Kommunismusverherrlichung

  • Da muss ich entschieden widersprechen.


    Ich halte deine Haltung für eine Veranschaulichung haargenau dessen, was ich weiter oben gesagt habe: aus irgendeinem Grund gelingt es im Umgang mit der linksradikalen Ideologie oft nicht, den gedanklichen Schritt nachzuvollziehen, den man beim Rechtsradikalismus historisch gelernt hat; dass eine Kausalität zwischen der Ideologie und der menschenverachtenden Ausformung in der Wirklichkeit vorliegt. Die geistige Grundlage der einen Diktatur- und Gewaltbereitschaft kann nicht "sympathischer" als die geistige Grundlage der anderen Dikatatur- und Gewaltbereitschaft sein und es nicht möglich, das eine gegenüber dem anderen als Unfall einer eigentlich guten Sache zu rechtfertigen!


    Ich glaube auch nicht, dass es argumentativ möglich ist, Opferzahlen aus einem eklektisch gewählten Zeitraum gegenüberzustellen. Genauso hätte man in den 70ern argumentativ eine größere Sympathie gegenüber dem Rechtsradikalismus aufgrund der viel höheren Opferzahlen linken Terrors postulieren können - was ja auch realiter geschehn ist und zu Recht hart kritisiert wird.


    Welche dieser Formen des Extremismus nun in einer historischen Periode eher zu Gewalt greift, und ob sich diese Gewalt eher gegen Sachen oder gegen Menschen richtet, hängt von den jeweiligen Umständen und aktuellen strategischen Zielen ab. Das entscheidende ist, dass für beide Ideologien aus prinzipiellen Gründen nicht nur ein oder viele Menschenleben im Zweifelsfall ohne Wert ist; sondern dass der Griff zur Gewalt und zur Unterdrückung auch noch ideologisch als notwendig angelegt ist. Wie nahe sich beide Denkrichtungen kommen können, kann man historisch des öfteren beobachten - bei der hohen Fluktuation zwischen SA- und Rotfront-Brigaden in der Weimarer Republik, die ab und an geschlossen die Seiten wechselten; an dem Verschwimmen zwischen linken und rechten Autonomen, die man mittlerweile nur noch am Vokabular unterscheiden kann.


    Da ist nichts "sympatisch".


    Nele

  • Zitat

    Original von Schubbidu


    Todesopfer durch linksradikale Gewaltakte? Mir sind für die Zeit nach der Wiedervereinigung keine bekannt.


    Insofern sind mir linksradikal denkende Schüler eben auch 1000fach lieber als rechtsradikale.


    Und eben solche Gedanken sind für mehr gefährlich und am Rande der Perversität.


    Wenn man anfängt, Opfer aufzurechnen - ein solchen unheimlichen Wettlauf gab es ja u.a. in der Genoziddebatte -, begibt man sich in eine Richtung, die mir widerstrebt.
    Das erinnert mich an eine Utilitarismusdebatte unter umgekehrten Vorzeichen: In der DDR gab es weniger Todesopfer, weniger schreckliche Verfolgung und Internierung als im Nationalsozialismus, also war die Diktatur ja ein Stück weniger schlimm und die Leute, die damit sympathisier(t)en, ein wenig angenehmer. Ich finde, die Diskussion inwieweit man totalitäre und/oder verbrecherische Ideologien vergleichen darf, eine sehr akademische. Wollen wir eine Art Grausamkeitsindex aufstellen und dann bei SAT1 die Top100 der schlimmsten Diktaturen von Hugo Egon Balder präsentieren lassen?


    Für mich gibt es in diesem Zusammenhang nur eine zulässige Sichtweise: Die der Opfer. Und jedes System und dessen Ideologie, das bzw. die Andersdenkende zu Opfern und Verfolgten macht, ist unmenschlich. Uns obliegt es, alles dagegen zu tun, dass solche Ideologien und Systeme wieder Fuß fassen. Und wir sollten unseren Schülern klar machen, dass es keine besseren und schlechteren Diktaturen gab und geben wird. Am besten durch Berichte aus der Sichtweise der Opfer. Wer dann nicht völlig ideologisch verblendet ist, wird schnell einsehen, dass kein Heilsversprechen das Leiden und den Tod anderer Menschen rechtfertigen kann.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

  • Timm, du hast mich nicht verstanden. Vielleicht habe ich auch zu stark verkürzt. Also nochmal.


    Es geht nicht um ein Aufrechnen von Opferzahlen. Das führt zu nichts, da gebe ich dir völlig Recht.


    Was ich damit zum Ausdruck bringen möchte ist folgendes: Im gesellschaftlichen Alltag empfinde ich rechtsradikale Jugendliche von ihren Werthaltungen her als bedeutend menschenverachtender, aggressiver, beängstigend... als das bei linksradikalen Jugendlichen der Fall ist. Dass es sich hierbei nicht nur um eine subjektive Empfindung handelt, zeigt eben der Verweis auf die Opferstatistik.


    Ich habe auch im vorherigen Beitrag bereits deutlich darauf verwiesen, das dadurch nicht die eine Diktatur besser wird als die andere. Es geht einfach um den konkreten Umgang mit Jugendlichen der ein oder anderen Coleur.


    Ich machs mal noch etwas plastischer:
    Du hast die Möglichkeit uneingelanden auf das Grillfest der lokalen Antifa-Gruppe oder der örtlichen Vereinigung rechter Skinheads zu gehen. Wo gehst du lieber hin? Wo hast du instinktiv mehr Angst?

  • Oh, Neles Beitrag habe ich zunächst übersehen. Deshalb noch ein kurzer Nachtrag


    Zitat

    Original von neleabels
    Die geistige Grundlage der einen Diktatur- und Gewaltbereitschaft kann nicht "sympathischer" als die geistige Grundlage der anderen Dikatatur- und Gewaltbereitschaft sein und es nicht möglich, das eine gegenüber dem anderen als Unfall einer eigentlich guten Sache zu rechtfertigen!


    Ich denke hier liegt genau der Grund für das Missverständnis.
    Mir (und so habe ich auch Bolzbolds Aussage verstanden - auch wenn sie etwas anders formuliert ist) geht es nicht darum, dass die "geistige Grundlage" kommunistischer Diktaturen sympatischer wäre, als die von faschistischen.


    Ich wollte lediglich zum Ausdruck bringen, dass ich unter den gegebenen Bedingungen (und die erschreckenden Dimensionen rechter Gewalt gehören eben dazu) linksradikale Jugendliche als deutlich weniger problematisch empfinde, als das bei rechtsradikalen der Fall ist. Es mag andere historische Phasen in Vergangenheit und Zukunft geben, wo mein Urteil anders ausfallen würde.


    Fragt doch mal Angehörige x-beliebiger gesellschaftlicher Randgruppen (Stadtstreicher, Homosexeuelle, Ausländer...) zu dem Thema, wen sie für "sympatischer" halten.

  • Timm
    Den Grausamkeitsindex hast du bereits zitiert: "Das Schwarzbuch des Kommunismus", das des Kapitalismus hat sich nur noch keiner getraut zu schreiben.
    Im derzeitigen System wird auch viel mit Ideologien gearbeitet und wenns denn grad mal passt sind da Menschenleben auch nicht mehr so viel Wert. Ich denke da mal ganz aktuell an den Krieg gegen den Terrorismus und sogenannte Kollateralschäden. Wer etwas in der Geschichte zurückgeht findet Entsprechendes in den beiden Weltkriegen und diversen Kolonialkriegen in der Zeit danach.


    meike
    Deine Beschreibung stimmt nicht mit dem überein, was ich erlebt habe und ich denke, sie ist auch nicht signifikant für DIE DDR.
    Allerding, das muß ich einschränkend gestehen, kann ich aufgrund meines Lebensalters die 60iger nicht aus eigener Erfahrung beurteilen.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Zitat

    Original von SteffdA
    Timm
    Den Grausamkeitsindex hast du bereits zitiert: "Das Schwarzbuch des Kommunismus", das des Kapitalismus hat sich nur noch keiner getraut zu schreiben.


    http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarzbuch_Kapitalismus


    Ansonsten verstehe ich deine Aussage aber nicht ganz, denn die Fehler des einen relativieren meiner Meinung nach nicht die Fehler des jeweils anderen Systems.

  • Schubidu
    Ups, Ache auf mein Haupt, wußte nicht das es das tatsächlich gibt...


    Zitat

    ...die Fehler des einen relativieren meiner Meinung nach nicht die Fehler des jeweils anderen Systems.


    Eben deshalb plädiere ich ja für eine differenzierte Betrachtung.

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Zitat

    Original von Schubbidu
    Timm, du hast mich nicht verstanden. Vielleicht habe ich auch zu stark verkürzt. Also nochmal.


    Es geht nicht um ein Aufrechnen von Opferzahlen. Das führt zu nichts, da gebe ich dir völlig Recht.


    Was ich damit zum Ausdruck bringen möchte ist folgendes: Im gesellschaftlichen Alltag empfinde ich rechtsradikale Jugendliche von ihren Werthaltungen her als bedeutend menschenverachtender, aggressiver, beängstigend... als das bei linksradikalen Jugendlichen der Fall ist. Dass es sich hierbei nicht nur um eine subjektive Empfindung handelt, zeigt eben der Verweis auf die Opferstatistik.


    Gibt es denn die Möglichkeit, nur "ein wenig" menschenverachtend zu sein?


    Zitat

    Ich habe auch im vorherigen Beitrag bereits deutlich darauf verwiesen, das dadurch nicht die eine Diktatur besser wird als die andere. Es geht einfach um den konkreten Umgang mit Jugendlichen der ein oder anderen Coleur.


    Ich machs mal noch etwas plastischer:
    Du hast die Möglichkeit uneingelanden auf das Grillfest der lokalen Antifa-Gruppe oder der örtlichen Vereinigung rechter Skinheads zu gehen. Wo gehst du lieber hin? Wo hast du instinktiv mehr Angst?


    Zitat


    „Wie dieser Kampf zu führen ist, welche Mittel notwendig und legitim sind, lassen wir uns weder von diesem Staat, noch von Medien, Pfaffen oder Politikern vorschreiben. (...) Militanz ist dabei ein Mittel unter vielen. Gerade im Kampf gegen die Faschisten lehren uns viele Beispiele, sowohl aus den Erfah- rungen der NS-Zeit als auch aus der aktuellen Situation in vielen Teilen Deutschlands, dass auch ent- schlossener und militanter Widerstand notwendig ist. (...) Dass gerade die zur Gewaltfreiheit aufrufen, die dafür verantwortlich sind, dass den Aufmärschen der Faschisten von Großaufgeboten der Polizei der Weg freigeprügelt wird und dass AntifaschistInnen kriminalisiert werden, kann von uns nicht ernstge- nommen werden. Wir lassen uns auch nicht von den brutalen Polizeieinsätzen bei Naziaufmärschen, von Festnahmen und Gerichtsverfahren einschüchtern.“


    („...über Totalitarismus, Repression und Militanz“. Text der „AG Antifa der Revolutionären Aktion Stuttgart“, des „Antifaschistischen Bündnisses Rems-Murr“ und der „Antifa- schistischen Gruppe Z.O.R.A.“ Karlsruhe, in: Broschüre „Nie wieder Volksgemeinschaft! Keine Zentren für Nazis!“, hrsg. vom „Bündnis für ein Buntes Hall“ und dem „Antifaschistischen Aktionsbündnis Baden-Württemberg (aabw)“, zitiert nach Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2005)
    Was ist denn daran bitte sympathisch? Oder ist es in Ordnung, Gewalt gegen staatliche Organe gut zu heißen und Polizisten um Leib und Leben fürchten zu lassen, weil man für die "gerechte" Sache kämpft?


    SteffdA

    Zitat


    Deine Beschreibung stimmt nicht mit dem überein, was ich erlebt habe und ich denke, sie ist auch nicht signifikant für DIE DDR.
    Allerding, das muß ich einschränkend gestehen, kann ich aufgrund meines Lebensalters die 60iger nicht aus eigener Erfahrung beurteilen.


    Ja, die DDR hatte auch ihre guten Seiten. Die Kinderkrippen, der Zusammenhalt... Und im 3. Reich gab es einen Wirtschaftsaufschwung und Arbeit für alle.


    Dumm nur, dass das alles systemische Komponenten waren, die nicht zum Wohl der Menschen sondern zum Herrschaftsauf und -ausbau geschahen.


    - Die Kinderkrippen wurden nicht von liebenswerten Altruisten eingeführt, sondern von der Einsicht, nur so den Fachkräftemangel zu beheben. Es gab zu keiner Zeit eine Diskussion, welchen Lebensentwurf Familien und Frauen vorziehen. Das ist keine Wohltat, sondern ein Herrschaftsinstrument.
    - Der Zusammenhalt wurde aus der systemischen Not geboren. Letztlich ist es der Egoismus und das quid pro quo eines Mangelsystems und nicht der neue, bessere sozialistische Mensch.


    Die entsprechenden Erläuterungen zur NS-Zeit spare ich mir.


    Nein, es gab in diesen Zeiten nichts Gutes. Selbst der Zusammenhalt und den Mut oppositioneller Gruppen sind systemisch und mit hohen Opferzahlen erkauft.


    Ich betone aber nochmals, dass das nicht heißt, dass ich die Lebensentwürfe der Eingerichteten verurteile. Aber es gibt Gott sei Dank auch genügend Menschen aus den beiden deutschen Diktaturen, die nur einen guten Tag dieser Systeme kennen, nämlich den, an dem sie zu Ende waren.


    Ich denke, das ist unsere Aufgabe als Pädagoge: Den jungen Menschen zu zeigen, dass Diktaturen kein Baukastensystem sind, aus dem man "Gutes" herauslösen kann. Wenn man diesen Gedanken verinnerlicht hat, hat man m.E. schon viel gelernt und wird allen heilsbringenden Ideologien skeptisch gegenüberstehen.


    edit und nochmal Schubbidu:


    Kann es sein, dass der Kommunismus deswegen "sympathischer" wirkt, weil seine Grundanalyse einleuchtend wirkt? Besonders den Historikern sind die unhaltbaren Zustände der Industrialisierung, die Marx zum Thema macht, bekannt, nämlich Menschen, die unter elendigsten Bedingungen ausgebeutet werden. Der NS-Ideologie beruht dem hingegen auf der schon per se menschenverachtenden Rassetheorie. Das ist aber in meinen Augen ein akademischen Problem. Er stirbt und leidet sich nicht besser, weil die Grundannahme eines Systems nachvollziehbarer oder menschenfreundlicher wirkt als die eines anderen. Und auch die Anhänger können sich mit diesem Argument nicht frei kaufen. Spätestens nach der französischen Revolution wusste man im abendländischen Bereich, dass aus Terror keine Gerechtigkeit erwächst.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    Einmal editiert, zuletzt von Timm ()

  • Zitat

    Kann es sein, dass der Kommunismus deswegen "sympathischer" wirkt, weil seine Grundanalyse einleuchtend wirkt? Besonders den Historikern sind die unhaltbaren Zustände der Industrialisierung, die Marx zum Thema macht, bekannt, nämlich Menschen, die unter elendigsten Bedingungen ausgebeutet werden.


    Ich denke, genau das ist der Punkt. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass es sich bei besagten Schülern um eingefleischte KPD-Ideologen handelt, zumal sie auch nicht gerade sattelfest in kommunistischer Terminologie sind und viele Begriffe oft ungenau verwenden. Korrekturen führen auch hier zu pauschaler Abwehr nach dem Motto "Lehrer = reaktionärer Kapitalist". Der Hinweis auf massive kommunistische Diktaturen führt dabei aber immer nur genau zu der bereits hier thematisierten Trennung von Ideologie und Realisierung nach dem Motto: "Die haben gar keinen Kommunismus realisiert - wenn der Kommunismus realisiert würde, hätten wir herrliche Zustände!".

  • Zitat

    Original von Timm
    Gibt es denn die Möglichkeit, nur "ein wenig" menschenverachtend zu sein?


    Ja. Es gibt auch bei dieser Charaktereigenschaft - wie bei allen anderen auch - eine beliebig große Bandbreite an Ausprägungsformen.



    Zitat


    „Wie dieser Kampf zu führen ist, welche Mittel notwendig und legitim sind, lassen wir uns weder von diesem Staat, noch von Medien, Pfaffen oder Politikern vorschreiben. (...) "


    Was ist denn daran bitte sympathisch? Oder ist es in Ordnung, Gewalt gegen staatliche Organe gut zu heißen und Polizisten um Leib und Leben fürchten zu lassen, weil man für die "gerechte" Sache kämpft?


    Sorry, aber du bleibst mit mit dem Zitat immer noch zu sehr auf der theoretischen Ebene. Mir geht es um den praktischen Umgang mit diesen Jugendlichen im Alltag.
    Schlussendlich beantwortest du meine Frage nicht. Ich unterstelle einfach als Antwort mal, dass auch du eher auf das Grillfest der Linken gehen würdest, wenn du eine Wahl treffen müssest. Einfach weil einem da der gesunde Menschenverstand ein deutlich reduziertes Gefahrenpotential aufzeigt.
    Noch eindeutiger würde deine Antwort ausfallen müssen, wenn du Angehöriger einer der von mir weiter oben angeführten Randgruppen wärest.



    Zitat


    edit und nochmal Schubbidu:


    Kann es sein, dass der Kommunismus deswegen "sympathischer" wirkt, weil seine Grundanalyse einleuchtend wirkt? Besonders den Historikern sind die unhaltbaren Zustände der Industrialisierung, die Marx zum Thema macht, bekannt, nämlich Menschen, die unter elendigsten Bedingungen ausgebeutet werden. Der NS-Ideologie beruht dem hingegen auf der schon per se menschenverachtenden Rassetheorie.


    Da würde ich dir völlig Recht geben. Ich halte das aber gerade nicht nur für ein akademisches Problem. Aufgrund der menschenverachtenden Grundstruktur ist der Rechstextremismus per se IMMER, in all seinen Ausprägungen, extrem menschenverachtend. Hier ist eben grundsätzlich immer ein massives Bedrohungspotential gegeben.
    Selbst wenn ich die Ideologie und ihre historischen Ausformungen nicht bis ins Detail verinnerlicht habe, muss ich als Anhänger eben von Grund auf diese menschenverachtenden Prämissen teilen.


    Wenn nun aber Linke und Linksextreme die - wie du selbst sagst - "einleuchtende" Marxistische Grundanalyse teilen, heißt dass noch lange nicht, dass sie dem Prinzip der stalinistischen Gewaltherrschaft anhängen müssen. Da ist das linke Spektrum einfach um ein vielfaches heterogener. Da ich den meisten Jugendlichen, wie sie Eugenia ja auch beschreibt, eben nicht unterstelle, dass sie sich tiefer mit den historischen Gegebenheiten auseinander gesetzt haben und im wesentlichen nur die Grundanalyse teilen, sind sie mir eben deutlich sympatischer als Jugendliche, die dem Rechtsextremismus zuneigen. Ich verstehe nicht, warum das nicht nachvollziebar ist.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Original von SteffdA
    meike
    Deine Beschreibung stimmt nicht mit dem überein, was ich erlebt habe und ich denke, sie ist auch nicht signifikant für DIE DDR.
    Allerding, das muß ich einschränkend gestehen, kann ich aufgrund meines Lebensalters die 60iger nicht aus eigener Erfahrung beurteilen.

    Welche Erfahrungen hast du denn gemacht? Und wenn die signifikant anders waren, wie hast du / hat deine Familie das hinbekommen?


    Ich spreche hier von einen Verwandten- Freundes- und Bekanntenkreis von etwa 100 Menschen, deren Erfahrungen und die iherer Bekannten / Familien / Freunde immer und immer wieder Gesprächsthema waren (wozu wir uns extra zwei Mal im Jahr in der Tschechei trafen auf einem unverwanzten Campingplatz - was mein Vater nachher in seiner 3 Rollwägelchen umfassenden Stasiakte en detail protokolliert wiederfand. Einer der Bekannten (oder zwei oder mehr?) war wohl doch nicht vertrauenswürdig gewesen - Pech!).
    Ich halte das (nebst meinen vielen, vielen teils recht langen Besuchen bei Oma, Tante, Brieffreund dortselbst zwischen meinen 10. und meinem 18. Lebensjahr...) für signifikant.

  • Timm

    Zitat

    Dumm nur, dass das alles systemische Komponenten waren...


    Welche staatliche Veranstaltung wäre denn heute keine systemische Komponente???


    meike
    Ich habe bis zu meinem 21.Lebensjahr in der DDR gelebt, ganz klassisch eben... Schule, Ausbildung, Abitur und Studium gemacht. Das Studium mußte aufgrund der Wende abgebochen werden (Abwicklung des Studiengangs), konnte aber in einer verwandten Fachrichtung fortgesetzt und abgeschlossen werden.
    Ich konnte weder anderen Menschen schaden, noch habe ich viel Lebens(arbeits)zeit in dieses System investiert. Ich schätze das so ein, das ich von diesem System eher profitiert habe.
    Ich bin überwiegend gerne zur Schule gegangen, habe auch überwiegend faire und gute Lehrer erlebt, konnte eine gute Ausbildung geniessen. Natürlich gab es Aufs und Abs im Leben und mich hat die Schule auch manchmal angenervt, ich hatte auch manchmal einfach keine Lust. Aber ich kenne aus eigener Erfahrung keine Schulangst, keinen Schulstreß der mich gnötigt hätte irgendwelche Pillen zu schlucken, der Unterricht war so gestaltet, das genügend Freizeit blieb, trotz Hausaufgaben, das man verstehen konnte und nicht nur auswendig lernen mußte. Es gab Arbeitsgemeinschaften, Klubs, Kino- und Konzertbesuche genauso, wie es später das gemeinsame Bier mit Freunden gab.
    Es gab Ferienspiele, Baden an Baggerseen, Grillfeste und dergleichen mehr... alles in allem kann ich sagen, das ich eine glückliche Kindheit und Jugend erleben durfte.
    Ähnliches kann ich von Berufsausbildung, Abitur und Studium berichten.
    Aber man mußte auch schauen, wo man was sagt, das muß ich heute zumindest teilweise aber auch. Da schlägt dann im Zweifel nicht der politische, wohl aber der ökonomische Zwang zu.
    Und nein, ich will die DDR nicht wieder haben! Dafür habe ich die individuelle Freiheit heute zu sehr schätzen gelernt. Aber ich lebe heute noch sehr gut von dem, was ich dort gelernt habe.

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    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

    Einmal editiert, zuletzt von SteffdA ()

    • Offizieller Beitrag

    Nun, das empfindet dann wohl jeder anders und sicher wird auch in jeder Familie anders damit umgegangen. In den Familien, die ich kannte/kenne, sind die Leute reihenweise am Mund halten (oder es nicht können) kaputt gegangen oder kaputt gemurkst worden. Klar haben die auch mal gegrillt und gelacht und waren verliebt und haben getanzt - haben die Leute im dritten Reich auch. Aber ansonsten war es so, wie ich es zuerst bechrieben habe: internalisierte Angst, reflexhaft angepasstes Verhalten, eingeübtes Misstrauen. Und sehr viel staatlich verordnetes Leid.

  • ähem ... back to the roots - das läufthier nun auf einen extra Thread "DDR-Kritik" raus:


    Zitat

    Original von Eugenia
    ...ich erlebe es in einer Klasse der Oberstufe derzeit, dass von mehreren Schülern (wohlgemerkt nicht aus der ehemaligen DDR) das Thema Kommunismus stark idealisiert verbrämt gesehen wird. Bei Diskussionen werden unreflektiert Parolen gedroschen, Schlagwörter verwendet und Versuche zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Thema abgeblockt. Die Schüler haben im Unterricht kommunistische Diktaturen kennengelernt, Zeitzeugen aus der ehemaligen DDR erlebt - dennoch dieses Verhalten. In Klausuren tauchen sogar stark kommunistisch geprägte Termini in Schülerarbeiten auf, wenn die Aufgaben auch nur im Entferntesten politische Anklänge haben. Ich bin derzeit recht ratlos, da jeder Versuch, die Diskussion zu versachlichen, in überheblich-frechen Bemerkungen der Schüler und letztlich in Provokation endet. Über einen Rat würde ich mich sehr freuen.


    Den Schülern ist es - in ihrer Hoffnung auf eine idealere Welt - ziemlich Wurst, was in Diktaturen passiert ist, die sich das Etikett "kommunistisch" angeheftet hatten. Sie schauen nach vorn und picken sich aus der Ideologie des Kommunismus die Rosinen heraus:
    - Gerechtere Verteilung des Reichtums
    - Brüderlichkeit
    - Arbeit, Nahrung und Brot für alle
    - Gemeinnutz statt Eigennutz
    ... also das, was bereits im Urchristentum "kommunistisch" war.
    Was Marx über die zunehmende Konzentration und Macht der Konzerne und Oligopole vorausgesagt hatte, ist zudem durchaus wahr geworden - wodurch suich mancher wieder auf ihn beruft. Und wie die marodierenden Geldmittel sich eine Parallelwelt geschaffen haben, wurde beim Bankencrash überdeutlich. Gründe genug, sich Gedanken zu machen.


    Über die Verwirklichung der idealen Gegenentwürfe zu diesen Zuständen machen sich die Schüler jedoch kaum Gedanken. Zunächst geht es um Kritik - nicht um den Fahrplan. Das ist ein Vorrecht der Jugend. Als philosophische Gedankenwelt hat der Kommunismus ja durchaus Charme und bietet schlüssige Erklärungsmuster - auch wenn die Ausführungsbestimmungen und -versuche bislang kläglich gescheitert sind und meist sogar ins Gegenteil des eigentlichen "Ideals" pervertiert wurden.


    Aber die Hoffnung, dass es in der Welt gerechter zugehen könnte, stirbt zuletzt. Dass diese Kids auf eine bessere Welt hoffen, kann man ja positiv sehen. CouchPotatoes gibt es genug.


    Daher bleibe ich dabei:
    Tief hängen.

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    • Offizieller Beitrag

    Ich stimme dir insofern zu, alias, als der Machbarkeitsgedanke ein eher erwachsener ist und der Träumbarkeitsgedanke ein sehr jugendlicher und vermutlich auch wichtiger: wir wollen ja irgendwie auch keine 18jährigen Vollpragmatiker. Und dann aber wieder doch: spätestens wenn es nämlich ans mündige Wählen geht, dann hätt ich doch gerne, dass meine Lieben die Umsetzbarkeit des Versprochenen genau im Auge haben, sowie die Integrität (hüstel, na wenigstens deren Ansätze) der Verantwortlichen.


    Und im Gespräch mit den Schülern würde ich das auch trennen - die Verteufelung eines Gedankenkonkstruktes des Herrn Marx (et al), das aus bestimmten historischen Verhältnissen erwachsen ist, halte ich für wenig konstruktiv - aber die Beschreibung des konkreten Scheiterns in der Praxis, bzw das regelmäßige Umschlagen in Terror und Diktatur, muss auch erlaubt sein: denn wenn ich nur nach dem Versprochenen wählen würde, dann wählte ich vermutlich den Weihnachtsmann oder die gute Fee, oder so jemanden.

    WE are the music-makers, and we are the dreamers of dreams,
    World-losers and world-forsakers on whom the pale moon gleams
    yet we are the movers and shakers of the world for ever, it seems.

    2 Mal editiert, zuletzt von Meike. ()

  • Das Problem ist nur: ein echtes Gespräch mit den betroffenen Schülern kommt nicht zustande, da jeder Aspekt, der auch nur eine geringe Relativierung ihrer Aussagen bedeutet, sofort abgeblockt wird! Es bringt auch nichts, wiederholt auf die Diskrepanz zwischen Idealen und Realität in kommunistischen Staaten zu verweisen, da auch hier diese Schüler einfach abschalten! Natürlich ist Kritikfähigkeit ein wichtiges Erziehungsziel und vielleicht auch "ein Vorrecht der Jugend" - das ist mir aber zu einfach. Kritikfähigkeit muss auch Bereitschaft zur Selbstreflexion bedeuten und genau da sehe ich mich im Moment sehr ratlos. Die Hoffnung auf eine bessere Welt ist sehr wichtig, aber man realisiert davon sicher nichts, indem man sachliche Kritik an eigenen Aussagen pauschal niederbügelt.
    Beispiel: ein Schüler bringt wieder einmal einen Begriff aus der kommunistischen Terminologie, wendet ihn aber historisch inkorrekt an, ich korrigiere dies. Der Schüler erklärt die Korrektur pauschal für reaktionär. Ich erkläre, dass es keine ideologische, sondern eine terminologische Korrektur war. Reaktion: hämisches Gelächter, Abschalten für den Rest der Stunde. Ich verteufle kein Gedankengut, ich suche konstruktive Auseinandersetzungen, stoße aber ausschließlich auf Granit. Inzwischen habe ich den Eindruck, es geht dabei gar nicht um irgendwelche politischen Ansichten, sondern einfach darum, die eigene Position auf Biegen und Brechen zu verteidigen und Autoritäten prinzipiell abzulehnen. Andere Lehrer berichten übrigens Ähnliches. Wie geht man damit um?

  • Leg doch vielleicht mal die Karten auf den Tisch, nach dem Motto: "Ich merke, einige interessieren sich sehr für kommunistischen Ideen. Spannendes Thema. Gerade deshalb finde ich es schade, dass man mit euch da nicht wirklich konstruktiv diskutieren kann." Bring dann das Beispiel von vorhin, um zu veranschaulichen, was du meinst. Dann würde ich ganz offen Fragen, ob es ihnen also nur um Provokation geht - dann könne man das ja getrost ignorieren - oder um echten Meinungsaustausch zum Thema.

  • Welche Begriffe aus der kommunistischen Terminologie werden denn gebraucht?

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

  • Zitat

    Original von SteffdA
    Timm


    Welche staatliche Veranstaltung wäre denn heute keine systemische Komponente???


    Definitiv alle, die die Legislative trifft. Das Systemische an der Demokratie ist, dass in einem Willensbildungsprozess Mehrheiten organisiert werden müssen und die getroffene Entscheidung ist dann die der Mehrheit und nicht die des Staates. Man kann bestimmt zum Thema Willensbildungsprozess und Partizipation einiges kritisieren und Verbesserungen fördern.Das Systemische am Kommunismus und den faschistischen Ideologien ist, dass eine Gruppe von Menschen nicht nur behauptet, für die Mehrheit zu sprechen, sondern auch den vermeintlichen Mehrheitswillen rücksichtlos durchsetzt. Wehe, man gehört nicht zur staatlichen Meinung oder stellt sich ihr gar in den Weg. Und da kann ich beim Kommunismus einfach nicht mit der Analyse aufhören.Dazu gehört auch, dass es kein kommunistisches System gab oder gibt, dass ohne Gewalt gegen seine Bürger auskommt und auskam. Irgendwie scheint doch zu vielen Menschen dieses Paradies nicht zu passen.


    Und du hast zu keiner Zeit bemerkt, dass Menschen um dich herum in ständiger Angst waren, Nicht- Staatstragendes zu sagen. Dass Leute mit Westkontakt gemobbt wurden, wenn die Eltern doch einmal ausreisen durften, die Kinder in Geiselhaft zurückbehalten wurden und ihnen Schlimmstes vorhergesagt wurde (eure Eltern kommen nie wieder, ihr landet im Waisenhaus). Dir ist nicht aufgefallen, dass die Uniformen und Fackelmärsche denen der Bilder aus der Nazizeit fatal glichen? Dir ist nicht aufgefallen, dass der Staat weder die meisten seiner Bürger vernünftig versorgen noch zur Arbeit motivieren konnte?


    Der Mensch kann solche Situationen durch Verdrängung überstehen. Aber irgendwann muss man diese Situation anschließend einmal aufarbeiten. Meine Mutter hat es mit dem NS-Staat getan, meine Freunde aus dem Osten mit der DDR. Wann bist du so weit, dass man nicht stolz sein kann, von einem verbrecherischen Staat zu profitieren?


    Eugenia: Ein interessanter Weg könnte sein, Zeitzeugen einzuladen. Möglichst Renegaten, die an das Systems glaubten und ihm heute ablehnend gegenüberstehen. Die können die Jugendlichen z.T. da abholen, wo sie stehen und ihnen dann aber auch die Konsequenzen am eigenen Beispiel schildern.


    alias: Natürlich DDR-Kritik. Wer diskutiert über den Nationalsozialismus und redet dabei nicht über das Dritte Reich? Wir haben nun einmal diese rote Diktatur auf unserem Boden gehabt.

    Erziehung ist die organisierte Verteidigung der Erwachsenen gegen die Jugend.

    2 Mal editiert, zuletzt von Timm ()

  • Timm

    Zitat

    Und du hast zu keiner Zeit bemerkt, dass Menschen um dich herum in ständiger Angst waren, Nicht- Staatstragendes zu sagen. Dass Leute mit Westkontakt gemobbt wurden, wenn die Eltern doch einmal ausreisen durften, die Kinder in Geiselhaft zurückbehalten wurden und ihnen Schlimmstes vorhergesagt wurde (eure Eltern kommen nie wieder, ihr landet im Waisenhaus).


    Nein, in meinem unmittelbaren Umfeld nicht, allenfalls vereinzelte Gerüchte, und ansonsten hat die Propaganda im Staat sehr gut funktioniert.


    Zitat

    Dir ist nicht aufgefallen, dass die Uniformen und Fackelmärsche denen der Bilder aus der Nazizeit fatal glichen?


    Auch wir konnten damals durchaus zwischen Form und Inhalt unterscheiden einerseits, zum anderen dies Märsche die du ansprichst waren idR. die der FDJ und wüßte ich nicht, das dort mit Nazi- bzw. Nazi-ähnlichen Uniformen marschiert worden wäre.


    Zitat

    Dir ist nicht aufgefallen, dass der Staat weder die meisten seiner Bürger vernünftig versorgen noch zur Arbeit motivieren konnte?


    Kannst du dafür Belege/Statistiken anführen?
    Ich weiß nicht, ob du die Innenansicht ost- und westdeutscher Firmen aus erster Hand kennst, ich schon und da war es zumindest inden 90ern nicht so viel anders, was die Arbeitsmotivation anging (das mag inzwische auch aufgrund äußerer Umstände etwas anders sein). Die verfügbaren Ressourcen waren im Westen aber viel besser und damit war auch eine bessere Qualität der Arbeit möglich.
    Noch ein Wort zur Versorgung der Bürger. Die war sicherlich nicht komfortabel und es gab oft genug Engpässe, aber ich wüßte nicht, das es öffentlicher Suppenküchen u.ä. bedurft hätte um einen Teil (wenn auch einen kleinen) der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln zu versorgen.


    Und Timm, ich habe mit meiner Vergangenheit abgerechnet. Ich laß mit halt nur nicht erzählen wie mein Leben bis vor 20 Jahren war bzw. wie ich hätte leben sollen.
    Das mach ich mit dir auch nicht und ich denke, du würdst dir das auch nkicht gefallen lassen... insofern, erst die eigenen Vorurteile hinterfragen, dann kundig machen und dann diskutieren :)

    Planung ersetzt Zufall durch Irrtum. :P

    8) Politische Korrektheit ist das scheindemokratische Deckmäntelchen um Selbstzensur und vorauseilenden Gehorsam. :whistling:

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