Hallo katta!
Ich verwende dieses Raster jetzt seit einer Weile und sehe die grundsätzliche Problematik ähnlich wie Du.
Das Raster mutet sehr schwammig und willkürlich an, weil die einzelnen Kriterien eben nicht wirklich klar definiert sind - vor allem der Bereich kommunikative Textgestaltung. Der Ausdruck ist ja im Wesentlichen gleich geblieben, wobei mir mal jemand knallhart die Trennlinie zwischen allgemeinem, thematischem und fachlichem Wortschatz erläutern soll.
Aus meiner Erfahrung nivelliert dieses Raster sehr stark. Es kommen deutlich weniger fünfen vor, dafür auch weniger einsen.
In der Fachschaft haben wir eine klare Absprache, dass wir folgendermaßen vorgehen:
5 von 5 Punkten sind für uns eine außergewöhnlich (gute) Leistung, so dass wir diese Maximalpunktzahl auch nur vergeben, wenn die Klausur in diesem Bereich von uns auch als "sehr gut" angesehen wird.
Der Richtwert, von dem wir ausgehen, sind drei Punkte. Die werden natürlich nicht pauschal vergeben sondern auf dieser Basis überlegen wir, ob die Leistung deutlich drüber oder drunter ist und geben dann die entsprechenden Punkte.
Was uns stört, ist, dass aus unserer Sicht für Selbstverständlichkeiten (kohärenter Text u.ä.) Punkte gegeben werden und es danach riecht, als bekäme jeder, der halbwegs geradeaus schreiben kann, mindestens eine vier.
Zurück zu Deiner Bewertung:
Dass Du beim ersten Mal deutlich zu sanft bewertet hast, dürfte die Notenverteilung zeigen. Das dürfen die Schüler eben nicht als Standard nehmen - und das wissen sie für gewöhnlich. Die werden sich sicherlich auch ob des Schnitts gewundert haben.
Wenn Du jetzt ein Raster verwendest, das Du in Absprache mit der Fachgruppe angepasst hast, und wenn die Noten dann eben schlechter ausfallen, dann ist das eben so.
Du glaubst gar nicht, wie schnell sich Schüler auf veränderte Bedingungen einstellen können. Wenn die Schüler wissen, worauf es ankommt bzw. worauf sie achten müssen, dann werden sie entsprechend arbeiten und sich vorbereiten - nicht alle, aber ein großer Teil.
Zur Fairness der Bewertung:
Egal welches Raster Du nimmst, es gibt schlichtweg keine faire Bewertung.
Immerhin haben wir jetzt ein vom Ministerium vorgegebenes Raster, das zumindest hinsichtlich der anzuwendenden bzw. zu berücksichtigenden Kriterien eine gewisse Objektivität verspricht.
Wenn jeder Kollege so bewertet, wie er / sie es für richtig hält, ist das im Grunde nicht fairer als dieses Raster, weil dann die persönlichen Vorlieben des einzelnen Lehrers doch stärker dominieren als mit dem Raster.
Dennoch bleibt eben eine gewisse "Restwillkür", an der wir eben nicht vorbeikommen.
Es ist ferner schlicht unmöglich, eine Klausur sprachlich in ihrer Gänze so zu erfassen, dass ich alle sprachlichen Kriterien "zweifelsfrei" und zu 100% gerecht bewerten bzw. bepunkten kann.
Zum Kopieraufwand:
Ich bemühe mich immer, einen maximal zweiseitigen Bewertungsbogen zu machen - er entspricht exakt meinem Erwartungshorizont. So wissen die Schüler, was verlangt war und was sie erreicht haben. Man muss dann eben bestimmte Aspekte zusammenfassen bzw. allgemeiner formulieren und ggf. dann eben von Hand Zusätze bzw. Präzisierungen einfügen, um eben klar zu machen, wofür es Punkte gab.
Der Kopieraufwand hält sich dadurch eigentlich in Grenzen. Ich drucke die Dinge bei mir zu Hause aus, weil das ohnehin praktischer ist, wenn ich auch zu Hause korrigiere. Das muss halt sein.
Exkurs:
Auch die Tatsache, dass man mit 50% der Gesamtpunktzahl ein "ausreichend plus" erhält, zeigt, wie das Niveau in NRW systematisch zugunsten von möglichst vielen Abiturienten gesenkt wird.
Die Professoren werden sich später wieder über zu wenig studierfähige Leute beschweren - und wer ist es schuld? Nicht die Macher sondern die Ausführenden - also wir.
Abschließend noch eins:
Ja, Du machst Dir zu viele Gedanken.
Nein, das ist nicht schlimm sondern völlig normal. Wir alle haben Bewertungen durch unsere eigenen Lehrer mal fair, mal unfair erlebt bzw. erfahren. Dass wir das eben besser machen wollen, versteht sich von selbst.
Dass wir aber auch mal fair, mal unfair von den Schülern erlebt werden, lässt sich aber nicht vermeiden.
Im Endeffekt musst DU hinter Deinem Bewertungsschema stehen können und in den Spiegel sehen können.
Wenn das "verbesserte" Verfahren die eigentliche Leistung genauer wiederspiegelt als die erste Runde, dann hatten die Schüler in der ersten Runde eben einen kleinen Bonus. Das tut keinem weh und wird sich langfristig sowieso wieder ausgleichen.
Gruß
Bolzbold