• Bitte mal um eure spontane Meinung :)


    Ich hab eine echt anstrengend dritte Klasse die man aber mit viel Struktur und Geradlinigkeit gepaart mit positiver Verstärkung sicher hinbekommt *optimistischbin* :)


    Ein Schüler ist aber echt sehr "verhaltenskreativ"
    Redet permanent dazwischen, sagt dauernd Ergebnisse rein, steht auf und läuft .... Irgendwo hin. Auch gerne mal zum Pult wo er sich einfach Dinge wieder holt, die ich ihm im Laufe der Stunde abgenommen habe. Nagelschere , Schraube.... Lutscher, den er einfach auspackt genau wie sein Essen.
    Er hat eine sehr niedrige Frustrationstoleranzgrenze, flippt gerne mal aus und betitelt Mitschüler grundlos mit Schimpfworten. Stillarbeit: er findet das Gesicht seines Nachbarn lustig und bekommt einen Pruste- und Lachanfall und kann sich kaum beruhigen. Er muss immer in Bewegung, körperlich wie verbal.
    Er ist nicht unterfordert. Das ist sicher. Klingt das nach unerzogen oder ADHS ? Ich hatte schon einige , aber das ADHS äußert sich ja oft verschieden und ...... Ich hab nächste Woche ein Gespräch mit der Mama ....



    Was meint ihr ?

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

  • Kann sein, kann auch nicht sein.
    Klar hört sich da alles nach ADHS an... aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass Eltern es eher weniger schätzen, wenn man als Lehrerin Diagnosen stellt.
    Ich würde mich aber echt niemals aus dem Fenster lehnen und Verdachtsdiagnosen äußern.
    Wohl aber sagen, dass du an deinen Grenzen bist, und den Knaben nicht optimal fördern kannst, wenn es so weitergeht. Dringende Externe Diagnostik sei angebracht, damit vielleicht gezielt therapiert und gefördert werden kann.
    Ich würde eventuell noch Adressen parat haben, wo die Eltern sich hinwenden können... man habe da gute Erfahrungen auch mit anderen Schülern gemacht... und wenn es da nicht richtig sein, können die sicher eine Stelle nennen, die dem Knaben helfen kann.

    Das Leben ist unberechenbar. Iss das Dessert zuerst!

  • Zitat

    ...unerzogen oder ADHS...


    Die Grenze ist fließend und oft unklar. ADHS ist eine anerkannte, hirnorganische Störung im Dopamin-Haushalt. Das kann nur die Spezialklinik (meist Uniklinik) definitiv feststellen. Das ist nichts für eine Feld-Wald-und Wiesen-Diagnose vom Lehrer oder Hausarzt.


    Zur Abgrenzung und Information:


    http://www.autenrieths.de/links/linksju.htm


    edit:typo

    Vorurteilsfrei zu sein bedeutet nicht "urteilsfrei" zu sein.
    Heinrich Böll

    3 Mal editiert, zuletzt von alias ()

  • Deine Beschreibung erinnert mich sehr an einen Jungen, den ich unterrichte. Er wurde auch bereits auf ADHS getestet, es schien aber noch mehr zu sein. In einer Kinderklinik wurde dann festgestellt, dass der Jungen zudem am Tourette-Syndrom leidet. Das erklärt seine ständige Unruhe, das Reinrufen (auch von Schimpfwörtern) und dass er seine Mitschüler ständig beleidigt. Ihm ist selbst bewusst, dass sein Verhalten nicht richtig ist.
    Erst heute hat er wieder einem anderen Kind weh getan. Man merkte ihm an, dass es ihm danach unendlich leid tat und er sich eigentlichnicht so verhalten will.

  • Hm, also ich habe letztens einer Mutter durchaus angeraten mit dem Kinderarzt zu sprechen und das Kind auf ADHS testen zu lassen (um eine entsprechende Überweisung zu bitten). Ich habe ausdrücklich dazu gesagt, dass ich kein Arzt bin, ich keine Diagnose stellen kann und dass es gut sein kann, dass es etwas völlig anderes ist, aber dass es wichtig ist, das herauszufinden... ich habe nämlich einfach den Eindruck, dass die Eltern -zumindest in meinem Einzugsgebiet- oft völlig im Dunkeln tappen. Die erleben ihr Kind ja auch nicht selbst im Unterricht und unterschätzen das Ausmaß häufig. Wenn die dann zu Arzt gehen und einfach nur mitteilen, dass das Kind ein bisschen unruhig ist verläuft das einfach im Sande. Ich habe den Eindruck, die Eltern sind durchaus ganz dankbar, wenn man ihnen möglichst präzise sagt, wonach sie fragen sollen. Diese Mutter kannte den Begriff beispielsweise gar nicht...ich denke es ist immer eine Frage wie man es formuliert. Ich habe nicht gesagt: "Ihr Kind hat ADHS" und auch nicht "Ich glaube es hat ADHS" sondern nur: "eine Möglichkeit, die mir einfällt wäre ADHS, aber das muss ein Fachman prüfen..."

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Also ich würde niemals eine Diagnose stellen. Das mal vorneweg. Ich rate immer zu einem Fachmann und äußere nur leichte "Vermutungen".


    Ich wollte einfach mal eure spontane Meinung hören.


    Tourette glaub ich nicht....... er ruft ständig rein, aber ich denke, dass er ein großes Aufmerksamkeitsproblem hat und es nicht erträgt, wenn er nicht aufgerufen wird. Er wird dann auch wütend.
    Er hat null Eigenkontrolle und kann sich selbst null steuern. Er ist vollkommen lustgesteuert - wie ein unausgereifter Schulanfänger. Holt einfach mal sein Essen raus, einen Lutscher, auch mal gerne eine spitze Nagelschere (keine Ahnung warum er die mitgebracht hat) oder eine Schraube.....
    ist oft auf Konfrontation aus, ärgert während des Unterrichts andere Schüler quer durchs Klassenzimmer. Und dann auch noch Schüler, die selbst AUCH problembehaftet sind und ich eigentlich froh bin, sie durch positive Verstärkung ganz gut gepackt zu haben. Sie wollen Punkte sammeln und strengen sich an manchen Tagen echt an.


    Dieser Schüler aber versucht es fünf Minuten und fragt dann ständig, ob er einen Punkt bekommt.
    Dann erklär ich ihm, dass er es schon noch ne Weile schaffen muss und das ich weiß, dass er das kann (*lob, lob *)....schwupp, ist die Motivation dahin.


    Ihr merkt, ein Endlosthema, das mich zum Wahnsinn treibt. Die Klasse ist eh schwierig, aber dieser Schüler schmeißt oft den kompletten Unterricht.


    ...............

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

  • Oh, bevor ich es vergesse: Von anderen Lehrern weiß ich, dass die Eltern komplett beratungsresistent sind, weil ihr Kind das Beste der Welt und ein zukünftiger Gymnasiast ist.
    Beide Akademiker.


    Ich bin geneigt, knallhart da rein zu gehen und einfach nur Fakten auf den Tisch zu legen. Normalerweise bin ich die "Zuckerbrot und Peitschen-Frau", und ich habe schon richtig schwierige Eltern mit ins Boot bekommen.
    Aber hier bin ich "nur" Fachlehrer (ok - von nem Hauptfach!) und weiß nicht, ob ich den Zucker einfach mal weglassen soll!!!!!


    :(

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

  • Wenn das so ist, sollte es vor allem darum gehen, den Eltern so klar wie irgend möglich zu machen, was genau da im Unterricht abläuft und dann auch nichts schönzureden... und gerade dann finde ich es auch richtig, so eine Vermutung zu äußern und darauf zu drängen, dass die Eltern sich um eine Klärung bemühen. Ansonsten klingt deine Beschreibung zwar schon eher so, als wären es nicht einfach nur Erziehungsprobleme, aber das kann man so einfach nicht beurteilen. Ich hatte auch schon so einen ähnlichen Schüler und ich hättewirklich auf ADHS gewettet. Es stellte sich dann aber heraus, dass er darauf bereits getestet wurde: negativ. Je mehr ich die Familie dann aber kennenlernen "durfte" umso mehr sah es nach massiven Erziehungsschwierigkeiten aus, gepaart mit Wahrnehmungsstörungen (immerhin lief eine Ergotherapie).

    "Die Wahrheit ist ein Zitronenbaiser!" Freitag O'Leary

  • Das hört sich wirklich sehr nach ADHS an, aber wie meine Vorredner schon betonten, keine eigenen Diagnosen stellen! Trotzdem habe ich vielleicht einen Tipp für dich: Ich habe selbst eine Schülerin mit ADHS, sie ist genauso auffallend wie du beschrieben und beschimpft nicht nur die Mitschüler, sondern auch mich. In der ersten Zeit hat mich das rasend gemacht und ich konnte nicht gut damit umgehen. Zu hause hat das liebe Kind Dinge verdreht dargestellt, sodass mich mehrmals der Vater anrief und mich auch beschimpfte.In einem Elterngespräch mit Schulleitung haben wir dann die Fakten knallhart auf den Tisch gebracht, da waren die Eletern erst einmal still. Wir haben verschiedene Stellen zur Hilfe von außen gegeben und eine Vereinbarung getroffen: Nach jeder Stunde kommt das Kind zum Lehrer und holt sich ein Smily für das Verhalten in der Stunde ab. Das hat meine Schülerin sehr angespornt und das Verhalten wurde wesentlich besser. Kleine Ausraster gibt es hin und wieder immer noch, aber nicht mehr so extrem und ich selbst kann inzwischen besser damit umgehen!

  • Danke für den Tipp!
    Ich hab ja schon gesagt, dass ich auch keine Diagnosen stellen würde. Allerdings muss man Eltern wohl manchmal unverblümt die Wahrheit sagen. In dem Fall wird mir mein Protokoll helfen, ich schreib nämlich echt alles auf und führe Beobachtungsbögen.



    Panama

    "Du musst nur die Laufrichtung ändern..." sagte die Katze zur Maus, und fraß sie.

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