Beiträge von Antimon

    Ich überfliege die Diskussion hier schon eine Weile immer mal wieder und finde sie zunehmend bizarr.

    Es ist die Frage, ob es wirklich die gleiche Arbeit ist, denn das ganze professionelle Repertoire und Verständnis vom "Lehren" und der Pädagogik fehlt

    Das ist doch gar nicht das entscheidende Argument. Will heissen, selbst als ausgebildete Lehrperson ist nicht garantiert, ob dieses "Verständnis" vorhandenen ist, oder nicht. Der Punkt ist, das 2. Staatsexamen ist der berufsqualifizierende Abschluss und ich mutmasse mal ganz dreist, dass allein die formale Qualifikation über die Entlöhnung entscheidet. Bei uns ist das ganz genau so. Da kannst du 100 x Frau Dr. Irgendwas sein, wenn das Lehrdiplom fehlt, wird ein Lohnband schlechter eingestuft. Sobald die Ausbildung für das Lehrdiplom begonnen wird, gibt's das bessere Lohnband, in diesem aber die schlechteste Erfahrungsstufe und zwar so lange, bis das Papierli fertig ist. Das gilt übrigens auch für Lehrpersonen mit abgeschlossenem 2. Staatsexamen, die zu uns kommen. Solange die Anerkennung der EDK fehlt, wird gnadenlos ins schlechtere Lohnband eingruppiert.

    Also, finde Dich damit ab, qualifiziere Dich nach oder lass es.

    Exakt das.

    Ich sehe soweit liegen wir gar nicht auseinander

    Nee, das habe ich auch gar nicht gedacht. Ich fand die Diskussion jetzt eigentlich recht interessant, auch um für mich ein paar Dinge noch mal zu reflektieren.


    Das Borax, habe ich das entsorgt? Müsste den ich halte mich ja streng an die RISU

    Eben, so ist es. Du machst eine Abwägung, wie hoch die Wahrscheinlichkeit sein wird, dass es jemals zu einem relevanten Ereignis kommen wird, in dessen Kontext du gefragt wirst, was das Borax da jetzt zu suchen hatte.

    Wir haben auf dieses Schuljahr einen neuen Kollegen bekommen, der in Deutschland das 2. Staatsexamen gemacht hat. Es ist lustig mit ihm. Er fragt in schöner Regelmässigkeit nach irgendwelchen Situationen, wie er da jetzt entscheiden bzw. vorgehen muss. Und wundert sich über die Standard-Antwort: Ja, das musst du selber wissen. Es gibt wenig, was wirklich streng geregelt ist und das bisschen leitet sich eigentlich alles direkt aus der Gefahrstoffverordnung ab.

    Er wundert sich aber auch über allgemeine Verhaltensregeln, die es eben gar nicht wirklich gibt. Neulich kam er und fragt mich ganz irritiert, in der 10-min-Pause hätten jetzt alle in der Klasse wie selbstverständlich das Smartphone aus der Tasche gezogen und würden sich damit vergnügen. Ob die das denn dürften. Ja, dürfen sie. Wenn du der Meinung bist, die sollten die 10 min sinnvoller nutzen, darfst du sie aber gerne dazu animieren etwas anderes zu tun. Es gäbe da z. B. eine Dartscheibe im Zimmer mit Pfeilen ... Dann wunderte er sich über die Dartscheibe ... Er war auch schon kurz davor, eine Horde junger Damen aus meinem Zimmer zu schmeissen, die sich da zum Mittagessen einrichteten. Bis er gemerkt hat, die grüssen mich ganz freundlich, obwohl es nicht mal meine Schülerinnen sind. Offenbar haben die irgendein unausgesprochenes Recht, da ihr Lager aufzuschlagen und ebenso offensichtlich wissen die ganz genau, wann und wie sie den Raum wieder zu verlassen haben. ^^

    Mehr Freiheit bringt Vor- und Nachteile mit sich. Man trägt auch selbst unmittelbar mehr Verantwortung, das ist in der Tat nicht allen wirklich bewusst. Und natürlich bringt mehr Freiheit auch mehr Diskussionen mit sich. Kann auch anstrengend sein. Dann braucht es wieder einen Konsens darüber, wie viel Lust man so zu Diskutieren hat ...

    Genau darauf habe ich nun auch mehrfach schon versucht hinzuweisen: Es werden offenbar "Regeln" beschlossen, für die es gar keine Rechtsgrundlage gibt. Dann ist die eine Ebene, dass man sich ärgert, wenn einen eine Kollegin vor den Schüler*innen blossstellt, das empfinden wohl alle hier als No-Go. Die andere Ebene ist aber, dass die Kollegin, die das vermeintlich "Verbotene" eben doch zulässt, objektiv betrachtet im Recht ist.

    Ruhe Abgesehen von der Diskussion, die ich gerade sehr spannend finde, glaube ich, dass du eigentlich keine Frage gestellt hast. Dir geht es nur drum, dir deine eigene Vorstellung bestätigen zu lassen, auf gegenteilige Meinungen lässt du dich wenig bis gar nicht ein. Mir erschliesst sich nicht, warum man eine Diskussion anstösst, wenn man mit der eigenen Meinung eigentlich zufrieden ist. Dann zieh's doch einfach durch und fertig ist die Wurst.

    So gesehen sind aber auch viele andere Vorgaben in der Risu nicht wirklich zielführend.

    In der Tat ist das auch so. Wir nutzen die RISU als unverbindliche Handlungsempfehlung, rechtlich bindend ist sie für uns nicht. Weil der Gesetzgeber davon ausgeht, dass ich als studierte Chemikerin selbst entscheiden kann. Was auch völlig zutreffend ist, die Unfallstatistik spricht an dieser Stelle für sich. Die Geschichte mit unserer Assistenz und dem Schneidebrett ist ja kein Zufall. Die hat 18 Jahre lang an einer deutschen Schule gearbeitet. Es hat einen Moment gebraucht ihr beizubringen, dass RISU jetzt aus ist.


    Ich halte dies aber auch für sinnig.

    Ah! Jetzt kommen wir, glaube ich, zusammen. *Du* hältst das für sinnig. Du weisst allerdings auch selber, dass es niemals einen relevanten "Unfall" geben wird. Niemand wird dich jemals fragen, ob Schüler X gerade gegessen hat während du dich an der Glasscherbe eines zerbrochenen Becherglases geschnitten hast, weil A mit B gar nichts zu tun hat.


    Zum einen lernt der Schüler, dass es im Berufsleben Gefährdungsbereiche gibt, in denen bestimmte Regeln einzuhalten sind. Sobald ich eine Baustelle betrete habe ich Sicherheitsschuhe und einen Helm zu tragen.

    Volià, das halte ich für eine akzeptable Argumentation. Würde ich immer noch an einer Berufsschule unterrichten, würde ich es wahrscheinlich auch ganz genau so sehen und halten, mit der gleichen Begründung. Da sind wir wieder an dem Punkt: Regeln gilt es situativ zu hinterfragen und anzupassen. Ich schrieb bereits, ich bestehe schon seit längerer Zeit nicht mehr dogmatisch auf das Tragen von Kittel und Schutzbrille im Labor. Das tat ich noch mit meinen ersten Lerngruppen, einfach weil mir selber die Routine gefehlt hat die Leute richtig einzuschätzen und den Überblick zu behalten. Es klappt aber ganz wunderbar zu sagen, wir pipettieren heute im Wesentlichen Wasser bzw. wässrige Lösungen, wir brauchen weder Kittel noch Schutzbrille. Und das nächste Mal arbeiten wir mit 0.1 mol/L Natronlauge, wer da die Schutzbrille nicht jederzeit über den Augen hat, beendet die Arbeit und verlässt das Labor. Gymnasiasten und Fachmittelschülerinnen der Sekundarstufe II funktionieren da ausreichend vernünftig und adaptiv. Die ganz grosse Mehrheit meiner Schülerinnen und Schüler ist am Ende tatsächlich in der Lage, Standardsituationen selbst korrekt einzuschätzen. Das halte ich für einen unverzichtbaren Lernerfolg. Den gewichte ich höher als meinen persönlichen Komfort, den ich mit einer immer gültigen "ist-halt-so-Regel" freilich habe. Heisst nicht, dass ich mir nicht absolut auch Situationen vorstellen kann, in denen ich die "ist-halt-so-Regel" aber ohne mit der Wimper zu zucken sofort ziehe und dann auch absolut diktatorisch umsetze. Heisst auch nicht, dass ich im wahren Leben einem Kollegen, der an dieser Stelle auf die "ist-halt-so-Regel" besteht, eine Szene machen würde. Das stünde mir überhaupt nicht zu.

    Ich habe auch keine Lust, die Reste der Kartoffelchips überall aus den Ecken und Winkeln herauszuholen.Auch ausgediente Kaugummis unter den Tischen brauche ich nicht.

    Auch das kann ich absolut nachvollziehen. Allerdings mache ich das eben gar nicht, also Krümel aus allen Ecken rausholen. Wenn meine Jugendlichen Dreck machen, machen sie diesen Dreck auch selbst wieder weg. Ihnen das beizubringen, ist Teil meines Erziehungsauftrags und dem komme ich nicht mit generellen Verboten bei. Ich lasse Essen und Trinken im Physikpraktikum aber auch nicht zu, so lange Geräte auf den Tischen stehen. Ich sehe nicht ein, dass unsere Geräte beschädigt werden, die kosten Geld. Ein verkrümelter Tisch ist hingegen kein Schaden, dafür braucht es nur einen Lappen und einen Schüler, der den in die Hand nimmt.

    Hä? Was war jetzt daran nicht zu verstehen, dass in meinem Raum ganz normale Tische, die die meiste Zeit mit relevanten Chemikalien gar nichts zu tun haben, stehen? Womit willst du denn da was "verwechseln", wenn es gar nichts gibt zum Verwechseln?

    An einer Schule erfüllt ein Verbot in den Laborräumen zu essen sowieso einen anderen Zweck als in einem Unilabor oder einem Forschungslabor bei der Roche. Wie es an einer Schule überhaupt zu einem Unfall kommen soll, bei dem die Unfallversicherung daran interessiert sein könnte, ob da jetzt gegessen wurde, müsste mir mal jemand erklären. Im Labor geht es primär mal darum, den Arbeitsplatz grundsätzlich sauber und übersichtlich zu halten, da hat nicht nur die Trinkflasche nichts auf dem Tisch verloren. Dann wäre es tatsächlich möglich, dass jemand sein Brötli in eine Pfütze mit verschütteter Salzsäure legt. Ja, genau deswegen liegt das Brötli da gar nicht. Und es ist auch gar nicht schwierig zu vermitteln, dass das Brötli auch nicht auf einem ansonsten normalen Tisch liegt, wenn daneben eine Flasche mit Salzsäure steht.

    Wenn die Flasche mit der Salzsäure aufgeräumt ist, kann das Brötli wieder auf den Tisch. Diese Tische sind nicht "kontaminiert", das ist kompletter Bullshit. Wären sie das - das wurde bereits völlig korrekt geschrieben - dürfte in diesen Räumen gar kein Unterricht mehr stattfinden. Und keiner von euch dürfte jemals in seiner Küche noch Essen zubereiten, ihr habt die Oberflächen ganz sicher schon mit Schlimmerem gereinigt als verdünnter Salzsäure. Unsere Assistenz hatte aber auch schon mal die irrsinnige Idee, man könnte doch auf einem handelsüblichen Schneidbrett nicht zuerst Natrium und - nach erfolgter Reinigung des Bretts - Schnittlauch zum Verzehr schneiden. Ja, sicher kann man. Meine Kaffeetasse steht auch im gleichen Geschirrspüler wie meine benutzten Bechergläser.

    Du scheinst noch immer nicht einsehen zu wollen, dass der Aufhänger gar nicht das Lagern von Chemikalien, sondern deren grundsätzlicher (und nicht nur akut in diesem Moment erfolgende) Einsatz im Raum ist

    Ich sehe es nicht ein, weil es so grundsätzlich nicht stimmt.

    Und es ist auch wesentlich einfacher, eine generelle Regel wie "In Fachräumen wird nicht gegessen" umzusetzen, als ständig prüfen zu müssen, ob das heute gerade mal geht oder nicht

    Das ist jetzt wirklich eine ganz typisch deutsche Aussage. Was willst du denn da "ständig prüfen"? In meinem Zimmer stehen ganz normale Tische, keine "Experimentierplätze". Worin liegt die Schwierigkeit zu entscheiden, wann gegessen werden darf und wann nicht? Es ist völlig klar, dass das nicht erlaubt ist, wenn gerade eine Kiste mit Material zum Experimentieren auf einem ansonsten völlig normalen Tisch steht.


    Nebenbei: Mir hat sich bislang in Anbetracht der zeitlichen Dichte von Unterrichtspausen ohnehin noch nicht die Notwendigkeit zur Essensaufnahme auch während der Unterrichtszeit erschlossen. Vielleicht magst du dazu mal etwas ausführen

    In der 5-min-Pause während einer Doppellektion ist es vollkommen selbstverständlich, dass ein Schüler in meinem Zimmer sitzend isst. Dass jemand während des Unterrichts isst, passiert z. B. wenn jemand Kuchen dabei hat.

    Das stimmt doch gar nicht, da gibt es haargenaue Vorgaben und das Umgehen derselben aus Zeitgründen trägt zur Verbreitung multiresistenter Keime oder zum Wundliegen bei.

    Genau, das stimmt überhaupt nicht. Die Pflegefachkraft fragt nie beim Patienten erst mal nach, wie es dem geht, sie entscheidet nie situativ, ob z. B. der Zugang für die Infusion noch gebraucht wird, also abgesehen davon, dass ich das selber schon so erlebt habe. Natürlich hat sie Vorgaben. Und natürlich entscheidet sie sehr viel situativ selbst. Das ist genau das, was sie können und wissen muss: Was sind die verbindlichen Regeln, was sind die Varianzen. Pflegefachkräfte und auch Notfallsanitäter haben in der Schweiz übrigens mehr Entscheidungskompetenz als in Deutschland. Dafür sind es eben auch akademisierte Ausbildungen.

    Die Unfallkasse NRW z.B. verbietet das Essen in Chemiefachräumen. Ich gehe davon aus, dass es ein Gesetz zur Unfallverhütung gibt, das den Verzehr und die Lagerung von Lebensmitteln in Anwesenheit bestimmter anderer Substanzen untersagt.

    https://www.sichere-schule.de/chemie/praktis…gelegt%20werden.

    Aha. Inwiefern widerspricht das jetzt dem, was ich schrieb? In einem Raum, in dem keine Chemikalien gelagert werden, kannst du essen, wie du willst. Es wird in dem Zusammenhang auch gar kein "Unfall" passieren, der die Kasse überhaupt intetessieren müsste, weil ja keine Chemikalien dort gelagert sind, die dein Essen verunreinigen.

    Also ich kenne definitiv nicht alle Schulen in der Schweiz. Ich kenne aber Schulen, an denen in den Unterrichtsräumen der Chemie auch Chemikaliengebinde gelagert werden. Das ist eine andere Situation als bei uns. Wir haben in den letzten Jahren genau deswegen auch alles umgeräumt um die Zimmer "normal" nutzen zu können.

    Was genau jetzt in Physikräumen sein soll, dass man da grundsätzlich nicht essen darf, erschliesst sich mir beim besten Willen nicht. Auch da haben wir einen separaten Raum fürs Praktikum in dem lagern wir sogar einiges an Radioaktivität. Selbst das ist aber kein Grund dafür, auf einem vollkommen sauberen Tisch ein Brötli nicht auszupacken zu dürfen. Ich will nur einfach nicht, dass uns Geräte versaut werden.

    Unsere Chemiefachräume sind alles Räume mit Schülerexperimentiertischen.

    Ja, unsere aber nicht. Das ist hier genau der Punkt: Du kannst eine Regel nicht verallgemeinern sondern musst situativ entscheiden.


    Insoweit kann ich dir sehr genau sagen, welche Vorschriften laut Weisung meines Arbeitgebers einzuhalten sind.

    Das kann ich auch. Also ich kann die Situation für meinen Unterrichtsraum in Bezug auf das geltende Recht sehr gut beurteilen. Deine Räume kenne ich nicht, darüber vermag ich also nicht zu urteilen.

    Nein, sonst würde ich wohl kaum eure Meinung hören wollen.

    Du hast keine Frage gestellt, du hast einfach nur ein Video verlinkt.

    Ich hatte einen Kollegen, der jahrelang schwer alkoholabhängig war ohne dass es irgendjemand gewusst hat. Natürlich ist der nicht in Handschellen abgeführt worden, es ist nicht strafbar, Alkoholiker zu sein. Er hat den Entzug leider nicht geschafft und nach 2 Jahren Freistellung seine Anstellung bei uns verloren. Niemand von uns weiss, was aus dem geworden ist.

    Hä? Muss ich das verstehen? Ja, wir hatten hier schon mal die Diskussion, dass in einigen Lehrerzimmern offenbar ein Schlückchen Sekt über Mittag ganz OK ist, die Tüte Gras am Abend dann aber ganz arg schlimm. Das ist halt nichts weiter als eine widerwärtige und primitive Doppelmoral. Das ist eine alte Diskussion und sie wird sich nicht ändern, wenn wir sie hier noch mal im Kreis schieben.

    Wir lagern Weisswein im Keller der Schule (unser Luftschutzkeller ...), den gibt es sowas wie 2 x pro Jahr zu besonderen Anlässen. Unter anderem zum Mautrapéro mit den Viertklässlern. Ja, wir trinken Wein mit volljährigen Schüler*innen. Vor unserem Schulhaus (nicht eingezäuntes Gelände) sitzen am Abend gerne auch mal Jugendliche und rauchen einen Joint. Die sitzen da eben, das interessiert niemanden. Über Mittag trinken wir keinen Sekt. Nie. Wir haben auch keinen Sekt im Kühlschrank im Lehrerzimmer. Nie.

    MarieJ

    Mach was Du für richtig hältst. Übernehme dann aber bitte auch den Job des Gefahrstoffbeauftragten, damit es kein Konfliktpotential gibt.

    Der Gefahrstoffbeauftragte könnte auch einfach darauf hinweisen, dass es kompletter Bullshit ist, dass man in einem Raum, in dem Chemie unterrichtet wird, grundsätzlich nicht essen darf. Es gibt dafür gar keine Rechtsgrundlage.

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