Grenzen individueller Förderung

  • In vielen Bildungsplänen wird individuelle Förderung von Grundschülern
    verlangt. Wo sind die Grenzen?


    Sind es die menschlichen Grenzen der Lehrkraft?


    Was kann ein Elternteil als Förderung verlangen? ?(


    Simian

  • Hallo,


    das ist gerade ganz aktuell "mein" Thema.




    Zitat

    Wo sind die Grenzen?


    Da muss man wahrscheinlich differenzieren.
    Zum einen liegen die Grenzen in der persönlichen Leistungskraft und -bereitschaft des einzelnen Kollegen.


    Andererseits liegen die Grenzen bereits im organisatorischen Rahmen:


    Personalmangel, Raummangel, mangelnde Ausstattung etc.
    Diese Liste kann sicher noch erweitert werden.



    Zitat

    Sind es die menschlichen Grenzen der Lehrkraft?


    Siehe oben - nicht ausschließlich - kann aber durchaus auch ins Gewicht fallen.



    Zitat

    Was kann ein Elternteil als Förderung verlangen?


    Verlangen?


    Das finde ich von der Begrifflichkeit schon befremdlich.


    Bezieht sich die Frage auf die rechtliche Sichtweise?



    Viele Grüße
    strubbelsuse

  • Danke, strubbelsuse!


    Welches Ausmaß an Förderung können Eltern verlangen?


    Wenn nirgendwo Grenzen einer Förderung angegeben sind, können
    doch Eltern erwarten, dass ihr Kind so lange gefördert wird bis es super Leistungen erbringt und das auch noch in angemessener Geschwindigkeit, oder?


    Daraus erbibt sich dann umgekehrt das Versagen des Lehrers, wenn ein Kind keine hervorragenden Leistungen zeigt, oder?


    Simian

  • Nein.
    Es ist ich tdein Kind.
    Die Eltern tragen die Verantwortung.
    Auch für einen Großteil de Lernens.
    Sehr viel Lernen findet im Alltag statt.
    Eltern sind verantwortlich dafür, wie ihr Kind lernt zu lernen. Nicht du allein als Lehrerin.


  • Sicher könnten Eltern versuchen, die Lehrpläne so zu deuten.
    Und ganz sicher werden es auch einige Eltern versuchen.
    Letztlich liegt es dann ja uns, was wir daraus machen und was wir den Eltern mitteilen und erklären.


    Wünscht Du Dir konkretere Vorgaben, um dem entgegenzuwirken?


    Viele Grüße
    strubbelsuse

    • Offizieller Beitrag

    Ich würde zu den beiden von Strubbelsuse genannten Grenzen noch die Grenzen des Kindes hinzufügen.


    Was nutzt einem Kind ein tolles, individuell gestaltetes Arbeitsblatt (oder ein Lernspiel oder auch ein Malblatt), wenn es gar nicht die Voraussetzungen (Wahrnehmung, Konzentration, Ausdauer, emotionale Reife) mitbringt, um dieses zu bearbeiten und für das Erfüllen seiner Aufgabe ständige individuelle Betreuung bräuchte?
    Hinzu kommen eben auch Faktoren der Intelligenz und der Vorbildung. Du kannst nicht aus jedem Kind einen Super-Schüler machen.

  • Zitat

    Original von Conni
    Ich würde zu den beiden von Strubbelsuse genannten Grenzen noch die Grenzen des Kindes hinzufügen.


    Was nutzt einem Kind ein tolles, individuell gestaltetes Arbeitsblatt (oder ein Lernspiel oder auch ein Malblatt), wenn es gar nicht die Voraussetzungen (Wahrnehmung, Konzentration, Ausdauer, emotionale Reife) mitbringt, um dieses zu bearbeiten und für das Erfüllen seiner Aufgabe ständige individuelle Betreuung bräuchte?
    Hinzu kommen eben auch Faktoren der Intelligenz und der Vorbildung. Du kannst nicht aus jedem Kind einen Super-Schüler machen.



    Genau darum geht es doch.
    Das Arbeitsblatt ist im Idealfall auf das Kind "zugeschnitten"!
    Bei den Voraussetzungen fangen wir doch an.
    So jedenfalls verstehe ich "individuelle Förderung".

  • Hallo Conni,
    genau das hören Eltern überhaupt nicht gern. Ich habe ein sehr langsames Kind, das nicht sehr konzentriert arbeitet, und die Mutter fragte mich, wie ich es denn hinbekommen könnte, dass es schneller und konzentrierter arbeitet - ich sei doch die Fachkraft, das müsste ich doch wissen!
    Aber mehr als die bekannten Ratschläge konnte ich ihr auch nicht bieten. Zaubern können wir irgendwie (noch) nicht - das wollte sie nicht einsehen. Ich müsse das Kind doch individuell so fördern können, dass es dann locker und flott und konzentriert arbeitet (und ins Gymmi kommt nächstes Jahr, wo seine Geschwister sind :rolleyes: - das sagte sie zwar nicht, aber sie meinte es.) :weissnicht:


    Manchmal ist es echt schwer ...
    Gruß venti :)

    • Offizieller Beitrag

    strubbelsuse
    Für mich kam das im bisherigen Threadverlauf noch nicht deutlich genug heraus. Gerade auch weil simian ja nochmal nachfragte, ob Eltern dann verlangen können, dass ihr Kind so gefördert wird, dass dann alles gut klappt.


    venti
    Ja, die Erfahrung habe ich auch.
    Ich habe auf dem Elternabend darum gebeten, dass die Eltern ihre Kinder zu Hause unterstützen beim Aufbauen von Konzentration und Ausdauer. Wie sie das machen sollten, fragte mich ein Elternpaar.
    Ich sagte dann, wenn ihr Kind zu Hause lesen oder in einem Heft rechnen übt sollen Fernseher, Radio und Computer aus sein. Ferner solle dann eine Seite ohne Unterbrechung gelesen oder 10 Aufgaben ohne Unterbrechung gerechnet werden. Da staunten die Eltern nicht schlecht.
    Und da liegen sehr viele der Probleme.
    Ich habe momentan 2 Kinder in der Klasse, die eine ständige individuelle Betreuung bräuchten, um überhaupt schulische Aufgaben bearbeiten zu können. Das eine Kind malt, das andere bastelt z.B. statt Buchstabenblätter oder Rechenaufgaben zu erledigen. Manchmal läuft das eine Kind auch an meinem Pulloverzipfel hinter mir her, während ich das andere unterm Tisch hervor- oder vom Flur hereinhole. Und wenn ich dem einen Kind sage, dass es alle Flächen mit der Zahl 1 bitte rot ausmalen soll und es hat keine Lust auf rot, sondern auf grün, dann weint es entweder und verweigert die Arbeit komplett oder malt bockig alles grün aus.
    Zum Glück ist beiden Elternhäusern bewusst, dass es da gewisse Grenzen gibt.


    Grüße,
    Conni


  • Eltern können verlangen, dass du rausholst, was unter den gegebenen Umständen möglich ist. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.

  • Zitat

    Original von venti
    Ich müsse das Kind doch individuell so fördern können, dass es dann locker und flott und konzentriert arbeitet


    Gruß venti :)


    Sag der Mutter , sie muss das Kind nur lange genug bei dir lassen, irgendwann wird es so weit sein! 8)
    *ironieoff*


    Also manche Eltern ... 8o

  • Venti und Conni beschreiben in ihren Beispielen m. E. die beiden Pole. Bei den einen Kindern wünschen die Eltern Förderung zur Gymnasialreife, bei den anderen geht es darum, noch die Voraussetzungen zum Lernen zu legen.
    In Hamburg sollen zukünftig auch noch Lernbehinderte integriert werden. Das „Sitzenbleiben“ wird abgeschafft (hat in der Grundschule kaum stattgefunden) „ Für jeden Schüler, der zu scheitern droht, muss künftig ein Konzept geschaffen werden, wie er aufholen kann.“ Hamburger Abendblatt 23.03.09 Die Klassenstärke soll 25 Schüler nicht überschreiten.


    Hat jemand Erfahrungen mit einem derartigen Konzept? Ist das zu leisten? Führt der Anspruch auf individuelle Förderung nicht zu langwierigen, schwierigen Diskussionen mit allen Eltern? ?(


    Gruß


    Simian

    • Offizieller Beitrag

    Wir haben in unseren Schuleingangsphasenklassen in Berlin die lernbehinderten (und die verhaltensauffälligen) Schüler schon drin. Und wir müssen für alle Kinder, die irgendwelche Probleme haben oder irgendwann mal haben könnten, Förderpläne schreiben. Bei mir waren das im ersten Halbjahr 16 (von 24) Kindern, im 2. Halbjahr werden es vermutlich 18 von inzwischen 27 Kindern sein, die einen derartigen Plan benötigen. Plus 7 Förderpläne für meine eine Stunde Förderunterricht pro Woche. Plus 6 eigenständige Förderpläne für die Kinder, die in den sagenhaften 2,5 Stunden sonderpädagogischer Förderung, die meiner Klasse zur Verfügung stehen, gefördert werden. (Die haben dann eben 2 Pläne diese Kinder: einen für die sonderpäd. Förderung und einen für den Klassenunterricht.) Dazu noch 2 Einschätzungen für Schüler, die ich in diesem Schuljahr in die 3. Klasse abgegeben habe.
    Eigentlich ist man nur noch am Förderplanschreiben. Umsetzen lässt sich eine detaillierte individuelle Förderung unter diesen Voraussetzungen beim besten Willen nicht. Ich mache es jetzt einfach so, dass ich den Kindern mit den meisten Schwierigkeiten reihum an ihrem persönlichen Schwerpunkten weiterhelfe. Dann kommt eben jeder der schwierigsten Fälle alle 2 Wochen mal während der Wochenplanarbeit mit einer persönlichen Einheit ran. (Häufiger geht es nicht, da ich die übrige Zeit damit beschäftigt bin, die Kinder, welche die grundlegenden Fähigkeiten zum selbstständigen Bearbeiten einer Aufgabe nicht mitbringen, zum Weiterarbeiten zu motivieren und den anderen ihre Fragen zu beantworten. Nebenbei müsste ich ja noch beobachten und Lernentwicklungen protokollieren, das lasse ich momentan ganz sein. Und ja, ich hole mir schon Kinder mit ähnlichen Schwierigkeiten zusammen, um ihnen gemeinsam etwas zu erklären. Trotzdem reicht es nur für "alle 2 Wochen".)


    Eigentlich muss man bei diesem individualisierten Lernen ja immer wissen, wo wer im Moment ist und welche Schritte als nächstes folgen sollten. Dies ist m.M.n. unter den Bedingungen, unter denen ich arbeite gar nicht vollständig zu leisten. Selbst in meinem ersten Unterrichtsjahr als Klassenleiterin habe ich immer nur die Hälfte meiner Schüler wirklich detailliert einschätzen können, obwohl ich Protokolle noch und nöcher geführt und jedes Wochenende Hefstapel ausgewertet habe. Die individuelle Förderung einzelner Schüler, die nötig gewesen wäre, um Defizite im Wahrnehmungsbereich, in der Feinmotorik und in sozialen Belangen gezielt anzupacken, war aus Gründen der Häufung derartiger Fälle auch damals schon nicht möglich. Der Aufwand stand in keinem Verhältnis mehr zum Nutzen.


    Gruß,
    Conni
    PS: Ich rede von Klassenstufe 1/2
    Edit: es hängt natürlich immer von den Bedingungen ab. Es macht einen großen Unterschied, ob du viele selbstständige Kinder hast, welches soziale Milieu herrscht etc.

  • Diese "individuelle Förderung" ist Augenwischerei. Sie lässt sich aber politisch wunderbar verkaufen. Damit wird suggeriert, ein Lehrer könnte sich um die Schüler wie ein Arzt um seine Patienten kümmern. Darauf deutet auch diese neue "Diagnose"-Kompetenz hin, die jeder Lehrer und jede Lehrerin haben soll. Und statt individuell "behandelt" wird an der Schule eben individuell "gefördert".


    Was für ein Schwachsinn diese Idee ist, merkt man schnell, wenn man sich vorstellt, wie ein Arzt nicht einen Patienten zur Zeit sondern 30 oder mehr Patienten auf einmal behandelt. Völliger Unfug eben.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von Mikael
    Diese "individuelle Förderung" ist Augenwischerei. Sie lässt sich aber politisch wunderbar verkaufen. Damit wird suggeriert, ein Lehrer könnte sich um die Schüler wie ein Arzt um seine Patienten kümmern. Darauf deutet auch diese neue "Diagnose"-Kompetenz hin, die jeder Lehrer und jede Lehrerin haben soll. Und statt individuell "behandelt" wird an der Schule eben individuell "gefördert".


    Was für ein Schwachsinn diese Idee ist, merkt man schnell, wenn man sich vorstellt, wie ein Arzt nicht einen Patienten zur Zeit sondern 30 oder mehr Patienten auf einmal behandelt. Völliger Unfug eben.


    Gruß !


    Setzen wir noch eins drauf:


    200 Schüler sind keine Seltenheit bei einem Gymnasiallehrer. Setzt sich dieser Lehrer nun hin und würde nur 10 Minuten (!) über jeden Schüler nachdenken bzw. innerhalb dieser Zeit vernünftig diagnostizieren, wie man jeden Schüler am besten fördern kann, dann wäre der Lehrer damit schon über 30 Stunden beschäftigt und hätte noch keine Unterrichtsstunde gehalten, geschweige denn individualisiertes Material hergestellt bzw. gesucht oder binnendifferenzierten Unterricht vorbereitet.


    Würde man sich nun halbwegs regelmäßig soviel Zeit für seine Schüler nehmen - sagen wir viermal im Jahr, können wir das Rechnen wohl getrost einstellen um zu sehen, dass individuelle Förderung wie Mikael schon sagte, populistische Augenwischerei ist.


    Gruß
    Bolzbold

  • Toll, eure Beiträge Conni, Mikael, Bolzbold! Danke! =)


    Liebe Conni, du schilderst deinen Alltag sehr plastisch!


    Wie gehst du(ihr) mit diesen Bedingungen um? Lebst du noch oder arbeitest du nur, d.h. schreibst du nur Förderpläne, koorigierst und bereitest du Unterricht vor?


    Wie gehst du(ihr) damit um, dass der Arbeitsauftrag gar nicht zu schaffen ist?


    Wie vermittelst du(ihr) das den Eltern, dass Vieles wünschenswert und gefordert ist, aber die Umsetzung an der Realität scheitert?
    Akzeptieren die Eltern die Einschränkungen oder lasten sie es letztendlich dem Lehrer als Unzulänglichkeit an?


    LG


    Simian

    • Offizieller Beitrag

    Simian
    Ich habe meine Arbeitszeiten deutlich reduziert, mit unerwartetem Effekt:


    In meiner ersten eigenen Klasse habe ich jeden Abend korrigiert, analysiert, vorbereitet. An den Wochenenden habe ich individuelle Wochenpläne erstellt etc. Die Wochenpläne flogen in der Gegend herum, es hat lange gedauert, bis ich in dieser Klasse disziplinmäßig "ein Bein auf den Boden" bekam. Und ich habe viele Elterngespräche geführt.
    Gleichzeitig hatte ich einige sehr ungnädige Eltern, die auf mir herumhackten, mich dafür verantwortlich machten, dass ihr Kind ein Heft verschusselt hatte, mit den "neuartigen Methoden" (Lesen durch Schreiben, individuelles Lernen) nicht klar kamen, nur noch in Gegenwart des Schulleiters mit mir reden wollten etc. Die Notbremse habe ich dann um Ostern herum vor 4 Jahren gezogen: Ich hatte durch Frustessen 10 kg zugenommen und fühlte mich nur noch müde, ausgelaugt und frustriert. Danach habe ich etwas weniger gearbeitet und mir 2 Abende und einen halben Wochenendtag "frei" genommen.
    Es war dann im 2. Schuljahr eine umgängliche Elternschaft, die mich nett verabschiedet hat, als ihre Kinder eine neue Lehrerin bekamen.
    Und ich habe einiges gelernt...


    Inzwischen arbeite ich sehr eng mit meiner Parallelkollegin zusammen. Ich verbringe dadurch mehr Zeit in der Schule, aber dafür deutlich weniger Zeit zu Hause beim Arbeiten. Da meine Kollegin und ich in vielen schulischen Dingen auf einer Wellenlänge liegen und uns bei anderen Entscheidungen gut einigen können, hilft uns diese Teamarbeit sehr weiter. Da wir beide die Schüler beider Klassen zumindest etwas kennen, können wir auch über einzelne Schüler sprechen, beraten oder einfach nur mal Dampf ablassen. Zudem teilen wir uns Arbeit auf: Eine kopiert für Klasse 1, eine für Klasse 2 die Wochenplanblätter. Die Grobplanung machen wir gemeinsam. Meine Arbeitshefte bleiben in der Schule. Die Wochenplanaufgaben kontrolliere ich ebenfalls fast nur noch dort.
    Der Wochenplan ist für beide Klassen gleich, es gibt nur einen Unterschied zwischen Erstklässlern und Zweitklässlern. Die Arbeitshefte sind so ausgewählt, dass schnellere Kinder schon alleine weiterarbeiten können, langsame länger an einem Thema verweilen können. Für leistungsstarke / schnell arbeitende Schüler gibt es weitere Karteien und Lernspiele in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden und Aufgabenbereichen. Und wenn ein Kind den Wochenplan gar nicht schafft, dann bekommt es ebenfalls weniger schwere Aufgaben oder weniger Aufgaben (je nach Problemstellung).
    Damit haben wir einen großen Teil der - effizienten, sinnvollen - Differenzierung abgedeckt. Der Rest der möglichen Differenzierung wird in einer Zusatzförderstunde, mit Hilfe der Lesepatin, der Erzieherin und der Sonderpädagogin abgedeckt.
    Im letzten Jahr haben wir noch sehr viel gesessen, in diesem Jahr ist es schon deutlich weniger geworden. (2. Jahr in der jahrgangsübergreifenden Schuleingangsphase) Wir haben uns Sachen, die effizient waren und die Kinder unterstützen beibehalten und ineffiziente Sachen aufgegeben. Wenn die Kinder im Wochenplan arbeiten, dann ist es eben sinnvoller, dass ich mich um Kinder kümmere, als dass ich einen Beobachtungsbogen ausfülle. Beides parallel geht nicht, also entscheide ich mich.
    Die Regelung, dass Kinder in der Schuleingangsphase verweilen können, macht es auch etwas einfacher, denn dann geht es nicht sofort um "sitzen bleiben". Im ersten Jahr war es schwierig, aber inzwischen gibt es eben mehrere Eltern mit guten Erfahrungen an der Schule mit diesem 3. Verweiljahr. Außerdem müssen wir im Herbst "vorwarnen" und dann nach Ostern entscheiden. Manche Eltern beobachten dann ihr Kind, sehen dessen Schwierigkeiten und wollen dann von selber, dass das Kind ein 3. Jahr bleibt.


    Ich habe jetzt im Winter oft nur noch 45 bis 50 Stunden gearbeitet und einen bis eineinhalb freie Wochenendtage gehabt. Dies wird sich nach Ostern wieder ändern (Berichtszeugnisse und Lernentwicklungsbögen - dauerte im ersten Jahr auch eeeeewig, inzwischen bin ich etwas schneller geworden...), aber ich habe berechtigte Hoffnungen, in diesem Jahr zum ersten Mal seit dem Start des Referendariats etwas vom Frühsommerwetter "real" und nicht nur durch ein Fenster zu sehen.


    Grüße,
    Conni


    PS: Danke, mikael und bolzbold, ihr habt das so schön auf den Punkt gebracht, schaffe ich mit meinem weiblichen Sprachzentrum leider nicht. :D

  • @ Simian,


    falls es Dich interessiert, hier die Sicht einer Lehrerin, bei der der individuelle Förderwahn zum Glück noch nicht ausgebrochen ist, zugleich Mutter eines Grundschulkindes.


    Gleichzeitig individualisiert unterrichten, diagnostizieren und fördern ist bei einer womöglich jahrgangsübergreifenden Klasse mit 25-30 Kindern ein Ding der Unmöglichkeit.
    Vor kurzem bekamen alle Eltern einen Brief über die Themen des zweiten Schuljahres unserer Schuleingangsstufe, die wir mit unseren Kindern üben sollten – ganz normalen Ziele dieser Altersstufe - so etwas wie Zehnerübergang, Rechnen bis 100, Umlautableitung, einfachste Regeln der Groß- und Kleinschreibung, Wortarten etc.
    Die Übungen dazu sollten wir uns bitte schön selbst ausdenken und mit den Kindern üben, wenn möglich "spielerisch, zwischendurch etc." Automatisieren ist wichtig, wurde noch dazu gesagt. Kann die Schule aber auf Nachfrage vor lauter Individualisierung nicht leisten. Und - einesteils froh, hatte ich früher doch schon erlebt, dass ich als Mutter als einzige der Meinung war, Automatisierung (oder Übung) gehöre zum Lernen dazu - auf der anderen Seite ratlos, bestehe ich offensichtlich als eine der wenigen darauf, dass ich mein Kind zur Schule schicke, damit es übt, und wenn das nicht ausreicht, klare Aufgaben erhält.
    Ich habe jedenfalls bei uns die Beobachtung gemacht, dass sich fast nur noch Einzelkinder und Kinder von nichtberufstätigen Müttern höherer Bildungsschichten auf adäquatem Niveau befinden, bei allen anderen wird diagnostiziert und gefördert, was das Zeug hält, es gibt eine Inflation von pathologischen Verdachtsdiagnosen - auch bei Kindern, die ich für vollkommen schlau und normal halte, wenn sie uns nachmittags besuchen. Nicht, dass ich falsch verstanden werde, ich möchte nicht alles den Grundschullehrern überlassen und bin keinesfalls abgeneigt zu helfen, wenn mein Kind etwas nicht verstanden hat, extra Zeit für etwas braucht etc., aber in der wenigen Restzeit des Tages spiele ich äußerst ungern verkehrte Welt und mime Unterrichtsersatz.
    Das Problem: die Lehrerin bricht fast zusammen und ihr wird von oben gespiegelt, sie sei nicht so ganz belastbar. Mein Eindruck ist aber vielmehr, dass es ein strukturelles Problem der Unterrichtsgestaltung gibt, das auf Lehrer und Eltern abgewälzt wird.

  • Hallo craff,
    das ist soooo richtig, was du schreibst! Es spricht mir aus der Seele!
    Viele Grüße
    venti :)

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