Beiträge von tibo

    Spannend ist auch, dass die Kritik an dem Freibetrag hier u.a. von der "Leistungsfraktion" kommt. Da frage ich mich, inwiefern Erben eine Leistung ist. Und: Erben steht der Leistungsbereitschaft doch total im Weg. Die Erben haben dann ja gar keinen Anreiz mehr, zu arbeiten. Vielleicht sollten wir Erbschaften Bürgergeld nennen, wenn der Begriff wieder frei ist ^^

    Ich finde, diese Diskussion ist ein guter Hinweis darauf, wessen Wohlstand gesichert werden soll, wenn von der "Sicherung des Wohlstands" gesprochen wird: Menschen mit mindestens einem Vermögen des vierfachen des Medianvermögens.

    Wenn man eine Immobilie im Wert von 700.000 Euro erbt, erbt man damit ca. das siebenfache des Medianvermögens in Deutschland. Die Hälfte der Bevölkerung besitzt also nur ein Siebtel dieses Vermögens oder weniger. Damit ist man im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sehr privilegiert. Dabei fallen dann ca. 35.000 Euro Erbschaftssteuer an. (Korrigiert mich gerne, wenn ich mit den Zahlen falsch liege, das ist wirklich nicht mein Steckenpferd.) Ich sehe nicht, dass das in einem Missverhältnis zu Ungunsten der reichen Erben liegt.

    Das ist immer das Einfachste, wenn man nichts entgegnen kann! 8)

    Stimmt, "Und nun?" ist natürlich inhaltlich richtig etwas entgegengesetzt 8)

    Also framen wir Leistungsorientierung und Interesse an der Sicherung des gesellschaftlichen Wohlstands jetzt auch rechts? Puh.

    Das Buch ist von 2001, nicht von jetzt. Diese Zusammenhänge sind also schon lange bekannt. Es erklärt, warum auch ohne reale Bedrohung Menschen trotzdem Angst vor sozialer und ökonomischer Zurücksetzung haben, was wir hier im Forum unter Beamt*innen sehen wie auch schon unter AfD-Wähler*innen, die ökonomisch mehr Angst haben, zu verlieren, als wirklich verloren zu haben. Es erklärt, weshalb Rechte diese Ängste schüren und für sich nutzen. Seit über 20 Jahren bekannt und benannt. Es geht nicht um Leistung, sondern um Rechte, die vor derm Hintergrund dieser Ängste anschlussfähige Erzählungen gefunden haben, andere Menschen abzuwerten, um sich aufzuwerten - Menschen mit Migrationsgeschichte, Menschen mit Behinderungen, Sozialhilfeempfänger*innen und alles auch im Kontext Schule hier diskutiert. Ich hatte ja mehrere Berichte verlinkt, in denen bewiesen wurde, dass die Angst vor der Ausnutzung unseres Sozialhifesystems größer ist als die tatsächliche Ausnutzung oder gar der wirtschaftliche Schaden. Da passt das Zitat einfach sehr gut.

    "Der Zusammenhang zwischen Leistungs- und Rassismusdiskurs wird auch bei den rechtsextremen Jugendlichen sehr deutlich. Sie identifizieren sich, so die Ergebnisse einer Reihe von Studien (Held et al. 1991, 1996, Heitmeyer 1989 und Heitmeyer et al. 1992), forciert mit herrschenden Werten wie Z. B. mit den »deutschen Wirtschaftsinteressen«. Wir finden bei den rechten Jugendlichen ein instrumentelles Nutzendenken, nachdem jeder in erster Linie danach beurteilt wird, ob er einem nützt oder schadet. Das gilt für EinwanderInnen und Flüchtlinge, aber auch für Behinderte und Sozialhilfeempfänger. Dieter Hoffmeister und Oliver Sill (1993) nennen diesen Einstellungskomplex »Leistungsvergötterung« und »Kriegspfadmentalität«. Ständig werden Neid und Ausbeutungsängste thematisiert mit dem Dauerthema: Wo kann ich was kriegen, denn schließlich gibt uns ja auch keiner was. Auch in der zusammenfassenden Auswertung der Untersuchung zu ostdeutschen Jugendlichen (Friedrich und Förster 1997) zeigt sich ein sehr signifikanter Zusammenhang zwischen Leistung und Rechtsextremismus. Rechte Jugendliche sind in ihren Lebenszielen viel stärker materiell, egozentrisch und pragmatisch als diejenigen, die sich selbst als links einstufen. Diese Befunde stimmen auch mit internationalen Untersuchungen überein, in denen festgestellt wird, dass vor allem diejenigen zu rassistischen Einstellungen neigen, die eine »jungle weltanschauung« haben, wie John Duckitt es nennt, in der jeder sich durchschlagen muss, geprägvon Misstrauen, Zynismus und allgemeiner Negativität. Dabei spielt es keine Rolle, ob man sich selbst ökonomisch oder sozial in einer tatsächlich besonders bedrohlichen Situation befindet. Die wahrgenommene oder besser behauptete Bedrohung hat weniger mit der eigenen Lebenslage als mit der Interpretation der gesellschaftlichen Verhältnisse zu tun. Dabei steht nicht so sehr das ökonomische Eigeninteresse im Vordergrund, sondern ob man glaubt, dass die eigene Gruppe zurückgesetzt wird."

    Birgit Rommelspacher: „Anerkennung und Ausgrenzung. Deutschland als multikulturelle Gesellschaft“


    Da musste ich an so manche Diskussion hier denken.

    Vielleicht hilft eine andere Perspektive, das Verhalten der Kollegin nicht auf dich zu beziehen: Die Lehrerin hat eine Klasse, in der sie weniger Unterstützung bekommt als andere Klassen(lehrkräfte). Ihre Frustration bezieht sich nicht auf dich, sondern auf die allgemein geringere Hilfe rund um ihre Klasse. Nichtsdestotrotz sollte sie diesen Frust natürlich nicht an dir auslassen. Ich finde es auch richtig, bei den Klassen nach Bedarf zu priorisieren. Wenn du aber Kapazitäten hast, sprich vielleicht wirklich mal aus dieser Perspektive an, ob du sie in ihrer Klasse unterstützen kannst. Ich finde es nicht in Ordnung, jemandem ohne Absprache Aufgaben zu geben. Erst Recht nicht wortlos, indem man Hefte rüberschiebt. Das solltest du auf jeden Fall auch ansprechen, dass du da erwartest, dass Aufgaben abgesprochen und nicht einfach 'verdonnert' werden. Darüber hinaus helfen vielleicht auch klarere Einsatzpläne und Aufgabenverteilungen, die auch mit der Schulleitung abgesprochen sind. Das hört sich ja sehr spontan an, wie deine Unterstützung verteilt wird. Das hat Vor- und Nachteile, die man besprechen sollte, damit die Erwartungen übereinstimmen und es keine Missverständnisse gibt.

    Lass dich auf jeden Fall nicht kirre machen von den negativen Berichten in diesem Thread, die Zufriedenheit im Lehrberuf in Deutschland ist nicht so schlecht, wie man hier oft den Eindruck bekommt. Man muss sich auf die Kinder einlassen und darf nicht immer von der eigenen Lebenswelt ausgehen. Ist man den Kindern und auch ihren Problemen gegenüber offen, merkt man ganz schnell, dass die allermeisten sehr viel Herz haben. Geht man als Lehrkraft auf die individuellen Lernstände ein, sieht man auch den inhaltlichen Fortschritt, auch wenn der Stand mit dem die Kinder in die Schule kommen oder an die weiterführende Schule gehen aus verschiedenen Gründen ein anderer ist als vor 20 Jahren vielleicht und die Kinder entsprechend auch länger brauchen. So zumindest meine Erfahrung an einer Grundschule. Auch das Ansehen von Lehrkräften ist in Deutschland nicht gesunken, sondern sogar gestiegen.

    Ich nutze KI gerne zum Verfassen von Texten anhand von mir vorgegebenen Informationen wie z.B. bei Berichten für die Schulwebsite. Ich habe auch schon eine Art Fallberatung mit ChatGPT gemacht, die mir tatsächlich geholfen hat (ohne Klarnamen selbstverständlich). Elterngespräche habe ich schon vorbereitet, indem ich die KI in die Rolle des Elternteils gesteckt, Formulierungen ausprobiert und mir ein Feedback geben lassen habe. Midjourney nutze ich gerne für Illustrationen auch im Kontext Schule. Seitdem ChatGPT die Quellen angibt, nutze ich es auch zu Recherchezwecken, wobei es in der Hinsicht eher Google ersetzt und die Informationen und Quellen natürlich mindestens genau so geprüft werden müssen wie bei Google-Ergebnissen und generell Informationen im Internet.

    Ich mache mir keine Sorgen, dass die KI uns ersetzt und habe deswegen auch keine schlaflosen Nächte. Dafür finde ich, lebt der Beruf viel zu sehr von der Beziehungsarbeit mit den Schüler*innen, als dass die KI dies ersetzen könnte. Jetzt bin ich auch so privilegiert, dass ich als Beamter sowieso nicht entlassen werden kann, aber am Ende finde ich es auch in Ordnung, dass Berufe wegfallen, die durch Fortschritt ersetzt werden können. Das ist der Lauf der Zeit; wichtig ist aber natürlich, die Transformation arbeitnehmer*innenfreundlich zu gestalten und die Menschen in neue sinnvolle Berufe zu bringen. Ich glaube also schon, dass KI die Gesellschaft sehr verändern wird.

    KI ist auch Thema in meinem Unterricht. Von code.org gibt es das Modul AI for oceans, in dem die Kinder eine KI trainieren, Müll aus dem Ozean zu fischen. Dabei lernen sie, wie eine KI trainiert wird, den Unterschied zur Programmierung und den bias, der sich durch menschliche Trainingsdaten ergibt. Kann ich sehr empfehlen. Darüber hinaus haben wir letztens Midjourney benutzt, um die Bücher der Kinder zu illustrieren.

    Ich würde sagen, ich finde es nur professionell, wenn man sich mit KI und den Einsatzmöglichkeiten im eigenen Beruf reflektiert beschäftigt und diese reflektiert einsetzt. Gerade im Lehrer*innenberuf sollten wir gewissermaßen am Zahn der Zeit bleiben, sonst entfernen wir uns von der Lebenswelt der Schüler*innen und der Gesellschaft, auf die wir die Schüler*innen vorbereiten sollen.


    P.S.

    Elternbriefe sind in den allermeisten Fällen hoffentlich Sachinformationen und keine Liebesbriefe. Comic Sans ist eine beliebte Schriftart bei Legasthenie-Betroffenen. Wir schreiben die meisten Elterninformationen jedoch per Schul-App und ich achte oft auf mindestens Einfache Sprache, manchmal Leichte Sprache, was die KI bis jetzt noch nicht so gut umsetzen kann. An und für sich halten wir die Informationen aber auch kurz und es geht schneller, sie selbst zu formulieren, statt die KI damit zu beauftragen.

    Wenn man sich die Zahlen nüchtern anschaut, relativiert sich das Ganze deutlich: Bei mehreren Millionen Leistungsbeziehenden spricht die Bundesagentur für Arbeit von einigen hundert Verdachtsfällen auf organisierten Bürgergeldbetrug. Aus der Antwort der Regierung auf die Anfrage der Grünen lässt sich entnehmen, dass nur drei Fälle bekannt sind, bei denen Gerichte eine Geldstrafe verhangen haben, also selbst da keine bandenmäßigen Betrug gesehen haben. Das ist ein reales Problem, aber eben eines im Promillebereich. Weit entfernt von dem Bild, das rechte Akteure und Springer-Medien gerne zeichnen oder hier User*innen dies als Hauptgrund für den Abstieg mancher Ruhrgebietsstädte überhöhen.

    Die starke Aufregung hat weniger mit der tatsächlichen Häufigkeit zu tun als mit der politischen Verwertbarkeit des Themas. Es passt perfekt in das Narrativ von „kriminellen Ausländern“ und einem angeblich völlig ausufernden Sozialstaat.

    Schaut man genauer hin, liegt der Kern jedoch im Immobiliensektor: Die Masche funktioniert nur, weil skrupellose Vermieter Schrottimmobilien zu Wucherpreisen vermieten und der Staat kaum wirksame Eingriffsmöglichkeiten hat. Das ist in erster Linie ein Wohnungsmarkt- und Regulierungsproblem, kein kulturelles oder migrationspolitisches.

    Wenn aber die Rechtskonservativen nun für Mitpreisdeckel offen sind, Vermieter*innen genauer kontrolliert werden und Gewinne aus Immobilien mehr der Allgemeinheit zu Gute kämen, wäre ich da in der Hinsicht auch offen für.

    Ich finde die Auseichnungen in diesem Jahr sehr gut gelungen:

    Spiel des Jahres - Bomb Busters

    Hier handelt es sich um ein Kooperationsspiel, bei dem man gemeinsam mit verteilten Informationen versucht, eine Bombe zu entschärfen. Das Spiel bietet viele verschiedene Szenarien. Ich habe die ersten Szenarien an einem Abend gespielt und fand es gut. Es ist anspruchsvoller als Familienspiele wie Mycelia, aber einfacher als Kennerspiele.

    Kennerspiel des Jahres - Endeavor: Deep Sea

    Man erforscht mit U-Booten den Ozean. Runde für Runde baut man seine Crew und seine Fähigkeiten aus. Es gibt verschiedene Wege zum Sieg und auch hier verschiedene Szenarien mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Das Feeling des Spiels passt sehr gut zum Thema, u.a. wird das Spielfeld erst nach und nach aufgedeckt, während man tiefer in den Ozean hinabtaucht. Das Spiel haben wir in unserer Spielerunde schon mehrfach gespielt und ich kann nicht genug bekommen.

    Deutscher Spielepreis - Seti

    Bei diesem Spiel erforscht man das Weltall, kann Planeten und Monde sondieren und ansteuern. In jeder weiteren Runde profiliert man die eigene Raumfahrtstation und hat viele Wege zu punkten bzw. Ressourcen zu sammeln. Schön ist hier auch, dass man zwar gegeneinander spielt, aber an manchen Aufgaben gemeinsam schneller voran kommt. Auch hier stimmt wie bei Endeavor das Feeling zum Thema; nicht nur im Sinne der gemeinsamen Erforschung bei gleichzeitiger hoher Konkurrenz, sondern auch das eher langsamere Voranschreiten. Im Laufe des Spiels entdeckt man außerdem Aliens, die dann ebenfalls neue Möglichkeiten bringen, Punkte zu machen. Das Spiel ist als Expert*innenspiel etwas komplexer als Endeavor. Es dauert auch durchaus länger, was uns aber bis jetzt nicht daran gehindert hat, es oft auf den Tisch zu bringen.

    Auf der Spiel Essen habe ich mir persönlich als erstes Spiel direkt Koi geholt, bei dem man einen eigenen Koi-Teich anlegt und erweitert. Das ist ein sehr entspanntes und wirklich ansehnliches Spiel mit hochwertigen haptischen Komponenten, bei dem man jede Runde entscheidet, ob man meditiert und Ressourcen oder Arbeiter*innen sammelt oder arbeitet und den Teich erweitert und Fische ins Wasser bringt. Kois, Seerosen und Laternen bringen einem Punkte. Außerdem gibt es optional weitere Zielkarten, die weitere Elemente wie z.B. Schildkröten freispielen, die Punkte und interessantere Teiche bringen. Koi ist von den Machern des Spiels Bonsai und entwickelt die Idee des Spiels auf eine sehr ausgewogene Weise weiter. Spieldauer ca. 30 Minuten, kein Kinder- / Familienspiel, aber hohe Zugänglichkeit für alle Menschen ab zehn Jahren, würde ich sagen.

    Ah ja, was ist jetzt schon alles keine ernst zu nehmende Wissenschaft. Die Bildungswissenschaft? Die Pädagogik? Die Soziologie? Die Wirtschaftswissenschaft? Und genau der Wissenschaftler passt nicht zur eigenen Meinung? Ich glaube, hier handelt es sich schlicht und ergreifend um Wissenschaftsleugnung. Wissenschaft ändert natürlich eigene Positionen, denn es macht Wissenschaft gerade aus, dass ihre Erkenntisse prinzipiell widerlegbar sind und sich an neue Erkenntnisse anpassen.

    Die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigen immer wieder deutlich, dass nur ein sehr, sehr geringer Prozentsatz nicht arbeitet, weil er nicht arbeiten will.

    ""Es gab schon immer Langzeitarbeitslose und dagegen kann man nur bedingt vorgehen. Und die Gruppe der Arbeitslosen, die sich einfach weigert, Erwerbsarbeit aufzunehmen, die ist nicht wahnsinnig groß und die ist auf keinen Fall so entscheidend für die deutsche Volkswirtschaft", ergänzt die Soziologin Mona Motakef von der TU Dortmund."

    https://www.zdfheute.de/wirtschaft/bue…aender-100.html

    Dazu ist diese Debatte auch unsinnig, da Sozialleistungen einfach kein großes Potential besitzen, Geld zu sparen:

    "Marcel Fratzscher, Präsident Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: "Das, was die Bundesregierung hier macht, ist ein populistisches Ablenkungsmanöver, indem behauptet wird, der Schlüssel für Einsparungen beim Staat liege bei den Sozialleistungen und beim Bürgergeld. Sehr viel mehr Potenzial liegt darin, andere … anderen Missbrauch zu bekämpfen. Und hier wissen wir, dass gerade bei Hochvermögenden Steuervermeidung – was legal ist – aber Steuerhinterziehung – was illegal ist – ein ungleich größeres Problem ist.""

    https://www1.wdr.de/daserste/monit…rmsten-100.html

    Menschen wie Maylin sitzen also falschen Fakten auf und / oder sie äußer sich aus Emotionen heraus so. Diese Forderungen wie Bootcamps sind seit Jahrzehnten zutiefst populistisch, weil schlicht unwissenschaftlich in Bezug auf die Soziologie und die Wirtschaftswissenschaft.

    Menno Baumann, Professor für Intensivpädagogik (übrigens ein mMn spannender Studiengang, der zeigt, dass es genug Menschen gibt, die sich gerne um Kinder und Jugendliche mit schweren Hintergrundgeschichten kümmern) hat jetzt erst wieder eine weitere Folgen dieses Populismus herausgestellt: In Schweden will die erzkonservative Regierung 13-Jährige nun ins Gefängnis stecken. Entgegen dem Rat des interdisziplinären Konsens der Expert*innen wie eben Menno Baumann.

    Ich werde Menschen, welche die Basiskompetenzen in Mathematik oder Deutsch nicht erreichen, wohl kaum ihre Mündigkeit und Selbstbestimmung absprechen und in einer inklusiven Gesellschaft wäre das auch kein Hindernis. Bildung und damit auch Basiskompetenzen haben einen hohen Wert an sich, aber natürlich ist es für die Mündigkeit und Selbstbestimmung insbesondere in einer Gesellschaft, welche diese voraussetzt, auch in vielen Bereichen wichtig. Deswegen arbeiten wir in der Grundschule ja auch sehr intensiv an den Basiskompetenzen. Die Schulzeit ist nach vier Jahren aber zum Glück nicht abgeschlossen und die Kinder haben noch mehr Zeit, die Basiskompetenzen und Komptenzen darüber hinaus zu erwerben.

    Ernst gemeinte Fragen: was wird aus Kindern, die keine Basiskompetenzen erreichen? Wie viele dieser Kinder werden einmal Nettosteuerzahler? Sozial-emotionale Begleitung ist ja schön und gut, aber der übergeordnete Sinn und Zweck von Schule liegt immer noch darin, möglichst fähige Arbeitskräfte und Steuerzahler zu generieren. Wenn das zunehmend schlechter gelingt oder gar in einer Lerngruppe "überwiegend" gar nicht, wie lässt sich dann perspektivisch unser recht ordentlicher Stundenlohn überhaupt noch rechtfertigen?

    Das sind Kinder. Kein Gedanke läge mir ferner als der über ihre Nettosteuerzahlung in 12 bis 8 Jahren. Sie haben diese 8 bis 12 Jahre noch Zeit zu lernen und ich bin Optimist genug zu denken, dass die allermeisten eben wirklich nur länger brauchen, aber schon ankommen werden. Das Emotional-Soziale ist eine Grundlage für das Lernen und für das Leben. Ich sage es nochmal: Ich bilde Menschen, keine Arbeitskräfte. Ich bilde sie im besten Fall zu mündigen und selbstbestimmten Bürger*innen. Mündige und selbstbestimmte Bürger*innen tragen allein aus einem Selbstverwirklichungstrieb etwas zur Gesellschaft bei.

    Versorgung gibt es nicht nur gegen Leistung. Die Minimalversorgung gibt es aus gutem Grund als Menschenrecht. Und Minimalversorgung schließt in dem Sinne mehr ein als Essen, Trinken und Unterkunft. Dazu gehört auch Bildung und Teilhabe. Und vor allem Selbstbestimmung! Das ist kein Luxus, das ist das Mindesmaß. Menschenrechte sind nicht an Leistung gebunden. Ich bin sehr froh darum, dass es nicht anders ist und auch in Zukunft rechtlich geschützt ist.

    Man argumentiert offensichtlich aus einer engstirnigen Sicht, wenn man meint, Kinder und Jugendlichen wären so pauschal an ihrer Situation selbst Schuld. Kinder und Jugendliche sind u.a. das Ergebnis der Gesellschaft und ihrer Eltern. Viel mehr schuldet die Gesellschaft dieser Generation nämlich auch etwas, nämlich eine Perspektive. Die letzten Jahrzehnte ging es stetig bergauf und wer meint, das läge an vermeintlich fleißigen oder disziplinierten Generationen, ignoriert offensichtlich, dass die letzten Generationen von genau dem profitieren, das nun wegfällt: eine große Zahl an Arbeitnehmer*innnen und keine direkte kriegerische Bedrohung. Statt aber das Geld in die Allgemeinheit zu investieren, floss es in private Taschen. Der Zustand der Schulen ist wohl kaum ein Ergebnis der aktuellen Bildungspolitik, sondern das Ergebnis eines Investitionsstaus der letzten Jahrzehnte.

    Da sitzen wir Lehrkräfte und die Schüler*innen im selben Boot, denn diese Situation führt bei Lehrkräften ebenso wie bei den Schüler*innen zu der Frustration, die ich hier aus einigen Beiträgen herauslese. Wir Lehrkräfte haben jedoch die sehr viel privilegiertere Perspektive, denn wir sind meist verbeamtet und stehen mitten im Leben. Viele Schüler*innen an meiner Schule haben diese Perspektive nicht, sondern stehen auf die eine oder andere Art oft auf der Seite der Verlierer*innen. Und das merkt man ihnen meiner Wahrnehmung in der Schule oft an und besonders stark, wenn sie bei etwas verlieren, das sie eigentlich ausmacht und in dem sie eigentlich gut sind. Wir haben deshalb ganz oft im Sportunterricht Probleme mit den Emotionen. Ich merke die Frustration an mir ja auch, wenn die Leistungen in der Klasse oder das Verhalten der Kinder nicht meinen Erwartungen entsprechen und dann handle ich manchmal emotional, so wie die Kinder auch.

    Die Gesellschaft schuldet der Generation eine Perspektive auch insofern, als dass anteilig vermutlich so viele Eltern arbeiten wie nie zuvor im Nachkriegsdeutschland. Das ist eine Hypothek für die Kinder dieser Generation, denen merklich die emotionale Sicherheit und Bindung fehlt. Unsere Gesellschaft hat sich so entwickelt, dass beide Elternteile arbeiten gehen (und im Sinne der Emanzipation ist das auch richtig so). Die Schule (und auch die frühkindlichen Betreuung und Bildung) hingegen ist noch mitten im Prozess sich daran anzupassen und erwartet oft noch das Gleiche von den Eltern, wie zu den Zeiten, als ein Elternteil zuhause geblieben ist. Andere Länder und Schulsysteme zeigen, dass das viel besser aufgefangen werden kann (also bitte auf eine reaktionäre Diskussion zum Thema Frauen in der Gesellschaft verzichten; Emanzipation und gute Bildung schließen sich nicht aus).

    Stattdessen ist die Perspektive aber eben das die letzten Jahrzehnte unterfinanzierte und personell unterbesetzte Bildungssystem (inklusive frühkindliche Bildung und Betreuung), eine drohende Wehrpflicht, hohe Rentenbeiträge ohne eigene Sicherheit auf Rente und eine immer längere Lebensarbeitszeit nach hinten raus und tagtäglich.

    Ich bin kein Dienstleister an der privilegierten Mehrheitsgesellschaft oder der Wirtschaft und nur weil manche da ihre Felle schwimmen sehen, muss ich nicht in diese düstere Negativität einstimmen. Diese Negativität hat ihren Grund - ich sehe diese aber aus einer anderen Perspektive - diese Negativität darf natürlich geäußert werden, aber ich möchte auch äußern, dass sie mich extrem nervt. Mir ist das einzelne Kind wichtig. Ich möchte dass es das Bestmögliche für sich erreichen kann. Das Erreichbare ist dabei natürlich sehr unterschiedlich. Ich habe aber durchaus auch Freude daran, Kinder z.B. emotional-sozial zu begleiten und freue mich da über Fortschritte. Wie gesagt frustriert es mich dann natürlich auch, wenn die Basiskompetenzen überwiegend nicht erreicht werden, da das schon den meisten prinzipiell zuzutrauen ist, aber ich kann es auch einordnen und sehe wirklich immer deutlicher, wie sehr die Kinder und ich dann mit unserer Frustration im selben Boot sitzen.

    Neben den militärischen Verwendungen, gibt es auch viele zivile Möglichkeiten. Zudem geht eine Verpflichtung so oder so erst ab 17.

    Also werden an Schulen lediglich zivile Möglichkeiten behandelt?

    Auch eine Verpflichtung ab 17 entspricht nicht dem Standard der meisten UN-Staaten. Der UN-Kinderrechtsausschuss empfiehlt deswegen, das Rekrutierungsalter auf 18 Jahre anzuheben.

    Die UN-Kinderrechtskonvention - vermutlich spielst Du hier auf Artikel 38 an - kommt hier überhaupt nicht zum Tragen.

    Ich spiele auf den in meinem ersten Beitrag verlinkten UN-Kinderrechtsausschuss an.

    Ich fände eine faktenbasierte Meinung hier überzeugender.

    Ja, das finde ich auch, weshalb mein erster Beitrag aus der Stellungnahme des UN-Kinderrechtsausschusses sowie einer sachlichen Zusammentragung von Tipps der GEW zum Umgang mit der Bundeswehr an Schulen besteht. Die Antwort von Maylin85 war dann "Schwachsinn", "bei manchen hackts", "absurd" und "unerträglich", deswegen meine Replik. Ich habe das Gefühl, du hast also den falschen Beitrag zitiert, wenn dir eine faktenbasierte Diskussion wichtig ist.

    Wir sind nicht in Russland, hier werden nicht unmündige Kinder mit patriotischen Gesängen und Versprechungen von gratis Süßigkeiten in den Krieg gelockt. Ich selbst habe Zivildienst geleistet und habe relativ wenig Berührpunkte mit der Bundeswehr, aber bisher habe ich alle Soldaten, die in irgendeinem Kontext über ihren Beruf gesprochen haben als differenziert und reflektiert erlebt (im Gegensatz zu vielen "Friedensbewegten", die sich in Wunschwelten flüchten, in denen die Bundeswehr immer noch nicht notwendig ist).

    Man kann über das "wie" reden, und natürlich ist es Aufgabe einer Lehrkraft in diesem Kontext auch die negativen Seiten mit SuS zu besprechen, aber darum geht es dem TE ja offensichtlich gar nicht, sondern "ums Prinzip".

    Kein Grund zu Übertreibungen, es gibt auch zwischen einer inhaltlichen, differenzierten Beschäftigung und russischer Propaganda einen großen Bereich, der ebenfalls zweifelhaft ist. Ich habe nicht ein so großes Vertrauen in die Bundeswehr, was die Anwerbung von jungem Personal angeht. Ich erinnere mich an mehrere Kontroversen zu Marketingkampagnen der Bundeswehr z.B. im Rahmen der Gamescom. Auf das "Wie" kommt es also durchaus an, da sind wir uns einig.

    Ich finde es unerträglich, bei Minderjährigen (!) in der Schule (!) für eine Armee zu werben. Ich finde die UN-Kinderrechtskonvention mit ihren Ergänzungen alles andere als "Schwachsinn", sondern einen guten moralischen Kompass. So gehen die Meinungen auseinander.

    Die Bundeswehr ist etwas anderes als das Finanzamt. Der UN-Kinderrechtsausschuss fordert Deutschland auf, die Rekrutierung U18-Jähriger zu beenden und jegliche Werbung insbesondere an Schulen zu unterlassen. Es gibt also gute Gründe, eine solche Veranstaltung kritisch zu sehen. Eine Weigerung ist als Lehrkraft mWn nicht möglich, eine Arbeitsgruppe der GEW hat aber Vorschläge zum Umgang der Bundeswehr an Schulen zusammengestellt:

    Die Möglichkeiten kommen dabei aber auch auf das Bundesland und den jeweiligen Kooperationsvertrag mit der Bundeswehr an.

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