Bayerisches Schulsystem in Gefahr!

  • Hieß es vor der Wahl noch: "Beibehaltung des dreigliedrigen Schulsystems in Bayern" scheint man jetzt bereit, die Realschulen und Gymnasien zu Gunsten einer gemeinsamen 6-jährigen Grundschulzeit zu opfern. Da das nur der Anfang eines Weges sein kann, dessen Ziel "Gesamtschule" heißt (im FDP-Programm klar nachzulesen), bedarf es sofortigen und lautstarken Protestes. Näheres dazu hier:


    http://www.brlv.de


    Update: Entwarnung:


    Update: Entwarnung:


    "Wir haben nun deutliche Signale dahingehend, dass man das gegliederte Schulwesen in Bayern mit eigenständigen weiterführenden Schularten (nach der 4. Jahrgangsstufe Grundschule!) nicht zur Disposition stellen will. *Wir setzen die Aktion mit sofortiger Wirkung aus* und haben die Bitte, jetzt *keine weiteren E-Mails mehr* an die Abgeordneten zu senden. "

  • Ist doch logisch:
    Bei rückgehenden Schülerzahlen werden die Schulstandorte aus finanziellen Gründen zusammengelegt. Schleswig-Holstein macht es vor.


    Ob das entstehende Gebilde dann Gesamtschule, Gemeinschaftsschule oder Regionalschule heißt, ist dann sowieso egal.


    Wenn man die Zusammenlegung "pädagogisch" begründet (mittels diverser PISA-Studien oder wie auch immer) klingt es doch viel besser als wenn man einfach sagt: "Ist halt billiger".


    Am Besten, man nennt den entstehenden Schultyp "Gymnasium". Dann wären alle zufrieden.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

  • Ich bin mir nicht sicher, ob eine verlängerte Schulzeit sinnvoll ist, in Bayern muss aber auf jeden Fall für eine verstärkte Durchlässigkeit des Schulsystems etwas getan werden. Es kann nicht sein, dass bei 9-Jährigen eine beinahe endgültige Entscheidung über Schulabschlüsse getroffen wird. Die Realität ist aber so. Dass Schüler nach der 5. Klasse noch aufs Gymnasium wechseln, kommt in der Praxis beinahe nie vor. Die absolut seltenen Fälle, die den späteren Übertritt noch schaffen, scheitern meist. In ländlichen Gegenden (z.B. nördlicher Frankenwald) ist zudem die nächste FOS/BOS zu weit entfernt und mit öffentlichen Vehrkehrsmitteln nicht zu erreichen, so dass der spätere Erwerb der Fachhochschulreife nach Abschluss der RS kaum zu machen ist. Vom allgemeinen Abitur ganz zu schweigen...
    Ich selbst bin aus ursprünglich aus Ba-Wü. In meinem Abijahrgang waren unter 42 Abiturienten 8, die noch nach der 5. Klasse, teilweise auch erst in Klasse 8, aufs GY gewechselt sind. Und sie mussten nicht mal die KLasse wiederholen! Wenn ich das hier erzähle, dann ernte ich ungläubiges Staunen.


    Scooby, ganz ehrlich: Wie viele deiner Schüler machen beim derzeitigen System später noch das allgemeine Abitur?


    Insofern bin ich ganz froh, wenn das bisherige bayerische System, das Bildungschancen für ganz viele Leute verbaut, endlich einmal in Frage gestellt wird...

  • Zitat

    Original von gingergirl
    Scooby, ganz ehrlich: Wie viele deiner Schüler machen beim derzeitigen System später noch das allgemeine Abitur?


    Wie war das noch? Fast die Hälfte der Hochschulzugangsberechtigungen werden schon heute nicht mehr via Gymnasium erworben. Außerdem ist das bloße Schielen auf die Abi-Quote in D ohnehin fragwürdig.
    Metzgereifachverkauf wird hier nunmal nicht studiert.

  • Zitat

    Original von gingergirl
    Ich bin mir nicht sicher, ob eine verlängerte Schulzeit sinnvoll ist, in Bayern muss aber auf jeden Fall für eine verstärkte Durchlässigkeit des Schulsystems etwas getan werden. Es kann nicht sein, dass bei 9-Jährigen eine beinahe endgültige Entscheidung über Schulabschlüsse getroffen wird. Die Realität ist aber so. Dass Schüler nach der 5. Klasse noch aufs Gymnasium wechseln, kommt in der Praxis beinahe nie vor.


    Du verkennst die Fakten:


    43% der Studenten an bayerischen Hochschulen haben kein gymnasiales Abitur gemacht.
    Mit der FOS13 ist ein gerade erst im letzten Jahr ein kerzengerader Weg zur allgemeinen Hochschulreife über die Realschule in 13 Schuljahren geschaffen worden. Über den M-Zug der Hauptschulen und anschließenden Besuch der FOS können begabte Hauptschüler ohne Umwege die Fachhochschulreife erlangen.


    Was stimmt: Das Bildungssystem ist nicht zu jedem Zeitpunkt durchlässig: Es ist sicherlich schwierig (aber möglich!), von der 8. Klasse Realschule ins Gymnasium zu wechseln. Dazu besteht aber keinerlei Notwendigkeit. Viel wichtiger ist, dass Bildungsabschlüsse, die Zulassungsvoraussetzungen zu Ausbildung und Studium sind, zugänglich sind für alle, die sich anstrengen wollen und können. Und das ist absolut gegeben!


    Durchlässigkeit heißt nicht, dass ich zu jedem Zeitpunkt wild die Schulformen wechseln können muss; Durchlässigkeit heißt, dass es immer einen Weg gibt, das angestrebte Ziel zu erreichen und das ist in Bayern völlig ohne Umwege möglich, und zwar unabhängig davon, wie die Entscheidung nach der vierten Klasse ausfällt. Nur verstehen das leider viele nicht :(


    Zitat

    Scooby, ganz ehrlich: Wie viele deiner Schüler machen beim derzeitigen System später noch das allgemeine Abitur?


    Ca. 1/3 unserer Schüler besucht den Französisch-Zweig. Alle diese Schüler können bei entsprechenden Leistungen nach der 10. Klasse über die FOS13 in dann insgesamt 13 Schuljahren die allg. Hochschulreife erwerben. Wo liegt das Problem?

  • Leider wird bei der pauschalen Behauptung, dass man mit dem Betreten der Hauptschule quasi direkt zur nächsten ARGE weitergereicht würde, gerne übersehen, dass es auch noch die Wirtschaftsschulen gibt. Eine wichtige Zielgruppe dort sind Hauptschüler, die nach der 6./7. oder 9. Klasse weitermachen wollen.

    • Offizieller Beitrag

    hm,


    ich finde, und das habe ich an anderer stelle gesagt, dass eine längere gemeinsame schulzeit der kinder sicher nicht die schlechteste entscheidung wäre. das problem ist und bleibt, dass man in bayern wenig raum für qualitative veränderungen hat (oder zumindestens für den gedanken besser werden kann). in einer perversen doppelmoral schielt man auf pisa und rühmt sich, dass man da so gut abgeschnitten hat - verwirft aber auf der anderen seite erkenntnisse, dass das bildungsssystem vielleicht nicht ganz so gerecht ist, wie alle glauben. aus ein und derselben schrift werden argumente für die gegensätzlichsten standpunkte gezogen.


    ich bewerte den brlv protest eher als die angst davor, pfründe zu verlieren. ein blick in die regelmäßige verbandszeitschrift zeigt deutlich wessen geistes kind der verein ist.
    vor allem scheint mir fragwürdig, immer das "gespenst" gesamtschule an die wand zu malen. ich kann meine aussagen jetzt nicht belegen, aber ich meine gehört zu haben, dass deutschland das einzige land in europa mit einem derart gegliederten schulsystem ist - will man jetzt die absolventen anderer länder alle irgendwie als "gesamtschuldeppen" abstempeln? ich finde dieses schreckgespenst immer schon etwas mager.


    dass diese entscheidung jetzt getroffen wird und wieder mal so halbherzig, lässt in mir allerdings auch die furcht entstehen, dass wieder gestückelt wird bis zum gehtnichtmehr. erst r6 holprig umgesetzt, dann das g8 noch viel planloser eingeführt und nun das, alles wieder rückgängig. wieder neue lehrpläne, neue schulbücher - aber alte lehrer, alte schulgebäude usw.


    und noch zur durchlässigkeit,weil ich das neulich mit meinen schülern diskutiert habe. schön und gut, dass die durchlässigkeit gewährleistet ist über umwege, aber wir haben uns an anderer stelle gefragt, warum diese 43% auf dem herkömmlichen wege es NICHT schaffen das abitur zu erlangen? das ist doch verschwendung von ressourcen.


    und ganz privat: ich persönlich war unter 80 abiturienten das einzige arbeiterkind, an der uni kannte ich nur zwei, die einen ähnlichen hintergrund hatten und wenn ich ins kollegium schaue, dann sieht das ganz ähnlich aus. höhere schulbildung ist nicht ganz so gerecht, wies scheint - in bayern ebenso wenig wie in anderen bundesländern. achja, ich bin in hamburg zur schule gegangen bis zur 8.en, habe (ein schlechtes) abitur in nrw gemacht und schließlich in würzburg studiert - ich muss wohl glücklich sein, dass ich überhaupt einebay uni besuchen durfte - bei der vorbildung.


    die weitergehende beobachtung zeigt, dass an unserer rs grade mal 10 (von 620) schüler aus türkischen familien kommen, am gym gegenüber siehts genau so aus - an der hauptschule daneben dagegen liegt der anteil bei gewiss 40%. (anmerkung: dieses "schulzentrum" liegt nicht in der stadt, sondern im provinziellen raum).


    ich bin gewiss kein miesepeter, aber ich sehe einige aspekte des hiesigen schulsystems, die mich nicht zufrieden stellen.


    grüße


    h.

  • Zitat

    Original von Hawkeyeich kann meine aussagen jetzt nicht belegen, aber ich meine gehört zu haben, dass deutschland das einzige land in europa mit einem derart gegliederten schulsystem ist


    Das ist Unsinn. Österreich hat z.B. ebenfalls ein gegliedertes Schulsystem.


    Zitat

    und noch zur durchlässigkeit,weil ich das neulich mit meinen schülern diskutiert habe. schön und gut, dass die durchlässigkeit gewährleistet ist über umwege, aber wir haben uns an anderer stelle gefragt, warum diese 43% auf dem herkömmlichen wege es NICHT schaffen das abitur zu erlangen? das ist doch verschwendung von ressourcen.


    Wieso? Sie erlangen das Abitur in der gleichen Zeit, die wir damals im G9 gebraucht haben: 13 Schuljahre. Wo wird da irgendwas verschwendet? Ich versteh's echt nicht: Einerseits wird immer der "Spätzünder" als Argument gegen die frühe Auswahl nach der 4. Klasse gebracht und dann will man nicht wahrhaben, dass es eben genau dafür einen Platz im Bildungssystem gibt: Realschule/Wirtschaftsschule/FOS/BOS.


    Zitat

    die weitergehende beobachtung zeigt, dass an unserer rs grade mal 10 (von 620) schüler aus türkischen familien kommen, am gym gegenüber siehts genau so aus - an der hauptschule daneben dagegen liegt der anteil bei gewiss 40%


    Und du glaubst echt, dass sich daran was ändert, wenn du die Kinder zwei Jahre länger gemeinsam in die Grundschule schickst? Oder von mir aus auch 9 oder 10 Jahre? Wieso sollte es das? Du ziehst auf diese Art und Weise nur die Probleme, die wir im Moment an den städtischen Hauptschulen haben, in die anderen Schularten mit rein. Dadurch löst sich aber nichts. Die Frage muss doch lauten: Wie können wir der Schülerschicht, die momentan ins programmierte Versagen läuft, Zukunftsperspektiven schaffen? Und die Antwort kann nur lauten: Indem wir sie aus dem bildungsfeindlichen Umfeld nehmen. Und jetzt denk das mal zu Ende...

  • Zitat

    Mit der FOS13 ist ein gerade erst im letzten Jahr ein kerzengerader Weg zur allgemeinen Hochschulreife über die Realschule in 13 Schuljahren geschaffen worden. Über den M-Zug der Hauptschulen und anschließenden Besuch der FOS können begabte Hauptschüler ohne Umwege die Fachhochschulreife erlangen. Was stimmt: Das Bildungssystem ist nicht zu jedem Zeitpunkt durchlässig: Es ist sicherlich schwierig (aber möglich!), von der 8. Klasse Realschule ins Gymnasium zu wechseln. Dazu besteht aber keinerlei Notwendigkeit. Viel wichtiger ist, dass Bildungsabschlüsse, die Zulassungsvoraussetzungen zu Ausbildung und Studium sind, zugänglich sind für alle, die sich anstrengen wollen und können. Und das ist absolut gegeben!


    Das stimmt so nicht. Das mag für die urbanen Gegenden in Bayern gelten, ist aber auf keinen Fall flächendeckend gegeben. Wie ich schon geschrieben habe, ist vom Frankenwald beispielsweise der Besuch einer FOS 13 nicht möglich. Die nächste wäre in Coburg, nur da kommt man mit öffentlichen Verkehsmitteln nicht hin. Und das gilt für andere abgelegte Gegenden in Bayern genauso.
    Wenn 43% dann doch noch auf die Hochschule (zum größten Teil aber sind diese nur auf der FH, was bedeutet, dass viele Universitätsstudiengänge als Möglichkeit eben doch außen vor bleiben) gehen, dann muss doch an den Grundschulempfehlungen was falsch laufen, oder?


    Zitat

    Es ist sicherlich schwierig (aber möglich!), von der 8. Klasse Realschule ins Gymnasium zu wechseln. Dazu besteht aber keinerlei Notwendigkeit.

    Eben doch - siehe oben. Mir persönlich ist in meiner bisherigen Lehrertätigkeit ein einziger Schüler bekannt, der später als nach der 5. Klasse noch gewechselt ist. Tja haben die Provinzeier halt mal wieder Pech gehabt...

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von gingergirl


    Eben doch - siehe oben. Mir persönlich ist in meiner bisherigen Lehrertätigkeit ein einziger Schüler bekannt, der später als nach der 5. Klasse noch gewechselt ist. Tja haben die Provinzeier halt mal wieder Pech gehabt...


    Ein Einzelbeispiel, bei dem es funktioniert hat in Deiner Laufbahn ist doch aber nicht DER Beweis dafür, dass es nur selten funktioniert. Ein Wechsel zu diesem Zeitpunkt ist ungewöhnlich uns sicher auch nicht einfach. Der Wechsel nach der 10. Klasse ist auch nicht einfach und trotzdem möglich. Aber ein Wechsel auf eine andere "schwierigere" Schulform ist eben auch mit einem gewissen Mehraufwand verbunden. Ich kann mich nicht darauf verlassen, dass ich ja gute Noten habe und deshakb der Wechsel ganz selbverständlich funktionieren wird. Das sag ich als eine, die einen solchen Wechsel durchgemacht und scheinbar ja auch geschafft hat.

  • Habe gerade mal versucht rauszufinden, wie viele Schüler in Bayern überhaupt an der FOS 13 sind, die einem den Erwerb des allgemein bildenden Abiturs nach der Mittleren Reife ermöglicht. Für das laufende Schuljahr habe ich leider keine Zahlen gefunden, 2007/2008 waren es gerade einmal 817 (Quelle: http://www.km.bayern.de/km/asp…e_anzeigen.asp?index=1368)! Auf die hohe Einwohnerzahl von Bayern gesehen, sind das doch sehr wenige! Wenn das alles so machbar und durchlässig ist, warum wird diese Chance dann nur von so wenigen genutzt?

  • Zitat

    Original von Scooby


    Du ziehst auf diese Art und Weise nur die Probleme, die wir im Moment an den städtischen Hauptschulen haben, in die anderen Schularten mit rein.


    Das tust du auch, wenn du das Schulsystem belässt, wie es ist. Bei sinkenden Schülerzahlen werden die Realschulen und Gymnasien sich ganz von selbst die 'Probleme der städtischen Hauptschulen' einkaufen. Und das ganz ohne Konzept. Einfach nur, um die Schülerzahlen zu halten. Das könnte für alle frustrierend werden.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Scooby


    Das ist Unsinn. Österreich hat z.B. ebenfalls ein gegliedertes Schulsystem.


    Danke für deine Freundlichkeit - ich sagte ja, ich kann es nicht belegen. Aber um dem entgegenzusetzen: ja, wir sollten uns an Österreich halten...


    Zitat

    und noch zur durchlässigkeit,weil ich das neulich mit meinen schülern diskutiert habe. schön und gut, dass die durchlässigkeit gewährleistet ist über umwege, aber wir haben uns an anderer stelle gefragt, warum diese 43% auf dem herkömmlichen wege es NICHT schaffen das abitur zu erlangen? das ist doch verschwendung von ressourcen.


    Zitat


    Wieso? Sie erlangen das Abitur in der gleichen Zeit, die wir damals im G9 gebraucht haben: 13 Schuljahre. Wo wird da irgendwas verschwendet? Ich versteh's echt nicht: Einerseits wird immer der "Spätzünder" als Argument gegen die frühe Auswahl nach der 4. Klasse gebracht und dann will man nicht wahrhaben, dass es eben genau dafür einen Platz im Bildungssystem gibt: Realschule/Wirtschaftsschule/FOS/BOS.



    Das mag ich bezweifeln, denn wenn sie zu uns kommen, haben sie meist schon ein Jahr wiederholt - am Gymnasium. Viele, die ich kenne, wiederholen dann an der Realschule noch einmal - oder sie werden "durchgereicht" an die Hauptschule. Die "Durchlässigkeit" nach unten ist meines Erachtens nach nämlich größer als nach oben.
    Mit Verschwendung meinte ich die Paralleluniversen von zigfachen Einzelschulen, die irgendwas auffangen, was das Bildungssystem insgesamt verbockt.
    Sicher, ich kam auch nach der 4. auf das Gymnasium und mir hat es nicht geschadet - aber hey, das war vor dreißig Jahren. Das Schulsystem muss/darf/sollte sich eigentlich auch verändern.


    Zitat

    die weitergehende beobachtung zeigt, dass an unserer rs grade mal 10 (von 620) schüler aus türkischen familien kommen, am gym gegenüber siehts genau so aus - an der hauptschule daneben dagegen liegt der anteil bei gewiss 40%


    Zitat


    Und du glaubst echt, dass sich daran was ändert, wenn du die Kinder zwei Jahre länger gemeinsam in die Grundschule schickst? Oder von mir aus auch 9 oder 10 Jahre? Wieso sollte es das? Du ziehst auf diese Art und Weise nur die Probleme, die wir im Moment an den städtischen Hauptschulen haben, in die anderen Schularten mit rein. Dadurch löst sich aber nichts. Die Frage muss doch lauten: Wie können wir der Schülerschicht, die momentan ins programmierte Versagen läuft, Zukunftsperspektiven schaffen? Und die Antwort kann nur lauten: Indem wir sie aus dem bildungsfeindlichen Umfeld nehmen. Und jetzt denk das mal zu Ende...


    Was ist daran weiter zu denken? Über was möchtest du reden? Integrationspolitik (gescheitert)...


    Was ich mit dieser Repilk ansprechen wollte, war nicht die Lösung durch ein gemeinsames 5. Schuljahr. Was ich sagen wollte, war, dass das bayerische System nicht so doll ist, wie uns die Verbände verklickern wollen. Und "in andere Schularten mit reinziehen" - was ist denn das für eine Argumentation? Wollen wir eine problemfreie Realschule haben? Eine reine, deutschsprachige Schulform, eine Insel der Glückseligen und der Rest geht uns nichts an...


    Eins: Ich will nicht, wie du dir das vorstellst, einfach alle Schulen zusammen legen. Ich will eine vernünftige Reform jenseits der Dreigliedrigkeit, weil ich denke, dass wir mit dem bisherigen Schulsystem viele ausgrenzen und auf gesellschaftliche Entwicklungen nicht reagieren.


    ja, ich denke, das andere ist das, was ich ablehne...Blockdenken.


    h.

  • Zitat

    Original von Hawkeye
    und noch zur durchlässigkeit,weil ich das neulich mit meinen schülern diskutiert habe. schön und gut, dass die durchlässigkeit gewährleistet ist über umwege, aber wir haben uns an anderer stelle gefragt, warum diese 43% auf dem herkömmlichen wege es NICHT schaffen das abitur zu erlangen? das ist doch verschwendung von ressourcen.


    und ganz privat: ich persönlich war unter 80 abiturienten das einzige arbeiterkind, an der uni kannte ich nur zwei, die einen ähnlichen hintergrund hatten und wenn ich ins kollegium schaue, dann sieht das ganz ähnlich aus. höhere schulbildung ist nicht ganz so gerecht, wies scheint.


    Ich bekomme echt einen dicken Hals: Wir an den beruflichen Schulen gehören zum HERKÖMMLICHEN Bildungsweg. Wir sind auch kein Umweg, sondern - wie geschrieben - eine weiterführende Schulart wie viele andere. Die Behauptung, dass berufliche Schulen mit weiterführenden Abschlüssen regional in Bayern zu dünn gesät sind, spricht nicht gegen diese Schulen, sondern für deren Ausbau!
    Ich prophezeie sogar, dass die Zahl der Absolventen mit HSR und FHSR von den beruflichen Schulen zunehmen wird, da zum einen immer weniger die Lust auf G8 steht und zum anderen immer mehr berufliche Qualifikationen mit der FHSR verzahnt werden. Um es mal klar zu machen: Nach 10 Jahren Realschule und 2 Jahre Berufskolleg kann man in Baden-Württemberg eine FHSR erlangen und durch das berufliche Profil seine Chancen am Arbeitsmarkt deutlich erhöhen. Durch den Bologna-Prozess kann heute mit der FHSR durch die Gleichstellung der Abschlüsse sogar promoviert werden.
    Ein beachtlicher Teil unserer Schüler sind in der Tat Spätzünder, die erst in den letzten Klassen der Realschule oder Hauptschule ihre Begabung erkannt haben (da ich die Aufnahme für das BK bei uns leite, habe ich hier wirklich einen guten Einblick). Die Verlängerung der gemeinsamen Grundschulzeit oder eine erhöhte Durchlässigkeit in den Eingangsklassen der Sekundarstufe würde diesen Schülern nicht die Bohne bringen.


    Zu den Zahlen in B-W:


    Im Jahr 2007 machten 30.161 Schüler an allgemeinbildenden Gymnasien ihre HSR, 13.272 an beruflichen Gymnasien (44%). Die Zahl der Absolventen an beruflichen Gymnasien hat sich seit 1970 um über das Fünfache erhöht, an den allgemeinbildenden Gymnasien "nur" um etwa das Zweieinhalbfache.
    Gleichzeitig haben 16.032 Schüler in Baden-Württemberg die FHSR an beruflichen Schulen abgelegt. Somit haben also fast gleichviel Schüler einen Hochschulzugang über das berufliche System wie über das allgemeinbildende erworben. Die Zahl der Schüler, die die FSHR an beruflichen Schulen erlangt haben, hat sich übrigens seit 1975 um das 25fache erhöht!
    Ergo,
    - wer das berufliche Bildungssystem mit seinen höheren Abschlüssen als Umweg oder Ausnahme darstellt irrt
    - und zwar auch, was die Durchlässigkeit des deutschen Bildungssystemes angeht und
    - zuletzt muss man feststellen, dass bei aller Politikerschelte in Bildungssachen seit den 70igern viel erreicht worden ist!


    Was die Zusammensetzung der Studentenschaft anbetrifft, ist ein Rückschluss auf die Verteilung der Hochschulzugänge natürlich logisch falsch. Ich sehe hier eher einen Zusammenhang zwischen Wunsch und Zwang Geringverdienender, möglichst schnell Geld zu verdienen. Diese Leute machen oft erst nach einer Ausbildung einen weitergehenden Abschluss an den Hochschulen (und dann eher an den ehemaligen FHs) oder im beruflichen System (Meister, Techniker usw).


    Soweit die Fakten und einige meiner Interpretationen. Die Quellen:
    http://www.statistik.baden-wue…Landesdaten/abgaenger.asp
    http://www.statistik.baden-wue…r/Landesdaten/LRt0302.asp


    Ich kenne die bayerischen Zahlen nicht. Aber ich habe das Gefühl, dass sich Bayern im Erwerb der Hochschulzugänge an beruflichen Schulen an Baden-Württemberg orientiert. Und unsere Zahlen sind zumindest ein gutes Argument dafür!


    edit: Noch zwei schön kurze Zusammenfassungen (Stand allerdings 2003) aus der TOSCA Studie über den sozialen Hintergrund und die Leistungsfähigkeit der Schüler an beruflichen und allgemeinbildenden Gymnasien:
    http://www.standardsicherung.s…n/sekundarstufe-ii/tosca/
    http://www.kstbb.de/schularten…um/01bcf2944d058fa01.html

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    4 Mal editiert, zuletzt von Timm ()

  • Zitat

    Ich kenne die bayerischen Zahlen nicht. Aber ich habe das Gefühl, dass sich Bayern im Erwerb der Hochschulzugänge an beruflichen Schulen an Baden-Württemberg orientiert. Und unsere Zahlen sind zumindest ein gutes Argument dafür!


    Timm: Ich bin ein ehemaliges "Ländlekind"und weiß deswegen, wie gut es in BaWü möglich ist, das Abitur noch nach der Realschule zu machen. Sehr viele meiner Bekannten sind erfolgreich diesen Weg gegangen. Leider ist dies in Bayern nicht so einfach. Ich hätte mir schon seit langem gewünscht, dass man sich hier mehr am Ländle orientieren würde, denn dort sind Meinung nach die beruflichen Gymnasien seit 20-30 Jahren ein großer Erfolg. Ich kenne persönlich eine Schülerin, die den Weg von der Hauptschule/ BVJ bis zum Abitur (nicht Fachhochreife!) gegangen ist und jetzt erfolgreich studiert.


    Wie ich in einem Thread weiter oben schon geschrieben habe, haben letztes Schuljahr in Bayern aber gerade einmal 817 (!, das sind offizielle Zahlen des KUMI) die sogenannte FOS 13 besucht. Die FOS 13 entspricht in etwa der letzten Jahrgangsstufe der beruflichen Gymnasien in BaWü. Diese Schulen haben erst seit ganz kurzer Zeit den Versuchschulstatus hinter sich gelassen und gerade auf dem flachen Land sind sie - wie oben auch schon beschrieben - eben noch nicht flächendeckend eingeführt. Bayern ist halt wirklich mehr Flächenland als das Ländle, war mir früher auch nicht so bewusst...


    Zitat

    Ich bekomme echt einen dicken Hals:


    Wäre schon nett, wenn man sich die Texte der Vorschreiberlinge mal genauer durchliest, dann hättest du nicht gleich einen dicken Hals bekommen müssen, die bayerischen Voraussetzungen sind halt doch ganz andere als bei Euch...

  • gingergirl:


    Dann sind wir einer Auffassung. Ich habe ja auch mehrfach betont, dass zum einen Bayern allem Anschein nach Baden-Württemberg als Vorbild nimmt und zum anderen, dass das System ggf. eben ausgebaut werden muss. Den Einwand hawkeyes, der Weg über das berufliche System sei ein Umweg, habe ich aber als systemisch betrachtet. Und - wie ich versucht habe darzustellen - ist er bei einem funktionierenden, ausgebauten System falsch. Warum sollen nicht 43% der Kinder bei uns ihre HSR machen?! Das ist die Frage, die sich mir stellt.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    Einmal editiert, zuletzt von Timm ()

  • Zitat

    Original von Timm


    Im Jahr 2007 machten 30.161 Schüler an allgemeinbildenden Gymnasien ihre HSR, 13.272 an beruflichen Gymnasien (44%). Die Zahl der Absolventen an beruflichen Gymnasien hat sich seit 1970 um über das Fünfache erhöht, an den allgemeinbildenden Gymnasien "nur" um etwa das Zweieinhalbfache.
    Gleichzeitig haben 16.032 Schüler in Baden-Württemberg die FHSR an beruflichen Schulen abgelegt. Somit haben also fast gleichviel Schüler einen Hochschulzugang über das berufliche System wie über das allgemeinbildende erworben. Die Zahl der Schüler, die die FSHR an beruflichen Schulen erlangt haben, hat sich übrigens seit 1975 um das 25fache erhöht!


    Deshalb werden die SuS der berufsbildenden Schulen ja auch als 'die vergessene Majorität' bezeichnet. Sie kommen in der Tagespresse und der allgemeinen Diskussion fast nicht vor, obwohl ein Großteil der Sek. II Schüler eine berufsbildende Schule besucht.

  • Zitat

    Original von gingergirl
    Habe gerade mal versucht rauszufinden, wie viele Schüler in Bayern überhaupt an der FOS 13 sind, die einem den Erwerb des allgemein bildenden Abiturs nach der Mittleren Reife ermöglicht. Für das laufende Schuljahr habe ich leider keine Zahlen gefunden, 2007/2008 waren es gerade einmal 817


    Die FOS13 existiert gerade mal seit einem Jahr und im Moment scheitert es bei vielen noch an der fehlenden zweiten Fremdsprache. Die Schülerzahl wird aber kontinuierlich steigen, weil viele SchülerInnen jetzt den Französisch-Zweig der Realschulen besuchen, um sich die Möglichkeit, über die FOS13 die allg. HR zu erwerben, aufrecht zu erhalten. Aussagekräftige Zahlen haben wir in einigen Jahren, wenn die jetzigen 7./8. Klassen der RS in die FOS drängen.


    An unserer Schule hat die FOS13 z.B. dazu geführt, dass statt einer Französisch-Klasse in der 7. Jgs zwei gebildet werden konnten, die Schülerzahl stieg um 70% in diesem Zweig.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Timm
    Den Einwand hawkeyes, der Weg über das berufliche System sei ein Umweg, habe ich aber als systemisch betrachtet.


    man sollte nicht in rage schreiben, wenn man grad ne freistunde hat und eh fast zu spät zur schule kam. hab selbst beim schreiben gemerkt, dass viel durcheinander gerät. sorry.


    zur versicherung: generell ging es mir weniger um die zeit nach der 10. klasse, sondern um das davor. und dabei um


    - z.b. den schülerstand, der zwischen den schulformen umherirrt


    - um fehlende ressourcen, die verschiedene nachteile, sozialer oder ä. herkunft ausgleichen könnten, und zwar viel früher (ich spreche wieder von denen die sich auf allgemeinbildenden schulen bis klasse 10 befinden)


    - ein mehr alternatives denken, dass eventuell auch in betracht zieht, dass schulformen erfolgreich sein könnten, die nicht nach leistungsfähigkeit oder aber nach alter unterscheidet (solche schulen gibt es ja auch im herkömmlichen schulsystem und sie sind erfolgreich)


    Zitat

    Ein beachtlicher Teil unserer Schüler sind in der Tat Spätzünder, die erst in den letzten Klassen der Realschule oder Hauptschule ihre Begabung erkannt haben (da ich die Aufnahme für das BK bei uns leite, habe ich hier wirklich einen guten Einblick). Die Verlängerung der gemeinsamen Grundschulzeit oder eine erhöhte Durchlässigkeit in den Eingangsklassen der Sekundarstufe würde diesen Schülern nicht die Bohne bringen.


    das war auch nicht der zusammenhang, den ich knüpfen wollte. eine verlängerte gemeinsame schulzeit soll doch nicht generell die möglichkeiten für höherbildende abschlüsse schaffen (also in richutng hochschule) oder ihre anzahl erhöhen. der gedanke basiert doch eher auf der überlegung, dass ein schulsystem bis zu einem bestimmten alter der kinder nicht zwangsläufig nach leistungsfähigkeit unterscheiden muss, um erfolgreich zu sein. bzw. weiter, dass natürlich zu dieser gemeinsamen schulzeit noch einige andere reformen hinzukommen müssen, um schule besser zu machen. Ergo: grad die mittleren bildungsabschlüsse sollen verbessert bzw. überhaupt die schulische bildung von mehr schülern auf ein höheres niveau gebracht werden.


    und nun doch noch mal doof, aber ehrlich naiv gefragt: warum eigentlich diese ziemlich unüberschaubare differenzierung in vielerlei schulen / schularten / wegen etc. das sind doch auch unterschiedliche verwaltungen, ausbildungspläne, prüfungsorganisationen...und alle haben dasselbe ziel...kann man das ehrlich begründen damit, dass die schüler so unterschiedlich sind?


    Zitat

    An unserer Schule hat die FOS13 z.B. dazu geführt, dass statt einer Französisch-Klasse in der 7. Jgs zwei gebildet werden konnten, die Schülerzahl stieg um 70% in diesem Zweig.


    und bei uns hat es dazu geführt, dass das fach sozialwesen (dieselbe wahlgruppe) weiter zurückgedrängt wird und damit auch ein fach, das schülern nutzt, die nicht studieren wollen.


    das ziel kann doch nicht in jeder schulform sein, dass man zum abitur kommt.


    grüße


    h.


    ps: ich glaube mich ermüdet auch, dass die diskussion immer nach lagern getrennt vor sich geht. rs auf der einen, gy auf der anderen...dann wieder hs. und oftmals verliert man den blick dafür, dass es um andere Sachen gehen sollte. einer der gründe, warum lehrer als einheitliche berufsgruppe nicht schlagkräftig genug in der öffentlichkeit auftreten.

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