Wie kann Religion ein Schulfach sein, wieso sind so viele Schulen konfessionell ausgerichtet?

  • AAARGH!!! :uebel: Soll ich? Muss ich?
    Nein, jetzt nicht...

    (1/3)


    Ok, der Beitrag altersmüffelt, ich habe ihn vor mir hergeschoben, hätte wohl auch besseres zu tun, z.B. in Abiturverfahren prüfen und gutachten, aber antworten muss ich doch. Keine Lust, aber trotzdem. Einerseits, weil eine sachliche Richtigstellung der Aussage sowohl auf fachlicher als auch auf argumentativer Ebene dringend notwendig ist, andererseits, weil ich mittlerweile von Alias erfahren habe, dass meine Reaktion anscheinend "unwürdig" sei, was ja nun auch nicht stehengelassen sollte. Aber das kostet Mühe, nicht nur für mich, sondern auch für den Leser - es ist halt um Zehnerpotenzen schwieriger, vierteldurchdacht aus der Hüfte geschossene Slogans schlüssig zu beantworten, als sie in die Welt zu setzen. Fehlendes Nachdenken erhöht immer die Mühe für das Publikum deshalb habe ich die Arbeit der Antwort gescheut. Nun denn... *Stöhn* Weil es mich eben einfach ärgert:


    Erstens: Zyklon B wurde nicht zur Ermordung von Menschen erfunden. Es handelte sich bei dieser Substanz um ein von der Firma Degesch Anfang der 20er Jahre entwickeltes Mittel zur Schädlingsbekämpfung, das sowohl zur Befreiung von Kleidungsstücken von Schädlingen in großer Menge Verwendung fand als auch für die Ungezieferbekämpfung ganzer Gebäude verwendet. Beide hygienische Problemfelder waren in der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situation nach dem ersten Weltkrieg von großer Bedeutung. Dadurch, dass man die Wirksubstanz auf ein Granulat aufbrachte, war Zyklon B leicht zu transportieren und zu lagern und sehr sicher in der Anwendung. Soweit war es also ein sinnvoller Beitrag zur allgemeinen Hygiene geleistet, ein positiver Beitrag der chemischen Wissenschaft.


    Das änderte sich natürlich in dem Moment, als das Mittel von den nationalsozialistischen Schlächtern als Mordwaffe entdeckt wurde und sich die Firma Degesch zum Komplizen machte. Der Lagerkommandant von Auschwitz, Rudolf Höß, betonte in einem Schreiben, wie stolz er auf seine persönliche Entdeckung gewesen sei, die endlich als unzureichend empfundene Mittel zum Massenmord wie Massenerschießungen, systematisches Verhungernlassen, Vergiftung durch CO aus Gasflaschen oder durch Autoabgase abgelöst hätte. In anderen Zusammenhängen sinnvolle wissenschaftliche und technische Möglichkeiten wurden ebenfalls durch die Nationalsozialisten zum Genozid missbraucht. Missbrauchen kann man jedes Werkzeug und sei es ein Hammer oder Paracetamol - warum also die Rancune gegen die "Wissenschaft"? (Ich verwende ebenfalls Anführungszeichen, aber aus anderen Gründen als Alias.) Steven Novella hat es sehr schön auf den Punkt gebracht: "What do you think science is? There's othing magical about science. It is simply a systematic way for carefully and thoroughly observing nature and using consistent logic to evaluate results." Wo da jetzt Zyklon B als Massenmordwerkzeug bleibt, muss wohl ein Geheimnis bleiben.


    Aber machen wir zweitens hier nicht halt - es geht um die Schrecken in der Welt und die Frage nach der Religion im Vergleich zu totalitären Ideologien und ihren Verbrechen. Handelt es da um "nonoverlapping magesteria", wie Stephen Jay Gould über das Verhältnis von Religion und Wissenschaft postuliert? Nein, das ist nicht der Fall. Ist es der Atheismus, der die sittliche Enthemmung, die zum Verbrechen führt, überhaupt erst ermöglicht? Auch das ist zwar ein Mythos, der immer wieder von Apologeten, die es eigentlich besser wissen müssten, verbreitet wird, wie z.B. Kardinal Ratzinger, der in Theologenkreisen als intellektuelles Schwergewicht gehandelt wird; und ein Mythos, der wieder und wieder von Politikern, Journalisten und (leider!) hier auch Lehrern nachgeplappert wird, die oft genug ein zu unzureichendes Wissen um Ideengeschichte und einschlägige Quellen haben, um sich ein differenziertes Urteil zu bilden. Aber es ist eben nur ein polemischer Mythos. "Fake News" würde man heutzutage sagen.

  • (2/3)
    Das, was die totalitären Ideologien von Nationalsozialismus und Kommunismus bei allen faktischen Unterschieden zunächst einmal in Gemeinsamkeit ausmacht, ist die Totalitarität von geschlossenem ideologischen Denkgebäude, eine im Metaphysischen verortete, eschatologische Weltsicht und die unbedingten Unterwerfung unter eine in allen Lebensbereichen als verbindlich gesetzte Idee. Dies ist als Dogma konstruiert und wird durch eine geschlossene, mit ideologischer und institutioneller Autorität versehene Personengruppe vermittelt sowie gegebenenfalls mit Gewalt nach innen wie außen durchgesetzt. Zeigt diese Perspektivverschiebung auf einer abstrakten Ebene der Definition Gemeinsamkeiten zwischen Kommunismus und Nazismus, die überall dort in der Gesellschaft material umgesetzt werden, zeigt sich aber gleichzeitig eine frappierende Verwandschaft zu in voller Ausbildung befindlichen fundamentalistischen abrahamitischen Religionsformen.


    Kann man also von einem totalitären Christentum sprechen, wie es von "militanten Atheisten" regelmäßig getan wird? Nein, natürlich nicht, das wäre eine ebenso dumme Polemik wie der Anlass dieses Textes. Der Totalitarismus ist ein staatliches Phänomen der Moderne und es gibt in der Moderne nur eine einzige christliche Theokratie, den Vatikanstaat, der aber frühmodern und absolutistisch formiert ist. Auch islamische Herrschaftsformen wie Saudi-Arabien oder der IS oder die ultra-orthodoxen Viertel in Jerusalem lassen sich nicht unter den Totalitarismus subsumieren, obwohl sie die genannten kategorialen Bedingungen erfüllen, da ihnen wesentliche Aspekte des modernen Staatskonzeptes abgehen.


    Entscheidend ist aber, dass monotheistischen Religionen, d.h. allen drei abrahamitischen Religionen die genannte ideologischen Merkmale als zwar nicht hinreichende aber notwendigen Bedingungen zur Formierung eines totalitären Staates haben - sie haben das Potenzial, sie erfüllen wichtige Gelingensbedingungen für eine allumfassend kontrollierende Obrigkeitsgesellschaft. Und das lässt sich auch überepochal im Christentum (wie in den anderen beiden abrahamitischen Religionen) - ausgehend schon von der Unfähigkeit des Christentums sich von der Gewaltrhetorik des Alten Testaments zu lösen, was lückenlos in die autoritären Vorstellungen des Apostel Paulus übergeht. Die "Civitas Dei" des Augustinus heißt nicht umsonst so. In der Frühmoderne gab es in den radikaleren Spielarten des Protestantismus frappierende totalitär erscheinende Formen von Protostaaten - und zwar nicht nur im ungeordneten münsteraner Widertäuferregime, einer Art IS avant la lettre, sondern sehr wohl auch durch religiöse Führer, die noch heute als Denker des protestantischen Mainstreams gewürdigt werden - die gängelnde Kirchenzucht des Calvin in Genf, welche von brutaler Verfolgung von Andersdenkenden und "Hexen" begleitet war, steht neben der Bereitschaft Zwinglis im Sinne der Sache freudig als Märtyrer zu sterben, eine Haltung, die auch Hitler und Stalin von ihren Soldaten forderten.


    Interessanterweise wird von den Kirchen, vor allem im Religionsunterricht, gerne der Widerstand der Kirchen gegen totalitäre Regimes ins Feld geführt, mit dem Anspruch, der Religion läge eine besondere Widerstandskraft und ein besonderer Drang zu Freiheit und Menschenrechten inne. Genannt wird die tiefe Feindschaft gegen den Kommunismus und der Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Bei näherer Betrachtung quer durch die Geschichte relativiert sich dieses Bild. Sicherlich gibt es Individuen wie Clemens August Graf von Galen, Dietrich Bonhoeffer und seine Mitstreiter oder ganze Episoden von individuellem oder sogar organisierten Widerstandes gegen totalitäre Diktaturen. Auch die in Kirchen verortete Bewegung gegen das DDR-Regime kommt in den Sinn. Erweitert man die Perspektive, zeigt sich allerdings, dass beide Konfessionen wenig Schwierigkeiten hatten, sich mit totalitären oder diktatorischen Staatssystemen zu arrangieren, solange diese nicht die Kirchen als unliebsame Konkurrenten ausschalten wollten, wie das die gesamte Geschichte des Kommunismus über der Fall war. Mit rechtsradikalen Regimes konnten sich beide Konfessionen immer gut arrangieren, sei es die Komplizenschaft der Protestanten mit dem Nationalsozialismus, der Schulterschluss zwischen der katholischen Kirche und Franco oder den südamerikanischen Diktatoren, sei es die Zusammenarbeit zwischen Pius XI. und Mussolini. Der Machtkampf zwischen der katholischen Kirche und Hitler war eine Neuauflage des Kirchenkampfes im zweiten Kaiserreich, es ging kaum um ideologische Fragen - das Reichskonkordat von 1933 entstand ohne große Probleme und der Vatikan hatte keine Skrupel, nach dem Krieg die NS-Verbrecher auf den Rattenlinien ins Exil zu schleusen. In allen momentanen Gesellschaften, die in Richtung autoritärer Regimes "starker Männer" tendieren, sieht man Religionsgemeinschaften aller Konfessionen in einen engen Schulterschluss mit den Autokraten rücken.


    Man muss nicht annehmen, dass das jetzt irgendeine neuartige Idee ist. Bertrand Russell beschrieb die diskursive Ähnlichkeit zwischen Christentum und Kommunismus schon in den 40ern in der "Philosophie des Abendlandes" und, je länger man über die Frage nachdenkt, desto klarer werden weitere Äquivalenzen zwischen der säkularen und der metaphysischen Buchreligion, ihren Säulenheiligen und ihren hermetischen Zirkeln. Der deutsche Faschismus steht etwas abseits dieses Aspekts der Frage, anders als die Systematiken der christlichen Theologie und der in der deutschen systematischen Philosophie wurzelnden Kommunismus war der deutsche Faschismus niemals ein kohärentes Gedankengebäude gewesen, wenngleich diese Ideologie ganz explizit aus dem mystischen Gedankengut des Christentums schöpft. Wenn Hitler sich als Werkzeug der "Vorsehung" sieht, die er in "Mein Kampf" völlig unkodiert als Hand der christlichen Gottheit beschreibt, dann ist er in der Rolle eines charismatischen christlichen Predigers. Der Mystizismus des 3. Reiches ist weit und oft beschrieben worden, wobei er ganz und gar nicht so "germanisch" war, wie Himmer und sein "Ahnenerbe" es gerne gehabt hätten. Den auch in die SS wurden Atheisten nicht zugelassen und auf allen soldatischen Gürtelschnallen stand "Gott mit Uns". Die katholischen Bischöfe und die protestantischen Landeskirchen sahen keine fundamentalen Widersprüche und keinen Anlass, den Nationalsozialismus als "unchristlich" zu bezeichnen. Man könnte auf viele Einzelheiten eingehen, mir fiele jetzt spontan z.B. die rituellen Nähe der "Blutfahnenweihe" zum Reliquienkult, z.b. bei den Trierer "Heiliger-Rock-Tagen" ein, aber das würde hier zu weit führen. Es reicht die Feststellung, dass das Christentum und die totalitären Ideologien sehr viel größere diskursive Gemeinsamkeiten haben, als sich ihre Vertreter im Religionsunterricht wohl eingestehen würden. Und abermals, um einer geistesschlichten Reflexreaktion vorzubeugen, ich sage damit nicht, das Religionen totalitäre Ideologien sind, das wäre eine dumme Verkürzung von Diskursgeschichte. Geschichte ist in allen Zusammenhänge eine komplexe Dynamik - so auch hier.


    Aber betrifft das den Massenmord? Denn der Vergleich von Zyklon B mit der Religion war ja derAusgangspunkt des Textes. Wenn wir die konkret angesprochene Shoah betrachten, sieht man zwei ideologische Notwendigkeiten, um diese Untat in die Welt zu bringen. Einerseits braucht es die Überzeugung, dass Menschen, die mit dem ideologischen bzw. religiösen Gedankengebäude in Konflikt geraten, mit ideologischer bzw. religiöser Begründung physisch vernicht werden müssen. Zweitens bedarf es der Überzeugung, dass die Juden ein gefährlicher Feind des "deutschen Volkes" bzw. der "christlichen Nation" sei. Trifft dies zu?


    Bei der Betrachtung des Blutes, das an den Händen der christlichen Kirchen klebt, wird immer wieder auf die Hexenverfolgungen und die Inquisition hingewiesen, leider oft aus falschem Beweggrund. Es ist nicht die Tatsache, dass diese Frauen und Männer gefoltert und auf dem Scheiterhaufen verbrannt oder gehenkt wurden, die diese Erscheinungen in diesem Zusammenhang relevant macht, genau so wenig wie es ihre Zahl wäre; rein numerisch ist die Menge dieser Mordopfer gering gegenüber anderen Gewaltopfern dieser Zeit, im Krieg wie im Frieden. Es ist ein anderer Aspekt, der die Hexenverfolgungen und die Inquisition auf dem Weg zur Shoa so wichtig macht - beiden Prozessenformen liegt eine ideologisch formierte und theologisch geführte Begründung vor, die dem Gericht in Form einer Prozessordnung eine religiös sanktionierte Grundlage gibt, Menschen als Häretiker auszugrenzen und sie Folter und Tod zu unterwerfen. Dass die Ausführung dieser Justizmorde dem weltlichen Arm überlassen wird, tut dabei nichts zur Sache - entscheidend ist, dass die christliche Kirche an Tötungen verantwortlich ist, die nichts mit den Taten eines mittelalterlichen wütenden Mobs zu tun haben, sondern in früher Form planvolles staatliches Handeln darstellen; die karolinische Halsgerichtsordnung ist in diesem Zusammenhang entstanden, die Vorläuferin der modernen Strafprozessordnung. Der nationalsozialistische Massenmord und seine ideologische Begründung sind Phänomene der industriellen Moderne - und eben kein Rückfall in eine vorzivilsatorische Zeit. Und in der Entwicklung dieses Konzeptes hatte die christliche Strafjustiz Abweichlern gegenüber ganz entscheidenden Anteil.

  • (3/3)
    Dass es um die Shoah geht, also um den im Antisemitismus begründeten Massenmord, ist ein weiterer Punkt. Die Feindschaft Juden gegenüber in der Form der Feindschaft einer ganzen religiös definierten Gesellschaft wurzelt im Christentum, daran gibt es keinen Zweifel. "Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder" ist nicht umsonst einer der bekannteren Aussprüche des Evangeliums. Diesen Teil ihrer unseligen Geschichte relativieren die christlichen Apologeten gerne damit, dass sie einem religiösen Antijudaismus der Voraufklärung einem schein-rational begründeten Antisemitismus der Moderne geegenüberstellen. Die nähere Betrachtung erweist aber auch hier eine fragwürdige Aussage. Wenn es sich um unabhängige Formen der Judenfeindschaft handelte, hätte dies in einer breiten innerchristliche Debatte dieser Zeit verhandelt und in der Lehre nach außen getragen werden müssen, ebenso wie eine Distanzierung gegenüber dem "rassisch" begründeten Antismitismus des 19. und 20. Jh. von christlicher Seite hätte erwartet werden können. Beides ist aber nicht der Fall, gerade im 19. Jh. gab es sehr laute antisemitische Stimmen im katholischen Lager und die antisemitische Tradition im katholischen Polen ist bis heute ungebrochen, wie man z.B. in Medienberichten zur Rolle der dortigen Kirche im Kontext des Holocaust-Gesetzes entnehmen kann.


    Im vergangenen "Luther-Jahr" wurde die herausragende Bedeutung dieses Religionsgründers für die kulturelle Entwicklung hin zur Moderne wieder und wieder beschrieben. Zu Recht. Ebenso wurde der brachiale Antisemitismus dieses Mannes zumindest als Randerscheinung betrachtet. Von protestantischer Seite wurde er allerdings als mittelalterlicher Überrest von Antijudaismus relativiert, der ja nichts mit dem eigentlichen Protestantismus zu tun habe. Dies ist sachlich falsch, wenn man Luthers antisemitische Hauptschrift "Wider die Juden und ihre Lügen" tatsächlich detailliert zur Kenntnis nimmt. Der gleitende Übergang der beiden Phasen des Antisemitismus im christlich geprägten Denken wurde oben genannt. In Luthers Schrift zeigt sich tatsächlich eine Übergangsstelle zwischen Antijudaismus und moderneren Formen des Antisemitismus. Wenn der Antijudaismus die Aspekte von "Rasse" und "jüdischem Charakter" nicht zeigt, liegt das daran, dass diese Konzepte im Mittelalter nicht vorhanden waren. Biologisch begründeter Rassismus konnte erst mit der Biologie als Naturwissenschaft entstehen; die Vorstellung eines Nationalcharakters begann sich in der Frühmoderne zu formieren. Erstmals enstand eine Idee davon, was "den Deutschen" im Unterschied zu "dem Franzosen", "dem Engländer", "dem Italiener" ausmachte - Diskurse, die sich ganz wunderbar in zeitgenössischen Theaterstücken zeigen. Luthers Schrift fügt sich ohne Bruch in diese Entwicklung - seinen Hass den Juden als "Mörder Christi" erweitert er, indem er einen "Nationalcharakter" der Juden in Deutschland konstruiert, der mit dem "der Deutschen" in einem Konflikt steht, der nur durch ihre Ausmerzung und Enteignung, durch die Vernichtung ihrer Kultur gelöst werden könne. Hier ist tatsächlich ein Schreibtischtäter zu sehen, der späteres vorwegnimmt. Die Luther-Verehrung nicht nur durch Hitler sondern auch quer durch die protestantischen Kirchen der NS-Zeit spricht Bände. Eine tatsächliche Aufarbeitung ihres Luther-Bildes haben die Protestanten bis heute nicht zu Stande gebracht - im Religionsunterricht spricht man sehr viel lieber von der Bekennenden Kirche".


    Um die Ausführungen zu Ende zu bringen: die eigentlichen christlichen Werte - denn unser Verständnis von humanitären und rationalen Menschenrechten ist nicht christlich - sind Gehorsam und Furcht, unhinterfragter Glaube an die unbedingte Wahrhaftigkeit der Lehre, Überwindung der eigenen Bedürfnisse im Leiden im ergebenen Dienst eines Höheren und Besseren, die Verehrung des Todes als eigentlichem Ziel des diesseitigen Lebens. Und davon ist die christliche Theologie niemals abgerückt! Sie sind die tatsächlichen Tugenden, "mit denen man ein Konzentrationslager führen kann", wie Oscar Lafontaine so schön sagte. Da steckt der Kern in der Sache, den Steven Weinberg auf den Punkt bringt: "With or without [Religion] you would have good people doing good things and evil people doing evil things. But for good people to do evil things, that takes religion."


    Summa summarum - vom religiösen "credo quia absurdum" auf gedanklicher Ebene zum totalitären "facio quia nefas" im Handeln ist nur ein winziger Schritt. Der fanatische Glaube ist der Weg zu den Öfen von Auschwitz. Und das ist ins Extreme gehoben nichts anderes als das, was Krababbel schrieb.

    • Offizieller Beitrag

    Ich will nur an einem Punkt ansetzen und mich ansonsten aus dieser Diskussion heraushalten. Mehr Zeit habe ich leider nicht.


    Du schreibst

    Zitat

    Erstens: Zyklon B wurde nicht zur Ermordung von Menschen erfunden.

    Die Aussage gestehe ich dir zu - und ich gestehe auch Zyklon B zu, dass es nicht zur Ermordung von Menschen erfunden wurde. Demnach gestehe ich es "der Wissenschaft" zu, dass sie Zyklon B nicht zur Ermordung der Menschen erfunden hat. Zyklon B wurde nur benutzt.


    Man kann in deinem Satz aber Zyklon B einfach durch "Christentum" ersetzen.

    Zitat

    Das Christentum wurde nicht zur Ermordung von Menschen erfunden.

    Ich würde mich daher weiterhin einer Pauschalkritik gegen das Christentum verwehren. Es gibt genug zu kritisieren. Als Christ kann man sich natürlich für vieles aus der kirchlichen Vergangenheit schämen. Genauso, wie man sich als Deutscher für vieles aus der deutschen Vergangenheit schämen kann. Oder auch als Wissenschaftler. Oder... . Oder.... . Aber eine Pauschalkritik daran ist mehr als unangemessen.
    Und das was du zu den eigentlichen christlichen Werten schreibst ... trifft vielleicht mal und in Teilen zu. Aber nicht grundsätzlich. Nicht an der christlichen Basis.


    kl. gr. frosch

  • ... und deswegen [bezugnehmend auf Neles Beiträge] sollte man Kirchen- und Religionsgeschichte eben einem Historiker überlassen. :)

  • Erst mal... wow, sowohl für die Arbeit als auch für die Formulierung...
    du machst echt keinen halben Kram. Gut so.
    Ich will das nicht "liken", weil - "toll" finde ich das nicht, aber "wahr" schon. vor allem dieses Fazit


    Um die Ausführungen zu Ende zu bringen: die eigentlichen christlichen Werte - denn unser Verständnis von humanitären und rationalen Menschenrechten ist nicht christlich - sind Gehorsam und Furcht, unhinterfragter Glaube an die unbedingte Wahrhaftigkeit der Lehre, Überwindung der eigenen Bedürfnisse im Leiden im ergebenen Dienst eines Höheren und Besseren, die Verehrung des Todes als eigentlichem Ziel des diesseitigen Lebens. Und davon ist die christliche Theologie niemals abgerückt! Sie sind die tatsächlichen Tugenden, "mit denen man ein Konzentrationslager führen kann", wie Oscar Lafontaine so schön sagte. Da steckt der Kern in der Sache, den Steven Weinberg auf den Punkt bringt: "With or without [Religion] you would have good people doing good things and evil people doing evil things. But for good people to do evil things, that takes religion."


    Summa summarum - vom religiösen "credo quia absurdum" auf gedanklicher Ebene zum totalitären "facio quia nefas" im Handeln ist nur ein winziger Schritt. Der fanatische Glaube ist der Weg zu den Öfen von Auschwitz. Und das ist ins Extreme gehoben nichts anderes als das, was Krababbel schrieb.

    ...ist, denke ich, etwas, was bei vielen Leuten mal "ankommen" müsste. Ob's beim "Aufwachen" hilft, weiß ich nicht, aber es wäre möglich. Das erfordert natürlich intellektuelle Kapazität und die Tätigkeit des Denken, beides Dinge, die eher den soeben genannten "christlichen Werten" entgegenstehen (wie war das mit Gehorsam und unhinterfragter Glaube?).
    Wen wundert denn da noch der Widerstand der monotheistischen Organisationen gegen eine aufgeklärte, hinterfragende Gesellschaft?


    Muss deswegen der Religionsunterricht verschwinden?
    Nicht zwingend.
    Aber er braucht wohl dringend eine "inhaltliche Überarbeitung", um das mal diplomatisch auszudrücken.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • Weswegen?

    Objektivität?
    Ich denke, @Wollsocken80, und auch ich und viele andere, sprechen Leuten, die im Auftrag der Organisation Kirche unterrichten sollen, eben diese ab. Diese ist aber unbedingt notwendig, um Strömungen, wie sie in Neles Artikel aufgezeigt werden, zu vermeiden.

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
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  • Man kann in deinem Satz aber Zyklon B einfach durch "Christentum" ersetzen.

    Bei allem Respekt, aber weder habe ich das geschrieben noch kann man es meinem Text entnehmen, dass das Christentum ein Mittel zur Einführung des Totalitarismus sei. Und wenn man ihn genau liest und die angesprochenen Kontexte gebührend zur Kenntnis nimmt, kann man auch nachvollziehen, wo von den relevanten Wesensmerkmalen des Christentums die Rede ist, die auch genau auf den Punkt gebracht und historisch gezeigt sind..

    Zitat

    Ich würde mich daher weiterhin einer Pauschalkritik gegen das Christentum verwehren.

    Auch darum geht es in meinem Text nicht. Er behandelt die sehr genau eingegrenzte Frage, inwieweit zentrale und konfessionsübergreifende Anteile der christlichen Ideologie in den Totalitarismus leiten.

    Zitat

    Es gibt genug zu kritisieren. Als Christ kann man sich natürlich für vieles aus der kirchlichen Vergangenheit schämen.

    Es geht nicht um Scham, es geht um Verantwortung - das ist genau der gleiche Anspruch, dem man als Deutscher angesichts der jüngeren deutschen Geschichte gerecht werden muss. Und diese Verantwortung sehe ich - weder z.B. bei der Lutheraufarbeitung durch die Protestanten noch bei der Aufarbeitung der eigenen Geschichte durch die katholische Kirche noch bei dem Umgang mit der Theologie - ganz und gar nicht. Ich sehe nur Relativierung, wie z.B. hier:

    Zitat

    Und das was du zu den eigentlichen christlichen Werten schreibst ... trifft vielleicht mal und in Teilen zu. Aber nicht grundsätzlich. Nicht an der christlichen Basis.

    Nur mal die Werte "Furcht und Gehorsam": das letzte mal bin ich dem Begriff "gottesfürchtig" noch als sehr positives Attribut für einen gläubigen Christen begegnet. Und den Wert des Gehorsams findet man jedes mal bei der Rezitation der Zehn Gebote und des Glaubensbekenntnisses. Oder sind die Zehn Gebote und das Glaubensbekenntnis "an der christlichen Basis" nicht mehr gültig? Übrigens, ist eine evangelikale und freikirchliche Gemeinde, die ganz bestimmt eine sehr klare Position zu Furcht und Gehorsam Gott gegenüber hätten, nicht "die Basis"? Wäre mir ehrlich gesagt neu. Oder ist das jetzt auch etwas anderes?


    Sind Menschenrechte denn nicht doch ein christliches Konzept? Wieso verweigert dann der Vatikan die Ratifikation der UN-Menschenrechtscharta aus theologischen Gründen? Und wieso stützen in den USA die konservativ-evangelikalen Christen, d.h. die Mehrheit der praktizierenden Christen dort, mehr oder weniger unisono prinzipiell jede Menschenrechtsverletzung durch die US-Regierung mit religiöser Begründung von den Kanzeln ihrer Gotteshäuser? Sind das weltfremde Autoritäten, die ihren andersdenkenden Gemeinden "an der Basis" ihre Vorstellungen aufzwingen?


    Alle Werte, die ich als eigentliche Werte des Christentums genannt habe, klingen ungewohnt und verstörend, weil ich die Terminologie des Christentums verweigere, die man für die identischen Inhalte aus dem Religionsunterricht kennt und gewöhnt ist, die ich aber sehr viel treffender als Euphemismen wie das "ewige Leben" finde. Von der Sache ist meine Aufzählung wohlbegründet, ich kann sie mit der historischen und gegenwärtigen Praxis ebenso wie mit Rückgriff auf die Theologie begründen und tue das auf Nachfrage selbstverständlich.


    Mit deinem Verweis auf die Basis der Gemeinde gegenüber den Kirchenautoritäten begehst du einen Denkfehler und ich bin der Meinung dass dieser Denkfehler ursächlich mit der Praxis des Religionsunterrichts verknüpft ist. Deine Vorstellung impliziert einerseits, dass es ein "richtiges Christentum" gäbe, das man von fehlerhaften Vorstellungen des Glaubens differenzieren könne, was mit der Bibel begründbar sei. Gerade letzteres ist aber nachweislich nicht der Fall. Dass man jede beliebige Position genau wie ihr Gegenteil theologisch schlüssig belegen kann und dass dies auch in Geschichte und Gegenwart geschieht, daran kommen ja nicht einmal die Christen vorbei - sonst gäbe es ja keine Exegetik. Das bedeutet gleichzeitig, dass objektiv nicht "wahre" von "falscher" Religion unterscheidbar ist und deshalb stehen auch verschiedenste in Glaubensgemeinschaften verfolgte Glaubenspositionen völlig gleichberechtigt nebeneinander. Was das Christentum ist und was nicht, lässt sich nicht theologisch bestimmen sondern nur empirisch erkennen - das Christentum ist, was es ist, nämlich die Bandbreite dessen, was von christlichen Gemeinden gesagt und getan wird. Die Grenzen nach außen sind diffus, aber zumindest recht genau beschreibbar. Was bei der Streichung aller Widersprüche als Konsens übrig bleibt, ist der gemeinsame Satz von Überzeugungen und Werten - die Vorstellung Christi als Erlöser gehört sicherlich dazu, aber eben auch der Satz von Werten, den ich genannt habe. Menschenrechte, Demokratie und Freiheit dagegen nicht.


    Dein Denkfehler trifft in diesen Kern. Selbstverständlich haben du und deine Gemeinde ein festes Wertesystem, das mit den toleranten, säkularen Werten unserer Gesellschaft übereinstimmt. Der Irrtum liegt darin, dass du diese Werte als christlich versteht, bloß, weil du sie in christlichem Kontext erlebst. Das wiederum resultiert daraus, dass du nicht die Bandbreite christlichen Denkens zur Kenntnis nimmst und deshalb nicht erkennen kannst, dass die Haltung deiner Gemeinde - und überhaupt die des progressiven deutschen Christentums - die einer verschwindend kleinen und jungen Minderheit der weltweiten und historischen Christenheit darstellt. Du befindest dich in einer klassischen Echokammer bzw. Filterblase, die dir bei der realistischen Einschätzung deines Glaubens im Weg steht. In letzter Konsequenz bist du derjenige, der pauschalisiert und eine für das Christentum unbedeutende Randmeinung verallgemeinert.


    Und daran ist der Religionsunterricht, der Christen von früher Kindheit an prägt und emotional bindet, unmittelbar beteiligt. Er betont, ein "positives Christentum" zu vermitteln und zielt vorsätzlich auf erlebte Emotionen und nicht auf kritische Zweifel. Sogar in der Sekundarstufe II wird zur Erfüllung wissenschaftspropädeutischer Verpflichtung theologisches Denken herangezogen, was im Gegensatz zur Hermeneutik aber nicht wissenschaftlich sondern eine narrative Fortschreibung des Mythos ist. (Kann ich bei Bedarf erläutern) Von vorne bis hinten regiert den Religionsunterricht der Wunsch, wie Dinge sein sollen, aber nicht die Realität, wie die Dinge stattdessen sind; es findet eine Verkaufsveranstaltung statt, in der die Kirchen Errungenschaften anderer als ihre eigenen verkaufen. Gesetzt wird dieser Unterricht durch Religionsgemeinschaften, für die kritisches Hinterfragen und Wissen niemals im Mittelpunkt stand, vermittelt durch Lehrer die durch diese Haltung geprägt sind.


    Neutral ist daran nichts, gleichgültig, was die Religionslehrer glauben. Deshalb Religionskunde statt Religionsunterricht.


  • Sind Menschenrechte denn nicht doch ein christliches Konzept? Wieso verweigert dann der Vatikan die Ratifikation der UN-Menschenrechtscharta aus theologischen Gründen?

    Wie tut der Vatikan das?



    ... Sogar in der Sekundarstufe II wird zur Erfüllung wissenschaftspropädeutischer Verpflichtung theologisches Denken herangezogen, was im Gegensatz zur Hermeneutik aber nicht wissenschaftlich sondern eine narrative Fortschreibung des Mythos ist. (Kann ich bei Bedarf erläutern)

    Hier, Bedarf angemeldet ;)

    • Offizieller Beitrag

    Nele, beim Thema Religionskunde bin ich bei dir. Das weißt du ja auch.


    Bzgl. Des von mir zitierten Satzes:
    Ich habe ja auch nicht geschrieben, dass du das so gesagt hast. Aber es gab hier im Thread die Entrüstung, dass doch nicht "die Wissenschaft" schlecht sei, sondern das sie nur schlecht verwendet wurde. Daher meine Reaktion auf deinen Satz. Das gilt nämlich für das Christentum genauso.


    Aber ich finde die pauschale Verurteilung der Christen, wie sie auch hier im Thread passiert ist, unpassend.


    Bzgl. "kritische Zweifel" - Ich hatte zumindest einen Religionsunterricht genossen, der sehr wohl auch kritisch war. Und ich unterrichte einen, der sehr wohl kritisch ist. Vielleicht mag ich eine Ausnahme sein, ich weiß es nicht. Aber so generell, wie du es es oben in deinem letzten Abschnitt schreibst, ist es nicht.


    Kl.gr.Frosch

  • ...dass doch nicht "die Wissenschaft" schlecht sei, sondern das sie nur schlecht verwendet wurde. Daher meine Reaktion auf deinen Satz. Das gilt nämlich für das Christentum genauso...

    Die Frage ist doch aber schon, ob es "das Christentum" überhaupt gibt. Ob ein gemeinsamer Nenner existiert.


    Es gibt eine Menge Strömungen im Christentum und einzelne Personen, auf die man sich beruft. (Neulich sah ich eine Luther-Doku, nunja, der hat sich halt auch zusammengereimt, was ihm in den Privatkram gepasst hat. Jemandem die Absolution erteilen z.B., der mit der knackigen 17-Jährigen am Hofe verheiratet sein will, obwohl er schon verheiratet ist. Besser so, fand Luther, als einfach so rummachen. Oder die Wiedertäufer mit ihrer lustigen Kommune in Münster...)


    Ich stelle übrigens nach wie vor nicht Gläubigkeit infrage, sondern einen Gläubigkeitsunterricht der Kirchen. Glauben ist eine sehr persönliche Angelegenheit und wenn man mit Kindern darüber spricht, sollte es unabhängig geschehen. Ich möchte auch Gemeinschaftskunde vom Politiklehrer und nicht vom PR-Beauftragten einer Partei erteilt wissen, wenn der sich auch für noch so neutral hält. Ehe- und Familiefragen in katholischer Religion hatten wir ja schon im Ausgangsthread...

  • Ich finde es aber in einer Demokratie nach wie vor "interessant" eine Minderheitenmeinung (und wenn wir von Feiertagskatholiken reden, sollten wir doch die Einkommenssteueratheisten auch benennen dürfen), wenn 36% der Menschen (konfessionslos) den anderen erzählen wollen, dass man dringend das Grundgesetz ändern müsste

    Die Reduktion von Demokratie auf Mehrheitsarithmetik schmeckt mir nicht. Ein moderner, demokratischer Rechtsstaat, eine Zivilgesellschaft sollte mehr zu bieten haben, als ein Abstimmungsergebnis. Die Gleichsetzung von Konfessionszugehörigkeit (bzw. deren Fehlen) mit einer bestimmten Haltung zum Religionsunterrichtsartikel scheint mir ebenfalls nicht zu Ende gedacht. Dass man einer Konfession angehört, bedeutet ja nun nicht, dass man den Verfassungsrang des Religionsunterrichts für wesentlich hält. Und man stört sich vielleicht daran nicht, obwohl man selbst keiner Konfession angehört.


    Es gibt durchaus Religionsgemeinschaften, die zwar die Rechtsform einer Körperschaft öffentlichen Rechts haben, die damit verbundenen Vorrechte Kirchensteuer und Religionsunterricht gar nicht in Anspruch nehmen.


    Eine Umfrage, ob man denn eine entsprechende Verfassungsänderung für angebracht hielte, würde wohl auch einen guten Satz Enthaltungen ergeben. Die Frage, ob man den den konfessionsgebundenen Religionsunterricht für notwendig halte, würde nicht ungebdingt das Abstimmungskomplement ergeben. Und wenn man weiter fragt, würden wohl die Fragen "Sollte es katholischen Religionsunterricht an Schulen geben?" und "Sollte es sunnitischen Religionsunterricht an Schulen geben?" unterschiedliche Zustimmungsraten erhalten. Da wäre sie dann gar nicht mehr so deutlich in einer Fraktion zu finden, die Gemeinschaft aller irgendwie Gläubigen, die man gerne beschwört, um Mehrheiten zu konstruieren.


    Glaubensfreiheit gibt es nämlich nur in einem säkularen Staat. Wer einen solchen nicht möchte, muss ich Kauf nehmen, dass die "christliche" Prägung den anderen Religionen regelmäßig einen vor den Latz gibt.


    Eine dringende Änderung steht übrigens nicht an.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

  • Der jüdische Religionsunterricht wird von der jüdischen Religionsgemeinschaft beaufsichtigt, der katholische von der katholischen Religionsgemeinschaft. Und unabhängig davon wer Recht hat, ist das eine sehr seltsame Einstellung zur Demokratie...

    Finde ich in der Tat auch. In einer Demokratie sollte die Aufsicht über Unterricht an staatlichen Schulen bei demokratische legitmierten bzw. kontrollierten Gremien liegen.

    „Fakten haben keine Lobby.“


    (Sarah Bosetti)

  • Zitat

    Der Religionsunterricht ist in den öffentlichen Schulen mit Ausnahme der bekenntnisfreien Schulen ordentliches Lehrfach. Unbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechtes wird der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt.

    Sie liegt bei staatlichen Gremien, halt nur in Absprache und ja, ich bin sehr froh dass wir nicht in einem laizistischen Staat leben. Sehe jetzt irgendwie auch die Vorteile nicht.

    If you look for the light, you can often find it.
    But if you look for the dark that is all you will ever see.

  • ja, ich bin sehr froh dass wir nicht in einem laizistischen Staat leben.

    Wieso?


    Merschwein Nele hat sehr ausführlich dargelegt, warum christiliche Werte den Grundsätzen eines demokratischen Staates widersprechen.


    Der Bibel folgende, die ja nun mal die Grundlage des christlichen Glaubens ist, muss man beim Verkauf seiner Tochter in die Sklaverei Geld verlangen (Exodus 21:7). hast du schon mal Sonntags Klausuren korrigiert? Wenn ja, musst du leider getötet werden (Exodus 35:2). Usw. usf.
    Wie Meerschwein Nele bereits schrieb: dass in Gemeinden Menschen zusammen kommen, die dsmokratisch humanitär sozialisiert sind, lässt nicht den Schluss zu, dass dies dem christlichen Glaiben entspricht. Und dieser ist es ja, der in Schulen unterrichtet wird.

    • Offizieller Beitrag

    Schmidt:


    nach meinem exegetischen Kenntnisstand ist es so, dass das Alte Testament als Schrift für die Christen zwar eine gewisse Relevanz hat. Die Gesetze, von denen du sprichst, wurden nach allgemeiner exegetischer Lehrmeinung allerdings von Jesus durch "Liebe deinen Nächsten ..." (kurz gefasst) ersetzt. (Diese Aussage steht und fällt natürlich mit der Prämisse, dass man davon ausgeht, dass eine Person "Jesus" (vielleicht hieß sie auch anders, vielleicht waren es auch verschiedene Personen) mal auf der Erde herumgelaufen ist. Aber da du das AT wörtlich auslegst, gehe ich mal davon aus, dass du das beim NT auch machst. )


    Der Hinweis von dir auf das notwendige Befolgen der alttestamentlichen Regeln ist demnach (zumindest in der religiösen "Filterblase") falsch. Außerhalb dieser Blase spielt es für die Menschen eh keine Rolle.


    kl. gr. frosch

  • Das mit dem "Wortwörtlichen" ist so ne Sache...
    Wenns danach ginge hätten ja die Kreationisten recht, und wir wissen, das wäre Quatsch.


    Nun sagst du, das neue Testament würde ja so einiges revidieren...
    also spätestens bei so einigen Kapiteln des Römerbriefs dreht sich mir der Magen um. Und ich weiß es gibt Leute, die das so, exakt so formuliert für "richtig" halten... und das im 21. Jahrhundert...
    ...übrigens in ganz verschiedenen christlichen Sekten, solchen Unsinn habe ich schon sowohl von Katholiken als auch von evangelikalen Freikirchlern als auch von ZJs etc gehört...


    Sowas kann doch nur "gedeihen", wenn versäumt wird, sich zeitgemäß und kritisch mit diesen (angeblichen) "Inhalten" auseinanderzusetzen. Wie ist es möglich, selbst in einem fortschrittsorientierten Industrieland wie Deutschland noch Leute zu finden, die so etwas für bare Münze nehmen (in irgendwelchen rückständigen Staaten, inklusive übrigens der USA, insbesondere deren Rednecks-Hochburgen, wundert es mich weit weniger).

    Der Zyniker ist ein Schuft, dessen mangelhafte Wahrnehmung ihn Dinge sehen lässt wie sie sind, nicht wie sie sein sollten. (Ambrose Bierce)
    Die Grundlage des Glücks ist die Freiheit, die Grundlage der Freiheit aber ist der Mut. (Perikles)
    Wer mit beiden Füßen immer felsenfest auf dem Boden der Tatsachen steht, kommt keinen Schritt weiter. (Miss Jones)
    Wenn der Klügere immer nachgibt, haben die Dummen das Sagen - das Schlamassel nennt sich dann Politik (auch Miss Jones)

  • ... Die Gesetze, von denen du sprichst, wurden nach allgemeiner exegetischer Lehrmeinung allerdings von Jesus durch "Liebe deinen Nächsten ..." (kurz gefasst) ersetzt.

    Das wäre meine Frage: Ist das so? M.E. beinhalten die Lehrpläne doch etwas mehr.


    Ich erinnere mich selbst z.B. dunkel an Noah, Jona, Lots Frau, die zur Salzsäule erstarrt ist, irgendwas mit eingestürzten Jerichomauern und allerlei anderen Geschichten aus dem alten Testament mit einer Moral von Bestrafung und Belohnung durch einen ziemlich hart durchgreifenden Herrgott.


    Und b) wenn die einzige (durchaus wichtige!) Botschaft "Liebe deinen Nächsten" wäre, bräuchte es dann einen konfessionell getrennten Reliunterricht? Jesus war sicher ein krasser Typ. Aber Siddhartha Gautama hat auch Interessantes zu bieten. Und wer sich auskennt (nicht ich), findet sicher auch in anderen Religionen Herauspickenswertes. Menschengemacht sind all diese Lehren und daher auch als solche zu vermitteln.


    Religionen haben doch immer irgendwo irgendwann ihren Ursprung und Begründer. Und sie dienten der Regulierung des Zusammenlebens. Aber dass sich da die Vorstellung in 2-3000 Jahren ändert ist begrüßenswert. Nur: wer legt fest, wie sich diese Vorstellung ändert? Der Papst? Und bei den Evangelen?


    Edit: Kondome verbieten in HIV-verseuchten Regionen z.B. ist nicht zeitgemäß. Und einigen Männern Sex komplett abzusprechen war es nie. Auf wen berufen die sich bloß?

    Einmal editiert, zuletzt von Krabappel ()

    • Offizieller Beitrag

    Zu 1) ich schrieb, dass das At zwar noch relevant sei, laut den Geschichten Jesus und der exegetischen Lehrmeinung (zumindest in Deutschland, aber hier im Thread sprechen wir meines Wissens von Deutschland) die knallharte Schiene des ATs allerdings "überholt" ist.


    Zu 2) Bräuchte er meiner Meinung nicht. Wobei ich persönlich den Religionsunterricht aus der Schule nehmen würde und die Zeit sinnvoller nutzen würde. Wer Religionsunterricht haben möchte, kann auch in die Sonntagsschule gehen. Einziger Nachteil davon: die Religiöse Unterweisung wäre dann ggf. "Lehrern" überlassen, die das Fach besser nicht unterrichten sollten.


    Zu 3) Wer sie ändert. Hm, der Papst gibt fleißig seine Überlegungen raus. Ob die alle so akzeptiert und umgesetzt werden? Ich habe den Eindruck (speziell, aber nicht nur aus Studienzeiten), dass für die Änderungen in der Vorstellungswelt primär die "Theologen" z. B. an der Uni, sowie der hoffentlich gesunde Menschenverstand der Gläubigen verantwortlich sind.
    Das ist aber nur mein persönlicher Eindruck. Vielleicht weiß Nele da näheres zu.


    Kl.gr.Frosch

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