Warum nicht? Warum sind objektives sex u./o. intersubjektivierbare gender attribution keine legitimen Orientierungspunkte für Pronomen, sondern vermeintl. nur subjektive gender identity? Sorry, aber die Verwendung von gender identity-basierten Pronomina sind einerseits bereits deskriptiv-linguistisch nicht die Norm (es ist unerheblich, ob dies in Teilen der Gesellschaft, der Belletristik o.ä. gelebte Praxis ist), andererseits ein weltanschaulich-performativer Akt, den wir den Schülern nicht abverlangen können - Sie müssen diese Eigenheiten anderer Personen vielleicht tolerieren (das ist tatsächlich ein Wert, der sich aus usnerer fdGO ergibt), nicht aber akzeptieren oder gar respektieren (d.h. bestätigen, wertschätzen etc., was aber performativ mit Nutzung entsprechender Pronomina einhergeht). Das könnte auch der Grund sein, warum die Tochter hier (legitimerweise) keine geschlechtsneutralen Pronomina nutzt.
Pronomen orientieren sich am referierten Subjekt, nicht an der subjektiven Meinung des Klausurschreibers über dessen Geschlecht. Wenn jemand eine bestimmte Zuordnung für sich wünscht, ist das zu respektieren - insbesondere in Zeiten, in denen dieser Wunsch mit dem Selbstnestimmungsgesetz auch rechtliche Formen annehmen kann. Aus dem Kontext ergibt sich, dass es hier nicht um das biologische Geschlecht geht, sondern um das soziale Geschlecht, daher ist eine bewusste Missansprache weder plausibel noch angemessen. Daher: ein Satz mit rein auf das biologische Geschlecht abzielenden Pronomen mag zwar grammatikalisch richtig sein, hat im Kontext des Ausgangstexts aber eben einen Bezugsfehler, wenn es um eine non-binäre Person geht.
Sprache und sprachliche Konventionen verändern sich im Zuge gesellschaftlichen Wandels. Das hier ist ein Beispiel und ein zentrales Lernziel der Sequenz ist nunmal die Heranführung an einen zeitgemäßen sprachlichen Umgang mit der Thematik der Geschlechtervielfalt. They/them ist in den style guides führender anglophoner Medienhäuser mittlerweile definierter Standard und absolut weitverbreitet gebräuchlich, daher ist es auch angemessen, Schüler damit vertraut zu machen und ihnen in geeigneten Kontexten die eigene Verwendung abzuverlangen.
Und nein – niemand verlangt, dass Lernende diese "Eigenheit" (ich würde es ja eher Identität nennen, aber okay) non-binärer Personen „wertschätzen“ müssen. Aber sie müssen - wie du richtig sagst - tolerieren ud angemessen schreiben. Respekt ist in der Schule keine Frage der eigenen Weltanschauung, sondern der professionellen Haltung.