Schüler können Analoguhr nicht mehr ablesen

  • Schwer ist relativ, es ist auch nicht für alle Kinder schwer. Es ist nur so, dass es kein anderes Unterrichtsthema in der Grundschule gibt, wo die (Vor)Kenntnisse so dermaßen unterschiedlich sind. Klar sind wir Heterogenität gewöhnt, aber bei den Uhrzeiten ist es einfach unglaublich schwer, allen gerecht zu werden. Es gibt immer ein paar Kinder, die die Uhrzeit längst können und für die das alles pillepalle ist und viele, für die es unendlich schwer ist. Schwer ist es aufgrund der 60er statt 100er, dann aufgrund der unterschiedlichen Bezeichnungen der Uhrzeiten vor und nach 12 Uhr mittags und der unterschiedlichen Sprechweisen, die anders sind als die Schreibweise der Uhrzeit. Dann noch Stunden- und Minutenzeiger, die oft verwechselt werden und unterschiedliche Bedeutungen bei gleichem Stand haben... also so easy wie manche hier tun ist das Lernen der Uhrzeit eben nicht. Insbesondere nicht, wenn die Kinder noch kaum Vorerfahrungen haben.
    Ich bin in der 1/2 und behandel das Thema dementsprechend jährlich, aber NIE können alle die Uhrzeiten, wenn sie ins dritte Schuljahr gehen und das obwohl wir viele leistungsstarke Kinder haben. In den ersten Jahren hat es mich gewurmt, aber mittlerweile nehme ich das gelassen. Das ist einfach etwas, wo manche Kinder zu Hause weiterüben müssen.

    • Offizieller Beitrag

    mit Viertel vor/Viertel nach/Halb

    1. Das sind 3 absolut ungewöhnliche Begriffe, die erst einmal auswendig erlernt und gemerkt werden müssen. Der Bezug zur Lebenswelt ist gering, denn eine halbe Pizza oder eine viertel Pizza ist etwas anderes als "Halb" und "Viertel", eine Uhr ist ja nicht zerbrochen.
    2. Nun müssen wir halb und Viertel in Verbindung mit diesen komischen Zahlen und Zeigern auf der Uhr bringen. Komische Sache, wer hat sich das ausgedacht?


    Zitat von Lehramtsstudent

    16:28 Uhr = kurzer Zeiger

    3. Nun üben wir, den kurzen und den langen Zeiger zu unterscheiden. Solange du keine verschiedenen Farben nimmst, bleibt das für einige Kinder ein Rätsel, sie sehen es nicht. Selbst mit Farben muss es trainiert werden.


    Zitat von Lehramsstudent

    auf der 4

    4. Fachlicher Fehler. Der kurze Zeiger ist zwischen 4 und 5, etwa mittig. Das zu verstehen benötigt ein intensives Training.


    Zitat von Lehramsstudent

    (weil 16-12=4)

    5. Nachdem wir in mühsamer Kleinarbeit den Kindern vermittelt haben, dass unser System dekadisch aufgebaut ist, kommt nun eine 12 ins Spiel. Völlig unverständlich, selbst wenn man weiß, dass die Uhr "bis zur 12 zählt". Braucht einige Übung. Danach üben wir das Verknüpfen der Uhrzeiten "4 und 16". Nebenbei muss noch klar sein, wann welche Zeit ist.


    Zitat von "Lehramsstudent

    und langer Zeiger zwischen 5 und 6

    Um deinen Text nicht umzustellen, ziehe ich nun die Schritte 10 bis 12 vor:
    10. Keinesfalls selbstverständlich, auch wenn man Uhrzeiten mit langem Zeiger auf einer Zahl ablesen kann. Man muss nun nämlich wissen, dass man das vorherige Produkt aus der Einmaleinsreihe der 5 nehmen muss.
    11. Man muss die Striche erkennen.
    12. Man muss vom Produkt weiterzählen, nun aber in Einerschritten, obgleich man doch vorher gelernt hat, dass das Ganze etwas mit dem Einmaleins mit der 5 zu tun hat. Was soll das schon wieder?


    Zitat von "Lehramsstudent

    (weil 5*5=25 und 5*6=30).

    6. Man muss das Einmaleins mit der 5 beherrschen.
    7. Man muss das Einmaleins mit der Uhr in Verbindung bringen. Das ist für viele Kinder ein Buch mit sieben Siegeln.87. Man muss erkennen, dass die Zahl, die am Strich steht, mit der 5 multipliziert wird.
    9. Man muss das erhaltene Produkt mit der Uhrzeit in Verbindung bringen.


    Zitat von Lehramtsstudent

    Man muss also nur wissen, wann man welche Rechenoperation anwendet.


    Zum Abschluss sei noch zu sagen, dass man neben der Uhr noch zwölfunddreißig andere Themen hat, die z.T. ähnlich schwierig zu bewältigen sind, d.h. wenn man die Uhr sehr ernst nimmt und sich sehr viel Zeit nimmt, kann man sich zu Lasten anderer Themen vielleicht 3 Wochen (15 Stunden) pro Schuljahr dafür freischaufeln. Das von dir Beschriebene muss in der 1. und 2. Klasse erarbeitet werden - neben dem ersten Berechnen von Zeitspannen.


    Ich lade dich ein, in meiner Klasse das Thema "Zeit" (Schwerpunkt dieses Jahr: Zeitspannen minutengenau berechnen, Fahrpläne ablesen und Fahrzeiten berechnen, Einführen der Sekunde und rechnen mit derselben) zu unterrichten. Leider bleiben aber - selbst wenn ich Deutschunterricht und einige andere Mathethemen dafür opfere - maximal 10 Stunden dafür, damit wir die schriftliche Division noch schaffen.

  • Mara: Interessanterweise ist mir erst bei der Beschäftigung mit Stellenwertsystemen und Modulorechnen im Studium aufgefallen, dass die Kinder damit bereits im Sachrechenunterricht zu tun haben - mir selbst war das damals nie so bewusst. Das Thema "Zeitspannen" ist da allgemein sehr undankbar. Ich meine:
    1 Jahr = 12 Monate = 52 Wochen = 365 Tage
    1 Monat = 4-4,5 Wochen = 28-31 Tage
    1 Woche = 7 Tage
    1 d = 24h
    1h = 60 min
    1 min = 60s


    Da ist es nachvollziehbar, wenn sich Schüler von allen Größen mit den Zeitspannen am schwersten tun. Aber gut - da müssen sie durch. Blöd ist aber wohl wirklich, dass die Vorkenntnisse so eine große Rolle spielen. Ich war ja auch ein Kind, das hinter allem ein mathematisches Modell sah, und verstand nach kurzer Zeit (no pun intended) die Systematik dahinter. Schwierig wird es nur bei Kindern, die überhaupt kein Gefühl dafür haben und wohl auch nicht verstehen, warum man wann welche Angabe verwendet und, wie du schon schreibst, warum Minuten- und Stundenzeiger auf der 4 =/= 4:04 Uhr. Aber am Ende der Grundschulzeit muss jedes Kind die Uhrzeit beherrschen - nicht weil es das Curriculum sagt, sondern weil man sie für's Leben braucht. Da finde ich es gut, dass manche User hier verstärkt Analoguhren im Schulgebäude nutzen. Bei manchen sehr leistungsschwachen Schülern muss man aber wohl die Eltern mit ins Boot holen, denn man kann bei bestem Willen nicht ein halbes Jahr lang Zeitspannen üben - sonst kommt man nicht mehr zur Division oder zu den ebenen Figuren, etc.


    @Conni: Punkt für dich! Wenn man es wirklich derart kleinschrittig betrachtet, sieht es zunächst nach einer Mammutaufgabe aus. Zu 4: War mir klar, habe ich aber bewusst weggelassen, da das ja eigentlich sogar noch eher Bruchrechenverständnis erfordert, was Kinder in der 2. Klasse natürlich noch nicht haben. Aber mal blöd gefragt: Wie haben wir das denn damals gelernt? Wir wurden ja auch nicht mit dem Wissen über Minuten- und Stundenzeiger geboren, sondern mussten uns das mühsam aneignen. Irgendwann konnten wir es aber und ich bin mir sicher, dass das auch auf Schüler von heute übertragbar ist - wenn sie sich nicht mit Händen und Füßen dagegen wehren ;) .

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  • Das Einmaleins ist ja noch simpler und dennoch habe ich in jedem Durchgang Kinder, die es bis Ende 4 nicht kapieren. Den Aufbau etc. schon, aber dann das Lernen. Auch über Hilfsaufgaben, der Gang über die Kernaufgaben ist für schache Schüler meist völlig unklar.

    • Offizieller Beitrag

    Das Einmaleins ist ja noch simpler und dennoch habe ich in jedem Durchgang Kinder, die es bis Ende 4 nicht kapieren. Den Aufbau etc. schon, aber dann das Lernen. Auch über Hilfsaufgaben, der Gang über die Kernaufgaben ist für schache Schüler meist völlig unklar.

    Bis zur 6. lernen sie es oft auch nicht, dafür haben es dann einige wieder vergessen. ;)

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