Sprachassistenz

  • Hallo an alle,


    ich bin zwar noch im zweiten Studienabschnitt, habe mich aber letztes Jahr für eine Stelle als Fremdsprachenassistent in Italien beworben. Die Stelle habe ich bekommen, d.h. ich werde ein Schuljahr Deutsch in einer Sekundarschule unterrichten (den genauen Schultyp erfahre ich erst) mit einer Lehrverpflichtung von 12-15 Stunden. Das Fachliche stelle ich mir nicht so schlimm vor, ich habe immerhin schon einige Kurse aus DAF besucht und auch bereits ein wenig Praxis gesammelt. Außerdem gebe ich einer Italienerin mindestens einmal in der Woche Nachhilfe in Deutsch. Meine Italienischkenntnisse dürften sich auf C1 bis C1+ bewegen.


    Ich mache mir aber Sorgen um die Kommunikation mit den Schülern und die Gruppendynamik. Wir hatten selbst drei Sprachassistenten im Gymnasium, allerdings nur für einen kurzen Zeitraum und maximal eine Stunde pro Woche. Diese konnten überhaupt nicht Fuß fassen. Wir fanden sie "seltsam", akzeptierten diese nicht und fühlten uns zum Sprechen genötigt. Einer der Assistenten hat sich vorgestellt und verlangte dann, dass wir ihn Fragen zu seiner Heimatstadt stellen sollen, was rückblickend sehr lehrerzentriert war und kein wirkliches Interesse an den Schülern zeigte. Aufgrund meiner Sprachkenntnisse habe ich zumindest schon einen kleinen Startvorteil. Ich bin mir auch sicher, dass die Akzeptanz der Schüler zu einem Großteil von der eigenen Persönlichkeit abhängt, aber letztlich auch vom Betreuungslehrer und wie er den Sprachassistenten einbindet bzw. welche Freiheiten er ihm gibt.


    Trotzdem weiß ich nicht genau, was mich erwartet, auch wenn ich hier und da schon einen Erfahrungsbericht gelesen habe. Insofern würde ich mich sehr über weitere Erfahrungen aus der Praxis sowohl von ehemaligen Sprachassistenten als auch von Betreuungslehrern von Sprachassistenten freuen. Für Ratschläge wäre ich natürlich auch sehr dankbar.


    Liebe Grüße,
    Josh

  • Hej Josh,´


    zunächst einmal: Freu dich, dass du eine so wertvolle Erfahrung wirst machen könenn! Das wird bestimmt eine tolle Zeit, die dir viel Sprachsicherheit und schöne begegnungen bescheren wird.


    Ich selbst war vor über 10 Jahre nach meinem Grundstudium als Fremdsprachenassistentin in England und habe diesen Schritt nie bereut. Ich war an einer Mädchenschule mit Mädchen von 10 bis 17 in der Nähe von Leeds und war im Großen und Ganzen recht gerne dort. Allerdings war das Klientel dort nicht immer einfach. Die Akzeptanz war nicht immer gleich groß und gegeben, zum einen, weil die Mädchen wussten, dass ich noch keine "fertige" Lehrerin bin. Zum anderen haben einige das Fach Deutsch echt gehasst wie die Pest (es war das kleinere Übel zu Französisch...) - und mich dann gleich mit :P Aber mit den meisten Mädchen bin ich sehr gut zrecht gekommen udn hatte sie schnell ins Herz geschlossen :)


    Eigentlich hatte ich eine Mentorin an die Seite gestellt bekommen, also eine Deutschlehrerin, an die ich mich mit allen Fragen wenden konnte. Diese erkrankte aber nach wenigen Monaten schwer und kehrte während meines Aufenthalts auch nicht mehr zurück. Ihre Deutschstunden wurden dann von wechslenden Vertretungslehrern übernommen, was der Atmosphäre nicht besonders gut getan hat. Es wurde dann wesentlich besser, als 2 Referendarinnen zu uns kamen, von denen eine auch Deutsch unterrichtete.


    Was ein wenig problematisch war, war mein Stundenplan. Ich hatte 12 Unterrichtsstunden in der Woche und bin mit unterschiedlichen Lehrern in 12 Lerngruppen gewesen, so dass ich die Mädchen selten gesehen habe. Es sollte halt in so vielen Gruppen wie möglich von mir profitiert werden (das hört sich vielleicht ein wenig doof an, war aber so). In den Stunden habe ich bei den jüngeren Schülerinnen oft mit Kleingruppen gearbeitet. Ich hatte entweder eine Auftrag von der Lehrkraft bekommen oder hatte in vorheriger Absprache etwas vorbereitet. Je nachdem, ob sie Deutsch gern mochten, haben sie gut oder eher weniger mitgearbeitet. Die, die nichts gemacht haben, durften dann auch einige Zeit nicht mit mir arbeiten. Die Lehrerinnen haben es schon so hingestellt, dass es ein Privileg ist, bei mir in einer Kleingruppe zu sitzen und wer das nicht schätzt, muss eben Bucharbeit machen - Pech... Mit den älteren Schülerinnen habe ich oft Einzelarbeit gemacht, was sehr effektiv war, weil die wirklich etwas in Deutsch erreichen wollten (z.B. GCSE).


    So, das ist jetzt ziemlich viel, aber vielleicht hilft es dir ein wenig!? Ich muss mal sehen, ob ich noch meinen Erfahrungsbericht auf dem PC habe. Wenn du magst, könnte ich ihn dir noch schicken, auch wenn es nicht "dein" Land und es schon so lange her ist :)


    Liebe Grüße, Yorkshirebee

    Never try to teach a pig to sing. It wastes your time and it annoys the pig.

  • Hallo YorkshireBee,


    vielen Dank für deine Antwort!


    Dass du längere Zeit keine feste Mentorin hattest, tut mir Leid. Ich mache mir ja auch schon über die Persönlichkeit meines Mentors bzw. meiner Mentorin Sorgen, hoffe aber letztlich, dass alles gut geht.


    Darf ich fragen, wie du deine ersten Stunden begonnen hast?


    Ich habe schon Ideen für spielerische und kreative Vorstellungsrunden, möchte aber auch in den ersten Stunden darlegen, was mir im Unterricht wichtig ist und welche meine Aufgaben sein werden (was dann letztlich wieder vom Lehrer abhängt).


    Liebe Grüße,
    Josh

    • Offizieller Beitrag

    Hallo!


    Auch ich habe hervorragende Erinnerungen an meinen Assistenzjahren.
    Ich habe zwei jahre als Fremdsprachenassistentin an zwei verschiedenen Schulen in Deutschland verbracht. Meine Situation mag eine leicht andere gewesen sein, weil ich selbst schon die Stadt kannte und deswegen die Schule keine "Integrations-" und "Hilfefunktion" hatte.


    Beide Schulen waren in der Erfahrung sehr unterschiedlich und FreundInnen von mir, die zu diesem Zeitpunkt auch eine Fremdsprachenassistenz gemacht haben, haben ebenfalls sehr unterschiedliche Erfahrungen gemacht.


    Offiziell durfte ich keinen "Unterricht" machen sondern nur ergänzen. Keine Aufgaben verteilen, keine Grammatik unterrichten, usw. Es wurde je nach LehrerIn auch betont oder "übersehen".
    In einigen Klassen wurde ich als lebende Kassette "missbraucht" und durfte sozusagen Texte vorlesen und ab und zu mir anhören, dass meine Aussprache zu "pariserisch" sei.


    Ich hab an der einen Schule 3 AGs gemacht. Eine war von den SchülerInnen erwünscht worden: Grammatik und sowas üben. Es war eher ein "wir wiederholen zusammen, was in der Stufe gerade gemacht wird", auch mit netteren Spielen und so. Dann für ältere SchülerInnen etwas ähnliches, aber mit eher kleinen Lektüren.
    und dann eine "Film-AG", wo wir französische Filme im Original mit Untertiteln geguckt haben.


    Die meiste Zeit habe ich mir echt überlegt, was der Sinn meiner Arbeit war. Viele fanden sich in ihrem Zeitplan bedrängt. Jüngere KollegInnen nutzten die Möglichkeit, die Klasse zu teilen, so dass ich jede Woche nur eine Klassenhälfte alleine hatte, mit der ich Aussprache-Übungen zu der jeweiligen Lektion machte. Im Prinzip war so etwas 70% meiner Arbeit.
    Nix mit coolen neuen Konzepten ausprobieren oder Ähnliches.


    Meine beste Freundin war aber zeitgleich an einer Schule mit bilingualem Zweig und hat da viel mehr im Unterricht mitgemacht (auch zum Teil den Unterricht "in Zusammenarbeit mit" der Fachlehrerin vor´bereitet (=alleine) und alleine geschmissen. Die Fachlehrerin war froh, dass sie während der Stunden etwas anderes machen konnte.


    Ich möchte die Erfahrung nicht missen. Schliesslich habe ich danach beschlossen, hier zu bleiben und in diesem Schulsystem zu unterrichten ;)
    Allerdings muss ich jetzt rückwirkend sagen, wo ich jetzt auf der "LehrerInnenseite" bin: wenn jetzt eine Assistentin mir zugewiesen wäre (würde es nicht, aber theoretisch), dann hätte ich ein Prolbem. Ich komme schon jetzt kaum zu meinem Stoff...


    Letztes Jahr hatten wir an meiner Schule eine nette junge Assistentin, die echt gut geholfen hat. Sie hat Deutsch und Spanisch auf Lehramt studiert und war das Jahr davor als Fremdsprachenassistentin in Spanien gewesen.
    Tack, dann durfte sie auch eine Spanisch-AG machen ;)
    Aber sonst hat sie auch mehrere AGs gemacht: Debatting-Club auf Englisch, ab und zu (unregelmässig) einen Film gezeigt, die ENglisch-Profilkurse (Begabtenförderung) bei der Theateraufführung unterstützt,


    Ich würde mir an deiner Stelle auch solche Ideen machen, wie du motivierte / interessierte SchülerInnen an Nachmittagsangebote locken könntest ...


    Wie lange bleibst du?
    Lässt sich zum Beispiel an bestimmten Projekten des Goethe-Instituts oder solche Institutionen teilnehmen? (ähnlich dem Fremdsprachenwettbewerb)
    Was sind deine Interessen? (Könntest du dir eine Theater-AG vorstellen?)
    Welche Schwerpunkte werden an deiner Schule angeboten?
    Mit extra-curricularen Angeboten ist oft auch sehr geholfen, außer natürlich die Schule hat ganz genaue Ideen, wie sie dich einteilt. Aber oft bleiben viele Stunden übrig und viele Wünsche, dass du dir selbst ausdenkst...


    Viel Erfolg,
    Chili

    • Offizieller Beitrag

    Ach so, MentorIn...


    An der ersten Schule habe ich mal zwischendurch vernommen, wer wohl für mich zuständig war. nachdem sie gemerkt hat, dass ich ganz gut zurecht kam, habe ich fast nie wieder Kontakt mit ihr gehabt (sie hatte auch keine Verwendung für mich in ihrem Sprachunterricht).
    An der zweiten Schule gab es feste "Teams" (es war eine Gesamtschule mit Jahrgangsteam-Struktur). Ich wurde einem Jahrgang zugewiesen, mir wurde ein Schlüssel gegeben und das wars nach ein paar Wochen. Ich meine: mein Stundenplan war gemacht, ich musste mit den jeweiligen KollegInnen jeweils abmachen, was zu tun war. Als es irgendwann eine Explosion gab, hat mich zufälligerweise eine andere Kollegin aus dem Team (die keine Sprachlehrerin war) aufgefangen. Sie hat mich in Tränen nachmittags auf dem Hof getroffen und einiges wieder in Lot gebracht. Ich habe die Lerngruppen gewechselt und ab dann lief es besser.
    Meine besten Kontakte in dieser Schule waren ein Politiklehrer und eine Kunstlehrerin aus dem Team. Ich hatte eine gemeinsame Springstunde mit dem einen, mit der anderen haben wir oft einfach so gequatscht.


    Grüße,
    Chili

  • Hej Josh,


    zu deiner Frage nach den ersten Stunden:
    Es tut mir wirklich Leid, aber ich kann mich, weil es ja schon so lange her ist, nicht mehr richtig erinnern... Ich weiß nur noch, dass einige Lerngruppen, die von einer bestimmten Lehrerin unterrichet wurden, ziemlich gut auf mein Kommen vorbereitet waren. Die hatten sich im Vorfeld Fragen überlegt und hatten eine Deutschlandkarte aufgehängt, so dass ich ihnen zeigen konnte, wo ich herkam. Andere (die einer anderen Lehrerin zugeordnet waren) hatten sich nichts überlegt. Ich habe ein bisschen von mir erzählt, Fotos gezeigt etc.
    Die Namen der Mädchen habe ich dann erst nach und nach in den Kleingruppen gelernt - das hat für mich mehr Sinn gemacht, als in 12 Stunden 12 Vorstellungsrunden mit gefühlten 30000 Namen zu machen! :)


    LG, YorkshireBee

    Never try to teach a pig to sing. It wastes your time and it annoys the pig.

  • Hallo


    Danke für eure Anregungen! Ich kenne leider noch nicht die Schule, in der ich eingesetzt werde, lediglich die Stadt. Der Tätigkeitszeitraum beträgt 8 Monate, also fast ein Schuljahr.


    chilipaprika, das mit den AGs finde ich eine tolle Idee! Ich glaube zwar nicht, dass ich dafür Stunden bekomme, aber ich könnte mir gut vorstellen, dies kostenlos anzubieten, sofern dies rechtlich möglich ist. (so eine Möglichkeit muss man einfach nutzen)


    YorkshireBee, ich befürchte auch, dass ich pro Klasse nur eine Stunde haben werde und damit namenstechnisch einiges zu leisten haben werde.
    Danke für deinen Bericht!


    Was ich unbedingt gerne machen würde, ist eine Klassenpartnerschaft, d.h. zwischen einer italienischen und österreichischen Klasse, was mit einem gegenseitigen Besuch vollendet werden soll. Außerdem habe ich fest vor, mit Moodle zu arbeiten, um den Schülern möglichst viel an Zusatzmaterialien anzubieten und die Organisation zu erleichtern.


    Auf alle Fälle bin ich schon sehr gespannt und freue mich riesig!

  • "Auf alle Fälle bin ich schon sehr gespannt und freue mich riesig!"


    Ja, das kannst du auch! Wie ich dich beneide - ich würde so etwas auch sofort nochmal machen!!!


    Ich wünsche dir alles Gute und eine tolle Zeit!


    LG, Yorkshirebee

    Never try to teach a pig to sing. It wastes your time and it annoys the pig.

  • Hallo Josh,


    in welche Stadt kommst du denn? Wie schon Chili erwähnte, sind die Goethe-Institute gute Anlaufstellen. Sie bieten beispielsweise Bibliotheksralleys an, die mit einem Quiz und kleinen Preisen enden, sowie Material für den Zusatzunterricht (http://www.goethe.de/ins/it/lp/lhr/deindex.htm).


    Auch kleinere Exkursionen, z. B. auf den Wochenmarkt, bieten sich an, um den Wortschatz zu erweitern. Evtl. kann man die Schüler auch einmal einer deutschsprachigen Reisegruppe etwas über die Stadt erzählen lassen.


    In Recanati erlebte ich eine Schülergruppe, die Touristen morgens nach dem Hotelfrühstück auf Englisch über ihre berühmtesten Einwohner Beniamino Gigli und Giacomo Leopardi berichtete, sehr nett mit Gesangsbeispielen sowie Gedichtsrezitationen im Original und in englischer Übersetzung.


    In Punta Arenas betreuen Schüler der deutschen Schule eine Pingüinera und freuen sich sehr, wenn sie Besuchern auf Deutsch über ihr Projekt berichten können, das inzwischen über 4.000 Pinguine umfasst (und dafür eine Spende bekommen).


    Im eigenen Interesse solltest du darauf achten, montags oder freitags unterrichtsfrei zu haben, um an Wochenenden auch längere Reisen im Land unternehmen zu können. Falls die Schule das nicht von selbst einplant, solltest du sie darauf hinweisen.

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