Grammatik/Stil "wo" oder "in denen" u.ä.

  • Hallo,


    brauche mal eure Hilfe. Bei den Zweitkorrekturen stoße ich immer wieder auf Sätze wie:


    "Gerichtsshows, wo kein Benehmen gezeigt wird"


    "Schulen, wo es keinen Sportunterricht gibt."


    Die Erstkorrektoren haben das durchgehen lassen. Meiner Auffassung nach ist das aber ein Relativsatz und es müsste heißen "in denen".


    Was meint ihr, ist das okay, geht also beides oder ist es nur eine Stilfrage und keine der Grammatik?

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

  • irgendwo hab ich mal gelesen, dass ein Satz mit wo auch Relativsatz ist, auch wenn es heißt: das ist da, wo ich wohne ...

    "Get thee back into the tempest and the Night´s Plutonian shore!...
    Take thy beak from out my heart, and take thy form from off my door!"
    Quoth the raven: "Nevermore." (E.A.Poe,The Raven)

  • Zitat

    the-unknown-teacher-man schrieb am 23.06.2006 18:13:
    irgendwo hab ich mal gelesen, dass ein Satz mit wo auch Relativsatz ist, auch wenn es heißt: das ist da, wo ich wohne ...


    Das ist richtig, aber eine lokaler Relativsatz bestimmt einen Ort genauer.


    Kann man die Gerichtshow bzw. die Schule als Ort bezeichnen? M.E. wird doch ein Begriff näher erläutert und nicht etwas über die Qualität eines Ortes ausgesagt.


    Aber wie gesagt, ich bin mir nicht sicher, würde es nur so interpretieren...

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

  • Das leidige Wo-Problem habe ich auch immer wieder.
    Ich kennzeichne solche Fälle als "umgangssprachlich", sanktioniere diese auch, allerdings nicht so gravierend wie andere grammatikalische Fehler.
    Laut Auskunft eines Kollegen ist dieses Phänomen in den Sprachgebrauch übergegangen und ebenso legitim wie das Verschwinden des Genitivs ... oder soll ich jetzt sagen "von dem Genitiv"? :rolleyes:

  • Relativsätze mit "wo" sind umgangssprachlich, und ich werte das als Ausdrucksfehler.


    "Das ist da, wo ich wohne" Ist kein Relativsatz, sondern ein Attributsatz zu "da".


    "Wo" ist einzig Konjunktion bei lokalen Angaben.

  • hm, aber ein Relativsatz ist doch ein Attributsatz, oder ??? ?(


    außerdem sind Schulen und Fernsehsendungen wenigstens ansatzweise Örtlichkeiten, schlimmmer fand ich den Ausspruch unseres Feldwebels zu einer Sportlerin bei den Olympischen Spielen in Seoul:


    Das ist doch die, wo immer so lange Fingernagel hat. :rolleyes:


    mfg
    der unbekannte Lehrer

    "Get thee back into the tempest and the Night´s Plutonian shore!...
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  • die,wo


    Relativsätze gehören zu den Attributsätzen, aber nicht jeder Attributsatz ist ein Relativsatz und dein Beispiel ist nur ein Attributsatz, aber kein Realtivsatz.


    Noch ein Beispiel:


    Das ist ein Ort, wo schöne Blumen blühen.
    -> Attribut zu Ort, subordiniert, eingeleitet mit Konjunktion wo


    Das ist ein Ort, an dem schöne Blumen blühen.
    -> ebenfalls Attribut, aber als Präpositionalsatz mit Präp. an


    Das ist ein Ort, der mir gefällt.
    -> Relativsatz, eingeleitet mit Relativpronomen der



    -> Relativsätze müssen immer mit Relativpronomen eingeleitet sein, wo ist Konjunktion, an ist Präposition.



    :)

  • "Wo" ist ein Relativadverb (Grammtikduden R 642) und leitet einen Relativsatz ein (R1327). Damit bleibt für mich allein die Frage wichtig, ob z.B. eine Gerichtshow als Ort gesehen werden kann...

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

  • Zitat

    Timm schrieb am 25.06.2006 10:58:


    Damit bleibt für mich allein die Frage wichtig, ob z.B. eine Gerichtshow als Ort gesehen werden kann...


    Meiner Ansicht nach nicht.
    Bei solchen Formulierungen, wie du sie oben genannt hast, unterstreiche ich aber nur (ohne Korrekturzeichen am Rand).
    Wenn aber "wo" als "Relativpronomen" für eine Person verwendet wird (Das ist der, wo ich gestern getroffen habe), dann ist es ein astreiner Grammatikfehler und wird entsprechend bewertet.


    Gruß


    Animagus


  • Mir sin die, wo gwinne wället... Klar, astreiner Fehler!


    Ich denke, in den ürbigen Fällen werde ich das anstreiche und als Stil kennzeichnen.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

  • Also ich möchte sicherlich nicht besserwisserisch sein, aber ich habe an der Uni gelernt, dass es trotz es in manchen Grammatiken so steht, kein Relativpronomen ist.


    Und ein Adverb kann es m.E. schon gar nicht sein!!


    Aber nun gut, du musst für dich entscheiden was du wie wertest! :)

  • Zitat

    Jassy schrieb am 26.06.2006 07:48:
    Also ich möchte sicherlich nicht besserwisserisch sein, aber ich habe an der Uni gelernt, dass es trotz es in manchen Grammatiken so steht, kein Relativpronomen ist.


    Und ein Adverb kann es m.E. schon gar nicht sein!!


    Aber nun gut, du musst für dich entscheiden was du wie wertest! :)


    Bei uns an der Uni war ausgemacht, dass der Grammatikduden im Zweifelsfalle maßgeblich ist. Auch uns war klar, dass einem nicht alles gefällt, aber wenn von Prof zu Prof oder Uni zu Uni Grammatik unterschiedlich gelehrt wird, ist das noch schlechter. Und für Schüler halte ich es noch für weniger nachvollziehbar.


    Das mit dem Präpositionalsatz widerspricht nicht nur dem Duden, sondern auch meinen sämtlichen Schulgrammatiken. Einen Präpositionalsatz erfrage ich mit einer Präposition:


    "Er erkundigte sich, was ich im Theater gesehen habe." ->Worüber erkundigte er sich?


    "Ich zweifle, ob dieser Versuch gelingt." ->Woran zweifelte er?


    Dein Beispiel ist m.E. eindeutig ein Relativsatz, denn das Relativpronomen kann von der ersten Stelle durch eine Präposition verdrängt werden (R1321), eine vernünftige Frage mit einer Präposition ist nicht möglich.


    Naja, es ändert sich jedenfalls nichts daran, dass ich den Fehler als Stil kennzeichnen werde (je nach Korrekturrichtlinien noch mit "ugs").

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    Einmal editiert, zuletzt von Timm ()

  • Echt galt bei euch der Duden als maßgebend?
    Bei uns gilt der Duden als die Grammatik, an der man sich am allerwenigsten orientieren sollte! :D
    Naja, ich würde es auch als umgangssprachlichen Fehler werten. :)

  • Zitat

    Jassy schrieb am 26.06.2006 07:48:
    Also ich möchte sicherlich nicht besserwisserisch sein, aber ich habe an der Uni gelernt, dass es trotz es in manchen Grammatiken so steht, kein Relativpronomen ist.


    Ähm, tschuldigung, das ist normalerweise ja nicht meine Art, aber weil du angehende Deutschlehrerin bist und dich in einen Thread mit Fragen des Stils und der Grammatik eingeschaltet hast:



    Also, "trotz" ist eine Präposition, die in deinem Satz wohl besser durch die Subjunktion "obwohl" ersetzt werden sollte, oder?


    mfg
    der unbekannte Lehrer

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  • Geht beides. Obwohl ist die gängigere Variante, trotz ist etwas altruistisch, aber dennoch richtig.

  • Zitat

    Jassy schrieb am 28.06.2006 07:48:
    Geht beides. Obwohl ist die gängigere Variante, trotz ist etwas altruistisch, aber dennoch richtig.


    Meine Grammatiken und Rechtschreibbücher (u.a. Wahrig) sagen, dass "trotz" mit einem Substantiv im Genitiv, heute auch zunehmend im Dativ, verwendet wird; als satzeinleitende Konjunktion habe ich es nirgendwo gefunden.


    Viele Grüße
    AK

  • Entschuldigt meine blöde Frage, aber was heißt denn "altruistisch" in dem Kontext, Jassy? ?(


    @alle: als Nichtgermanistin würde ich gerne wissen, was denn maßgeblich ist für Korrekturen, wenn nicht der Duden???

  • Dudelhuhn: ich denke, maßgeblich ist EINE aktuelle deutsche Grammatik, das kann, muss aber nicht der Duden sein. (hat man mir erklärt, bisher blieb ich ja von Korrekturen verschont..


    An meiner Uni ist die Duden-Grammatik übrigens auch bei diversen Linguisten aus verschiedensten Gründen verpönt, die bevorzugen dann eben eine andere Grammatik, z.B. Eisenberg, Helbig/Buscha, Engel oder den Heringer. Aber das ist denke ich eher eine Sympathiesache bezüglich Aufbau/Strukturierung etc., soo unterschiedlich werden die doch hoffentlich nicht ausfallen (?).

  • Zitat

    the-unknown-teacher-man schrieb am 27.06.2006 20:27:
    Also, "trotz" ist eine Präposition, die in deinem Satz wohl besser durch die Subjunktion "obwohl" ersetzt werden sollte, oder?


    Hehehe.. "Trotzdem es den meisten Deutschlehrern ein arger Graus war, konnte es der alte Theodor Fontane nicht unterlassen..." :)


    Nele

    Einmal editiert, zuletzt von neleabels ()

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