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Original von Mia
Ich verstehe jetzt ehrlich gesagt nicht, worauf du hinaus willst und finde auch gerade nicht so recht den roten Faden in deinem Posting, Bolzbold.
Ist es denn wichtig, ob meine Mutter das Gefühl hat, dass man ihr etwas verbaut hat? Ist es wichtig, ob sie wirklich einen alternativen Weg gegangen wäre, wenn sie die Wahl gehabt hätte?
Nun ja, wenn man anhand Deines ursprünglichen Postings sein eigenes Leben und das seiner Familie reflektiert, geht ein Gedankenkarussell los, was den von Dir vermissten roten Faden bedingt.
Ich probiere mal auf der Basis Deiner Antwort etwas roten Faden reinzukriegen.
Um auf die ersten beiden Fragen zu antworten:
Es ging mir nicht primär darum, ob es wichtig ist, sondern rein interessehalber nur darum ob Deine Mutter das Gefühl hatte, dass man ihr etwas verbaut hat.
Es ist natürlich auch eine Frage des Blickwinkels. Gerade in der heutigen Gesellschaft wird ja sehr schnell mit der moralischen Keule geschwungen, wenn es darum geht, man könnte seinen (oder anderen) Kindern etwas verbauen.
Ich weiß nicht, ob man das früher genauso gesehen hat. Möglicherweise ist man aufgrund der Medienpräsenz dieses Themas da auch sensibler als früher.
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Findest du es denn erfreulich, wenn jemand einem Kind nur diesen Lebensweg bieten kann? Ist es erfreulich, wenn man nicht die Wahl hat, wie man seinem Kind die Kindheit gestaltet? Ist es erfreulich, wenn man weiß, dass es schlimmer hätte sein können?
Ich nehme an, diese Fragen sind rhetorischer Natur. Es ist natürlich nicht erfreulich, aber wir wissen wohl beide, dass sich das, so lapidar es klingt, Leben nennt.
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Ich bin ehrlich überrascht, dass dich das nachdenklich stimmt, dass mich sowas traurig macht. Und glaubst du denn, meine Großmutter war froh darüber?
Ich war nicht nachdenklich wegen des Umstands, dass Dich so etwas traurig macht, sondern wegen des Themas an sich. Gerade als junge Eltern befasst man sich ja auch mit diesem Thema und ist ja in der Zwischenrolle von Eltern auf der einen Seite und Kind auf der anderen Seite, weil man ja selbst auch in der Regel noch Eltern hat. Man steht also gewissermaßen "auf der Theke" und kann beide Seiten (die Rolle des Kindes und die Rolle der Eltern) betrachten.
Nein, Deine Großmutter war sicherlich nicht froh darüber.
Meine Großmutter (Jahrgang 1919) gehört zu einer Generation, die um ihre Jugend betrogen wurde, wenig Alternativen im Leben hatte und heute auf ein Leben zurückblickt in der Ambivalenz des Wunsches, es hätte doch an der einen oder anderen Station anders laufen sollen und der Feststellung, dass es so wie es jetzt ist nun eben auch nicht mehr zu ändern ist und man sich nicht für die verbleibenden paar Jahre dessen grämen soll.
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Davon abgesehen geht es hier nun gar nicht um meine persönliche Familiengeschichte, die ich hier in diesem Forum nun wirklich nicht noch ausführlicher und differenzierter darstellen möchte. Es ging mir nur darum aufzuzeigen, wie es wohl in den meisten Fällen ausgesehen haben mag, wenn Frauen ohne jegliche staatliche und familiäre Unterstützung Beruf und Familie unter einen Hut kriegen mussten.
Ja, und auch aus meiner Familie gibt es da einige Beispiele mit weniger rühmlichen Episoden.
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Und mein Posting bezog sich selbstverständlich auf das Beispiel von rittersport, der ja die Frauen der Nachkriegszeit als Paradebeispiel anführte, wie man problemlos Kinder und Karriere vereinbaren kann. Es mag die ein oder andere Superfrau gegeben haben, der das besser gelungen sein mag als meiner Großmutter. Aber es ist naiv zu denken, dass es eine ganze Generation besser hinbekommen hat als wir jetzt. Und nicht nur deswegen halte ich es für mehr als vermessen zu behaupten, dass Frauen, die vom Staat Unterstützung einfordern, damit lediglich den Wunsch äußern ihre eigenen Unzulänglichkeiten kompensiert zu bekommen.
Der Vergleich ist Mist, keine Frage.
Wie viele "Karrierefrauen" nach heutigen Maßstäben hat es denn in den 50er Jahren gegeben? Da galt ja noch der Gesetzesparagraph, dass eine Frau ohne die Erlaubnis des Mannes nicht arbeiten gehen durfte. Und die Rollenverteilung war damals auch noch quasi gesetzlich festgelegt.
Das meinte ich ja mit der Neiddebatte, die sich eben auch um die heutigen Möglichkeiten im Vergleich zu den damaligen Möglichkeiten und der "Unverschämtheit der Teilzeitmamis" dreht.
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Glücklicherweise haben sich die gesellschaftlichen Bedingungen heute verbessert, aber gerade deswegen sollte man nicht behaupten, dass es früher doch auch gegangen wäre und dass frau ja mal bitteschön zufrieden damit sein solle, wie es jetzt ist!
Und natürlich ging es früher und geht es auch heute immer irgendwie. Das streitet sicher keiner ab. Aber es geht ja nun nicht darum, dass es "irgendwie" geht oder? Es ist ja wohl völlig klar, dass dies immer auf Kosten der Kinder geht und auch wenn sich frau dann zwangsläufig mit der Situation arrangiert, heißt das nicht, dass diese zufriedenstellend ist.
Das ist die alte Feststellung, dass Verbesserungen irgendwann nicht mehr als ausschließlich positive Errungenschaften gepriesen werden sondern eben zum Alltag gehören, also sich sozusagen etablieren. Und damit verändert sich auch das Anspruchsdenken der nächsten Generationen, die mit der Verbesserung aufwachsen. Es kommt dann die Forderung nach weiteren Verbesserungen auf.
Und es ist evident, dass es früher auch (ohne) ging bzw. korrekterweise formuliert wohl gehen musste. Ohne einen damals bereits vorhandenen Wunsch nach Verbesserungen oder Veränderungen hätte es selbige aber sicherlich nicht gegeben.
Und nein, zufriedenstellend ist das heute auch immer noch nicht.
Und auch wenn es einige Leute nicht glauben wollen, so kann Teilzeit je nach Schulleitung auch mehr Fluch als Segen sein.
Gruß
Bolzbold