Ich war irritiert und sauer, als mir ein Schüler erklärte, dass die Kriege der USA und Israel ähnlich schlimm waren.
Das kann man nämlich nicht vergleichen.
Israel führt Krieg, wenn es sich selbst verteidigen muss.
Die Kriege der USA haben auch humanitäre Gründe.
Der Krieg von Putin ist hingegen einzig ein Eroberungskrieg - und damit höchstens mit den Kriegen des Zweiten Weltkriegs zu vergleichen.
Hier ist - finde ich - wichtig, klare Kante zu zeigen und die kriegerischen Auseinandersetzungen in der Welt - die alle sehr schlimm sind - voneinander differenzieren.
Auch die Kritik des Schülers, dass wir eine Doppelmoral hätten bezüglich Flüchtlinge aus dem Mittelmeer und der Ukraine, ist nicht differenziert. Bei der Ukraine handelt es sich um echte Kriegsflüchtlinge aus Europa
Alles anzeigen
Differenzieren klingt gut, damit solltest du aber dann wohl anfangen, indem du zunächst einmal differenzierst zwischen deiner Rolle als Lehrkraft und deiner privaten Meinung, sonst landen wir am Ende ganz schnell bei der Indoktrination und ähnlichen Verletzungen des Beutelsbacher Konsenses. Mit dem nun gewonnenen Mehr an innerer Gelassenheit kann es dann gelingen, die diversen Beispiele mit SuS einerseits aufzudröseln und andererseits die Haltungen der SuS ernstzunehmen.
Ja, Israel führt in erster Linie Verteidigungskriege- das hält das Land aber nicht davon ab Präventivschläge zu unternehmen, die- auch wenn sie durchaus nachweislich der Verteidigung dienen- immer wieder zivile Opfer provozieren, weil die Hamas perfiderweise ihre Stellungen in Wohnsiedlungen anbringt. Natürlich ist da zunächst die Hamas verantwortlich für diese zivilen Opfer- Israel nimmt sie bei derartigen Präventivschlägen aber ebenso natürlich billigend in Kauf. Natürlich hat Israel das Recht sich gegen eine Terrororganisation wie die Hamas, die die Zivilbevölkerung instrumentalisiert zur Wehr zu setzen, dennoch hat auch die palästinensische Zivilbevölkerung ein Anrecht auf einen Respekt ihrer Menschenrechte, womit wir schon bei der Frage sind, inwiefern eine Abriegelung des Gazastreifens oder die Enteignung paläsinensischer Bauern zugunsten israelischer Siedlungsflächen die Menschenrechte der Palästinenser ausreichend beachtet. Ein kniffliges Thema also, bei dem sehr viel Differenzieren absolut Not tut.
Ja, die Kriege der USA haben auch humanitäre Gründe- der erste Irakkrieg entstand aber sicherlich nicht aus humanitären Gründen, ebenso wenig wie der Einmarsch in Afghanistan um nur zwei Beispiele der letzten Jahrzehnte zu wählen. Generell greifen die USA dort ein, wo es ihren Interessen dienlich ist und der Preis zahlbar scheint für ein Eingreifen. Im Jemen scheren sie sich insofern nicht darum, was Saudi-Arabien dort seit Jahren bereits veranstaltet- die Saudis sind schließlich bis heute wichtige Partner der USA und der Jemen selbst hat keine wirtschaftliche oder sonstige Relevanz für die USA. Es lohnt sich also auch hier unbedingt zu differenzieren und der US-Amerikanische Realpolitik des Bandwagonings weder unkritisch einseitig humanitäre Motive zuzuschreiben, noch sie einseitig und unkritisch zu verdammen.
Ja, der Krieg von Putin ist ein Eroberungskrieg. Es ist aber auch ein Krieg, der anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion die direkt an Russland angrenzen zeigen soll, was ihnen droht, wenn sie sich zu unabhängig von Russland machen wollen und zu stark der EU/NATO annähern, sprich den Macht- und Einflussbereich selbst bestimmen wollen, dem sie sich unterwerfen. Belarus ist nicht der einzige Vasallenstaat Russlands in der Region, andere, demokratisch orientiertere Staaten sind wirtschaftlich und/oder militärisch so abhängig von Russland, dass sie es sich schlicht nicht leisten können, Russland komplett den Rücken zuzuwenden. Die Abstimmung in der UN-Vollversammlung über die Russlandsanktionen zeichnet ein durchaus deutliches Bild dieser Abhängigkeiten, wenn man sich anschaut, welche Staaten der Region sich zumindest enthalten haben, wer sogar dagegen gestimmt hat. Auch hier lohnt sich in jedem Fall eine differenzierte Betrachtung, um nicht am Ende Putin oder gar Russland an sich pauschal zu dämonisieren und sich damit den Blick für wichtige Details zu verschleiern.
Was deinen letzten Punkt anbelangt, so empfinde ich diese Aussage schlichtweg als Verhöhnung bzw. als Negierung von Menschenrechten. Auch die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge entfliehen oftmals größter persönlicher Not und absoluter Armut (nur zum Vergleich: Mit ALG II befindet man sich in relativer Armut) und möchten nicht mehr und nicht weniger, als ihr Recht auf Leben oder Gesundheit gesichert wissen, das Recht ihrer Kinder auf Bildung umsetzen und haben in ihren Herkunftsländern keine oder kaum Möglichkeiten dazu. Wer mit Menschenrechten argumentieren möchte, sollte nicht einseitig das Recht auf Leben Flüchtlingsgruppen absprechen oder deren Fluchtmotiven pauschal und undifferenziert jedwede Legitimität absprechen. Damit nimmst du deiner Argumentation nämlich die Legitimität, denn Differenzieren- so gut, so wichtig, so richtig- sieht anders aus.