Hi Melosine,
ich hadere mit! Seit Jahren versuche ich meinen lieben Kolleginnen den Unterschied zwischen freiem und angeleitetem Schreiben deutlich zu machen, aber ich werde leider nicht ernst genommen, sondern mit diesem schrägen "Du-willst-uns-doch-nicht-belehren-Blick" bedacht. Als ich es dann wagte im ersten Schuljahr "einfach so" schreiben zu lassen, wurde mir die RS-Didaktik der 70er-Jahre unter die Nase gerieben, die mir ja schließlich auch nicht geschadet hätte!
Nun ja, zwei Schuljahre weiter, bewegt sich etwas, aber langsam und ich muss zugeben, dass nicht alles funktioniert, was im Seminar hoch gelobt wurde. Schreibkonferenzen wurden tatsächlich als 'Konferenz' sprich Gruppenarbeit gepriesen, galten aber nur fürs vierte Schuljahr, wo ich zu der Zeit nicht eingesetzt war. Deshalb hab ich da anscheinend eine Wissenslücke.
Zu deinen Bedenken bzgl. häufigem Abschreiben, Korrigieren usw. Die Kinder korrigieren ihre Vorschrift lediglich einmal, dürfen darin radieren und ergänzen (dazu lassen wir zwischen den beschriebenen Zeilen immer eine Zeile frei). Das hat heute ganz gut geklappt und auch das Wörterbuch wurde endlich mal richtig benutzt. Jetzt lese ich die überarbeiteten Texte nocheinmal durch und markiere z.B. wörtliche Rede, weil wir das noch nicht geübt haben. Meinen LRS-Kindern tippe ich ihren Text ab, d.h. ich korrigiere nur die RS, der Inhalt bleibt erhalten.
Morgen und übermorgen bekommen die Kinder dann Zeit, diesen Text mit Füller ins Heft zu schreiben.
Das mag aufwändig klingen, hat sich aber, in einfacher Form bereits in den beiden ersten Schuljahren bewährt. Die Kinder wissen, dass ein vorgeschriebener und überarbeiteter Text viel 'schöner' (mir fehlt das richtige Wort) ist und sich dann auch besser für eine Veröffentlichung eignet. Im ersten Schuljahr waren das die ersten Schreibversuche, die ich abtippte und beides nebeneinander, weil gleichwertig, aufhing. Im zweiten Schuljahr dienten die abgetippten Texte als Korrekturhilfe und -kontrolle. Nun gehen wir einen Schritt weiter und die Kinder korrigieren anhand der Handwerker und meinen Hinweisen selbst.
Außerhalb dieser 'Pflichtübungen' schreiben die Kinder viel und gerne, besonders mit Füller (weil das ordentlicher ist! - Begründung der Kinder). Mein Briefkasten ist immer gefüllt und zu jedem geeigneten Sachunterrichtsthema erstellen wir Hefte oder ein gemeinsames Buch. Und dann zeigt sich, dass es den meisten Kindern wichtig ist, auf RS zu achten und sie fragen von sich aus, ob ich die Texte korrigieren kann. Jetzt im dritten Schuljahr merke ich so langsam, dass jedes Kind bestimmte schwierige Wörter hat, die es richtig schreibt und sich eine eigene Merkregel aufgestellt hat. Natürlich muss ich immer wieder auf Nomen, Verben, Adjektive hinweisen, aber es ist schon enorm, was wir nach zwei Schuljahren verlangen!
Lange Rede, kurzer Sinn - Auch für mich gilt: Learning by doing!
Gruß
strucki