leute mag, da geht man gern hin zum Arbeiten.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Ich kenne das auch, dass ein ständig meckernder Haufen von unmotivierten Teenies nicht gerade meine Stimmung hebt. Und ist ja auch irgendwie logisch, schließlich arbeiten wir in einem sozialen Beruf.


    Im Gegensatz zum Schreiner, der am Ende des Tages einen Tisch da stehen hat, hängen unsere Erfolge mit sozialen Zielen zusammen, sprich: die Erfolge anderer stellen uns zufrieden:

    ... von dieser Aussage konnte ich erstmal 2 Wochen Energie zehren

    Ich merke für mich, dass ich aufpassen muss, dass daraus keine frustrierende Spirale entsteht. Es ist ungut für alle, wenn andere für meine Lebenszufriedenheit verantwortlich sind!


    Daher noch mal zu dem, was Meike. und Friesin gesagt haben: Wenn man verschiedene Angebote bereit hält, so dass jeder Schüler seine Stärke auch zeigen kann (Diskussionen, Freies Schreiben, Theater, Unterrichtsgang...), dann macht der Tag auch wieder Spaß, weil man sich wieder mit dem freuen kann, der dabei auflebt.
    Und der, der schlechte Laune schiebt, bei dem bleibt sie auch. Er ist nämlich für seine Laune selbst verantwortlich und ich für meine ;)

  • Ist es bei euch auch so, dass euch diese Schüler sozusagen beruflich "am Leben halten" ?

    Nein, ich "lebe" als Lehrerin für alle, auch für die Unmotivierten. Dafür bekomme ich Geld und zwar nicht zu knapp. ;) Ich erwarte allerdings von ALLEN, dass sie sich mir und den Mitschülerin gegenüber höflich verhalten, ein einigermassen freundliches Gesicht aufsetzen auch wenn sie noch so unmotiviert sind, ihre Unterlagen dabei haben, ihre Aufgaben bearbeiten und wenigstens den Unterricht nicht stören, damit die, die wollen, konzentriert mitarbeiten können. Für einen Oberstufenschüler, der die obligatorische Schulzeit hinter sich hat, gehört sich das ganz einfach so.


    Natürlich freue ich mich, wenn sich SchülerInnen interessieren und Fragen stellen. Ich kann eigentlich auch überhaupt nicht klagen, dass ich von dieser Sorte zu wenige hätte. Soll tatsächlich auch in einem Fach wie Chemie vorkommen, dass hin und wieder spannende Dinge im Unterricht passieren. ;)

  • Für mich sind die Schüler, die mal eine Frage stellen toll. Ich antworte gerne so knapp wie möglich und so ausführlich wie nötig, wenn es wirklich etwas Sinnvolles ist in meinen Augen.
    Die Schüler danken mir diese Nachlässigkeit an anderer Stelle wieder.


    Da ich in Realschulen in Brennpunkten arbeite, ist diese Beziehungsarbeit ganz wichtig geworden. Und wenn man den Schülern mit Begeisterung auf ihre Fragen antwortet, nehmen sie auch die Motivation für das eigene Fach ab und lassen sich ein bisschen mehr drauf ein.


    Ansonsten sind motivierte Schüler tendenziell schon weniger geworden. Vermutlich wird diese Generation die nächste Autoritätsgeneration, weil sie keinen Bock hat, die eigenen Interessen sehr weit nach hinten zu stellen. Das werden dann die Kinder spüren.

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