Gestern habe ich im Radio ein Interview mit dem Schriftsteller Ghayath Almadhoun auf Deutschlandfunk Kultur gehört. Er wird dort als palästinensischer Dichter und Intellektueller vorgestellt (obwohl er selbst nie in Gaza oder „Palästina“ gelebt hat).
Auf die Frage, wie er die furchtbaren Nachichten aus Gaza aufnimmt, erklärte er, er habe seit dem 7. Oktober 400 Verwandte verloren, darunter 300 Kinder. In einem kurzen Nebensatz erwähnt er dann, dass er auch um die 33 israelischen Kinder trauere, die am 7. Oktober ums Leben kamen.
Ich nehme diese Aussage als einen gemeinen, unterschwelligen Manipulationsversuch wahr. Zum einen greift er bewusst das Thema Kindestötung auf, vermutlich, um es wie gewohnt in Verbindung mit Israel zu bringen. Zum anderen untermauert er seine Position mit einer Schein-Statistik, die beim Zuhörer Fassungslosigkeit und Entsetzen auslöst. Die Zahl von angeblich 300 getöteten Kindern ist nichts anderes als das Produkt seiner eigenen subjektiven Wahrnehmung und Sichtweise auf den Konflikt. Beim Autofahrer, der Deutschlandfunk Kultur nebenbei beim Autofahren hört, bleibt am Ende nur hängen: In Gaza hat ein einzelner Mann 300 Kinder verloren, während am 7. Oktober "nur" 33 israelische Kinder ums Leben gekommen sind.
Er setzt diesen Trick konsequent fort: So behauptet er, auf Dresden seien 3,9 kT TNT abgeworfen worden, auf Gaza dagegen 100 kT. Auf Hiroshima sei eine Sprengkraft von 13 kT gefallen, während Gaza das Achtfache erlitten habe. Deutschland habe seiner Meinung nach sogar 3,5 Hiroshima-Atombomben zur Zerstörung Gazas beigetragen. Auch hier greift er zum gleichen rethorischen Muster wie zuvor. Die unterschwellige Botschaft lautet: Israel habe Atombomben auf Gaza eingesetzt. Dazu bringt er völlig unverhältnismäßige Vergleiche, die einzig und allein den Zweck haben, Israels Vorgehen moralisch mit einem Atombombenabwurf gleichzusetzen. Untermauert wird dies mit Zahlen, bei denen man erhebliche Zweifel haben muss, dass sie jemals korrekt ermittelt wurden, geschweige denn überhaupt messbar sind.
Später erklärt er, eine Einstaatenlösung sei „ beste Lösung, eine Zweistaatenlösung könne er aber ebenfalls akzeptieren. Doch wie soll eine Einstaatenlösung praktisch aussehen? Würde Israel in diesem Szenario überhaupt noch existieren? Und warum spricht man überhaupt von einer Zweistaatenlösung, wenn bereits über 80 % des ursprünglichen Völkerbundmandatsgebiets Palästina an die Araber gegangen sind; das heutige Jordanien? Dieser Umstand wird in den Medien so gut wie nie erwähnt, obwohl damit längst ein palästinensischer Staat existiert.
Besonders problematisch ist, dass der Moderator nicht nachhakt und den Interviewten ungehindert seine Thesen verbreiten lässt. Die zum Teil absurden Behauptungen bleiben unkommentiert stehen und gelangen so ungefiltert zu den Zuhörern, die im guten Glauben, Deutschlandfunk Kultur sei ein seriöses Medium, diese verzerrten Aussagen für bare Münze nehmen. Das Ergebnis: Es entsteht unbemerkt und schleichend ein antiisraelisches Bild.
Am Ende kommt dann wie gewohnt der Hinweis, Kritik an Israel sei nicht gleichzusetzen mit Judenfeindlichkeit. Doch für mich klingt das zunehmend wie ein Versuch, antisemitische Botschaften zu legitimieren. Israel ist die Heimstätte des jüdischen Volkes, und ob man Netanjahu zustimmt oder nicht: Die israelische Regierung repräsentiert zu einem großen Teil die Interessen gläubiger Juden. Wenn dann stets auf die "radikale Siedlungspolitik" verwiesen wird, darf man nicht vergessen: Israel hat diese Gebiete in Verteidigungskriegen erobert, mehrfach Land zurückgegeben, und betrachtet das Westjordanland historisch wie sicherheitspolitisch als besonders wichtig. Verständlich, dass man es nicht leichtfertig einer radikalen Fatah überlassen will, die offen weitere Kriege gegen Israel propagiert.