AAARGH!!! Soll ich? Muss ich?
Nein, jetzt nicht...
Nunja, manache Diskussionsbeiträge haben die Form, dass jemand in en Raum komt, einen Furz lässt, feststellt, es stinke, und dann wieder geht. Und vielleiht ist eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der inhaltsarmen Äußerungen nicht adäquat. Aber soll man so etwas unkommtiert stehen lassen, als sei es eine leitime Äußerung? Manches ist so neben der Spur, dass man nicht richtig darauf reagieren kann. Versuchen wir's trotzdem.
Nun - die "Wissenschaft" - oder was als solche bezeichnet wurde - hat sich auch nicht mit Ruhm bekleckert...
Keine Ahnung, welches Verständnis von Wissenschaft einer solchen Äußerung zu Grunde liegt. Es könnte aber ein Stammtischeinschätzung sein, die nicht wirklich einer akademischen Bildung entspringt. Wissenschaft beschreibt die Welt. Inwiefern da "Ruhm" eine Bewertungskategorie sein soll, bleibt unklar. Aber womöglich verwechselt hier nur jemand die Entscheidung über die Verwendung einer technischen Entwicklung, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruht, mit der Wissenschaft selbst.
Cyklon B ist nicht aus Bibeltexten entstanden.
Penizillin auch nicht. Was soll das überhaupt heißen, dass aus einem Text etwas "ensteht"? Dass "Bibeltexte" keine Erklärungen oder Erkenntnisse enthalten, aus denen man eine (technische) Entwicklung ableiten kann, ist eigentlich klar.
Sollen die technischen Möglichkeiten zur Synthetisierung solcher Substanzen jetzt als Argument gegen Wissenschaft angeführt werden? Ist Chemie jetzt böse? Oder soll man so genau gar nicht nachfragen, weil hier wirklich nur einen Furz gelassen wurde?
Ist es ein Problem, dass es wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, die die Herstellung solcher Substanzen ermöglichen? Ist das die These? Oder ist die Herstellung selbst ein Problem? Oder ist die eigentlich Frage, was man damit macht? Industrieller Massenmord ist keine wissenschaftlicher Fehlleistung sondern eine ethische.
Und dann sollten wir doch noch mal einen Blick auf die Bibeltexte werfen. Auch deren Existenz bedingt noch nichts, sondern das, was Menschen daraus machen, was sie also interpretieren. Und da würde ich dann doch mal einen Blick auf den christlichen Anti-Judaismus werfen und dessen Beitrag zum Antisemitismus. Oder auf die katholische Sozialisation des Anstreichers. Oder die Rolle der Kirchen unter (bei?) den Nazis. Da sehe ich die Wissenschaft nicht dichter am Einsatz von Zyklon B als die Bibel. Eher umgekehrt.
Die Wissenschaften, insbesondere die Naturwissenschaften, sind in der Tat recht arm an ethischen Einordnungen ihrer Erkenntnisse. Wissenschaftliche Erkenntnisse sind deskriptiv nicht präskriptiv. Sie sagen dir, wie etwas nicht, nicht, wie es sein sollte. Das manche Wissenschaftler dann meinen, sie selbst könnte auch frei von Ethik agieren, ist natürlich ein Irrtum. Und noch schlimmer sind die Techniker, die Dinge nur deshalb machen, weil sie technisch möglich sind, und sich einen Scheiß um die Folgen kümmern. Und? Wo war denn jetzt der Beitrag der Religionen dazu eine ethische Grundlage zu liefern? Welche Fehlentwicklung haben die denn verhindert?
Ich bin der Meinung, dass ein "moralischer Kompass" für die menschliche Gesellschaft wichtig und notwendig ist.
Ein Kompass also. Ein Gerät, dass einem sagt, wo's lang geht? Eine mechanische Lösung? Vier Himmelsrichtungen werden nicht immer reichen, um eine Entscheidung zu treffen. Ich meine vielmehr, dass jeder Mensch eine ethische Grundlage braucht, auf der er seine Handlungen und deren Folgen beurteilen kann. Das ist manchnmal schwierig und "geradeaus" wird da nicht immer die richtige Richtung sein.
Die Religion hat diesen gegeben und auch vernichtet.
Mag sein. Mit ihren Regeln der Form "du sollst dieses, du sollst jenes nicht" machen die Religionen zwar Vorgaben, aber erklären diese nicht. Das ist wohl die Kompass-Idee. Und ja, das reicht nicht.
Eine Philosophie, die den Platz adäquat einnehmen könnte ist der Humanismus.
Es geht nicht darum, dass irgendetwas den Platz der Religionen einnimmt. Es geht darum eine ethische Grundlage zu haben.
Humanismus. Leider ist der in der zentralen Verbreitung nur in den Religionen präsent.
Steile These. Erinnert mich ein wenig an die Äußerung
Für die Vermittlung ethischer Grundhaltungen und Glaubensfragen sind die anderen Schulfächer nicht in dem Maß geeignet
Die daraufhin formulierten Fragen
Was die ethischen Grundhaltungen anbetrifft, so halte ich die Behauptung, dass deren Vermittlung religiösen Unterrichts bedarf, für die Verlängerung der ohnehin steilen These, dass ohne Religion (wahweise ohne Gott) kein ethisches Handeln möglich sei. Und? Welche ethische Instanz fehlt denn dem jungen Menschen, der nicht am Religionsunterricht teilnimmt? Welche ethische Handlung kann ich als Atheist nicht begehen?
sind indes noch immer unbeantwortet. Gleichwohl frage ich nun, welche Aspekte des Humanismus denn einer Religion bedürfen. Welche humanistsichen Handlungsoptionen stehen mir denn als Atheist nicht zur Verfügung?
Ich möchte noch ergänzen, dass der Humanismus auch keine ganz neue Idee ist. Womöglich sind wir in den Jahrhunderten dazwischen auch schon etwas weiter gekommen.