Kleine Klassen

  • Ich bin gerade über einen etwas älteren Zeitungsartikel gestolpert, den ich aber nicht unkommentiert lassen will:


    http://www.zeit.de/2005/36/B-Klassengr_9a_a7e?page=1



    Ja klar, lange keine Mittelstufenklasse im Gymnasium mehr gesehen? Da bewegt sich die Schülerzahl eher auf die 30 zu.


    Zitat

    [...]
    »Es macht keinen Unterschied, ob 40 oder 60 Ohren zuhören«


    Ah so geht das also mit dem Unterricht. Der Lehrer erzählt, die Schüler hören einfach zu. Unterricht kann so einfach sein!


    Zitat

    [...]
    International sieht die Forschungslage etwas anders aus. Als größte Untersuchung gilt die Star-Studie (Student-Teacher-Achievement-Ratio) aus dem US-Bundesstaat Tennessee. Dort stellten die Behörden zwölf Millionen Dollar für neue Lehrer zur Verfügung, um die Schülerfrequenz in ausgewählten Schulen drastisch zu verringern. Und tatsächlich profitierten die Kinder von der Investition, besonders solche aus benachteiligten Familien.


    Im Vergleich zu Alterskollegen aus großen Klassen verfügten sie am Ende der vierten Klasse über einen Leistungsvorsprung von sechs bis neun Monaten. Die Sitzenbleiberrate ging zurück, die begünstigten Schulen klettern im öffentlichen Ranking nach oben. Ähnliche, wenn auch weniger dauerhafte Erfolge zeigte die Londoner Class-Size-Studie.


    Voraussetzung für den Lernerfolg in beiden Untersuchungen waren jedoch sehr kleine Klassen, mit in Tennessee höchstens 17, in London 19 Schülern. Eine solch geringe Regelschülerzahl in deutschen Schulen zu erreichen ist wegen der hohen zusätzlichen Lehrerkosten undenkbar. Um die durchschnittliche Klassengröße zum Beispiel in Bayern um zwei Schüler zu senken, braucht es laut Kultusministerium 7200 neue Lehrer.
    [...]
    Fraglich ist jedoch, ob der Einsatz der dafür notwendigen 375 Millionen Euro pädagogisch gerechtfertigt wäre.


    ROTFL, alleine die bekannte bayerische Provinzbank erhält 100 Miliarden Euro vom Staat..


    Zitat

    [...]
    Genau dies könnte die Erklärung für die Abneigung vieler Lehrer gegen große Klassen sein: Sie kosten Nerven und machen weit mehr Arbeit. Ob Hausaufgaben, Klassenarbeiten, Zeugnisse oder Elterngespräche – mit jedem zusätzlichen Schüler steigt der Aufwand.


    Da haben wir es wieder: Arbeit, die man nicht sieht (Hausaufgaben einsammeln, Klassenarbeiten korrigieren, Zeugnisse schreiben) zählt nicht. Ist ja unser Privatvergnügen (genauso wie das häusliche Arbeitszimmer)


    Zitat

    [...]
    Um die Arbeit der Pädagogen zu erleichtern, dürften geringere Klassenfrequenzen also unbedingt hilfreich sein. Wollen Bildungspolitiker die Leistungen heben, sollten sie die Steuergelder jedoch besser anderweitig investieren:[...]


    Den f... S... die Arbeit erleichtern? Und das mit Steuergeldern? Wo kämen wir da hin!


    Gruß !


    Post Scriptum: Mit der richtigen Einstellung klappts auch mit der Karriere im Bildungssystem. Frau Grit Arnhold (jetzt Frau Grit im Brahm) ist jetzt Juniorprofessorin an der Ruhr-Universität Bochum: http://www.schulforschung.ruhr-uni-bochum.de/arnhold.htm
    Dort kann man nachlesen, dass sie das Erste(!) Staatsexamen und die Promotion zum Dr. Phil. hat. Also merke: Praxiserfahrung ist für Kompetenz im Bildungsbereich unnötig.

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    2 Mal editiert, zuletzt von Mikael ()

  • Mir und meinen Schülern sowie unser beider Konzentration käme es sehr entgegen, ob die Forschung oder sonstwer das eine oder andere sagt...


    Ich finde den Lärm einfach schrecklich! Wenn man morgens um 7.45 Uhr schon mit Krach anfängt und dann bei 30 Kindern auf wenigen qm noch bis halb zwei fröhlich und motiviert durchhält, dann ist die Klassengröße vielleicht auch nicht so schlimm.



    Am meisten stört mich der Lärm! (Und ich habe schon eine recht disziplinierte Klasse!)

    • Offizieller Beitrag

    Diese Kacke über den angeblichen Nichtzusammenhang von Unterrichtsqualität und Klassengröße hör ich mir gar nicht mehr an. Ich kenne keinen einzigen Schüler und keinen einzigen Lehrer, nicht einen einzigen!!, der das aus eigener Erfahrung so sehen würde. Alle Schüler kleiner Kurse und Klassen finden das toll, fühlen sich wohler, arbeiten ungehemmter mit, kommen öfter dran, lernen mehr, fragen eher, bekommen ausführlichere Antworten, finden sich schneller ein - und alle Kollegen in kleinen Klassen schwärmen, wie wunderbar es ist, dass ihnen jetzt individuellere Arbeit, Differenzierung und Beratung möglich ist. Und der gesunde Menschenverstand sagt da auch sofort "is ja auch logischund klar". Da können die gerne Studien machen, wie sie wollen - da speche ich dann mit dem hinlänglich zitierten Churchill. Glaube keiner... etc.

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    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

  • Genau, Meike!!!!!


    Und warum stellen sie uns zurzeit zweite Lehrkräfte fürs Team-Teaching in die Klasse. Wir sollen dann die Klasse teilen und in "übrigen" Räumen diese Stunden nutzen. Tun wir auch - mit Freude!


    Aber gleichzeitig behaupten sie da oben, dass kleine Klassen nicht deutlich besser lernen ????? ?( ?( ?(


    Seltsam, oder? Widerspricht sich meiner Meinung nach absolut! 8)

  • Der Schlüssel zum Erfolg ist Disziplin und Leistungsille, der ist den Schülern in großen Teilen abhanden gekommen, oder einige wenige stören eine Klasse, so dass die gesamte Klasse darunter leidet.


    Früher gab es auch Klassen mit 35 Schülern und das Leistungsniveau war höher als heute.


    Gruß


    E_T

  • Zitat

    Der Schlüssel zum Erfolg ist Disziplin und Leistungsille


    Was genau ist Leistungs(st)ille ?!?


    Zitat

    Früher gab es auch Klassen mit 35 Schülern und das Leistungsniveau war höher als heute.


    Das wird gerne so behauptet ... tatsächlich ist der durchschnittliche IQ aber Jahr für Jahr höher als im Vorjahr. Sieht man einmal von den absoluten Brennpunktschulen und Ballungszentren ab, so sind unsere Grundschüler heute fitter als viele ihrer Vorgänger.


    Wenn ich so sehe, was meine Schüler für Mathewettbewerbe meistern, über welches umfassende Sachwissen sie verfügen, wie sie sich eigenständig Informationen erarbeiten und inform von Referaten präsentieren, dann kann ich deiner Aussage nur widersprechen.


    Mag ja sein, dass die "Drillschule" mit 30 Kindern genauso funktioniert wie mit 10 Kindern. Wenn ich aber mal eine Kleingruppe (10 Schüler) habe und mit denen offener und nach Interessen arbeite, dann laufen wir zu Hochformen auf, die seinesgleichen suchen !!! Und auch im regulären Unterricht kann ich entspannter und individueller Arbeiten, wenn es keine 30 Schüler sind. Ich kann Meike nur zustimmen - und wer das nicht selber sieht, hat noch nicht erlebt, wie individuelles Unterrichten aussehen kann!

  • Zitat

    Original von schlauby


    Was genau ist Leistungs(st)ille ?!?


    Nix Leistungsstille, Schlauby, der Autor hat das "p" vergessen - "Leistungspille" soll es heissen ;) .


    LG, das_kaddl.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Mag ja sein, dass die "Drillschule" mit 30 Kindern genauso funktioniert wie mit 10 Kindern. Wenn ich aber mal eine Kleingruppe (10 Schüler) habe und mit denen offener und nach Interessen arbeite, dann laufen wir zu Hochformen auf, die seinesgleichen suchen !!! Und auch im regulären Unterricht kann ich entspannter und individueller Arbeiten, wenn es keine 30 Schüler sind. Ich kann Meike nur zustimmen - und wer das nicht selber sieht, hat noch nicht erlebt, wie individuelles Unterrichten aussehen kann!

    Klar, bei meinem Papa waren es auch noch über 50 in der Klasse. Da durfte aber auch noch geohrfeigt werden. Lernen über Angst ist durchaus ein hoch wirksames Konzept - aber wollen wir das wirklich wieder? Da kommen solche Menschen raus, wie der bekannte Diederich in Heinrich Manns "Untertan" - und wer sich nicht so verformen lässt, geht eben kaputt. Nee, danke.
    Nicht, dass ich alle Entwicklungen der Generationen nach mir ohne Besorgnis verfolgen würde - aber es sind eher der modische Egotrip und der modische Utilitarismus, der mich nervt, als die angebliche Verblödung. Die ist eher systemisch und kann durch das Ermöglichen von Unterrichtsformen wie Schlauby sie beschrieben hat, reversibel gemacht werden. Und auch erstere (Egotrip und Co) sind nur punktuell häufiger zu beobachten und wahrscheinlich gibt es auch da wieder eine Gegenbewegung.


  • Richtig. In Afrika funktionieren auch Klassen mit 120 Schülern. Weil die Kinder und die Eltern Not leiden und wissen, dass nur Bildung aus dieser Not helfen kann. Dort sind Disziplin und Leistungswille vorhanden.


    Logische Konsequenz: Schafft Hartz IV, Kindergeld und Sozialhilfe ab. Verlangt mindestens 500 Euro Schulgebühren. Erst wenn wir afrikanische Verhältnisse erreicht haben, hören die Schüler wieder folgsam den Lehrern zu.


    </sarkasmus off>

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

  • Zitat

    Original von alias
    Logische Konsequenz: Schafft Hartz IV, Kindergeld und Sozialhilfe ab. Verlangt mindestens 500 Euro Schulgebühren. Erst wenn wir afrikanische Verhältnisse erreicht haben, hören die Schüler wieder folgsam den Lehrern zu.
    </sarkasmus off>


    Joa och...


    Habe vor einiger Zeit mit meiner GS Klasse über das Thema "Dritte Welt" gesprochen und Kinderrechte. Dabei kam dann natürlich u.a. das Thema "Recht auf Bildung".


    ->"Waaaaaaa die sollen doch froh sein, dass sie nicht zur Schule müssen!".


    Ursache und Wirkung bzw. Sinn und Zweck von Bildung ist vielen einfach überhaupt nicht bewusst.

  • Zitat

    Original von Meike.
    Klar, bei meinem Papa waren es auch noch über 50 in der Klasse. Da durfte aber auch noch geohrfeigt werden. Lernen über Angst ist durchaus ein hoch wirksames Konzept - aber wollen wir das wirklich wieder?


    Meike, da muss ich dir (gerne) widersprechen: Nach den aktuellen Erkenntnissen der Hirnforschung ist die Behaltensquote bei "Angstlernen" wesentlicher geringer, als wenn ein freundliches, den Schülern zugewandtes Klima im Unterricht aufgebaut wird.


    In B-W hat die Landesregierung wenigstens mal einen Anfang gemacht und mit der Senkung der Klassenteiler begonnen. Anscheinend leuchten den Herren Politikern die zitierten seltsamen Ergebnisse auch nicht ein...


    Allerdings wehre ich mich auch, eine Studie zu verurteilen, die ich nicht wenigstens im Kern kenne. Seltsam und anderen Ergebnissen widersprechend ist sie allerdings.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

  • Hallo schlaubi, keine Frage das Unterrichten in kleinen Klassen 10-15 Schülern ist gar nicht zu vergleichen mit 30er Klassen.


    Wenn das aber mit der höheren Intelligenz stimmt, frage ich mich wie Aussagen zustande kommen, die einhellig einen Leistungsabfall in der Schule über die Jahre beteuern. Ein Hauptschullehrer erzählte mir, er habe zum Schluss seiner Berufslaufbahn die Matheklausur, die er am Anfang sener Lehrtätigkeit in der 5. Klasse stellte, einer 10. Klasse vorgelegt.


    Woher kommen die Aussagen, dass vieler Schüler nicht mehr Ausbildungsfähig sind. Eine hohe Anzahl an Schülern am Berufskolleg sind funktionale Analphabeten.


    War das früher genauso?

  • Zitat

    Wenn das aber mit der höheren Intelligenz stimmt, frage ich mich wie Aussagen zustande kommen, die einhellig einen Leistungsabfall in der Schule über die Jahre beteuern. Ein Hauptschullehrer erzählte mir, er habe zum Schluss seiner Berufslaufbahn die Matheklausur, die er am Anfang sener Lehrtätigkeit in der 5. Klasse stellte, einer 10. Klasse vorgelegt.


    Ja klar, kein Widerspruch - so ist das! Umso schlimmer, wenn man bedenkt, dass heutige Schüler "potentiell" intelligenter sind.

    • Offizieller Beitrag

    Höhere Intelligenz schließt niedrigere Konzentrationsfähigkeit, mediale Überlastung und mangelnden stabilisierenden Ausgleich nicht aus ...


    Zitat

    Meike, da muss ich dir (gerne) widersprechen: Nach den aktuellen Erkenntnissen der Hirnforschung ist die Behaltensquote bei "Angstlernen" wesentlicher geringer, als wenn ein freundliches, den Schülern zugewandtes Klima im Unterricht aufgebaut wird.

    :) Timm, ich will das auch nicht ersntshaft verteidigen - und bezog mich hier auch eher auf die Disziplin und darauf, dass die Kinder damals alles gefressen und wieder ausgespuckt haben, was man ihnen vorsetzte - wie lange das im Kopf war, war glaube ich nicht so das Thema.


    Wobei die Allgemeinbildung meines Vaters absolut erstaunlich ist. Das lag aber glaube ich eher daran, dass er mit dem System (ehem. DDR in den 50igern, 60igern) uneins war und sich vermittels Wissen gegen dessen Indoktrination wehren wollte. Später hat er es ja dann auch via Flucht unter hohem Risiko verlassen.

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    Einmal editiert, zuletzt von Meike. ()

  • Zitat

    Original von Meike.
    Lernen über Angst ist durchaus ein hoch wirksames Konzept - aber wollen wir das wirklich wieder? Da kommen solche Menschen raus, wie der bekannte Diederich in Heinrich Manns "Untertan" - und wer sich nicht so verformen lässt, geht eben kaputt.


    Interessanterweise kam da aber auch die 68er-Generation heraus; ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie man das beurteillen soll.


    Nele

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