Ergebnisse der Hausarbeit zu positiv?

  • Hallo zusammen,


    das Thema meiner Hausarbeit ist ein vorliegendes Konzept zur Rechtschreibförderung. Es handelt sich um Wortlistenarbeit, stammt von Tacke und basiert auf Menzels empirischen Untersuchung hinsichtlich häufiger Fehlerwörter.
    Tacke "verspricht" eine bis zu 23%ige Verbesserung der Rechtschreibleistungen. In seinem Fokus stehen insbesondere die schwachen Schreiber.


    Insgesamt gefiel mir der Ansatz, ich empfand ihn für meine Klasse als sehr brauchbar. Allerdings zweifelte ich anfangs doch stark die mögliche Verbesserung an.
    Das Konzept steht dem modernen regelbasierten Rechtschreibunterricht völlig entgegen: Der Ansatz ist wortbildorientiert und das Verfahren ist eher eine Drill&Kill-Methode mit der behavioristischen Lerntheorie im Hintergrund.


    100 häufige Fehlerwörter wurden im Satzzusammenhang diktiert und die Anzahl der richtigen Wörter wurden ermittelt.
    Anschließend wurden alle Wörter im Satzzusammenhang auf Karteikarten geschrieben.
    Fünf Wochen lang wurden die Wörter täglich 15 Minuten lang von den SuS geübt (die SuS bekamen mehrere Übungsmethoden an die Hand und durften selbst wählen, wie und mit wem sie üben).
    Einmal die Woche wurden jeweils 20 Wörter diktiert, die SuS korrigierten sich gegenseitig.


    Gestern wurde nun das Abschlussdiktat geschrieben. Die Ergebnisse sind extrem gut. Insbesondere bei den schwachen Schreibern.
    Beim Ausgangsdiktat hatte eine Schülerin 38 von 100 Wörten richtig. Beim Enddiktat waren es 90 von 100. Ein Schüler hat eine attestierte Legasthenie, er verbesserte sich immerhin von 34 richtigen Wörtern auf 70 richtige.


    Die stärkeren SuS lieferten fehlerlose Enddiktate ab und bei den mittleren liegt der Durchschnitt bei 95 richtigen Wörtern.


    Hinzu kommt, dass die SuS nun beginnen, Regeln zu suchen. Gestern sprach mich die Klasse darauf an, wann denn ss und ß geschrieben wird. Wir sammelten die Wörter der Wortliste mit diesem Phänomen an der Tafel und ich las sie laut vor.
    Die SuS haben die Regelmäßigkeit selbst benannt und fanden selbstständig weitere Wörter.


    Insgeheim war dies auch mein Grundgedanke: Ich wollte den SuS zunächst ein sicheres Grundgerüst bzw. Wortgerüst an die Hand geben. Ich hoffte, dass sich durch die Beschäftigung damit Fragen ergeben, warum die Wörter denn so geschrieben werden. Und erst ab diesem Punkt wollte ich die Regeln dazu erarbeiten.
    Der Plan ist also aufgegangen.
    Jedoch habe ich die Warnung meines FLs im Ohr: Er wies mich ausdrücklich darauf hin, dass dieses Konzept nicht den zeitgemäßen Vorstellungen entspricht, d.h. mein Fazit soll möglichst ambivalent ausfallen.
    Und hier liegt nun mein Problem: Ich finde nichts Schlechtes daran. Die SuS wollen weiter damit arbeiten, die Wortlisten werden nun weiterhin in Förder-, Ergänzungs- und Arbeitsstunden gelernt. Die Rückmeldung bei den SuS war durchweg positiv, viele lernten sogar zu Hause damit. Und auch die Eltern fanden es gut, denn auch für sie war es einfach, ihr Kind dabei zu unterstützen.
    Insgesamt übertrifft das Ergebnis nun die anfängliche Erwartung. Es übertrifft aber ehrlich gesagt auch meine Erwartung. Irgendwie bin ich etwas verdattert, mit einem so positiven Ausgang hätte ich wirklich nicht gerechnet.
    Ich habe nun ernsthaft die Sorge, dass mein Ergebnis unglaubwürdig wirkt. Mein Plan B ist nun, ein Diktat aus den 100 Wörtern zu stricken und dieses als Ergebnis zu verwenden.
    Hier habe ich jedoch die Sorge, dass meine schwachen Schreiber für sich wieder eine negative Erfahrung machen könnten und somit auch die nun erreichte Motivation in den Keller gehen könnte. Und meine Grundidee war bei diesem Konzept, die Motivation und Lernbereitschaft zu steigern, eine positive Rückmeldung war geplant.
    Wäre es vielleicht möglich, dass ich den schwachen Schreibern im Gegensatz zu den mittleren und stärkeren ein Lückendiktat anbiete, in das sie nur die Lernwörter einsetzen sollen? Und wenn ja, wie könnte ich dies benoten? Die Lernzielüberprüfung soll eine Note für sonstigen Mitarbeit sein, ist es da legitim wenn ich von der Sachnorm abweiche und mich ganz auf die individuelle Norm beziehe?


    Oder soll ich meine Zweifel beiseite legen und das Ergebnis einfach so übernehmen? Als Ambivalenz könnte ich vielleicht anmerken, dass es mit Wortlistenarbeit allein nicht getan ist, sondern dass Regelwissen ergänzt werden muss. Ich frage mich jedoch, ob dies ausreichend als "Negativ-Anmerkung" ist.
    Mit dem FL war abgesprochen, dass auch das Kontrolldiktat aus den einzelnen Wörtern bestehen sollte, er fand das Konzept in sich schlüssig und für meine schwache Lerngruppe angemessen. Und er bestätigte mich auch darin, dass es in dem Zeitraum gar nicht möglich sei, untersuchen zu können, inwieweit das erworbene Können der SuS gefestigt und gesichert sei.
    Und in Anbetracht der knappen Zeit (ich bin in der OBAS) wäre dies erheblich stressfreier.



    Ich bin gerade wirklich etwas ratlos und misstraue meinen eigenen Ergebnissen... ?(

    • Offizieller Beitrag

    Verstehe ich das richtig? Dein Fachleiter sagt, dass diese Methode nicht dem Usus entspricht, und deshalb überlegst du nun , das Ergebnis der Untersuchung so anzupassen, dass die Methode nicht so gut rumkommt, wie sie scheinbar ist?


    kleiner gruener Frosch

  • Zitat

    Jedoch habe ich die Warnung meines FLs im Ohr: Er wies mich ausdrücklich darauf hin, dass dieses Konzept nicht den zeitgemäßen Vorstellungen entspricht, d.h. mein Fazit soll möglichst ambivalent ausfallen.


    Man wird mich ja gleich wieder hauen - aber herzlichen Glückwunsch dafür, dass du offenbar am eigenen Leib erleben durftest, wie unwissenschaftlich und ideologiegeleitet die universitäre Didaktik realitär ist und wie stark sie auf diejenigen im Schulsystem wirkt, die eigentlich die Fachleute sein sollten.


    Das Untersuchungsergebnis einer wissenschaftlichen Hausarbeit im Vorfeld vorgeben - tsktsktsk. Ganz großes NoNo. Aber da man im Studienseminar nicht wissenschaftlich arbeitet sondern in seiner Arbeit nur Wissenschaft spielt und da du über die Examensnote für dein weiteres Berufsleben vom Wohlwollen des Fachleiters abhängig bist, solltest du dich manipulieren lassen und schwer relativierende Passagen in deine Arbeit einbauen.


    Du musst ja nur entsprechende didaktische Phrasen über Behaviorismus, der Lerner als Moderator eigenen Lernens etc. pp. bei der abschließenden Wertung einbauen, über die - natürlich! - als völlig untauglich zu prognostizierenden Langzeitergebnisse fürs Lernen spekulieren, aus dieser Spekulation auf die Untauglichkeit der Methode schließen und so weiter.


    Nele

  • Naja, mein FL kennt meine Lerngruppe und sagte mir, dass dieses Konzept hilfreich für sie sein dürfte.
    Er selbst bevorzugt eine vernünftige Mischung aus alten und neuen Methoden. Er ist wirklich ein Spitzen-Fachleiter und unterrichtet selbst als Klassenlehrer an einer Hauptschule. Wir lernen sehr sehr viel bei ihm, er kritisiert offen die "pädagogische Trendhaftigkeit". Er sagt auch, dass mein Konzept in zehn Jahren wieder als angemessen und tauglich bezeichnet werden könnte.
    Aber: Er bewertet die Arbeit nicht allein. Er sorgte sich, dass eventuell der Zweitkorrektor rumzicken könnte. Von daher solle ich auf Nummer sicher gehen und quasi beiden Seiten gerecht werden.
    Und damit hat er recht, leider. ;(
    Das System ist damit natürlich anzweifelbar, keine Frage. Aber das ist ja wohl auch ein offenes Geheimnis ;)
    Was meint ihr, wie sehr ich mich über die Literatur bezüglich des Themas geärgert habe? Hier wurden doch vorwiegend nur lernstarke Schüler untersucht, lernschwache und unmotivierte Hauptschüler mit schwierigem sozialen Hintergrund wurden da eher nicht berücksichtigt, glaube ich.
    Vielmehr ist es doch so, dass für den Typ A die Rechtschreibleistung bei den ZP kaum Berücksichtigung findet. :nixmitkrieg:
    Aber mir ist es wirklich ein persönliches Anliegen, dass gerade dieser Teilbereich zunehmend gefördert werden sollte. Zumindest möchte ich alles dransetzen, dass meine Schüler anständig lesen und schreiben lernen. Ankreuzen können reicht mir einfach nicht! :P

    • Offizieller Beitrag

    Eventuell wäre es ja auch eine Möglichkeit, dass Du tatsächlich ein Diktat mit den Wörter nschreibst, um aufzuzeigen, dass es mit den Wortlisten nicht getan ist. Und wenn es schon darum geht, modern zu arbeiten, dass ist es doch auch praktikabel, differenziert zu prüfen und den schwächeren Schülern tatsächlich eine vereinfachte Version vorzulegen. Selbst dann ist doch wieder aufgezeigt, dass es mit den Wortlisten nicht getan ist.

  • Ich würde die Ergebnisse auf keinen Fall verfälschen.


    Wenn du schreibst, dass du nicht mit diesem Ergebnis gerechnet hast und deine "Zweifel" vorab deutlich darlegst, ist dass doch auch schon ein Stückchen ambivalent und du zeigst damit auch, dass du die modernen Konzepte durchaus kennst.


    Abgesehen davon würde ich die Lerngruppe besonders betonen ... es kann ja durchaus sein, dass in anderen, stärkeren Lerngruppe ein anderes Konzept erfolgreicher ist.


    Und möglicherweise hast du ja einfach das alte Konzept mit Hilfe von modernen Elementen (Differenzierung, Auswahl der Methode - kooperatives Lernen, sich gegenseitig korrigieren, - lernen wie man lernt) wieder "salonfähig" gemacht.

  • Ich denke, dass was Emma sagt, trifft es genau. Äußere vorab deine Zweifel und dann kannst du dein Ergebnis (für diese EINE Lerngruppe) verwenden ohne es verfälschen zu müssen.
    Würd mich freuen, wenn du, wenn die Arbeit fertig ist, uns das Konzept nochmal genauer erläutern könntest. Es klingt so, als ob das auch was für meine Klasse wäre. (Vor allem mit deinen Ergänzungen zum gegenseitigen Korrigieren und so.)

  • Naja, mein FL kennt meine Lerngruppe und sagte mir, dass dieses Konzept hilfreich für sie sein dürfte.
    Er selbst bevorzugt eine vernünftige Mischung aus alten und neuen Methoden. Er ist wirklich ein Spitzen-Fachleiter und unterrichtet selbst als Klassenlehrer an einer Hauptschule. Wir lernen sehr sehr viel bei ihm, er kritisiert offen die "pädagogische Trendhaftigkeit". Er sagt auch, dass mein Konzept in zehn Jahren wieder als angemessen und tauglich bezeichnet werden könnte.
    Aber: Er bewertet die Arbeit nicht allein. Er sorgte sich, dass eventuell der Zweitkorrektor rumzicken könnte. Von daher solle ich auf Nummer sicher gehen und quasi beiden Seiten gerecht werden.
    Und damit hat er recht, leider. ;(
    Das System ist damit natürlich anzweifelbar, keine Frage. Aber das ist ja wohl auch ein offenes Geheimnis ;)


    Das ist die Unwissenschaftlichkeit der universitären Didaktik, die ich meine. Wen gemauschelt wird, weil die Realität gegen das Dogma verstößt, ist die Dogmatik da. Dann haben wir keine Wissenschaft sondern Theologie.


    Lass dich nicht beirren - wenn die Machthaber Lügengebäude wollen, müssen sie Lügengebäude bekommen. Wichtig ist, dass du deinen wissenschaftlichen Ethos bis in die Festanstellung im Lehrerberuf erhältst und dann aufgrund von Fachwissen und kritischer Selbstschau das tust und glaubst, was richtig ist.


    Nele

  • Hallo,


    vielen Dank für eure Bestärkungen, ich fühle mich jetzt etwas sicherer. Ich denke auch, dass ich kein weiteres Diktat mehr machen werde, sondern dass ich das Konzept einfach so fortsetzen werde. Die schwächeren Schüler lernen weiterhin die alte Liste, die anderen bekommen neues Wortmaterial. Ich werde die Diktate auf Kassette oder auf MP3 sprechen, somit könnten die schnelleren das Überprüfungsdiktat schreiben, wann sie wollen. Die Note dafür ist dann eine Note für sonstige Mitarbeit.
    Zusätzlich werde ich Klassenwörter einführen, also Wörter, die fehlerträchtig in meiner Lerngruppe sind. Allerdings sprengt das den Rahmen meiner Hausarbeit, diese Sachen werde ich dann im Anschluss machen. Allerdings werde ich es in der Hausarbeit erwähnen, sozusagen als Ausblick.
    Schwierig ist immer das knappe Zeitfenster im Unterricht - das meiste werde ich daher in den Förder- und Freiarbeitsstunden machen sowie in der Ergänzungsstunde Deutsch.
    Im Deutschunterricht selbst werde ich dann die die Regelhaftigkeit der Wörter thematisieren, jeweils zur Reihe passend.


    Aber die Sache der Überprüfbarkeit brennt mir noch auf den Nägeln. Richtig interessant wäre es zu schauen, ob die Schüler die Lernwörter auch dann richtig schreiben, wenn sie selbst Texte verfassen, etwa in Aufsätzen etc. Wenn das klappte, dann wüsste ich, dass der Kram gelernt ist. Aber das kriege ich im Rahmen der Hausarbeit auch nicht mehr überprüft.


    Ansonsten, wer noch Interesse am Konzept hat, der kann mal unter diesem link schauen:http://www.schule-bw.de/lehrkr…lrs/Projektunterricht.pdf


    So viel habe ich am Konzept jetzt auch nicht geändert, ich habe es lediglich etwas angepasst bzw. die Stärken und Schwächen meiner Schüler berücksichtigt. Wichtig ist vor allem, dass man alles langsam und mit der Ruhe angeht. Meine Kollegin bspw. hat es mir zuliebe auch in ihrer Klasse getestet. Allerdings waren ihre Schüler beim Anfangsdiktat wesentlich besser als meine. Sie zog somit die Wortliste sehr schnell durch und nicht nur für 20 Minuten am Tag, sondern eher geballt in den Deutschstunden. Bei ihr ist die Verbesserung im Abschlussdiktat wesentlich geringer. Im Gegensatz zu meinen Schülern waren ihre Schüler aber auch schnell gelangweilt von den Wortlisten.
    Bei der anderen Lehrerin hingegen profitierten ebenfalls die ganz schwachen Schreiber vom Konzept. Aber die genauen Ergebnisse liegen mir noch nicht vor. Auf jeden Fall sind wir uns einig, dass das Konzept ab der fünften Klasse unbedingt Bestandteil des Förderunterrichts sein sollte.


    Als Negativpunkte werde ich nun schreiben, dass dieses Konzept nur eine Ergänzung sein kann und nicht als alleinige Methode ausreichend ist. Ich werde schreiben, dass es nur eine positive Ergänzung zur Wörterbucharbeit, zur Schreibkonferenz, zur Reflexion über Sprache etc. pp sein darf. Der strategiebasierte Rechtschreibunterricht kann somit nicht ersetzt werden, sondern das Modell kann lediglich eine erfolgversprechende Grundlage darstellen, ganz schwachen Schreibern eine sichere Basis zu schaffen, auf der ein Regelbewusstsein für Sprache implizit vermittelt weden kann etc. blabla...
    Weiterhin ist es wichtig, das stratgiebasierte Schreiben der SuS zu unterstützen, indem ihnen die Regelhaftigkeit der Sprache nicht nur implizit, sondern auch explizit dargeboten wird... blubb....
    Damit mache ich wohl deutlich genug, dass mein Verfahren lediglich ein Bestandteil eines umfassenden Förderkonzepts sein kann, jedoch nicht für sich alleine stehen sollte.


    Man - ich hoffe ich habe den Mist bald fertig! Es nervt langsam wirklich... :cursing:


    LG


    Edda

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